Falltraining Insolvenzrecht

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Elf kurze Einführungsfälle › Sachverhalte › 5. Einführungsfall

5. Einführungsfall

Eine Woche nach Verfahrensbeginn veräußert der Insolvenzschuldner ohne Mitwirkung des Verwalters sein Grundstück an Herrn Krause, der von der Insolvenz keinen Wind bekommen hatte. Das Grundbuch enthält keinen Insolvenzvermerk. Herr Krause wird als Eigentümer eingetragen. Ist die Veräußerung wirksam?

Variante: Wie wäre die Rechtslage, wenn der Insolvenzschuldner sein Grundstück bei im Übrigen gleicher Sachlage nach Stellung des Insolvenzantrags, aber noch vor Eröffnung des Verfahrens veräußert hätte?


a) Wenn kein Verfügungsverbot erlassen worden war?
b) Wenn das Gericht einen Zustimmungsvorbehalt angeordnet hatte?
c) Wenn das Gericht ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet hatte?

Elf kurze Einführungsfälle › Sachverhalte › 6. Einführungsfall

6. Einführungsfall

Nach Eröffnung des Verfahrens verkauft die Pellet-GmbH ohne Kenntnis des Verwalters Lagerbestände an die Kronum AG zum Verkehrswert von 70 000 EUR. Die Geschäftsführung der Pellet-GmbH leitet das Geld sofort an den Insolvenzverwalter weiter. Der Insolvenzverwalter ist mit dem Geschäft nicht einverstanden.


a) Kann der Verwalter das Geschäft mit der Kronum AG anfechten?
b) Muss die Kronum AG die erhaltenen Gegenstände zurückgeben?
c) Kann die Kronum AG den Kaufpreis zurückverlangen?
d) Wie verhält es sich, wenn die Kronum AG die Gegenstände wiederum an ihren Geschäftspartner, die FIHO-AG, weiterverkauft hat. Die FIHO-AG war gutgläubig und der Verwalter hatte die betroffenen Gegenstände noch nicht in seinen Besitz genommen, § 148 InsO.

Elf kurze Einführungsfälle › Sachverhalte › 7. Einführungsfall

7. Einführungsfall

Der Pheul KG verkauft der Pellet-GmbH im Oktober eine Drehmaschine für 80 000 EUR. Der Kaufpreis wird für zwei Monate gestundet. Die Übereignung der Drehmaschine steht unter dem Vorbehalt der Kaufpreiszahlung. Am 4.11.2021 wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Pellet-GmbH eröffnet. Kann die Pheul KG Herausgabe oder Bezahlung der Maschine verlangen?

Variante: Die Maschine wurde gleich vollständig übereignet.

Elf kurze Einführungsfälle › Sachverhalte › 8. Einführungsfall

8. Einführungsfall

Herr Brock ist seit mehr als zehn Jahren in der Pellet-GmbH als Controller beschäftigt. Am 4.11.2021 wird über das Vermögen der Pellet-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Herr Brock hatte im September das letzte Gehalt bekommen.


a) Zu welchem Zeitpunkt kann ihm der Verwalter frühestmöglich kündigen oder sich anderweitig ohne das Einverständnis des Herrn Brock von dem Vertrag lösen?
b) Welche Ansprüche hat Herr Brock?
c) Aus Frust verprügelt Herr Brock einen Mitarbeiter des Insolvenzverwalters. Ist eine fristlose Kündigung möglich?

Elf kurze Einführungsfälle › Sachverhalte › 9. Einführungsfall

9. Einführungsfall

Am 25.8.2021 beantragt Herr Guldrun zur Vollstreckung einer Geldforderung in Höhe von 100 000 EUR die Eintragung einer Zwangshypothek an einem Grundstück der Pellet-GmbH (§§ 866 I, 867 ZPO, § 1184 BGB).[1] Die Hypothek wird am 20.10.2021 eingetragen. Am 7.10.2021 war die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden. Hat die Zwangshypothek in der Insolvenz Bestand?

Anmerkungen

[1]

Sicherungshypothek, da sie dem Gläubiger nur eine Sicherung und keine Befriedigung verschafft.

Elf kurze Einführungsfälle › Sachverhalte › 10. Einführungsfall

10. Einführungsfall

Die Pellet-GmbH hatte zwei Wochen vor Eröffnung des Verfahrens einen neuen Gabelstapler für marktgerechte 12 000 EUR gekauft. Sie hatte im Einklang mit dem Kaufvertrag den Gabelstapler sofort erhalten und eine Woche später den Kaufpreis beglichen. Der Insolvenzverwalter möchte den Kauf anfechten. Zu Recht?

Elf kurze Einführungsfälle › Sachverhalte › 11. Einführungsfall

11. Einführungsfall

Die Tilger AG hat eine Forderung von 75 000 EUR gegen die Pellet-GmbH. Sie weiß, dass die Pellet-GmbH zahlungsunfähig ist. Kurz vor der Eröffnung des Verfahrens kauft die Tilger AG die EDV-Anlage der Pellet-GmbH für marktgerechte 80 000 EUR. Im wenig später eröffneten Verfahren rechnet die Tilger AG gegen die Forderung der Pellet-GmbH auf. Ist die Aufrechnung zulässig?

Elf kurze Einführungsfälle › Lösungen

Lösungen

1. Einführungsfall

Das Insolvenzverfahren über die Pellet GmbH, einer Herstellerin von Elektroautos, wird am 4.11.2021 eröffnet. Um welche Klasse von Forderungen handelt es sich jeweils?


a) Der Insolvenzverwalter schließt am 5.11.2021 mit der Oily AG einen Vertrag über Lieferung von Heizöl gegen einen Kaufpreis von 5 000 EUR.
b) Die Oily AG hat noch einen Zahlungsanspruch wegen einer Heizöllieferung aus dem Jahr 2014.
c) Die Südbank AG hatte am 20.8.2021 ein Darlehen an die Pellet-GmbH vergeben. Das Darlehen ist in Höhe von 500 000 EUR valutiert und am 8.12.2021 zur Rückzahlung fällig.

Lösung

Teilfrage a) Es handelt sich um eine Masseforderung nach § 55 I Nr. 1 Var. 1 InsO.

Teilfrage b) Da die Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, § 38 InsO.

Die Oily AG kann die Forderung zur Tabelle anmelden, § 174 InsO. Der Verwalter kann die Einrede der Verjährung geltend machen, § 214 I BGB.

Teilfrage c) Auch diese Forderung wurde vor der Verfahrenseröffnung begründet und ist damit eine Insolvenzforderung, § 38 InsO. Die Fälligkeit spielt für die Einordnung der Forderung keine Rolle, wie aus dem Wortlaut des § 38 InsO ersichtlich ist.[1]

2. Einführungsfall

Die Lumos AG liefert der Pellet-GmbH Anfang 2021 Aluminium für die Herstellung von Anhängerkupplungen. Es wird vereinbart, dass die Ware bis zur Bezahlung Eigentum der Lumos AG bleiben soll und sich das vorbehaltene Eigentum am Endprodukt fortsetzen soll. Über das Vermögen der Pellet-GmbH wird am 4.11.2021 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Verwalter wählt die Nichterfüllung des Vertrags. Die Lumos AG verlangt Herausgabe der Anhängerkupplungen. Zu Recht?

Lösung

Ein Anspruch der Lumos AG auf Herausgabe der Anhängerkupplungen könnte sich aus den §§ 985, 986 BGB ergeben. Die Lumos AG müsste Eigentümerin und der Insolvenzverwalter Besitzer ohne Recht zum Besitz sein. Diesen Anspruch könnte die Lumos AG im Insolvenzverfahren nur geltend machen, wenn Sie auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass die Anhängerkupplungen nicht zur Insolvenzmasse gehören, § 47 InsO, und zudem keine Sicherungsübereignung vorliegt, da diese nur zu einem Absonderungsrecht führt, § 51 Nr. 1 Alt. 1 InsO.

 

(1) Die Lumos AG müsste Eigentümerin sein.

Ursprünglich war die Lumos AG Eigentümerin des Aluminiums, aus dem die Anhängerkupplungen hergestellt wurden. Aufgrund des Eigentumsvorbehalts stand der Übergang des Eigentums unter der aufschiebenden Bedingung der Kaufpreiszahlung, §§ 929, 158 I BGB. Die Lumos AG hat daher das Eigentum nicht mit der Lieferung an die Pellet GmbH verloren.

Die Pellet-GmbH könnte jedoch nach § 950 I 1 BGB Eigentümerin geworden sein. Danach erwirbt Eigentum, wer durch Verarbeitung oder Umbildung eines oder mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache herstellt, die wertvoller als das Ausgangsprodukt ist. Indizien für eine Verarbeitung im Sinn des § 950 I 1 BGB sind eine höhere Verarbeitungsstufe, eine andere Bezeichnung oder eine Formveränderung des Ausgangsstoffs. Hier wurde aus Aluminium Anhängerkupplungen gefertigt. Nach den genannten Kriterien liegen eine Verarbeitung und damit die Voraussetzungen für einen gesetzlichen Eigentumserwerb vor.

Etwas anderes könnte sich aus der Vereinbarung über den verlängerten Eigentumsvorbehalt ergeben.

Man könnte den Parteien zugestehen, den Herstellerbegriff um subjektive Erwägungen anzureichern. In diesem Sinne hält es die Rechtsprechung, die darauf abstellt, in wessen Namen und wirtschaftlichen Interesse die Herstellung erfolgt.[2] So könnte die Lumos AG nach der objektiven Verkehrsanschauung zur Herstellerin geworden sein.[3] Allerdings umgeht man auf diese Weise den zwingenden Charakter und die Unabdingbarkeit des § 950 BGB sowie dessen Rechtsfolgen durch eine dem Rechtsverkehr in der Regel unbekannte Parteiabrede.

Vertretbar ist überdies die Auslegung als antizipierte Sicherungsübereignung, §§ 929, 930 BGB.[4] Die Verarbeitungsklausel enthält demnach bereits die antizipierte Einigung über den Eigentumsübergang und über ein Besitzkonstitut im Sinn des § 930 BGB. Folgt man dieser letzten Ansicht ist die Lumos AG Sicherungseigentümerin geworden.

(2) Der Insolvenzverwalter müsste außerdem Besitzer ohne Recht zum Besitz sein. Vorliegend ist das Recht zum Besitz durch die Nichterfüllungswahl des Verwalters erloschen, §§ 103 I, 107 II InsO, so dass diese Voraussetzung vorliegt.

(3) Die Lumos AG hat einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.

Hinsichtlich der Folgen dieses Anspruchs muss differenziert werden.

Folgt man der Rechtsprechung, ist die Lumos AG Eigentümerin geworden und der Anspruch stellt ein Aussonderungsrecht dar. Auch in der Insolvenz der Pellet GmbH kann die Herausgabe gefordert werden.

Folgt man der anderen Ansicht ist die Lumos AG Eigentümerin mit den Beschränkungen des Sicherungseigentums geworden. Obwohl sie rechtlich gesehen Eigentümerin ist, hat sie in der Insolvenz nur ein Absonderungsrecht, § 51 Nr. 1 Var. 1 InsO, da letztlich nur die Wirkungen eines Pfandrechts erzielt werden. Sie hat keinen Anspruch auf Herausgabe der Anhängerkupplungen, sondern auf den Erlös, der nach Verwertung der Anhängerkupplungen und Abzug der Kostenbeiträge verbleibt.[5] Dies entspricht der Funktion der Sicherungsübereignung als besitzloses Pfandrecht.

3. Einführungsfall

Die Pellet-GmbH hat zur Sicherheit eines Kredits alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen an ihre Hausbank abgetreten. Einige Zeit später liefert die Get-it AG der Pellet-GmbH GPS-Navigationsgeräte unter verlängertem Eigentumsvorbehalt. Die Get-it AG hatte vor der Lieferung deutlich gemacht, dass sie ohne die Sicherheit eines verlängerten Eigentumsvorbehalts nicht liefern würde. Die Pellet-GmbH veräußert die Navigationsgeräte umgehend weiter. Schließlich wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Pellet-GmbH eröffnet. Welche Rechte hat die Get-it AG?


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Lösung

Zu klären ist, ob die Get-it AG Inhaberin der Forderungen ist, die der Pellet GmbH infolge der Veräußerung gegen ihre Kunden zustehen.

Exkurs: Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Ein verlängerter Eigentumsvorbehalt enthält eine Vereinbarung über (1) den Eigentumsvorbehalt, §§ 929, 158 I BGB, (2) die Einwilligung in die Veräußerung, § 185 I BGB, (3) die Vorausabtretung der durch Veräußerung erlangten Forderung, § 398 BGB, und (4) die Einwilligung in die Einziehung der Forderung.

Die Forderungen wurden zunächst an die Bank und erst anschließend im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts an die Get-it AG abgetreten. Nach dem Prioritätsgrundsatz ist die Bank Forderungsinhaberin, sofern die Abtretung wirksam war. Mit Abschluss der Abtretung wäre sie dann an die Stelle der Pellet GmbH als Gläubigerin getreten, § 398 S. 2 BGB. Die Pellet GmbH könnte die Forderung nicht erneut abtreten. Der gutgläubige Erwerb einer Forderung kommt, abgesehen von der Abtretung unter Urkundenvorlage nach § 405 BGB, nicht in Betracht.

Die Abtretung an die Bank könnte jedoch nach § 138 I BGB unwirksam sein.[6]

Die Abtretung wäre sittenwidrig, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen würde, wozu die herrschende Rechts- und Sozialmoral und die Wertordnung des Rechts (v.a. Grundrechte in ihrer objektiven Funktion) zu berücksichtigen sind. Es haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet. Eine solche Fallgruppe ist die Verleitung zum Vertragsbruch. Sittenwidrigkeit läge demnach vor, wenn der Sicherungsgeber durch die Globalzession faktisch dazu gezwungen würde, seine Lieferanten dauerhaft über das Bestehen der Globalzession zu täuschen, um weiterhin Lieferungen von ihnen zu erhalten. Er könnte den Vertrag mit den Lieferanten als Sicherungsnehmern nicht einhalten. Eine derartige Verleitung zum Vertragsbruch ist objektiv sittenwidrig. Die Get-it AG würde ohne die Sicherheit eines verlängerten Eigentumsvorbehalts keine GPS-Geräte liefern. Die Pellet GmbH verletzt daher ihre vertraglichen Pflichten, wenn sie die Abtretung der Forderungen dennoch verspricht. Die objektiven Voraussetzungen des § 138 I BGB sind damit erfüllt.

In subjektiver Hinsicht reicht es für den Schädigungswillen aus, wenn der Bank die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände bewusst sind. Nicht zuletzt, da es sich hier um die Hausbank handelt, kann davon ausgegangen werden, dass ihr bewusst ist, dass die Pellet GmbH Waren unter verlängertem Eigentumsvorbehalt erhält.

Eine dingliche Verzichtsklausel, der gemäß die Bank als Sicherungszessionarin von vornherein auf die Abtretung von Forderungen verzichtet, die im Wege eines verlängerten Eigentumsvorbehalts abgetreten wurden, liegt nicht vor.[7] Die Globalzession ist daher nichtig.[8]

Die Get-it AG ist Inhaberin der Forderungen geworden. Als solche kann sie ein Absonderungsrecht geltend machen, § 51 Nr. 1 Var. 2 InsO.[9]

4. Einführungsfall

Am 17.8.2021 hat die Pellet-GmbH einen LKW an Herrn Sükat verkauft. Er sollte am 1.12.2021 geliefert werden. In der Zwischenzeit, am 4.11.2021, wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Pellet-GmbH eröffnet. Herr Sükat hat den Kaufpreis bereits vollständig bezahlt. Welche Rechte hat Herr Sükat?

Lösung

Herr Sükat hat gegen die Pellet GmbH einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des LKW aus § 433 I BGB. Im Gegensatz zu Herausgabeansprüchen fallen Verschaffungsansprüche nicht unter die „persönlichen“, das heißt schuldrechtlichen, Ansprüche nach § 47 InsO.[10] Herr Sükat hat daher kein Aussonderungsrecht; dafür dürfte der LKW nicht zur Insolvenzmasse gehören. Die Forderung des Herrn Sükat wird stattdessen gemäß § 45 InsO in Geld umgerechnet und kann von ihm dann zur Tabelle angemeldet werden.

5. Einführungsfall

Eine Woche nach Verfahrensbeginn veräußert der Insolvenzschuldner ohne Mitwirkung des Verwalters sein Grundstück an Herrn Krause, der von der Insolvenz keinen Wind bekommen hatte. Das Grundbuch enthält keinen Insolvenzvermerk. Herr Krause wird als Eigentümer eingetragen. Ist die Veräußerung wirksam?

Variante: Wie wäre die Rechtslage, wenn der Insolvenzschuldner sein Grundstück bei im Übrigen gleicher Sachlage nach Stellung des Insolvenzantrags, aber noch vor Eröffnung des Verfahrens veräußert hätte?


a) Wenn kein Verfügungsverbot erlassen worden war?
b) Wenn das Gericht einen Zustimmungsvorbehalt angeordnet hatte?
c) Wenn das Gericht ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet hatte?

Lösung

Der Insolvenzschuldner war nicht verfügungsbefugt, § 80 I InsO. Verfügungen des Schuldners nach Verfahrenseröffnung sind gemäß § 81 I 1 InsO unwirksam. § 81 I 2 InsO schafft jedoch einen Gutglaubensschutz für den Erwerb von Grundstücken, sofern die entsprechenden Anforderungen der §§ 892 ff. BGB erfüllt sind. Da der Rechtsschein des Grundbuchs für ihn sprach, konnte das Grundstück wirksam an den gutgläubigen Dritten Herrn Krause veräußert werden, § 892 I BGB.

Variante: a) Wenn kein Verfügungsverbot erlassen wird, bleibt der Schuldner verfügungsbefugt, so dass sich keine Probleme hinsichtlich der Veräußerungsbefugnis und der Wirksamkeit der Veräußerung ergeben.

b) In dieser Variante hat das Gericht einen Zustimmungsvorbehalt im Sinn des § 21 II Nr. 2 Var. 2 InsO angeordnet. Gemäß § 24 I InsO gilt bei einem Verstoß gegen eine der in § 21 II Nr. 2 vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen § 81 InsO entsprechend. Wie bereits im Ausgangsfall war somit ein gutgläubiger Erwerb des Grundstücks gemäß § 81 I 2 InsO i.V.m. § 892 I BGB möglich.

c) Hier wurde dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, § 21 II 1 Nr. 1 u. Nr. 2 Alt. 1 InsO. Auch in dem Fall ist § 24 I InsO anwendbar, so dass wiederum ein gutgläubiger Erwerb möglich ist. § 24 I InsO unterscheidet nicht zwischen dem „starken“ und dem „schwachen“ vorläufigen Verwalter.

6. Einführungsfall

Nach Eröffnung des Verfahrens verkauft die Pellet-GmbH ohne Kenntnis des Verwalters Lagerbestände an die Kronum AG zum Verkehrswert von 70 000 EUR. Die Geschäftsführung der Pellet-GmbH leitet das Geld sofort an den Insolvenzverwalter weiter. Der Insolvenzverwalter ist mit dem Geschäft nicht einverstanden.


a) Kann der Verwalter das Geschäft mit der Kronum AG anfechten?
b) Muss die Kronum AG die erhaltenen Gegenstände zurückgeben?
c) Kann die Kronum AG den Kaufpreis zurückverlangen?
d) Wie verhält es sich, wenn die Kronum AG die Gegenstände wiederum an ihren Geschäftspartner, die FIHO-AG, weiterverkauft hat. Die FIHO-AG war gutgläubig und der Verwalter hatte die betroffenen Gegenstände noch nicht in seinen Besitz genommen, § 148 InsO.

Lösung

Teilfrage a)

Die insolvenzrechtliche Anfechtung richtet sich nach den §§ 129 ff. BGB.[11] Für ein Anfechtungsrecht des Verwalters müsste eine Rechtshandlung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sein und die Insolvenzgläubiger benachteiligt haben. Außerdem bedürfte es eines Insolvenzanfechtungsgrunds nach den §§ 130 ff. InsO.

Eine Rechtshandlung liegt mit der Veräußerung der Lagerbestände vor. Sie müsste auch aus der Zeit vor Eröffnung des Verfahrens stammen. Hier wurde erst nach der Verfahrenseröffnung verfügt. Eine Anfechtung scheidet damit aus, § 129 InsO. Es fehlt außerdem an der Gläubigerbenachteiligung, da die Insolvenzmasse mit dem marktgerechten Kaufpreis unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat, § 142 InsO.

 

Teilfrage b)

Ein Anspruch könnte sich aus § 985 BGB ergeben. Die Pellet-GmbH müsste Eigentümerin, die Kronum AG Besitzerin ohne Recht zum Besitz sein.

Ursprünglich war die Pellet GmbH Eigentümerin der Gegenstände.

Die Pellet-GmbH könnte ihr Eigentum an die Kronum AG verloren haben. Eine dingliche Einigung liegt vor. Die Pellet-GmbH war jedoch nicht verfügungsbefugt, da die Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergegangen war. Die Verfügung ist daher nach § 81 I 1 InsO unwirksam. Gutglaubensvorschriften sind im Insolvenzverfahren gemäß § 81 I 2 InsO nur für Immobilien, nicht aber für bewegliche Sachen, vorgesehen. Die Pellet-GmbH ist Eigentümerin geblieben.[12]

Die Kronum AG ist zudem Besitzerin ohne Recht zum Besitz. Der Kaufvertrag gibt kein Recht zum Besitz gegenüber dem Insolvenzverwalter. Der Anspruch aus § 985 BGB besteht.

Teilfrage c)

Der Anspruch der Kronum AG auf Rückzahlung des Kaufpreises könnte sich aus § 81 I 3 InsO ergeben. Nach dieser Norm ist die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse zurück zu gewähren, soweit die Masse durch sie bereichert ist.

Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass nach § 81 I 1 InsO nur die Verfügung des Schuldners, nicht jedoch das Verpflichtungsgeschäft unwirksam ist. Denn das wirksame Verpflichtungsgeschäft bindet nur den Schuldner, nicht die Insolvenzmasse, der gegenüber der Bereicherungsanspruch besteht.[13]

Die Masse müsste auch bereichert sein. Daran fehlt es, wenn der Erwerber an den Schuldner zahlt und dieser die Gegenleistung nicht an die Masse weiterleistet. Hier hatte die Geschäftsführung die Gegenleistung jedoch an den Insolvenzverwalter weitergeleitet.

Die Voraussetzungen des § 81 I 3 InsO liegen vor. Es handelt sich dabei um eine Masseverbindlichkeit, § 55 I Nr. 3 InsO.

(Wurde das schuldrechtliche Geschäft vor der Verfahrenseröffnung geschlossen, sind unter Umständen die §§ 103 InsO einschlägig, d.h. wenn noch keine Seite den Vertrag vollständig erfüllt hat.)

Teilfrage d)

Da der Verwalter den Besitz noch nicht ergriffen hatte, sind die Gegenstände nicht im Sinn des § 935 I BGB abhandengekommen. Die FIHO-AG konnte gutgläubig Eigentum an den Gegenständen erwerben, § 932 BGB.

7. Einführungsfall

Der Pheul KG verkauft der Pellet-GmbH im Oktober eine Drehmaschine für 80 000 EUR. Der Kaufpreis wird für zwei Monate gestundet. Die Übereignung der Drehmaschine steht unter dem Vorbehalt der Kaufpreiszahlung. Am 4.11.2021 wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Pellet-GmbH eröffnet. Kann die Pheul KG Herausgabe oder Bezahlung der Maschine verlangen?

Variante: Die Maschine wurde gleich vollständig übereignet.

Lösung

Der Anwendungsbereich von § 103 InsO könnte eröffnet sein.[14] Der Vertrag wurde von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt, denn die Pheul KG hat die Maschine noch nicht übereignet und die Pellet-GmbH hat den Kaufpreis noch nicht bezahlt. Die Rechte der die Pheul KG hängen damit davon ab, ob der Insolvenzverwalter Erfüllung wählt oder nicht. Gemäß § 107 II 1 InsO, der für den Eigentumsvorbehalt den § 103 InsO leicht modifiziert,[15] braucht er die Erklärung erst nach dem Berichtstermin abzugeben.

Wählt der Verwalter Erfüllung, hat die Pheul KG als Massegläubigerin einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises, § 55 I Nr. 2 InsO.

Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, erlischt der Kaufvertrag und die Pheul KG kann als Eigentümerin die Herausgabe der Maschine verlangen, § 47 InsO i.V.m. § 985 BGB.

Variante: Mit Übereignung der Maschine hat die Pheul KG ihre Pflichten vollständig erfüllt. Es ist damit kein Raum für § 103 InsO, der verlangt, dass der Vertrag „vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt“ ist. Ein Aussonderungsrecht an der Maschine scheitert daran, dass sie nicht mehr Eigentümerin ist.

Die Pheul KG hat lediglich eine Insolvenzforderung, da die Forderung bei Verfahrenseröffnung bereits begründet war, § 38 InsO. Sie muss ihre Forderung zur Insolvenztabelle anmelden, um an der Verteilung teilnehmen zu können, §§ 174 ff. InsO. Anstelle die Drehmaschine herausverlangen zu können, erhält die Pheul KG nur die Insolvenzquote auf die zur Insolvenztabelle angemeldeten 80 000 EUR, d.h. voraussichtlich nur etwa 3 000 EUR bis 5 000 EUR.[16]

Dieses Beispiel veranschaulicht, wie wichtig der Eigentumsvorbehalt für den Lieferanten ist. In der Insolvenz des Kunden kann er den Unterschied bilden zwischen einer fast unversehrten Position durch die Möglichkeit, die bewegliche Sache heraus zu verlangen (mit Eigentumsvorbehalt) und dem Verlust der beweglichen Sache bei vernachlässigbar geringer Zahlung auf die Kaufpreisforderung (ohne Eigentumsvorbehalt).

Die Pheul KG sollte damit auf jeden Fall entweder einen Eigentumsvorbehalt oder Vorkasse vereinbaren, wobei sich der Eigentumsvorbehalt vermutlich deutlich leichter gegenüber der Pellet-GmbH durchsetzen lässt.

Exkurs: Der Kauf vom Schuldner unter Eigentumsvorbehalt, § 107 I InsO

§ 107 I InsO schützt den Vorbehaltskäufer, d.h. eine Person, die vor der Insolvenz vom Schuldner unter Eigentumsvorbehalt gekauft hat. Der Vertrag ist von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt, so dass § 103 InsO grundsätzlich anwendbar wäre. Hier macht § 107 I InsO eine Ausnahme von § 103 InsO und schützt das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers. In ähnlicher Weise schützt § 106 InsO den Vormerkungsberechtigten.

8. Einführungsfall

Herr Brock ist seit mehr als zehn Jahren in der Pellet-GmbH als Controller beschäftigt. Am 4.11.2021 wird über das Vermögen der Pellet-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Herr Brock hatte im September das letzte Gehalt bekommen.


a) Zu welchem Zeitpunkt kann ihm der Verwalter frühestmöglich kündigen oder sich anderweitig ohne das Einverständnis des Herrn Brock von dem Vertrag lösen?
b) Welche Ansprüche hat Herr Brock?
c) Aus Frust verprügelt Herr Brock einen Mitarbeiter des Insolvenzverwalters. Ist eine fristlose Kündigung möglich?

Lösung

Teilfrage a)

Zu prüfen ist zunächst, ob dem Insolvenzverwalter anstelle einer Kündigung durch Wahl der Nichterfüllung des Arbeitsvertrags eine Trennung von Herrn Brock gelingt.

Nach dem Grundtatbestand des § 103 I InsO besteht das Wahlrecht, wenn ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt ist. Bei einem Arbeitsverhältnis handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, der, wie von § 103 I InsO gefordert, von beiden Vertragsparteien noch nicht vollständig erfüllt wurde. Insoweit liegen die Voraussetzungen der Nichterfüllungswahl vor.

Etwas anderes könnte sich aus den §§ 104 ff. InsO ergeben, die bestimmte Sachverhalte von der Erfüllungswahl ausnehmen. Gemäß § 108 I 1 Alt. 2 InsO bestehen Dienstverhältnisse des Schuldners mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort.[17] Dem Insolvenzverwalter ist daher der Weg, Nichterfüllung zu wählen, versperrt.

Dennoch gibt das Insolvenzverfahren dem Schuldner eine günstigere Position hinsichtlich der Kündigung. Nach § 113 S. 1, 2 InsO beträgt die Kündigungsfrist maximal drei Monate zum Monatsende, unabhängig davon, ob sich aus § 622 II BGB aufgrund einer langen Betriebszugehörigkeit oder einer entsprechenden Regelung im Arbeitsvertrag eine längere Kündigungsfrist ergibt.

Exkurs: Die Insolvenz als Werkzeug der operativen Sanierung

Die Regelung des § 113 InsO erleichtert den Abbau von Personal in der Insolvenz, ähnlich wie § 109 InsO einen Exit aus langlaufenden Mietverträgen ermöglicht. § 123 InsO reduziert zudem das Sozialplanvolumen beim Abbau von Personal in der Insolvenz. Dennoch ist die Insolvenz regelmäßig nicht das Verfahren der Wahl für eine operative Restrukturierung, denn die direkten und indirekten Kosten sind hoch und der Einfluss des Gesellschafters gefährdet.

Die Kündigungsfrist des Herrn Brock beträgt daher trotz der zehnjährigen Betriebszugehörigkeit nicht vier Monate, § 622 II Nr. 4 BGB, sondern ist auf drei Monate beschränkt. Herr Brock kann zum 28.2.2022 gekündigt werden.

Teilfrage b)

Herr Brock hat Ansprüche auf Zahlung seines Gehalts, § 611 I Alt. 2 BGB, sowie Schadensersatzansprüche.

Seine Ansprüche auf das Gehalt für Zeit vor Verfahrenseröffnung sind eine Insolvenzforderung,[18] für Zeit zwischen Verfahrenseröffnung und Vertragsende vom 4.11.2021 bis zum 28.2.2021 hingegen eine Masseforderung, § 55 I Nr. 2 Fall 2 InsO, da die Leistung auch für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.

Außerdem kann Herr Brock nach § 113 S. 3 InsO als Schadensersatz dasjenige ersetzt verlangen, was er an Gehalt bei Geltung der regulären Kündigungsbedingungen erhalten hätte. Herr Brock hat damit eine Insolvenzforderung in Höhe eines Monatsgehalts.[19]

Hinzu kommen gegebenenfalls Ansprüche aus einem Sozialplan, der in der Insolvenz allerdings betragsmäßig durch § 123 InsO begrenzt wird.

Teilfrage c)

Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 I BGB ist auch in der Insolvenz möglich. Denn § 113 InsO enthält nur eine Spezialregelung für die Kündigungsfrist. Die Möglichkeit der ordentlichen und außerordentlichen Kündigung und das Erfordernis des Vorliegens eines Kündigungsgrundes bleiben von dieser Regelung unberührt.