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Der moderne Knigge

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Bis zum Eintreffen der Postkarte mit der Nachricht von der glücklichen Heimkehr des Freundes schwebe man in einiger Angst, aber nicht wegen seiner.

Mehr noch als im Winter wird im Sommer am hellen Tag ins Theater gegangen. An die Stelle der sogenannten Nachmittagsvorstellungen im Winter tritt im Sommer das

Sommertheater, in welchem das Publikum im gegebenen Moment die Darsteller beneidet, welche bei eintretendem Regen nicht obdachlos sind. Bescheidene Zuschauer finden in diesem Neid mancherlei Anregung zur Kurzweil, welche die Aufführung selbst nicht immer gewährt.

Das Repertoire der Sommertheater (ich sage für Repertoire nicht das jetzt übliche und häufiger gedruckte als gesprochene »Spielplan«, weil das Spiel auf Sommerbühnen meist planlos ist) setzt sich aus älteren Stücken zusammen, so daß häufig genug einzig und allein der Regenschirm gespannt ist. Indem man also von bewährten Stücken in das Sommertheater gelockt wird und dieser Lockung folgt, ist man nicht den Enttäuschungen der Erstaufführungen ausgesetzt, welche den Jammer der Wintersaison bilden. Man gehe also stets mit jener Seelenruhe in die Sommertheater, welche die herrlichen Leistungen der Klassikerverächter am allerwenigsten im Winter finden lassen.

Hat man zufällig einen Geist, welcher darin seine volle Befriedigung findet, daß auf der Bühne Podex, Quetschkartoffel oder Klumpatsch gesagt wird, so bleibe man dem Sommertheater fern, da in den unmodernen Stücken, namentlich in den alten blödsinnigen Possen die erwähnten Worte nicht gesprochen werden.

In dem Garten des Sommertheaters trifft man regelmäßig bedeutende und berühmte Choristen ohne Engagement, auf die man sofort zuzustürmen und die man dann anzupumpen hat. Dies ist, wenn nicht das einzige, so doch ein gutes Mittel, nicht von ihnen angepumpt zu werden.

Schauspieler und Schauspielerinnen der Winterbühnen halten sich gleichfalls gern im Garten des Sommertheaters auf, wenn sie nichts schlechteres zu thun wissen. Wenn diese erzählen, wie sie im Winter wieder zurückgesetzt und durch Intriguen von ihrer Höhe herabgestürzt wurden, so sage man ihnen, man wisse dies schon, worauf sie ihre Erzählung von vorne beginnen.

Hat man Grund, sich vom Bier dadurch zu entwöhnen, daß man die Quantität, welche man zu sich nimmt, allmählich verkleinert, so trinke man im Garten des Sommertheaters einen Seidel nach dem anderen, wodurch man mühelos an das aufs innigste zu wünschende Ziel gelangt. Man wird bald die beruhigende Bemerkung machen, daß in den Seideln nur Schaumsäulen auf zierlichen Biersockeln stehen.

Hat man eine, wenn auch nur vorübergehende Braut und will man sie vor seinen Freunden nicht verheimlichen, so besuche man die Sommertheater mit diesem jungen Mädchen.

Macht man im Garten des Sommertheaters die Bekanntschaft einer Witwe, so hüte man sich vor dem Gatten dieser Dame, welcher sich jedenfalls vorstellen wird, wenn man auf dem Heimwege mit ihr eine einsame Gegend passiert.

Da die Zwischenakte in Sommertheatern im Interesse der Büffetpacht oder der Direktion, wenn diese zugleich die Wirtin ist, bedeutend länger als in Wintertheatern sind, so gebe man sich nicht die Mühe, sich zu merken, was man bis zur Pause gesehen hat, da ich dies für unmöglich halte. Einige Zwischenakte sind freilich noch etwas länger als gewöhnlich.

Ist man z. B. neugierig, was aus dem armen Mädchen wird, welches in einem Akt gegen den Landesfeind zog, indem sie erklärte, daß sie gehe und nimmer kehre sie wieder, und findet man sie im nächsten Akt im Dienst bei einem Grafen Rochester, so wird nicht die Jungfrau von Orleans, sondern die Waise von Lowood gegeben. Bemerkt man dann nach dem letzten Zwischenakt, daß die arme Heldin mitten in der Nacht ihren Gatten und ihre Kinder verläßt, so wird weder das eine, noch das andere Stück gegeben, sondern Nora.

Wird man von einer Dame ersucht, sie in ein Sommertheater zu führen, so schlage man ihr des lieben Friedens willen die Bitte nicht ab, ziehe sich aber mit einem Scherz aus der Verlegenheit, indem man sagt: Der Garten ist abends glänzend illuminiert, und man braucht seine Flamme nicht mitzubringen. Man sei überhaupt in Kleinigkeiten nobel.Wer kein Freund von öffentlichen Sommerfesten ist, hat unter sehr vielen die zu wählen, welche er nicht besuchen will.

Solche Feste finden meist zu wohlthätigen Zwecken in zoologischen Gärten, in Ausstellungsparks und großen Vergnügungsetablissements statt und enden mit Feuerwerk und Regen.

Wegen des zu erwartenden Regens nehme man keinen Schirm mit, da dieser, wenn man ihn braucht, bereits aus Versehen und in der Zerstreutheit gestohlen zu sein pflegt.

Nimmt man an solchem Fest in großem Kreise teil, so suche man für die Gesellschaft einen Tisch in der Nähe eines der Orchester zu erobern. Denn hier ist der musikalische Lärm, da es sich gewöhnlich um ein Regimentsmusikkorps handelt, der betäubendste, und man braucht daher nicht fortwährend zu plaudern, was namentlich an heißen Tagen noch ermüdender ist als an kühlen.

Ist eine Rutschbahn etabliert, so mache man etliche Touren, denn es giebt wohl keine größere Freude als bei einer seltenen und originellen Unterhaltung mit dem Leben davonzukommen. Der Vorsicht halber lege man nur eine einzige Rutschbahnfahrt zurück.

Hat man kein Glück im Spiel, so versuche man es an der Würfelbude, woselbst das Glück im Spiel darin besteht, daß man es nicht hat. Wird man aber vom Unglück schnöde im Stich gelassen und gewinnt einen Gummibaum oder eine Gipsbüste des Präsidenten der vereinigten Staaten von Nordamerika, so betrachte man dies als einen Fingerzeig des Schicksals, die Götter nicht ferner zu versuchen, dränge den Gewinn einem ärmeren Zuschauer auf und verlasse entrüstet das Spiel, aber so schnell, daß man von der erwähnten Gipsfigur nicht mehr erreicht werden kann.

Bricht der Regen plötzlich los, so biete man den Arm einer Dame, welche einen Schirm hat. Es ziemt dem Mann, galant zu sein. Hat man aber selbst einen Schirm, so belästige man die Dame nicht.

Bleibt trockenes Wetter, so biete man den Arm keiner Dame, besonders wenn man einen Schirm hat. Denn die Dame will nach Hause begleitet sein und pflegt ungemein weit entfernt zu wohnen. Damen, welche man von einem Gartenfest nach Hause begleiten muß, wohnen merkwürdiger Weise immer ungemein weit entfernt, besonders wenn sie das Gegenteil behaupten.

Naht ein Festzug, welcher, wie es angekündigt war, an Pracht der Kostüme alles bisher Dagewesene in den Schatten drängen wird, so erwarte man garnichts, und man wird sehr angenehm enttäuscht sein. Selbstverständlich ist der Schatten, in welchen alles bisher Dagewesene gedrängt wird, garnicht vorhanden.

Anwesende ältere Damen der Verwandtschaft, von der Großmutter aufwärts, ehre man dadurch passend, daß man sie veranlaßt, wegen der Hitze auf ihren Plätzen zu bleiben und sich nicht durch den Garten führen zu lassen. Herrscht die Hitze nicht, so bediene man sich an ihrer Stelle einer anderen Kalamität: des Staubes, des Gedränges oder des drohenden Regens.

Trifft man eine Dame, welche man bis vor kurzer Zeit brünett kannte, mit blondgefärbtem Haar, so erkenne man sie, wenn dies irgend möglich ist, sofort wieder und sage ihr nicht, daß sie eine eitle Närrin sei und sich lächerlich mache. Man sage überhaupt nichts, was ganz selbstverständlich ist oder nichts nützt.

Wird man aber von einem Mann begrüßt, der sich gefärbt hat, so erkenne man ihn nicht, besonders dann, wenn man ihn deutlich erkennt, und erkläre ihm, indem er seinen Namen nennt, daß er ein anderer sei, denn der, den man kenne, sei kein Narr. Man nehme sich aber in Acht, einem Bekannten, der graues Haar hat, auf den Kopf zuzusagen, er habe es sich grau färben lassen, denn graues Haar ist immer echt.

Beginnt Feuerwerk nicht gleichzeitig mit dem Platzregen, so kann es eine schöne Augenweide werden, wenn man die Augen an den nächtlichen Himmel richtet und geduldig wartet, bis die Rakete heraufkommt. Was sich unten an Feuertöpfen und ähnlichem pyrotechnischen Geschirr bewundern läßt, lasse man ruhig geschehen, da man gewöhnlich ungünstig placiert ist und sich mit dem allgemeinen Ah! begnügen muß.

Bleibt der Platzregen während des Feuerwerks ganz fort, so lege man dies nicht dem Pyrotechniker oder gar dem Festcomité zur Last, da er durchaus nicht zum Programm gehört. Gerechter verfährt man, wenn man das Ganze für einen glücklichen Zufall erklärt, der sich vielleicht während des ganzen Sommers nicht wiederholt.

Mißglückt eine Nummer und amüsiert man sich darüber ganz besonders gut, so verlange man sie nicht da capo, sondern bedaure lieber, wenn die nächstfolgende gelingt und dadurch der Schadenfreude des geehrten Publikums Abbruch thut.

Bekommt man im Gedränge einen Fußtritt, so sieht man sich genau den Herrn an, von dem man den Tritt bekommen hat. Macht er den Eindruck eines starken Mannes, der eine Erniedrigung darin erblicken würde, um Verzeihung zu bitten, so sage man nichts, sondern denke ziemlich rücksichtslos und aufgebracht, ohne die Gedanken auf die Wagschale zu legen. Ist aber der Tretende eine bescheidene, liebenswürdige Erscheinung und sucht er nach Worten der Entschuldigung, so setze man ihn mit scharfen Redensarten zurecht, erkläre sein Benehmen für unqualifizierbar und wünsche sich Glück, daß man sich so, wie es geschieht, zu beherrschen vermag.

Hat der Feuerwerker die Schlußnummer »Das Bombardement von Sebastopol« genannt, so finde man sich darein. Allerdings könnte sie auch »Die Seeschlacht bei Helgoland« oder »Liebeständelei« oder »Der Brand von Moskau« heißen, aber auch jeder dieser Namen wäre höchst unpassend. Selbst wenn die Nummer »Die letzten Augenblicke Richard des Dritten« hieße, würde sie vielleicht richtiger »Also spricht Zaratustra« oder »Waterloo« oder »Götterdämmerung« betitelt sein.

Hat sich eine Dame, um besser sehen zu können, auf einen Stuhl gestellt, so halte man sie, wenn man nicht ihr Gatte oder Bruder ist, nicht an den Füßen fest, damit sie nicht herunterfalle. Es giebt Gatten und Brüder, welche dergleichen gern selbst thun, wenn es nötig erscheint.

 

Verehrt man aber in der auf dem Stuhl stehenden Dame seine Gattin oder Schwester, so sei man nicht besorgt, daß sie abstürze, und bekümmere sich um ihre Füße nicht. Man bekunde die Sorgfalt in anderer Weise, etwa dadurch, daß man der Dame ein Butterbrot oder ein Glas Bier oder Wein hinaufreicht. Dies wird wohl auch dankbarer anerkannt, als das in den meisten Fällen ganz überflüssige Festhalten der Füße.

Während des Feuerwerks pflegt der übrige Teil des Parks um so dunkler zu sein, da die Verwaltung die Verfinsterung nicht unbenutzt läßt, um den Aktionären den beruhigenden Beweis zu liefern, daß sie sparsam sei. Diese Sparsamkeit wird dadurch in das richtige Licht gerückt. Der Teil des Parks, in welchem dies geschieht, wird gern von Pärchen ausgesucht, welche fürchten, die Zuschauer des Feuerwerks zu stören. Da dies die Folge hat, daß der dunkle Teil des Parks ungemein stark frequentiert wird, so suche man ihn nicht am Arm einer Freundin auf, wenn man auf diesem Abstecher nicht erkannt sein will. Auch findet man die Bänke und Stühle bereits besetzt und würde dadurch zum Promenieren gezwungen, was in der Dunkelheit mit Gefahren verknüpft ist.

Die Zeit der Kiebitz-Eier zeichnet sich durch bedauerliche Kürze aus, und wenn sie auch eigentlich nicht dem Sommer angehört, so darf sie doch hier eher, als in einer anderen Jahreszeit mit Interesse betrachtet werden. Sie empfiehlt sich wegen ihres raschen Vorübereilens besonderer Sorgfalt. Man nehme also eine Einladung zum Kiebitz-Eier-Essen schon deshalb an, weil dies wegen der teuren Kiebitz-Eier-Preise vorteilhafter ist, als selbst dazu einzuladen.

In der ersten Woche ist das Kiebitz-Ei meist unerschwinglich teuer. Man hasse deshalb den genannten Vogel nicht, er kann nichts dafür und hat auch nichts davon. Bekommt man nun in den Tagen der größten Teuerung eine Einladung, so nehme man sie ohne Rücksicht auf das Vermögen des Einladenden an, indem man sich sagt, daß man demselben eine große Ehre erweise. Es ist dies eine schöne Beruhigung für einen Gast, der gerne Kiebitz-Eier ißt, sie aber nicht gerne selbst bezahlt. Man greife auch zu und sei überzeugt, daß der höchste Preis an dem guten Geschmack der Kiebitz-Eier nichts ändert.

Hat man so viele Eier gegessen, daß man nicht mehr essen kann, so nehme man das Wort, um auseinander zu setzen, daß man das Kiebitz-Ei für ein Vorurteil halte und ein gewöhnliches frisches Hühner-Ei dem kostspieligsten Kiebitz-Ei vorziehe. Es kann dies zwar dem Wirt keine Freude machen, aber auch dem Redner nicht schaden, da eben wegen der Kürze der Kiebitz-Eier-Blüte eine zweite Einladung überhaupt nicht erfolgen würde.

Man vergesse nicht, das Kiebitz-Ei in die Innenfläche der linken Hand zu stellen und es dann mit der rechten Hand breitzuschlagen. Man weiß natürlich nicht, weshalb. Hierauf schneide man die harte Spitze des Kiebitz-Eies fort, ohne ebenfalls den Grund zu wissen. Aber für die Umgebung ist es belehrend und wirkt respekteinflößend.

Nur wenn man links ist und das Kiebitz-Ei in die Innenfläche der rechten Hand stellt und es dann mit der linken Hand breitschlägt und köpft, weiß man, warum dies geschieht. Weil man eben links ist.

Zu den Vergnügungen des Sommers gehört auch das Krebsessen.

Auch dies gewährt dem Gast eine reinere Freude als dem Wirt. Wer zu einem Krebsessen eingeladen ist, nehme die Einladung freundlich dankend an und sei überzeugt, daß der Wirt alles thun wird, größere Krebse anzuschaffen, als an der Wiege vorgesungen zu werden pflegen.

Man mache dem Wirt die Freude, ihm zu sagen, daß man den großen Krebs nicht höher als den kleineren schätze. Dies beruhigt den Wirt derart, daß man nun ganz ungestört ausschließlich nach den größten Krebsen langen kann.

Die Methode, nach der man dem Krebs den Panzer löst, die Scheren und den Schwanz entpanzert, jedes Bein gründlich leert und in anderer Weise das liebe Krustentier nützlich plündert, gebe man auch dann nicht auf, wenn man die Krebse nicht selbst bezahlt. Man muß sich so weit überwinden können, zu zeigen, daß man mit fremden Krebsen ebenso gewissenhaft zu Werke geht, wie mit eigenen.

Ist man Krebsschnellesser, so sorge man dafür, daß der Teller, auf den man die sterblichen Überreste der Krebse legt, häufig geleert wird, da der Anblick großer Restehaufen die anderen Gäste beunruhigt, wenn ihnen ein Überblick über die noch vorhandenen Krebse fehlt. Denn das Bewußtsein, daß sich unter den Gästen ein Schnell-, Massen- oder Konzertesser befindet, mit welchem Schritt zu halten schwer ist, erschreckt die Tafelrunde und beeinträchtigt die zum Krebsessen wichtige Laune.

Erwischt man durch eigene Schuld einen Krebs, welcher sich nur einer einzigen nennenswerten Schere erfreut, so schelte man nicht gleich über einen Krebsschaden, da dieser Witz bereits ziemlich verbraucht ist. Es genügt, wenn man dem Wirt nicht wohl ist, zu sagen, wenn der letzte Krebs verschwunden, das Krebsessen sei eigentlich eine ermüdende Arbeit, für welche man bezahlt werden müßte. Man setze hinzu, der Wirt sei ein Arbeitgeber, der die Kraft der Arbeiter ausbeute. Auf eine Antwort nicht vorbereitet, muß der Wirt lächelnd schweigen.

Da der Krebs auf verschiedene Art gekocht wird, so versäume man nie, auf Kosten der gewählten eine andere Art zu loben. Vielleicht wird dadurch der Ehrgeiz des Wirtes gereizt, und er wiederholt das Krebsessen mit der anderen Zubereitungsart. Man kann allerdings das Unglück haben, daß der Wirt nicht ehrgeizig ist. Dann sei man dadurch getröstet, daß man seine Pflicht erfüllt hat.

Weist das Krebsessen, denn unter der Sonne ist nichts vollkommen, einige Mängel auf, so warte man ruhig das ab, was nach dem Krebsessen serviert wird. Vielleicht plädiert es für Annahme mildernder Umstände. Man sei immer ein milddenkender Gast, der nicht vergißt, daß der Wirt doch vom besten Willen beseelt war. Oft kann noch eine gute Cigarre wieder gutmachen, was der Nachtisch zu tadeln gab, und es ist schön, auch dann alles zu verzeihen, wenn man nicht alles versteht.

Hat man nicht die nötige Krankheit, die nötige Zeit und das nötige Geld, eine Reise zur Karlsbader Kur zu unternehmen, so gebrauche man die

Kur in der Stadt, die man bewohnt. Es wird sich immer ein Arzt finden, der nicht vor allen seinen Patienten Ruhe haben will, sondern den einen oder den andern veranlaßt, das Karlsbader Wasser, anstatt heiß an der Quelle, kalt oder gewärmt daheim zu trinken. Es hilft dies bisweilen ebensowenig.

Man benimmt sich in solchem Fall genau, als wäre man zur Kur in Karlsbad, indem man sich nicht an die Anordnungen des Arztes kehrt und Diätfehler begeht. Nur auf dem Gebiet des Trinkgeldgebens lebt man mäßiger. Auch sind der Kaffee und das Gebäck nicht so gut. Aber das Trinken ist bedeutend gesünder, weil es ohne Musik vorgenommen werden kann, nachdem der vorgeschriebene Brunnen aus der Apotheke oder der Mineralwasserhandlung eingetroffen ist.

Genau wie in Karlsbad beginnt man nach dem Wassertrunk zu laufen und sich zu ärgern, daß man erst nach längerem Spazieren frühstücken darf. Hierbei schadet es der Gesundheit nicht, daß man dies thut, ohne irgend eine Kurtaxe zu bezahlen. Trifft man aber unterwegs einen guten Freund, so ist anzunehmen, daß man auch nicht um einige alte Anekdoten kommt, wie man sie in dem böhmischen Wunderkurort zu hören pflegt.Wer beim Promenieren ungern auf den Anblick polnischer Juden verzichtet, wird allerdings während des heimatlichen Kurgebrauchs trostlos sein, denn sie sind künstlich nicht zu beschaffen. Sehr reiche Leute könnten sich allerdings den Luxus leisten, gewandte Schauspieler als polnische Juden verkleidet so auftreten zu lassen, daß sie ihnen begegnen, aber es wäre dies doch unnütz, denn es ist keinenfalls das Wahre. Die polnischen Juden müssen echt sein oder sie müssen garnicht sein. Das: Sint, ut sunt, aut non sint gilt nicht nur von den Jesuiten, sondern auch von den polnischen Juden.

Vermißt man auch ungern berühmte Badegäste auf der Promenade, so lege man ein Album von Photographieen bekannter Persönlichkeiten der Neuzeit an und sehe es durch, wenn man von der Promenade zum Frühstück nach Hause kommt. Man hat hierbei den Vorteil, daß die photographierte Berühmtheit immer besser aussieht als deren Original und man deshalb niemals schwer enttäuscht wird.

Trinkt man den Karlsbader, Marienbader oder anderen Brunnen aus der Flasche gleich nach dem Aufstehen oder noch im Bette, so wird man natürlich mancherlei schwer vermissen, was dem verwöhnten Karls- und Marienbader Kurgast oft so sehr kränkt und ihm missenswert erscheint. Indes gewöhnt man sich, wenn man ziemlich vernünftig ist, leicht an die fehlende Morgenmusik oder man ersetzt sie ganz kostenlos dadurch, daß man die Fenster öffnet und den Lärm der Pferdebahnen und anderer Verkehrsmittel in die Stube dringen läßt. Auch wird wohl in irgend einer Nähe schon in der Frühe Klavier geübt. Indes wird man auf jede Musik gern verzichten, wenn man sich sagt, daß selbst das teuerste Wasser durch Musik nicht in etwas verwandelt wird, was schlechter schmeckt.

Man gewöhnt sich auch leicht daran, daß man beim Brunnentrinken im Hause keine Blumen bereit zu halten braucht oder, wenn man eine Dame ist, Blumen anzunehmen und sie so lange mit sich herumzutragen hat, bis man sie unbemerkt wegwerfen kann. Hält man es aber für wichtig, daß man als Kranker Blumen spendet, so bestelle man einigemal aus einer Blumenhandlung etliche Bouquets und verschenke sie, wenn man das Haus verläßt. Schon bei der ersten Überreichung der Rechnung wird man auf fernere Bouquets mit einem gewissen Vergnügen verzichten.

Trinkt man den Brunnen außerhalb des Hauses, etwa in einem Garten, in welchem auch vorschriftgemäß nach dem Wassergenuß auf- und abgegangen wird, so bilde man sich trotzdem noch immer nicht ein, daß man ein Kurgast sei, der sich Kurwidrigkeiten zu schulden kommen lassen dürfe. Dergleichen kann sich nur der wirkliche Kurgast erlauben.

Dagegen halte man still, wenn ein anderer Brunnentrinker seine Leiden schildert, auch wenn dies in möglichst appetitlicher Weise geschieht, was ja in einem wirklichen Kurort nicht zu geschehen pflegt. Diese Schilderung der intimsten Geschehnisse, welche so fördernd auf das Unberührtbleiben des Frühstücks wirkt, sind wohl imstande, dem Zuhörer den ganzen Zauber eines Weltbadeorts zu erschließen.

Trifft man beim Promenieren einen Freund oder Bekannten, der Geschmack genug hat, nicht von dem körperlichen Zustand zu erzählen, der ihn zwinge, in aller Frühe Wasser zu trinken, so traue man seinen Ohren nicht. Kann man nach einer neuen Prüfung seinen Ohren trauen, so halte man den Freund oder Bekannten für die ganze Dauer der Kur fest, da er ein seltener Mensch ist, der in Badeörtern noch bedeutend seltener ist.

Man verliebe sich nicht, wie dies in Kurorten zu geschehen pflegt. Denn dergleichen eignet sich eben für Kurorte besser als für irgend einen Platz, wo man der Gesundheit oder der Wiederherstellung lebt. Hat man sich aber unvorsichtigerweise verliebt, so spreche man mit dem Arzt darüber, um zu erfahren, ob dies nicht vielleicht als eine Verschlimmerung des körperlichen Leidens zu betrachten sei.

Hat der Arzt Getränke, die man mit Vorliebe genießt, für die Dauer der Kur und vier Wochen darüber strenge verboten, so achte man dies Verbot, verrate es aber den Freunden in der Stadt, da man von diesen dann verführt werden wird, gerade die verbotenen Getränke zu genießen. Man hat alsdann einen Vorwand, das Verbot zu verletzen und macht den Freunden ein Vergnügen, wodurch man in den Besitz eines zweiten und gewiß edleren Vorwands gelangt ist.

Hat man sich so weit vergessen, daß man während der Kur bis zum frühen Morgen mit guten Freunden wach blieb, so beeile man sich, früh genug nach Hause zu kommen, um nicht gleichzeitig mit dem weckenden Diener an der Thür des Schlafzimmers einzutreffen. Dem Diener sage man dann, daß man heute früher als gewöhnlich das Wasser getrunken habe, sich wieder niederlegen und noch einige Stunden schlafen wolle. Sagt hierauf der Diener nichts, so weiß er alles, und thut er, als wenn er irgend etwas sagen wolle, so weiß er gleichfalls alles.

Das späte oder richtiger frühe Heimkehren ist im Sommer nur deshalb sehr fatal, weil dann schon in den ersten Morgenstunden das freundliche Dunkel fehlt. Namentlich ist es schwer, die Haltung zu bewahren, wenn man von den Männern und Frauen gesehen wird, welche der Beruf bei tagschlafender Zeit auf die Straße nötigt. Hierher gehören die Droschkenkutscher, die Brot- und Zeitungsträger, die Schutzmänner und ähnliche wackere Leute. Der von der Arbeit heimkehrende Einbrecher sei hier nur erwähnt, weil man von ihm vielleicht mit einem dankbaren Blick betrachtet wird, der sich dadurch erklärt, daß er die Menschen wohlwollend auszeichnet, welche nachts nicht zu Hause zu sein pflegen. So stört er sie nicht, und er wird nicht von ihnen gestört. Man sehe sich einen solchen Mann aber genau an. Vielleicht kommt er gerade aus der Wohnung, die man jetzt aufsucht und ausgeplündert findet.

 

Man unterlasse es nicht, während des Sommers in den Wirtshäusern, welche man, wenn es schon Tag geworden, verläßt, ein Handtuch zu deponieren. Dies hängt man über den Arm oder nimmt es zusammengerollt in die Hand, um auf dem Nachhauseweg als zum Baden Gehender zu gelten. Sollte aber jemand bei diesem Anblick lachen, so kennt er den allgemein bekannten Tric bereits.

Man verzögere die Frühheimkehr nicht dadurch, daß man noch die Morgenblätter abwartet. Denn um diese Stunde bedarf man keiner künstlichen Mittel, um einzuschlafen, und die nach Schluß der Redaktion eingetroffenen Telegramme pflegen meist ebenso unwichtig zu sein, wie die vorher eingetroffenen.

Man setze sich nicht auf eine Bank im Tiergarten, um sich an dem köstlichen Frühgesang der lieben Vögel zu erquicken, denn gewöhnlich hat man bei solchen Gelegenheiten eine goldene Uhr bei sich, bis man beim Erwachen entdeckt, daß man gefleddert worden ist. Das gegen das Leichenfleddern vielfach empfohlene Mittel, bei der Heimkehr eine Weckuhr mitzuführen, falls man einen großen Park passiert, hat sich nur insofern bewährt, als der Leichenfledderer auch die Weckuhr mitnahm.

Kommt auf solchem Heimweg ein Herr mit schwerem Knotenstock und Ballonmütze hinter einem Busch hervorgesprungen, so sei man ganz ruhig und frage ihn, was die Uhr sei. Antwortet er mit einem Hieb, so sei man schon fort, denn der Schutzmann kann nicht überall sein.

Wird man in aller Frühe von einer Dame um Schutz gegen einen Mädchenjäger gebeten, so bitte man diesen Verfolger um Schutz gegen die Dame. Es ist dies wohl das einzige Mittel, mit blauem Auge davonzukommen. Für das blaue Auge läßt man natürlich Portemonnaie und Uhr in den Händen des vermeintlichen Mädchenjägers zurück, während die Dame sich mit einem einfachen Siegelring begnügt.

Ist man das Opfer einer solchen Komödie geworden und wünscht man außerdem in unbezwinglichem Ehrgeiz einen Lacherfolg, so erzähle man den Freunden, was passiert ist und sorge für Veröffentlichung dieses Vorfalls in den Tagesblättern als Beweis für die Unsicherheit in der nächsten Umgebung der Stadt. Natürlich hört man von keinem Freunde, daß nur einem ganz dummen Kerl dergleichen passieren könne und auch, daß Dummheit eine Gottesgabe sei, für welche man nicht genug dankbar sein könne, aber man merkt doch bald an gewissen Neckereien, daß man sich einmal wieder sehr beliebt gemacht habe. Addiert man dann den Inhalt des Portemonnaies und den Wert der Uhr und des Siegelrings, so spielt diese Summe eigentlich keine Rolle gegenüber dem Vergnügen, welches man seinen lieben Freunden gemacht hat.

Ist man gefleddert oder in der geschilderten originellen Weise beraubt, so bemühe man den auf den Hilferuf herbeieilenden Schutzmann nur dann, wenn Fledderer oder Parkräuber von diesem Beamten noch erreicht werden kann. Im anderen Fall behellige man den Beamten oder die Behörde nicht mit dem Vorgefallenen, da man nur dadurch Plackereien aller Art, als da sind: Besuche in Polizeibureaus, Konfrontationen der eingezogenen Verdächtigen, Durchsehen des Verbrecheralbums und ähnlichen zeitraubenden Geschäften auszuweichen vermag. Dagegen darf man überzeugt sein, daß man Portemonnaie, Uhr und Siegelring nicht wiederbekommt. Indem man also nicht noch viele kostbaren Stunden dazu opfert, verringert man dann den Ärger über den Verlust um ein Erkleckliches. Dies werden alle loben, namentlich die Polizeibeamten, welche sich freuen, nicht fortwährend an die Unthaten der Verbrecher erinnert zu werden.

Kommt man trotzdem wieder in den Besitz des Geraubten, so lese man die Schillersche Ballade: der Ring des Polykrates und suche die Erinnyen zu versöhnen. Wie dies anzustellen sein wird, das wird man wohl selbst am besten wissen. Das Einfachste wäre ja, genau wie Polykrates zu verfahren, aber es ist dies nicht besonders zu empfehlen, weil auf den Fisch kein Verlaß ist, der den Ring in die Küche zurückzuliefern haben würde. Es ist schon vernünftiger, man begnüge sich mit der Wiedererlangung des Gestohlenen und stelle keine weiteren Experimente an, die Götter, die augenscheinlich auf Verderben sinnen, in eine versöhnlichere Stimmung zu versetzen. Das Beste ist schon, man nehme das Geld, das man den Göttern opfern wollte, verzehre es in guten Rotweinen, zu denen man die Freunde einladet, und warte das Weitere ab.

Es bedarf wohl für den vernünftigen Mann nicht unliebsamer Vorfälle, um die Sehnsucht nach dem völligen Ausspannen und Erholen immer frisch zu halten. Zwar heißt es, daß Arbeit das Leben süß mache, aber das Ausspannen und Erholen macht es doch auch nicht bitter.

Um ausspannen und sich erholen zu können, muß man arbeiten. Man arbeite also auch im Sommer. Man kann allerdings auch ausspannen und sich erholen, ohne zu arbeiten, wozu nichts weiter als eine hinreichende Rente nötig ist. Das letztere bleibt vorzuziehen.Ausspannen und sich erholen heißt Nichtsthun. Es geschieht zur Beruhigung der Nerven und zum Sammeln neuer Kräfte, welche man braucht, um die Nerven wieder zu beunruhigen. Wer sich nun schämt, nichts zu thun, und behauptet, er könne nicht Nichts thun, weil das Nichtsthun ihm die größte Arbeit sei, der ist auch sonst ein Heuchler.

Eine Dame weiß nicht, was ausspannen heißt, indem sie in einem Badeort täglich dreimal Toilette macht, um dem Publikum stets neue Kleider und neue Hüte zu zeigen. Sie wird dann allgemein bedauert, weil sie doch so angestrengt arbeitet und es eigentlich nicht nötig hat.

Die Männer haben viele Formen, in den Ferien nicht auszuspannen und sich nicht zu erholen. Sie suchen den Frauen zu gefallen, spielen Karten, unternehmen große Fußtouren, hören alte Anekdoten an und unterhalten sich über Politik, bis die Ferien zu Ende sind und die Berufsarbeit wieder beginnt, in der sie sich dann langsam von den Anstrengungen der Ferien ausruhen.

Wenn man kein Talent zum Ausspannen und zum Erholen hat, so thut man gut, die Ferien unbenutzt zu lassen, da diese sowohl für den Körper, als auch für die Kasse zu anstrengend sind.

Selbst wenn man noch jung ist, strengt das Verliebtsein in den Ferien zu sehr an, um als Erholung gelten zu können. So schön Schiller diesen Herzenszustand schildert, so ist dieser doch bei näherer Betrachtung nicht von körperlicher und seelischer Anstrengung frei. Des Jünglings Alleinirren, das Hervorbrechen der Thränen und das Fliehen aus der Brüder wilden Reihn, indem er zugleich ihren Spuren folgt und das Schönste auf den Fluren sucht, sind unmöglich mit dem Begriff des Ausspannens zu vereinbaren.Ist man verheiratet, so ist die Frage, ob man in Gesellschaft der Familie oder allein ausspannen soll, nicht so einfach zu beantworten. Es kommt hierbei auf den Grad der Verheiratung an. Ist der Gatte sehr oder gar ungemein verheiratet, so ist es der Ausspannung von Vorteil, wenn der Gatte allein seine Ferien verbringt, wenn er gewissermaßen in stiller Zurückgezogenheit von der Werkeltagsarbeit genesen will oder soll.

Auf manchen Gatten wirkt schon eine leider oft so kurze Trennung von vier Wochen wie ein Wunder, wenn der Gatte in zu reichem Maße verheiratet ist. Schon in der ganz wie neu erscheinenden Zärtlichkeit in den Briefen und auf den bunten Postkarten spricht sich die Wohlthat deutlich aus, welche eine Trennung darstellt, ohne daß die zum Ausdruck kommende Sehnsucht echt zu sein braucht. Sind die beiden Orte telephonisch verbunden und plaudert der Gatte mit seiner Frau mittels dieser herrlichen Erfindung, so wird auch der Fernstehende zugeben müssen, daß sich in diese oft fünf Minuten ununterbrochen währende Unterhaltung kein Mißton drängt, wie er so gern im persönlichen Verkehr ohne eigentlichen Grund und zu beiderseitigem Bedauern oft schon nach ein- oder zweiminutlicher Plauderei zu kommen pflegt.