Gestalttherapie mit Gruppen

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Der innere Supervisor

Im vorhergehenden Kapitel habe ich meinen inneren Supervisor, den »Herrn in Blau« vorgestellt. In diesem Fall hatte er meine Aussage als Gruppenleiterin hinterfragt und das Gegenteil in Erwägung gezogen.


Dies ist nur eine der möglichen Funktionen des inneren Supervisors. In diesem Kapitel möchte ich ausführlicher auf die unterschiedlichsten Wirkweisen eines inneren Supervisors eingehen.

Vorab noch etwas zum Herrn in Blau«. Er ist für mich ein Symbol für eine wichtige innere Instanz, für meine Fähigkeit der kritischen Selbstreflexion. Diesen inneren Supervisor erlebe ich als einen inneren Raum, in den ich mich als Gruppenleiter zurückziehen kann, um mehr Gewahrsein und Bewusstheit für das komplexe Gruppengeschehen zu ermöglichen. Hier nehme ich meine assoziativen Bilder, Körperempfindungen, Gefühle und Handlungsimpulse wahr, besinne mich auf meine Erfahrung und mein Wissen, spiele mit Inter-ventionsmöglichkeiten und nehme mir Zeit. Zeit und Raum brauche ich, um kreativ jeden einmaligen Gruppenprozess mitzugestalten. Häufig entstehen in diesem inneren Raum auch Dialoge mit bedeutsamen Menschen aus meinem Leben. Dadurch erhalte ich wichtige und hilfreiche Hinweise für das momentane Gruppengeschehen.

Der Leser könnte sich diesen inneren Supervisor also auch als einen sehr facettenreichen Co-Therapeuten vorstellen, der ihm unterstützend zur Seite steht.

Der angehende Gestaltgruppenleiter braucht noch einen äußeren Supervisor, der ihm diesen Raum außerhalb der Gruppe zur Verfügung stellt. Er wird sich zu Anfang in erster Linie auf die eigenen Erfahrungen als Gruppenmitglied beziehen und sich am Modell seines Gruppenleiters orientieren. Darüber hinaus verfügt er wahrscheinlich über theoretisches Wissen, was Gruppendynamik, Aufgabe des Gruppenleiters und wesentliche Prinzipien der Gestalt betrifft .

Sein innerer Supervisor ist quasi erst ein Schössling, der noch wachsen und reifen wird. Die anfängliche Imitation wird der eigenen spontanen Kreation weichen. Der vorerst internalisierte äußere Supervisor wird zunehmend durch den eigenen inneren Supervisor ersetzt.

Das, was nützlich war, kann vom Vorbild und Supervisor übernommen werden, anderes wird verworfen, neu erfunden und ausprobiert. Dies ist ein lebenslanger Prozess.

Es ist ratsam, auch als erfahrener Gruppenleiter, Supervision in Anspruch zu nehmen. Diese braucht nicht mehr so engmaschig zu sein und kann auch in einem Kreis von erfahrenen Kollegen stattfinden, denn der innere Supervisor kann über weite Strecken die wichtige Funktion der kritischen Selbstreflexion übernehmen.

Wenn es allerdings um blinde Flecken geht (was die Psychoanalyse Gegenübertragung nennt), brauche ich manchmal »Sehende«, um mich aus der Fixierung lösen zu können und wieder in den Kontakt mit mir, mit der Gruppe und einzelnen Gruppenteilnehmern zu gelangen.

Die Kultivierung des inneren Supervisors

Wie kultiviert man nun diesen inneren Supervisor? Was braucht er, um zu wachsen und zu gedeihen? Ich habe oben von kritischer Selbstreflexion geschrieben. Es ist wichtig, hier das richtige Maß zu finden. Letztendlich soll der innere Supervisor ja eine unterstützende, wohlwollende Instanz sein, nicht eine uns feindlich gesonnene. Ist die kritische Selbstreflexion zu harsch, unterminieren wir unser Selbstvertrauen, schüchtern uns selbst ein, paralysieren uns und erzielen eher den gegenteiligen Effekt: eine Lernstörung. Angst ist kein guter Lehrmeister.

Sind wir mit unserer kritischen Selbstreflexion zu lasch, zu selbstgefällig, sind immer die anderen schuld. Wenn die Gruppe schlecht läuft , ist es an der Zeit, sich zu fragen: Wie trage ich als Gruppenleiter selbst dazu bei?

Schon bevor ich in eine neue Gruppe komme, ist mein innerer Supervisor aktiviert. Ich nehme meine eigene Befindlichkeit, Phantasien, Erwartungen und Befürchtungen wahr, hege vage Vermutungen über die Gruppenteilnehmer und bin mit einem flexiblen Plan und Strukturvorschlag ausgestattet (siehe zum Beispiel im vorigen Kapitel: »Wir fangen an«).

Für eine kritische Selbstreflexion brauche ich immer wieder einen inneren Abstand vom Geschehen. Erst dann wird es mir möglich, mich selbstreflexiv ganzheitlich wahrzunehmen, Zeuge des Geschehens zu werden und zu Aussagen auf der Metaebene zu kommen.

Mögliche Fragen, die ich mir zum Beispiel stellen könnte, sind:

• Wie fühle ich mich im Moment in der Gruppe?

• Wie ist mein Atem?

• Was sind meine Körperempfindungen?

• Was habe ich gerade gemacht?

• Welche Wirkung haben einzelne Gruppenmitglieder auf mich?

• Was halte ich zurück?

• Was würde ich jetzt gerne tun?

• Was brauche ich von der Gruppe?

• Fühle ich mich im Kontakt?

• Was ist vorherrschendes Thema?

Darüber hinaus muss ich in der Lage sein, differenziert wahrzunehmen, was in meinem Umfeld passiert, in der Gruppe und in dem Umfeld, in das die Gruppe und ich gemeinsam eingebettet sind.

Erkenntnistheoretisch ist es klar, dass es sich hier nicht um objektive Wahrheiten handeln kann … Alles was ich wahrnehme, ist subjektiv gefärbt und verändert sich durch meine Beobachtung.

Mit diesem Hintergrundwissen lasse ich meine Aufmerksamkeit schweifen. Manches, was in der Gruppe passiert, wird für mich zur Figur und weckt mein Interesse. Anderes erscheint eher nebensächlich und ich entwickele Vermutungen und Phantasien (Projektionen) was die Gruppe als Ganzes, ihre Teilnehmer und die Beziehungen untereinander und zu mir betreffen (siehe hierzu auch das Kapitel «Klärung des Gruppenprozesses«).

Für den Anfänger beim Gestaltgruppenleiten ist es oft schwierig, diesen nötigen inneren Abstand vom Gruppengeschehen zu gewinnen. Durch die Gestaltmethode werden oft intensive Prozesse angestoßen; auch beim Gruppenleiter, wenn er im Kontakt bleibt. Die Ereignisse können sich manchmal überschlagen. Das kann sich dann anfühlen wie beim »Zauberlehrling« von Johann Wolfgang von Goethe:

»Herr, die Not ist groß!

Die ich rief, die Geister

werd ich nun nicht los.«

Wenn der Gruppenleiter sich überwältigt fühlt von den tiefen, emotionalen Prozessen, die er oder andere auslösten, so bekommen das die Gruppenmitglieder genau mit und der Angstpegel in der Gruppe wird steigen. Das kann natürlich auch erfahrenen Gruppenleitern passieren, aber sie haben es schon oft erlebt und geübt, diese Erfahrung zusammen mit der Gruppe zu verarbeiten, um wieder sicheren Boden zu gewinnen.

Der erste Schritt für den Anfänger ist, ein sicheres Gespür dafür zu bekommen, wenn er sich den Ereignissen in der Gruppe nicht mehr gewachsen fühlt, wenn ihm die emotionale Intensität zu viel wird oder er einfach eine Pause braucht. Im Kapitel »Techniken, die aus der Tiefung führen« beschreibe ich einige mögliche Interventionen, um den Ausdruck schwieriger überwältigender Gefühle zu begrenzen und zu dosieren. Dies ist auch zum Schutz der übrigen Gruppenmitglieder besonders zu Beginn einer Gruppe wichtig.

Viele beginnende Gruppenleiter sind sehr aufgeregt und handeln schnell. Wenn ich etwas schnell mache, spüre ich nicht so viel. Meine Aufmerksamkeit richtet sich ausschließlich darauf, so schnell wie möglich fertig zu sein. Dann brauche ich zwar keine Aufregung, Zweifel oder Angst zu spüren, bin aber auch nicht im Kontakt mit der Gruppe. In der Gestaltarbeit geht es schließlich immer um Kontakt und das braucht meist Zeit, sowie Toleranz für Unsicherheit, wie eingangs ausführlich beschrieben. Es ist schon viel gewonnen, diesen Prozess bei sich selbst zu erkennen, ohne sich dafür zu verurteilen.

Zusammen mit dem äußeren oder inneren Supervisor könnte man den Fragen nachgehen, was einem helfen würde, mit dieser Aufregung, den Zweifeln und der Angst anders umzugehen und was man bräuchte, um das anfängliche Tempo etwas zu drosseln.

Hier einige Empfehlungen, die für den Leser vielleicht hilfreich sind, die aber der jeweiligen konkreten Situation entsprechend immer wieder abgewandelt und angepasst werden müssen.

• Ein erster wichtiger Schritt kann schon sein, der Gruppe die Aufregung und Nervosität mitzuteilen und sich genügend Zeit zu lassen, um die Resonanz der Gruppenmitglieder wahrzunehmen. Meist wird es eine positive Resonanz sein. Wenn nicht, dann dient es der Orientierung. Ich habe eine wichtige Information über diese Gruppe, dass sie mir im Moment nicht sehr wohlwollend begegnet und ich gut auf mich aufpassen werde.

• Kleinschrittig vorgehen: Erst mal mit dem großen Zeh das Wasser testen, anstatt gleich ins Tiefe zu springen. Oder Tipptopp spielen: Ich gehe einen kleinen Schritt, ihr geht einen kleinen Schritt, so kommen wir uns langsam näher. In der Gestaltsprache nennen wir es Vorkontakt.

Dazu kann gehören, bewusst den Gruppenraum wahrzunehmen. Ist er groß, hell, bequem und leise genug? Fühle ich mich wohl?

• Viele kleinere Pausen einplanen, in denen sich der Gruppenleiter mit seinem inneren Supervisor zurückziehen kann, Abstand vom Gruppengeschehen gewinnt und die Ereignisse Revue passieren lassen kann.

Die Auswertung des bisherigen Gruppengeschehens

Einer Auswertung des bisherigen Gruppengeschehens können folgende Fragen dienen:

 

• Was ist bisher passiert?

• Wie fühle ich mich?

• Was sind die Themen?

• Gibt es etwas, dass ich jetzt klären oder wissen möchte?

• Wer ist bisher aktiv am Gruppengeschehen beteiligt, wer eher passiv und zurückgezogen?

• Wie ist die Energie in der Gruppe?

• Kommen die meisten Impulse von mir?

• Werde ich in meiner Rolle als Gruppenleiter akzeptiert?

• Zeichnen sich Konflikte ab?

• Beziehen sich die Gruppenmitglieder hauptsächlich auf mich oder auch aufeinander?

• Gibt es irgendjemand, der mir Sorgen macht?

• Gibt es jemanden, der mich stark an jemand anderen erinnert (Gefahr von fixierter Projektion)?

• Was wäre jetzt förderlich für den Gruppenprozess – ein Impuls für die Gruppe als Ganzes, Partnerarbeit, Triaden oder Kleingruppenarbeit oder Einzelarbeiten in der Gruppe oder zwischen Gruppenteilnehmern?

Bei der Beantwortung dieser Fragen kristallisieren sich wichtige Themen und mögliche Impulse heraus, die der Gruppenleiter in die Gruppe geben kann. Dies ist eine Ansammlung möglicher Fragen, die natürlich nicht alle und immer beantwortet werden müssen.

Wenn der Gruppenleiter nach einer Pause keine klare Idee hat, wie es weitergehen könnte, gibt es immer die Möglichkeit, die Gruppe zu fragen.

»Was ist für euch jetzt im Vordergrund? Woran seid ihr interessiert?

Was ist euer Bedürfnis? Was beschäftigt euch?«

So kann er sicher sein, die Kooperation der Gruppe zu gewinnen, auch wenn dies in den Anfangsstadien einer Gruppe oft die Konfluenz fördert und hilft, sich anbahnende Konflikte vorerst zu vermeiden.

Dieses konfluente Stadium im Gruppenprozess ist zu Beginn normal und entspricht dem Sicherheitsbedürfnis der Teilnehmer und des Gruppenleiters. Man versichert sich zuerst der Gemeinsamkeiten und der grundlegenden Akzeptanz. Auf diesem sicheren Boden werden bald auftauchende Unterschiedlichkeiten als weniger bedrohlich für den Einzelnen und die Existenz der Gruppe erlebt (vgl. Kapitel »Klärung des Gruppenprozesses« und »Ich, Du und Wir im Gruppenprozess«).

Zu einem späteren Zeitpunkt im Gruppenleben kann es dann durchaus vorkommen, dass sich die Gruppenmitglieder selbst wünschen, Konflikte zwischen einzelnen Gruppenteilnehmern zu klären.

Die wohl wichtigste Funktion des inneren Supervisors besteht darin, sich immer wieder darauf zu besinnen, im Kontakt mit sich zu bleiben. Da der Gruppenleiter sehr gefordert ist, seine Aufmerksamkeit auf das vielschichtige Gruppengeschehen zu richten, verliert er sich leicht selbst.

Erinnert er sich immer wieder daran, sich in seinen inneren Raum zurückzuziehen, wie oben beschrieben, kann er sich auch wieder klarer seinem Gegenüber nähern. Es handelt sich um eine Pendelbewegung, den natürlichen Rhythmus von Kontakt und Rückzug. An seinem Modell können die Gruppenmitglieder lernen.

Fast eben so wichtig ist die Aufgabe des inneren Supervisors, Ausschau nach meinen Gegenübertragungen zu halten (vgl. Kapitel «Übertragung und Gegenübertragung«).

• Mit welchen Gruppenmitgliedern entstehen festgefahrene Beziehungsmuster, unbefriedigender Kontakt?

• Welchen Anteil habe ich daran?

• Was stört mich am anderen?

• Wie sollte er anders sein?

• Kann ich mal versuchen, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen?

• Wie würde ich mich als mein Gegenüber beschreiben?

• Wie erlebt mein Gegenüber mich als Gruppenleiter?

Durch derartige Perspektivenwechsel kann ich mir als Gruppenleiter oftmals selber helfen, eine andere Qualität in die Beziehungsgestaltung einzubringen.

Manchmal brauche ich meinen inneren Supervisor auch, um mir Mut zu machen, eher unangenehme Themen in der Gruppe anzusprechen oder kritisches Feedback zu geben (vgl. Kapitel «Feedback geben«).

Wenn ich mir unsicher bin, ob und wie ich etwas in der Gruppe anspreche, gibt es die Möglichkeit der Probe-Identifikation (orig.: »trial identification«; Casement 1985: 34 ff.). Ich könnte das erst im Stillen für mich machen und mich zum Beispiel fragen:

»Wie würde es Gisela wohl empfinden, wenn ich sie auf ihre Auseinandersetzung mit Tobias während des letzten Gruppentreffens anspreche? Sie wirkt so zurückgezogen heute. Ob es wohl etwas damit zu tun hat? Oder sollte ich lieber Tobias darauf ansprechen, er schaut immer so verstohlen zu ihr rüber? Vielleicht warte ich lieber noch eine Weile, beide scheinen den Blickkontakt mit mir zu meiden. Wahrscheinlich brauchen sie noch Zeit. Vielleicht spricht sie ja auch ein anderes Gruppenmitglied darauf an. Das wäre besser. Noch scheint es die anderen in der Gruppe nicht zu beeinträchtigen. Ich kann auch noch gut atmen«

Diese Art der versuchsweisen Identifikation mit einem oder mehreren Gruppenmitgliedern verhindert oft eine zu voreilige Intervention, die das eigene Potenzial der Gruppe unterminiert oder sonstwie unpassend sein könnte.

In einem anderen Fall könnte der Gruppenleiter auch laut seine Probe-Identifikation aussprechen, wie zum Beispiel:

»Als ein Mitglied dieser Gruppe wäre ich mir nicht sicher, ob es überhaupt jemandem auffallen würde, wenn ich nicht mehr käme. Ich wüsste nicht, ob mich hier jemand vermissen würde. Bisher hat niemand Gabi erwähnt, die schon seit zwei Treffen nicht mehr dabei ist.«

Gelegentlich schiebt sich auch etwas in den Vordergrund meiner Wahrnehmung, ohne dass ich es sicher zuordnen könnte. Vermutlich hat es etwas mit den Geschehnissen in der Gruppe zu tun.

Fällt es einigen oder auch der ganzen Gruppe schwer, ein wichtiges Anliegen oder Gefühl direkt zu kommunizieren, so kann dies trotzdem durch dessen Auswirkung auf den Gruppenleiter gelingen. Lasse ich mich von meinem inneren Supervisor an dieses Phänomen der indirekten Kommunikation (orig.: »communication by impact«; Casement 1985: 72 ff.) erinnern, kann ich meine Aufmerksamkeit und Phantasie auf das lenken, was gerade nicht gesagt und ausgedrückt wird.

Hierzu ein Beispiel:

In einer Gruppe, die ich als zähflüssig erlebe, bekomme ich zunehmend Magenschmerzen. Da dies für mich sehr selten ist und ich auch nichts Schweres gegessen habe, wende ich mich an die Gruppe:

»Ich sitze hier und habe seit geraumer Zeit Magenschmerzen. Ich frage mich, ob das mit dem zu tun hat, was hier gerade in der Gruppe geschieht. Gibt es denn noch jemanden hier, der auch Magenschmerzen hat?«

In den meisten Fällen wird diese Intervention die Gruppe weiterbringen und einige ermutigen, bisher Zurückgehaltenes einzubringen. Zum Beispiel:

»Ich halte mir schon die ganze Zeit den Magen, ich spüre so eine Unzufriedenheit. Alle sind hier so vorsichtig miteinander und nichts passiert.«

»Ja, das geht mir auch so, aber ich habe Angst, hier etwas zu sagen, vor allem vor dir Tamara. Du guckst mich immer so kritisch an.«

Die Selbstfürsorge des inneren Supervisors

Der innere Supervisor ist auch für meine Selbstfürsorge zuständig. Eine Gestaltgruppe zu leiten ist eine anspruchsvolle Herausforderung, bedarf hoher Konzentration und emotionaler Belastbarkeit und einer guten Mischung von harter Arbeit und kreativem Spiel. Das Leiten einer Gestaltgruppe bringt einen hohen Erwartungsdruck mit sich, wobei nur eines sicher ist: Man wird immer einigen Gruppenteilnehmern nicht gerecht werden und sie enttäuschen.

Neben der kritischen Selbstreflexion brauchen wir auch die Fähigkeit eigener positiver Bestätigung. In diesem Zusammenhang ist es für mich hilfreich, mir meine eigenen Kriterien von persönlichem Wachstum zu vergegenwärtigen, wie zum Beispiel:

• Die Teilnehmer sind mehr im Kontakt mit sich.

• Sie haben gelernt, sich aufeinander zu beziehen.

• Sie können Konflikte austragen.

• Sie können ihre Bedürfnisse artikulieren.

• Sie können sich gegenseitig stützen.

• Sie können sich in ihrer Andersartigkeit wertschätzen.

Die Beantwortung folgender Fragen kann dann der Stärkung des Selbstvertrauens als Gruppenleiter dienen:

• Wer hat in dieser Hinsicht bisher gut profitiert von der Gruppenerfahrung?

• Von welchen bereichernden Entwicklungen und Veränderungen berichten die Teilnehmer?

• Was ist sonst noch gut gelaufen?

Eine wichtige Funktion des inneren Supervisors ist, den Gruppenleiter fürsorglich auf seine Grenzen hinzuweisen und für Auszeiten zu sorgen. Gruppengeschehnisse können einen sehr in ihren Bann ziehen. Ich kann mich an ihnen festbeißen, weil ich unbedingt etwas klären, vermitteln, verändern, verstehen, richtig stellen oder helfen möchte. Bei dieser langen Liste von Vorhaben kommt der Gruppenleiter natürlich unter Druck, verspannt sich und wird leicht atemlos. Wenn eine Pause gerade unangebracht erscheint, so kann ich immerhin aus dem Fenster gucken, um mir eine kurze wohltuende Auszeit zu nehmen.

Der innere Supervisor kann ein Spezialist im Auftanken und Abschalten werden. Im Laufe der vielen Jahre als Gruppenleiterin habe ich diesbezüglich ein reichhaltiges Repertoire entwickelt, von dem ich je nach Stimmung auswählen kann und das ich stetig ergänze. Entscheidend ist, dass ich es auch nutze. Mein innerer Supervisor hält quasi ein Auge auf mich und gibt mir die Erlaubnis dazu. Er hilft mir herauszufinden, was mir genau in der jeweiligen Situation gut täte. So kann es mal ein Mittagschlaf trotz strahlenden Sonnenscheins sein und zu anderen Zeiten ein Spaziergang im Regen.

Auftanken und Selbstfürsorge sind natürlich auch im Alltag eine Notwendigkeit. Der Gestaltgruppenleiter ist ganzheitlich gefordert. Er wird den Gruppenmitgliedern besser zur Verfügung stehen können, wenn er auch ganzheitlich für sich sorgt: auf der geistigen, körperlichen, emotionalen und spirituellen Ebene. Gestalttherapie ist eingebettet in eine umfassende Lebensphilosophie und Erkenntnistheorie.

Zur Selbstfürsorge gehört auch, die Grenzen Ihrer Kompetenz zu erkennen. Der wenig erfahrene Gruppenleiter wird oft über die Grenzen seiner Kompetenz hinaus gefordert. Das ist völlig normal und passiert, wenn auch seltener, ebenso bei erfahreneren Gruppenleitern. Wichtig ist, es sich einzugestehen und dementsprechend verantwortungsvoll zu handeln. An diesen Grenzen kann man Themen für die Supervision erkennen und Inhalte möglicher Weiterbildung durch Eigenstudium oder Teilnahme an entsprechenden Kursen. Auf jeden Fall kann ein Gruppenteilnehmer nach Absprache an einen erfahreneren Kollegen weitervermittelt oder natürlich auch stationär versorgt werden.

Bis an die Grenze unserer Kompetenz hingegen können uns alle Gruppenmitglieder führen. Wenn hier Kontakt stattfindet, lernen wir voneinander, erweitern sich unsere Grenzen. Der Gestaltgruppenleiter wird sich bei jedem Gruppentreffen durch den Austausch und die Wirkung der Begegnungen im Kontakt verändern. Der innere Supervisor ist auch dafür zuständig, Ihr eigenes persönliches Wachstum bewusst zu würdigen und dankbar anzuerkennen, was Sie von den Gruppenteilnehmern gelernt haben.