Falltraining Insolvenzrecht

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9. Einführungsfall

Am 25.8.2021 beantragt Herr Guldrun zur Vollstreckung einer Geldforderung in Höhe von 100 000 EUR die Eintragung einer Zwangshypothek an einem Grundstück der Pellet-GmbH (§§ 866 I, 867 ZPO, § 1184 BGB).[20] Die Hypothek wird am 20.10.2021 eingetragen. Am 7.10.2021 war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden. Hat die Zwangshypothek in der Insolvenz Bestand?

Lösung

Die Hypothek könnte in der Insolvenz aufgrund der sogenannten Rückschlagsperre des § 88 InsO keinen Bestand haben. Demnach wird eine Sicherung, die ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt hat, mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam.

Herr Guldrun hat eine Sicherheit in Gestalt der Zwangshypothek erlangt. Dies geschah auch im Wege der Zwangsvollstreckung. Gemäß §§ 866 I, 867 ZPO erfolgt die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in ein Grundstück durch Eintragung einer Sicherungshypothek. Die Mindesthöhe des § 866 III ZPO von 750 EUR wurde eingehalten.

Dies müsste auch im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag geschehen sein. Entscheidend ist die Eintragung der Zwangshypothek, da der Sicherungsnehmer die Sicherheit erst zu diesem Zeitpunkt „erlangt hat“. Die Eintragung fand am 20.10.2021 statt und damit nach dem Insolvenzantrag.

Die Zwangshypothek ist daher absolut unwirksam. Der Verwalter muss sich nicht auf die Anfechtung berufen und Anfechtungsklage erheben. Dies ist vorteilhaft, denn die Anfechtung würde zwar zum selben Ergebnis führen, wäre aber langwieriger.

Herr Guldrun kann sich auch nicht auf die Gutglaubensvorschriften der §§ 81 II, 91 II InsO berufen, da diese einen Rechtserwerb nach Eröffnung des Verfahrens betreffen. Hier fand der Rechtserwerb jedoch im Eröffnungsverfahren statt.

10. Einführungsfall

Die Pellet-GmbH hatte zwei Wochen vor Eröffnung des Verfahrens einen neuen Gabelstapler für marktgerechte 12 000 EUR gekauft. Sie hatte im Einklang mit dem Kaufvertrag den Gabelstapler sofort erhalten und eine Woche später den Kaufpreis beglichen. Der Insolvenzverwalter möchte den Kauf anfechten. Zu Recht?

Lösung

Für einen Rückgewähranspruch aus Anfechtung gemäß § 143 I 1 InsO müssten die Voraussetzungen der Anfechtung vorliegen. Gemäß § 129 I InsO müsste eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sein und die Insolvenzgläubiger benachteiligt haben. Weiter bedürfte es eines Anfechtungsgrundes nach den §§ 130 ff. InsO.

Es müsste eine Rechtshandlung vorliegen. Das Tatbestandsmerkmal der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Es betrifft jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst.[21] Vorliegend wurde der Insolvenzmasse die Verpflichtung auferlegt, einen Gabelstapler zu bezahlen.

Die Rechtshandlung müsste vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sein. Dem Sachverhalt nach fand der Kauf zwei Wochen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens statt.

Die Rechtshandlung müsste die Gläubiger benachteiligt haben. Eine Benachteiligung der Gläubiger liegt immer dann vor, wenn die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger geschmälert werden.[22] Hier wurden 12 000 EUR aus dem Vermögen der Pellet-GmbH weggeben, so dass eine Benachteiligung der Gläubiger zu bejahen ist.

Es könnte gemäß § 142 I InsO dennoch an der Anfechtbarkeit der Rechtshandlung fehlen, wenn unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen der Pellet-GmbH gelangt wäre. Die Pellet-GmbH hat einen Gabelstapler im Wert von 12 000 EUR und damit eine gleichwertige Gegenleistung erhalten. Auch das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit ist zu bejahen. Eine Woche zeitlicher Differenz zwischen den Rechthandlungen schadet nicht. Zudem musste die Masse nicht in Vorleistung gehen, da zuerst der Gabelstapler geliefert wurde, bevor der Kaufpreis beglichen wurde.

Die Anfechtbarkeit nach § 130 InsO ist daher gemäß § 142 I InsO ausgeschlossen. Für eine Anfechtung der Kaufpreiszahlung nach § 131 InsO ist kein Raum, da die Zahlung im Einklang mit dem Kaufvertrag erfolgt ist.

Exkurs: § 142 InsO gilt nicht bei inkongruenter Deckung

Der BGH beschränkt die Wirkung des Bargeschäftsprivilegs gemäß § 142 I InsO auf die kongruente Deckung und nimmt damit den Anfechtungsgrund des § 131 InsO von dem Bargeschäftsprivileg aus.[23] Bei Inkongruenz fehle es an der für eine Vereinbarung zwischen Schuldner und Anfechtungsgegner über die beiderseits zu erbringenden Leistungen, wie sie § 142 I InsO voraussetzt (Argument: „für die“ in § 142 I InsO setzt Anspruch, d.h. kongruente Deckung voraus).

11. Einführungsfall

Die Tilger AG hat eine Forderung von 75 000 EUR gegen die Pellet-GmbH. Sie weiß, dass die Pellet-GmbH zahlungsunfähig ist. Kurz vor der Eröffnung des Verfahrens kauft die Tilger AG die EDV-Anlage der Pellet-GmbH für marktgerechte 80 000 EUR. Im wenig später eröffneten Verfahren rechnet die Tilger AG gegen die Forderung der Pellet-GmbH auf. Ist die Aufrechnung zulässig?

Lösung

Die Aufrechnung könnte unzulässig sein.

Grundsätzlich wird die Möglichkeit der Aufrechnung durch die Insolvenzordnung nicht beschnitten, § 94 InsO.[24] Dahinter steht die Überlegung, dass ein aufrechnungsberechtigter Gläubiger in seiner Rechtsposition einem gesicherten Gläubiger ähnelt: Vergleichbar einem gesicherten Gläubiger und anders als die ungesicherten Gläubiger muss er den Schuldner nicht überwachen, da er die Forderung des Schuldners im Wege der Aufrechnung zum Erlöschen bringen kann.

Gemäß § 96 I InsO ist die Aufrechnung jedoch für bestimmte Konstellationen ausgeschlossen. Einschlägig könnte hier § 96 I Nr. 3 InsO sein. Demnach ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat.

Gemäß § 94 InsO, der von der bloßen Berechtigung zur Aufrechnung spricht, kommt es darauf an, ob die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Handlung hergestellt wurde. Die Aufrechnungserklärung hingegen ist nicht anfechtbar. Die durch die Aufrechnungserklärung herbeigeführte „Rechtsgestaltung führt nicht zu einer selbstständigen Benachteiligung der Insolvenzgläubiger, wenn die zugrundeliegende Aufrechnungslage materiell- und insolvenzrechtlich wirksam ist“.[25]

Vorliegend hat die Tilger AG die Möglichkeit zur Aufrechnung durch den Erwerb der EDV-Anlage der Pellet-GmbH kurz vor Eröffnung des Verfahrens erworben. Diese Rechtshandlung könnte anfechtbar sein.

Es müssten die Voraussetzungen der Anfechtung vorliegen. Gemäß § 129 I InsO müsste eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sein und die Insolvenzgläubiger benachteiligt haben. Weiter bedürfte es eines Anfechtungsgrundes nach den §§ 130 ff. InsO.

a) Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung: Eine Rechtshandlung vor Verfahrenseröffnung liegt mit dem Ankauf der EDV-Anlage vor.

b) Gläubigerbenachteiligung: Die Rechtshandlung müsste die Gläubiger benachteiligen, § 129 I InsO. Dies wäre der Fall, wenn die Rechtshandlung ohne Hinzutreten weiterer Umstände zu einer Verkürzung des Schuldnervermögens geführt hätte. Die Insolvenzmasse wurde um die EDV-Anlage vermindert. Die Anlage beziehungsweise die Erlöse aus ihrer Verwertung stehen für die Gläubiger der Pellet GmbH nicht mehr zur Verfügung.

Allerdings wurde für die EDV-Anlage ein marktgerechter Preis von 80 000 EUR vereinbart. Die Anfechtung könnte daher gemäß § 142 InsO ausgeschlossen sein. Das wäre der Fall, wenn eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen der Pellet-GmbH gelangt wäre. Vorliegend sind die 80 000 EUR jedoch nicht in das Vermögen der Pellet-GmbH gelangt. Stattdessen ist eine Verbindlichkeit der Pellet-GmbH erloschen. Diese Verbindlichkeit belief sich zwar auf 80 000 EUR. Die 80 000 EUR hätten jedoch nur in Höhe der Quote und nicht in voller Höhe befriedigt werden müssen. Die Insolvenzmasse ist daher um die Differenz zwischen der Quote und den vollen 80 000 EUR geschmälert.[26] Eine Benachteiligung der Gläubiger im Sinn des § 129 I 1 InsO liegt damit vor.

Exkurs: § 96 I Nr. 3 InsO

Die Voraussetzungen des § 96 I Nr. 3 InsO liegen nach dieser Sichtweise bereits dann vor, wenn zwar die Gegenforderung (also die Forderung des Insolvenzgläubiger), „mit“ der aufgerechnet wird, für sich genommen nicht anfechtbar zustande gekommen ist, sondern ein Bargeschäft darstellt, jedoch durch die Gegenforderung die Aufrechnungslage hergestellt wurde und damit eine Benachteiligung der Gläubiger eingetreten ist.

c) Anfechtungsgrund: Es müsste auch ein Anfechtungsgrund gegeben sein.

In Betracht kommt § 130 InsO. Für die Abgrenzung zwischen § 130 InsO (kongruente Deckung) und § 131 InsO (inkongruente Deckung) ist danach zu fragen, ob der Gläubiger einen Anspruch auf Befriedigung hatte (vgl. den Wortlaut des § 131 I InsO: „Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte“). § 130 InsO ist auch neben § 131 InsO anwendbar. Während § 130 InsO sowohl kongruente wie inkongruente Deckungen erfasst, schafft § 131 InsO für inkongruente Deckungen gewisse Erleichterungen.

Exkurs: Deckungsanfechtung

Die Deckungsanfechtung umfasst solche Anfechtung wegen Rechtshandlungen, die dem Anfechtungsgegner eine Sicherung oder Befriedigung (= Deckung) gewährt haben.

Vorliegend erfolgte die Befriedigung durch Aufrechnung, § 389 BGB. Die Differenzierung zwischen den §§ 130, 131 InsO ist daher danach zu treffen, ob zunächst die Gegenforderung der Tilger AG bestand oder zunächst die Hauptforderung der Pellet-GmbH.

 

Wenn zuerst die Gegenforderung (Forderung der Tilger AG gegen die Pellet-GmbH) bestanden hatte, wäre es zu kongruenter Deckung gekommen. Die Tilger AG hätte dann einen Anspruch auf Bezahlung der Gegenforderung gehabt. Anschließend wird nun die Hauptforderung begründet und der Anspruch der Tilger AG durch Aufrechnung erfüllt, sprich Befriedigung im Sinn des § 130 InsO gewährt.

Umgekehrt verhielte es sich, wenn die Hauptforderung (Forderung der Pellet-GmbH gegen die Tilger AG) zuerst bestanden hatte. Dann würde die Aufrechnungslage einem Insolvenzgläubiger Befriedigung ermöglichen, ohne dass er einen Anspruch darauf hatte, so dass ein Fall des § 131 InsO vorläge.

Es bestand zuerst die Forderung der Tilger AG, so dass die Voraussetzungen des Insolvenzgrundes des § 130 InsO erfüllt sind.[27]

Ergebnis: Die Voraussetzungen des § 96 I Nr. 3 InsO sind gegeben und die Aufrechnung ist ausgeschlossen.

Anmerkungen

[1]

Mit Eröffnung wird die Forderung der Bank AG sofort fällig, § 41 I InsO. Sie kann zur Tabelle angemeldet werden, wird jedoch bis zur Fälligkeit abgezinst, § 41 II InsO.

[2]

Vgl. BGH, NJW 1991, 1480, 1481.

[3]

Banken können auf diese Weise nicht als Hersteller angesehen werden, Lieferanten schon.

[4]

Vgl. die ausführliche Diskussion dieser Frage in Übungsfall 2.

[5]

§ 170 I 1 InsO. Die Kostenbeiträge für Feststellung und Verwertung ergeben sich aus § 171 InsO. Sie betragen insgesamt 9 % des Verwertungserlöses. Häufig werden vertraglich aber noch höhere Kostenbeiträge vereinbart, wenn sich die Verwertung schwierig gestaltet (nur schwierig verwertbare Vorjahreskollektion, etc.).

[6]

Im Fall von Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann auch an § 307 I, II BGB angeknüpft werden.

[7]

Der BGH erkennt eine dingliche Teilverzichtsklausel gelegentlich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an, um zumindest einen Teil der Zession zu retten. Dafür fehlt es hier aber an Sachverhalt.

[8]

Einen Freigabeanspruch gegenüber der Bank anstelle der Nichtigkeit gibt es nur bei Übersicherung, nicht bei der Kollision einer Globalzession mit verlängerten EVB.

[9]

Es handelt sich nicht um ein Aussonderungsrecht. Obwohl der Get-it AG im Außenverhältnis alle Gläubigerrechte zukommen, ist sie im Innenverhältnis durch die Sicherungsabrede treuhänderisch gebunden. Die Forderungen sind wirtschaftlich gesehen der Pellet-GmbH zuzuordnen.

[10]

Ein Beispiel für ein solches persönliches Recht ist der Herausgabeanspruch des Vermieters auf Rückgabe einer vermieteten Sache, die ihm nicht gehört, § 546 I BGB.

[11]

Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 392 ff.

[12]

Anders verhielte es sich, wenn der Verwalter genehmigen würde, § 185 II 1 BGB.

[13]

Der Schuldner kann Verpflichtungsgeschäfte wirksam abschließen, denn § 81 I InsO erfasst nur Verfügungen, siehe BGH, NJW 2018, 2049, Rn. 17. Der Schuldner kann seine Verpflichtung ohne Mitwirkung des Insolvenzverwalters in der Regel allerdings nicht erfüllen, so dass der Vertragspartner Schadensersatz geltend machen kann. Die Schadensersatzforderung nimmt aber nicht am Insolvenzverfahren teil, denn es handelt sich weder um eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO noch um eine Masseforderung nach § 55 InsO.

[14]

Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 329 ff.

[15]

Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 347 ff.

[16]

Das Statistische Bundesamt nennt eine durchschnittliche Quote von 3,8% für 2018 beendete Insolvenzverfahren, vgl. https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Gewerbemeldungen-Insolvenzen/insolvenzverfahren-bis-2018.html (abgerufen 24.1.2021).

[17]

Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 368 ff.

[18]

Sie werden allerdings häufig durch das Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. SGB III in voller Höhe beglichen, um die Arbeitnehmer zur Weiterarbeit zu motivieren.

[19]

Bei Unkündbarkeit des Arbeitnehmers ist der Anspruch auf die längste ordentliche Kündigungsfrist beschränkt. Der Arbeitnehmer muss sich anrechnen lassen, was er anderweitig verdient (entsprechend dem Gedanken des § 615 S. 2 BGB). Auch § 254 BGB ist zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit, die ihm zumutbar ist, nicht aufnimmt.

[20]

Es handelt sich um eine Sicherungshypothek, da sie dem Gläubiger nur eine Sicherung und keine Befriedigung verschafft.

[21]

Auch Vollstreckungsakte lassen sich unter den Begriff der Rechtshandlung subsumieren.

[22]

Eine Verminderung der Insolvenzmasse tritt im Übrigen nicht erst bei Zahlung einer Geldsumme oder Weggabe eines Massegegenstands vor, sondern bereits dann, wenn die Verbindlichkeiten vermehrt werden.

[23]

BGH, NJW 2002, 1722; BGH, NJW-RR 2004, 1493.

[24]

Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 265 ff.

[25]

Lohmann/Reichelt, in: MüKo-InsO, 4. Aufl. 2019, § 96, Rn. 42.

[26]

Bei einer Quote von 5 % Befriedigung, wären auf die 80 000 EUR nur mehr 4 000 EUR gezahlt worden. Stattdessen wurden die vollen 80 000 EUR gezahlt.

[27]

Kongruente und inkongruente Deckung schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern die kongruente Deckung ist mit ihren strengeren Voraussetzungen im weiter gefassten Tatbestand der inkongruenten Deckung enthalten.

Übungsfälle

Übungsfälle › Übungsfall 1 Der Übergang der Verfügungsbefugnis

Übungsfall 1 Der Übergang der Verfügungsbefugnis

Inhaltsverzeichnis

Lösung

Seit etlichen Monaten war die Schernhorst OHG auf der Suche nach einem Grundstück gewesen, auf dem sie ein repräsentatives Verwaltungsgebäude errichten wollte. Im August 2021 ergab sich ein zufälliger Kontakt mit der Pellet-GmbH, die eines ihrer Betriebsgrundstücke in München veräußern wollte.

Am Freitag, den 16. Oktober 2021, begab man sich zum Zwecke des Vertragsschlusses gemeinsam zu einem Notar. Dort wurde formgerecht ein Kaufvertrag über das genau bezeichnete Grundstück abgeschlossen. Die Pellet GmbH wurde dabei ordnungsgemäß durch ihren Geschäftsführer Herrn Dr. Glas vertreten, die Schernhorst OHG durch den Gesellschafter Herrn Reng. Der Kaufpreis belief sich auf 350 000 EUR.

Die Auflassung wurde noch nicht erklärt. Die Pellet GmbH bewilligte jedoch die Eintragung einer Vormerkung. Auch dies wurde notariell beurkundet.

Am Dienstag, 20.10.2021 stellte die Schernhorst OHG bei dem zuständigen Grundbuchamt einen ordnungsgemäßen Antrag auf Eintragung der Vormerkung (vgl. §§ 13, 19 GBO). Von der Beantragung der Eintragung des Grundstückserwerbs selbst wurde dagegen noch abgesehen, da die Schernhorst OHG gegen Ende des Jahres eine größere Steuerrückzahlung erwartete und erst dann wieder über ausreichende Liquidität zur Begleichung des Kaufpreises verfügen würde.

Nachdem am 7. Oktober Insolvenzantrag gestellt worden war, wird am 4.11.2021 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Pellet GmbH eröffnet und der renommierte Sanierer Herr Ostler zum Insolvenzverwalter bestellt. Nichtsdestotrotz wird die Vormerkung vom Grundbuchamt am 11.11.2021 ins Grundbuch eingetragen. Es ist kein Vermerk nach § 32 InsO beim Registeramt eingegangen. Am 17. November, teilt Herr Ostler der Schernhorst OHG mit, er sehe sich zur Vertragserfüllung außerstande. Sollte der Schernhorst OHG ein Schaden entstanden sein, könne sie ihn zur Tabelle anmelden.

Die Schernhorst OHG möchte sich nicht derart abspeisen lassen und pocht auf die Erfüllung des Vertrags. Sie habe bereits mit den Planungen für den Bau ihres neuen Verwaltungsgebäudes begonnen. Außerdem habe sie bis zur Mitteilung durch den Insolvenzverwalter am 17. November weder Kenntnis von den massiven Liquiditätsschwierigkeiten der Pellet GmbH gehabt noch Kenntnis davon haben müssen. Der Insolvenzverwalter erwidert, die Vormerkungsbestellung sei für ihn in mehrfacher Hinsicht unbeachtlich. Überdies könne die Vormerkung jederzeit durch ihn vernichtet werden.

Die Schernhorst OHG erhebt daraufhin eine zulässige Klage zum Landgericht München I auf Übergabe und Übereignung des Grundstücks Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung.

Bearbeitervermerk:

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten der beiden Klagen in der Sache?

Übersicht zur Abfolge der Ereignisse:


16. Oktober Notariell beurkundeter Kaufvertrag und Bewilligung der Vormerkung
20. Oktober Antrag der Schernhorst OHG auf Vormerkung
4. November Eröffnung des Insolvenzverfahrens
11. November Eintragung der Vormerkung ins Grundbuch
17. November Ablehnung der Erfüllung durch den Insolvenzverwalter

Übungsfälle › Übungsfall 1 Der Übergang der Verfügungsbefugnis › Lösung

Lösung


A. Die Klage der Schernhorst OHG
I. Entstehung des Anspruchs
II. Erlöschen des Anspruchs
III. Durchsetzbarkeit des Anspruchs
1. Voraussetzungen des § 103 InsO
2. Modifikation des § 103 InsO durch § 106 I 1 InsO (Vormerkung)
a) Gutgläubiger Erwerb nach § 81 I 2 InsO
b) Gutgläubiger Erwerb nach § 91 II InsO i.V.m. § 878 BGB
(1) Anwendbarkeit des § 878 BGB
(2) Voraussetzungen des § 878 BGB analog
c) Erwerb der Vormerkung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
3. Anfechtbar erlangte Rechtsposition?
a) Rechtshandlung, § 129 InsO
b) Vor Eröffnung des Verfahrens, §§ 129, 147, 140 InsO
c) Benachteiligung der Gläubiger
d) Anfechtungsgrund
(1) § 130 InsO (kongruente Deckung)
(2) § 131 InsO (inkongruente Deckung)
(3) § 132 InsO
(4) Weitere Anfechtungsgründe
e) Ergebnis zur Anfechtung
4. Ergebnis zur Durchsetzbarkeit
IV. Ergebnis zur Begründetheit
B. Ergebnis

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