Licht am Ende vom Filz

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Z serii: Der Weg der Puppen #2
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Ein Fass wird geöffnet

Nun, jedenfalls fehlte mir in der spirituellen Szene so was wie ein diplomatischer Ehrenkodex auf der Astralebene. Da herrschte wilder Westen. Und so kompliziert konnte wirklich auch nur ich sein, darin war ich Weltmeister, statt mich einfach mal morgens an dem Anblick eines prächtigen Mannsbildes zu erfreuen, das neben meinem Bett stand und mich freundlich anschaute! Und so wie Tom da stand, gefiel er mir auch ausgesprochen gut. Ja, ich kam nicht einmal auf die Idee, ihn zu fragen, was er denn bei mir zu suchen hatte und was er denn von mir wollte!

Stattdessen rief ich aufgeregt meine Freundin Sabeth an, die für solche Fälle die Richtige war und bat sie um eine hellsichtige Klärung. Sabeth gab Entwarnung, ich hätte mich mit ihm auf anderen Ebenen getroffen und ich sei ihm nicht zu nahe getreten. Ich war erleichtert. So deutlich hatte ich mich noch nie an das Aussehen eines Mannes erinnert, ja, es war auch kein Erinnern, der stand fast greifbar dreidimensional und lebensgroß vor mir. Das kannte ich noch nicht, und das war mir auch nie wieder so deutlich passiert. Ich versuchte ihn aus meinen Gedanken zu verscheuchen und wieder zur Tagesordnung überzugehen. Aber man versuche einmal, an etwas nicht zu denken! Das war ganz schön schwer, doch ich blieb stur und irgendwann ging es. Trotzdem tauchte die ganze Erscheinung oder zumindest das Gesicht mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder auf. Erst nach einigen Tagen der Übung gelang es mir, ihn fast zu vergessen, und ich war richtig stolz auf mich. Als ich kurz darauf wie schon so oft mit Sanat Kumara ein wenig rum channelte, was ich gerne "plaudern" nannte, sagte der aus heiterem Himmel und garantiert ohne dass ich ihn danach gefragt hätte:

"Tom ist dein Seelenpartner, deine Dualseele. Ihr wart schon oft zusammen und ihr seid füreinander bestimmt."

Andere und wesentlich vernünftigere Menschen als ich oder fortgeschrittenere Seelen wären nun sicher einfach im siebten Himmel geschwebt, aber ich bin da etwas komplizierter. Ich wurde wütend, denn schließlich hatte ich Sanat Kumara nicht danach gefragt! Ich hatte ihn auch ganz bestimmt nicht fragen wollen, um dieses Thema machte ich tunlichst einen großen Bogen. Und nun hatte ich den Salat. Wenn es stimmte, dass dieser Tom mein Seelenpartner war, dann musste ich heulen, weil ich so viel Glück nach all den Scherben in meinem Leben nicht fassen konnte. Und wenn das nicht stimmte, dann würde ich Sanat Kumara nie mehr ein Wort glauben können und verlöre außerdem noch meine schöne Channelbeziehung, mit der ich nie mehr alleine war.

Erst einmal blieb dieser Zwiespalt in mir bestehen. In den folgenden Wochen hatte ich Mühe, das Thema Seelenpartner nicht allzu ausgebreitet in meinem Kopf zu dulden. Und bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch noch keinen blassen Schimmer, was da ganz verdrängt in meinem Psychokeller rumlag. Ich glaubte lange Zeit sogar, jedes Interesse am anderen Geschlecht ganz verloren zu haben! Aber nun hatte sich das Fass geöffnet. Ich merkte nur noch nicht, wie voll dieses Fass war, denn es tröpfelte erst langsam in mein Bewusstsein...

Tom und seine beiden Begleiter hatten uns darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig es für das Verankern der Energie der Göttin auf der Erde sei, an den drei Vollmonden gemeinsam zu meditieren. So wurde ich vage an eine Berufung erinnert, die ich seit Jahren spürte. Ich sehnte mich nach der Göttin und wollte helfen, die Schwingung der Göttin mit anderen zusammen zu verankern. So traf ich mich mit anderen Freiwilligen dienstbeflissen (Gottes-Dienst) am Tag der besonderen Horoskop-Konstellation zum Meditieren. Ich fühlte nun sehr deutlich, das war meine Aufgabe, dazu wurde ich geboren, und es erfüllte mich mit Rührung und Freude, dass es nun endlich möglich sein würde, und auch, dass ausgerechnet ich daran Teil haben durfte. Ich ging mittlerweile davon aus, dass es einen vollkommenen Plan gäbe für diese Schöpfung und dass alle Seelen da eine kleine Aufgabe übernommen hatten, und das war eine konzertierte Aktion, man wurde dazu geführt, Schritt für Schritt, mehr wusste ich damals noch nicht.

Vera, die diese drei Amerikaner ursprünglich auch eingeladen hatte, leitete die Meditation in dem Heilraum ihrer Einweihungs-Schule und holte das Licht der Göttin mit uns zusammen in einem kraftvollen, heiligen Ritual herunter und verankerte die Schwingung in der Erde. Vera war die beste Ritualmeisterin, die ich mir dafür vorstellen konnte und ich war ganz dankbar, dass ich dabei sein konnte. Später erfuhr ich von Vera, dass sie in vielen Leben Hohepriesterin der Göttin gewesen war. Natürlich trafen sich weltweit solche Gruppen von Männern und Frauen, das Ereignis blieb nicht auf die drei amerikanischen Weisen aus dem Abendland beschränkt, welche die Zeichen des Himmels gelesen und verstanden hatten. Tom und die beiden anderen hatten ja nur die Zeichen der Zeit erkannt und reisten nun herum um es uns allen kund zu tun. Nur Weyrauch und Myrrhe für das göttliche, neugeborene Mädchen hatten sie nicht dabei. Sie suchten auch keine stillende Mutter sondern interpretierten die Geburt der Göttin eher als ein kollektives Thema. Aber das nur mal am Rande.

An den folgenden Tagen lief ich lange durch den Botanischen Garten, zerbrach mir den Kopf und wühlte mich durch die vielen intensiven Gefühle hindurch, die immer wieder um Tom und seine Ankündigung kreisten, er wolle im nächsten Jahr wieder nach Berlin kommen. Schließlich entschied ich, erstens Vera meine Hilfe bei der Organisation von Toms Vortrag und Workshop anzubieten und zweitens an Tom selbst in einem Email zu schreiben, dass ich ihn gerne unterstützen wolle, wenn er das nächste Mal in Berlin sei. Dabei hatte ich einige Mühe, seine Emailadresse im Internet zu finden, denn Vera wollte ich nicht fragen. Ich erhielt aber keine Antwort von ihm und so vergaß ich es wieder. Später behauptete er, dass er mir geantwortet habe, aber dieses Email war nie angekommen – oder ich hatte es zwischen all meinen Prozessen aus Versehen gelöscht.

Immerhin motivierte mich nun die Aussicht auf den Seelenpartner, endlich eine schöne und schlanke Frau zu filzen, mein Schönheitsideal, denn ich selbst sehnte mich auch so sehr danach, wieder gut auszusehen, für meinen Seelenpartner und für mich selbst. Und ich hoffte, dass es mir bis zum nächsten Jahr gelänge, ordentlich abzunehmen und freute mich: Nun würde es mit mir und einem Partner doch noch was werden, glückliche Zweisamkeit und so, die Erfüllung meines innigsten Wunsches seit langem – den ich nur zu oft verdrängen musste, und dann handelte es sich bei Tom ja auch noch um meine perfekt passende Dualseele. Mann, musste das toll werden! Mein Herz hüpfte vor Freude.

Die schönen Beine

Mein Blick fiel auf die beiden prächtigen Filzbeine in meinem Korb, an denen ich mich bereits vor Wochen erfolgreich versucht hatte. Wie immer wartete ich auf den nächsten Impuls. Als ich mir gerade wieder begeistert ein Leben mit Seelenpartner ausmalte, nahm ich dabei gedankenverloren die Filzbeine in die Hand und betrachtete sie von allen Seiten. Aber dann kam etwas ganz Unerwartetes und es überraschte mich wirklich sehr.

„Die Göttin ist zurück!“, sagte eine Stimme in mir, die ich neben meinen eigenen Gedanken wahrnehmen konnte. „Ich bin Isis, der weibliche Weg in diesem Universum!“

Mein Körper wurde bei diesen Worten von einem perligen und ziemlich heiligen Sektgefühl durchrieselt. Whow! Ganz so hoch hatte ich mit der Puppe doch nicht hinaus wollen und einen Zusammenhang mit der Konstellation der Geburt der Göttin und den Meditationen hatte ich schon gleich gar nicht hergestellt. Eine Schönheit, ja, davon hatte ich schon geträumt, aber gleich eine Göttin! Und sofort wurde ich unsicher. Diese Schwingung mit Vera in einem Ritual erden oder eine Puppe der Göttin machen, das waren doch zwei Paar Schuhe! In mir kamen erhebliche Zweifel hoch, ob ich das überhaupt konnte, so gut war ich doch gar nicht. Ich fühlte mich viel zu klein und chaotisch für solch einen Auftrag, und noch nicht geläutert genug, und außerdem viel zu unerfahren im Filzen! Aber mein Göttinnen-Gefühl hielt sich, ich war nicht alleine, da gab es eine Kraft in mir, die ich schon immer kannte und der ich schon oft in ganz alten Zeiten im Tempel gedient hatte.

Welch eine Freude, das wieder zu erkennen! Es war so unglaublich berührend und schön, ich fühlte mich vollständig umhüllt von Urvertrauen und mütterlicher und mich bedingungslos annehmender Liebe. Ja, die Göttin war wirklich zurück! Es kam mir so vor, als hätte ich endlich meine ideale Mutter gefunden, von deren Existenz ich immer gewusst, aber die ich irgendwie auf meinem Weg verloren hatte. Nicht, dass ich mit meiner weltlichen Mutter unzufrieden gewesen wäre, die war auch ein Schatz und ich mit ihr in Frieden. Nein, es ging um etwas viel Größeres: Um die Große Mutter!

Im Grunde hätte mir da schon auffallen müssen, dass meine schwarze Schönheit von ihren Fans außer "Lady Africa" auch "Big Mama" genannt worden war, aber ich brauchte noch sehr lange, bis ich darüber stolperte, ich war einfach sehr schwer von Begriff oder ich sah den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Zwischen dem zweiten und dritten Vollmond gebar ich dann nicht nur den Körper der Puppe und damit ein Tor zur Schwingung der Göttin, sondern schaffte auch in mir selbst den Raum für die Qualitäten der Göttin. Und ich geriet dabei in so etwas ähnliches wie psychische Wehen und machte einen extrem heftigen Reinigungsprozess durch, der sich nur schwer beschreiben lässt. Gefühle und Gedanken, Erfahrungen aus diesem und anderen Leben, mein Umgang mit meinem Körper bis hin zu einigen spirituellen Konzepten, die mit Weiblichkeit verbunden waren, liefen durch und mussten verstanden und losgelassen werden.

 

Ich heulte fast täglich mehrere Stunden, war dann aber zwischendurch wieder absolut high und glückselig, mal wurde mein Körper ganz steif, mal schmerzte mein Rücken oder es fühlte sich an wie Muskelkater, obwohl ich mich kaum noch bewegt hatte. Die körperlichen und seelischen Symptome und die Themen in meinen Gedanken wechselten ständig. So konnte ich keine zuverlässigen Verabredungen mehr treffen.

Stundenlang liefen starke Energieströme durch mich hindurch, die mein erschöpfter Körper nur liegend und irgendwie dahin dämmernd bewältigen konnte. Wann immer mein Körper es zuließ, filzte ich an der Puppe weiter. Ich fühlte mich dazu mächtig angetrieben und inspiriert, und das Filzen erwies sich als ideal. Dabei gelang es mir viel besser, den inneren psychischen Cocktail an mir vorbeiziehen zu lassen, ohne daran anzuhaften, sprich es zu bewerten, festzuhalten und vielleicht auch noch in Selbstmitleid zurück zu fallen. Natürlich passierte auch das trotzdem, denn mein Zustand blieb für lange Zeit unkontrollierbar.

Eigentlich hätte ich viel mehr innere Ausgeglichenheit gebraucht, aber genau diese Ruhe fand ich nur noch sehr selten, ich konnte mich kaum konzentrieren. So ließ ich es laufen und vertraute darauf, dass schon alles stimmte, so wie am Anfang, gleich nach meinem Zusammenbruch, ich gab mir Zeit zum Regenerieren und um zu verstehen, aber ehrlich gesagt, ich verstand noch nicht viel davon. Erst im dritten und vierten Jahr danach ging mein Verstehen tiefer und tiefer. Zu der damaligen Zeit sammelte ich vor allem Erfahrungen, Zeugs und Nahrung (Essen) in großen und schlecht verdaulichen Portionen. Und dass ich mich eigentlich schon längst in einen absorbierenden Wiederkäuer verwandelt hatte, der sich eigentlich nach jeder Erfahrung lange genug verdauend auf die Wiese legen sollte, entdeckte ich ja auch erst später mit Sandra, Sugar und Lilly.

Ein Fass voll Zorn

Während die Puppe immer deutlicher Form annahm, merkte ich, dass irgendwie ganz viel Zorn in mir hoch kommen wollte, und zwar auf Männer. Das wirkte auf mich wie eine große, bedrohliche Feuerwand im Anmarsch, und so dachte ich vorsichtshalber über Evakuierung nach. Ich gab allen männlichen Freunden aus meinen Esoterik-Seminaren also bekannt, dass sie die nächste Zeit von Besuchen bitte absehen sollten, denn es gab da ein paar ganz liebe Freunde wie den Dieter, die öfter einfach mal spontan auftauchten. Es schien sie um so mehr zu locken, ich fand Blümchen oder Herzchen auf dem Fensterbrett, aber ich blieb eisern, es war wichtig: Keinen Kontakt, auch wenn ich nicht so ganz genau sagen konnte, warum.

Und dann ging ich wirklich fast täglich in einen solch kraftvollen Zorn, dass ich innerlich bebte, so kannte ich mich noch nicht. Gut, ich war auch früher schon ab und zu sehr wütend gewesen, aber das hier kam von viel tiefer, aus fast vulkanischer Tiefe und es fühlte sich auch so an. Ich baute dann vorsichtshalber um mich herum einen ätherischen Faradayschen Käfig (der echte schützt vor Blitzen). Diese Idee hatte ich jedenfalls, denn da floss eine riesige, zerstörerische Gewalt durch mich hindurch und ich wollte nicht, dass irgend jemand zu Schaden käme, wenn bei mir die Funken sprühten.

Ich ging außerdem zu einer Darmspülung, und auch da steckte ich meine Heilpraktikerin mit deren Einverständnis in einen Lichtschutzanzug. Es war nicht meine erste Sitzung, wir kannten uns schon eine Weile und so gab sie mir wohl einfach Narrenfreiheit. Sie hatte kaum angefangen, als ich auch schon in Zorn ging. Ich tobte bald ganz ungeheuerlich, ja ich schäumte buchstäblich vor Wut.

Meine Heilpraktikerin verharrte in einer stoischen Ruhe, obwohl meine Reaktion überaschend kam und sehr intensiv über uns beide hereinbrach, aber sie vertraute mir auch und ließ mich kommentarlos gewähren. Und nachdem ich ja schon zwei Wochen lang täglich diesen Zorn in Portionen entlüftet hatte, ging ich nun bei ihr außerdem in eine leichte Trance und fand mich endlich wieder in der Situation, die wohl zu meinem gewaltigen Zorn gehörte:

Ich befand mich in einem Tempel der Göttin. Ihr hatte ich Leben um Leben unter vielen Namen gedient, das wusste ich einfach. Und dieser Tempel wurde gerade von einer barbarischen, kriegerischen Männerhorde überrannt und erobert. Alles Heilige wurde dabei von ihnen gestohlen, zerstört oder gebrandschatzt, und alle meine Priesterinnen wurden außerdem brutal vergewaltigt. Als oberste Hohepriesterin stand ich in dieser Szene fassungslos da in einem ohnmächtigen, grenzenlosen und heiligen Zorn. Was wagten sich diese Barbaren! Und ich hatte meine Göttin und mein Allerheiligstes nicht schützen können!

Und bei meiner Heilpraktikerin in dem winzigen Behandlungsraum und in der heutigen Realität schrie und tobte ich nun wie eine Wahnsinnige. Ich schimpfte und wütete und schrie meine Gedanken und Gefühle aus dem Tempel laut durch den Raum. So lange hatte ich sie unterdrückt, nun entwich der Druck mit aller Macht. Vor allem die Ohnmacht der damaligen Situation war schwer zu ertragen, dass ich einfach nichts dagegen tun konnte, rein gar nichts. Ich hatte mein Allerheiligstes nicht vor dieser Tragödie bewahren können!

Ich litt so sehr, dass ich mich entschied, mich etwas aus der Trance zurückzunehmen. Dazu konzentrierte ich mich wieder mehr auf meinen Körper, meine Finger, meine Füße, mein ganzes Körperbewusstsein und milderte so die Erfahrung. Ich verließ den Tempel aber nicht vollstädig, blieb in diesem Gedanken-Gefühls-Cocktail und bebte immer noch unter all diesen Eindrücken, es war einfach so schrecklich, so unglaublich, eigentlich überhaupt nicht beschreibbar!

Wie konnte man mit einem heiligen Ort, mit heiligen Gegenständen und meinen heiligen Priesterinnen so umgehen! Und plötzlich begriff ich, dass es genau dieser Zorn war, der in meiner Emanzenzeit mein Interesse und Engagement für die Gleichberechtigung der Frauen gespeist hatte. Und die alte Emanze in mir dachte:

"Es braucht dreißig Generationen, um aus einem freien, wilden Wolf einen Pudel zu züchten."

Das hatte ich von einem Hundezüchter erfahren.

"Aber mit Vergewaltigung und Abrichtung durch die gleiche Spezies geht es beim Menschen viel schneller!"

Ich ließ mich wieder ganz auf die Trance ein und glitt in den Tempel zurück, mit all diesen schrecklichen Ereignissen, die sich weiter vor meinen Augen abspielten. Ich beobachtete das Entsetzen in den Augen meiner Priesterinnen, hörte sie angstvoll und in Schmerzen schreien und konnte nichts tun. Ich stand da wie versteinert, während ich innerlich fast vor Zorn platzte.

Und bei meiner Heilpraktikerin ließ ich nun endlich diesen Zorn zu und die erstarrten Gefühle frei fließen. Ich tobte und schrie nun schon eine halbe Stunde - und rutschte in eine weitere Erfahrung, denn die Priesterin in ihrer Erstarrung dort im Tempel fiel ebenfalls in eine Trance und glitt in die Zukunft, Jahrhunderte umfassend, wie in einem Zeitraffer. Und ich sah und verstand:

Diese Männer hatten sich meine Priesterinnen, die wie alle Frauen heilige weibliche Gefäße waren, einfach genommen und benutzt und sie würden später ihre gemeinsamen Kinder domestizieren und alle Mädchen ebenfalls nehmen und benutzen, in dem sie von klein auf deren Grenzen nicht respektieren, sie einschüchtern und abhängig halten würden. Und wenn sie die Mädchen nicht missbrauchten, so würden sie diese zumindest psychisch so abrichteten, dass sie ihnen als Haushälterinnen und Sexsklavinnen ein bequemes Leben garantierten.

Und dann begriff ich als Priesterin im Tempel auch, dass die Züchtung braver, folgsamer Frauen nie ganz erfolgreich sein würde, es würden immer auch kraftvolle, freie Frauen geboren, aber wer das alte Freiheits-Gen als Frau erbte, kam als ehrbare Frau nicht in Betracht, sie würde den ebenso domestizierten Männern der folgenden Generationen als Partnerin möglichst ausgeredet. Und gleichzeitig würde ihr die Aufzucht eigener Kinder ohne Mann zumindest ziemlich schwer gemacht. Auch die Männer würden ja nun genetisch leider meist zu Pudeln. Eine Züchtung erfasste immer beide Geschlechter.

Und dann sah diese Priesterin im Tempel in jeder Generation neben all den Pudeln immer wieder ein paar Wölfe durchkommen und die fanden dann genügend Pudel vor, die ihnen ein angenehmes Leben garantierten. Und die meisten wilden Männer mit dem Freiheits-Gen würden man in den kommenden Zeiten als Anführer und Entdecker in die Welt schicken und sie dort verheizen, ebenso wie viele Pudel, nur um die angenehmen Lebensverhältnisse von ein paar Herrschenden zu gewährleisten, und man nannte sie dann tapfere Helden. Und die freien, wilden Frauen würde man "böse" und "Hexen" nennen und im besten Fall an den Rand der Gesellschaft und der Dörfer drängen, aber in einigen Zeiten auch foltern und verbrennen. Ja selbst die Kinder einer stolzen, freien Frau würden, da in der Regel außerehelich, von der Dorfgemeinschaft diskriminiert und verfolgt.

Und die Priesterin sah: So würden sie auch mit der heiligen Mutter Erde selbst und der ganzen heiligen Natur umgehen, genau wie mit den heiligen weiblichen Gefäßen der Göttin: Alle zukünftigen Wolfs- und Pudelgenerationen würden alles und jedes Lebendige einfach nur zur eigenen Bequemlichkeit benutzen und maximal ausbeuten. Nichts und niemand war ihnen mehr heilig! Für wie viele dunkle Jahrhunderte? Ich konnte es nicht mehr sagen, die innere Schau erlosch. Ich stand dort im Tempel und sah dies alles in einer klaren Vision in innerer Hellsicht kommen und ich zerbarst fast vor Schock, Zorn und unendlichem Schmerz.

Und wir alle, die wir überlebten oder danach geboren wurden, fanden keinen Kontakt mehr zur Göttin. Dieser wilden Männerhorde war es mit einem einzigen Kriegszug und der Installation ihrer Herrschaft gelungen, uns unsere spirituelle Grundlage zu entziehen. Auch mein damaliges Ich kam nicht mehr durch zur Göttin, so sehr es sich anstrengte, es fühlte sich nur noch alleine und ausgesetzt auf einem Planeten, der sich in erschreckende Ereignisse stürzen würde. Die Tür zur Göttin hatte sich geschlossen. Dort im Tempel brach sie dann zusammen und weinte bitterlich.