Knurr und das Amulett des Dämonenfürsten: Die Abenteuer der Koboldbande Band 6)

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Der Überfall

Am nächsten Morgen stand Orbin zeitig auf und schaute vor der Drachenhöhle nach dem Wetter. Es war bitterkalt und ein eisiger Wind wirbelte den Schnee auf. »Das ist kein gutes Reisewetter«, schimpfte der Zauberer vor sich hin. Er ging zu einem großen Kessel, unter dem noch eine kleine Glut war.

Nur wenig später hatte Orbin mit einigen dicken Holzscheiten ein Feuer unter dem Kessel entfacht und frisches Wasser hineingefüllt. Bald brodelte es im Kessel und der Zauberer konnte das Kräuterpflaster vorbereiten, das er Barbaron auf seine Wunde legen wollte. Doch als der Minitroll ihm seinen Bauch zeigte, war die Wunde zum Erstaunen aller Anwesenden schon fast verheilt. Tangossas Träne und seine Medizin hatten wohl wahre Wunder bewirkt. Orbin bestand trotzdem darauf, dass Barbaron noch ein letztes Mal ein Pflaster bekam. Da halfen kein Protest und kein Trollsprung. Orbin setzte sich mit der Hilfe seiner Magie durch und fing den kleinen König aller Minitrolle mit einem Bannspruch ein. Erst als das Kräuterpflaster auf seinem Bauch klebte, kam Barbaron wieder frei.

»Wehe du reißt es dir von deinem Bauch ab!«, drohte der Nekromant. Er hielt Barbaron seinen Zauberstab unter die Nase. Artem beendete das komische Drama, das Jabo und Knurr beim Lachen die Tränen in die Augen trieb.

Der Prinz mahnte zur Eile. »Wir sollten bald aufbrechen und uns von dem Wetter nicht abhalten lassen. Der Weg ist weit und das Jahr neigt sich dem Ende zu.«

»Du hast wohl Sehnsucht nach deinem Onkel Cromber?«, fragte Knurr. Dabei schaute er hungrig in Orbins Kessel. In ihm brodelte eine köstlich riechende Suppe.

Artem betrachtete nachdenklich den Kobold, bevor er antwortete. »Cromber ist listig und verschlagen. Es wäre ihm nur recht, wenn ich Ando-Hall nicht lebend erreichen würde. Wir müssen mit allem rechnen.«

»Dann ist das Wetter ja überhaupt nicht schlecht«, entgegnete Knurr. »Wenn wir im Schneetreiben vom Weg abkommen, findet uns keiner von den Kriegern deiner Verwandtschaft.«

Nur wenige Augenblicke später brach die recht ungleiche Reisegesellschaft auf. Prinz Artem ging voran. Ihm folgte Orbin, der auf seiner rechten Schulter Barbaron trug. Knurr bildete den Schluss, und da er nicht laufen wollte, saß er auf seiner Flugschale. Mit ihr schwebte er den Freunden einfach hinterher.

Jabo blieb bei Tangossa. Er musste sich um sie und ihren Nachwuchs kümmern. Eigentlich wollte auch er zum schwarzen Brunnen reisen. Doch Orbin hatte es ihm ausgeredet, und da Jabo als Nekromant und Zirkelmagier jünger war, musste er dem älteren Orbin gehorchen. Traurig sah Jabo den Freunden nach und Tangossa, die ihren massigen Kopf aus der Höhle streckte, flüsterte leise. »Schon der Weg ist gefährlich, und wenn der Kobold und der Minitroll den Brunnen erreicht haben, so kann ihnen niemand mehr helfen.«

Jabo schaute zu der Drachenkönigin auf und ging zurück in die Höhle. Als er an dem Bett ankam, in dem Barbaron am frühen Morgen erwachte, fiel sein Blick auf eine kleine Truhe. In ihr befanden sich die magischen Dinge, die der kleine König und der Kobold zurückgelassen hatten. Der Nekromant hob den Deckel der Truhe hoch. Der Trollkompass und der blaue Kristall lagen darin. Barbaron konnte sich nur schwer von diesen Dingen trennen. Von Knurr war nur ein kleiner goldener Löffel zu finden. Nur der Kobold wusste, was man mit ihm anstellen konnte. Die magische Aura dieses Löffels konnte Jabo jedoch deutlich spüren. Niemand hatte ihm gesagt, warum das so war und der Magier entschloss sich, in den Büchern eine Antwort zu finden.

Zu seinem Glück war Knurr einer jener Zauberer, die nicht auf einen Zauberstab oder einen Kristall angewiesen waren. Sein magisches Geschick verdankte er seinem Willen und seinen Händen. Ein Wink mit der rechten Hand genügte, um einen starken Baum in seiner Mitte zu brechen. Da er bei seinen Brüdern als Eigenbrötler galt und er stets mit einem finsteren Blick umher lief, ließen ihn selbst die vielen Minitrolle in Ruhe. Warum das so war, konnte keiner der Kobolde sagen. Doch es war nicht immer so gewesen. Vor einigen Hundert Jahren war das Gemüt von Knurr viel fröhlicher. Doch im Laufe der Zeit hatte sich der Kobold verändert. Er war zu jenem brummigen Kauz geworden, dem jeder aus dem Weg ging.

Die vier ungleichen Reisenden kamen trotz des Schneetreibens, das noch immer herrschte, gut voran. Knurr hatte sich ein wärmendes Fell auf seine Flugschale gelegt, ein Mantel und eine Wolldecke schützten ihn vor der Kälte. Artem und Orbin hatten ebenfalls dicke Mäntel an und sie trotzten mit Handschuhen und Fellmützen dem eisigen Winter. Nur Barbaron sah so aus, als wäre gerade der Hochsommer ausgebrochen. Kein Mantel, keine Schuhe und auch keine Decke schützten ihn. Er spürte die Kälte nicht, denn er war ja ein Minitroll. Vergnügt saß er auf Orbins Schulter. Dabei betrachtete der kleine König die Bäume und Sträucher, an denen die Freunde vorbei zogen.

Knurr zauberte sich dagegen immer wieder ein kleines Feuer herbei. Er ließ die Flammen dicht über seinen Händen tanzen und betrachtete sie. Auf den Weg achtete er kaum. Orbin war groß genug, um einfach hinter ihm herzuschweben. Beinah stieß er mit dem Hinterteil des Nekromanten zusammen, als Artem seine Lanze in die Höhe streckte und anhielt. Der Riese drehte sich um und zeigte mit seiner Waffe auf den Weg, der durch den Schnee nur schlecht zu erkennen war. Die Spur eines anderen Riesen war gerade noch zu erkennen. Der Schnee hatte sie schon fast wieder verdeckt.

»Wir sind nicht allein«, flüsterte Artem Orbin zu. »Ich hätte doch meinen Kompass und den Kristall mitnehmen sollen«, antwortete Barbaron ebenso leise, noch bevor der Nekromant etwas sagen konnte.

Die kleine Gruppe stand für einen Moment still auf dem Weg und jeder sah sich um. Barbaron spannte seinen Bogen und wartete auf ein Zeichen von Artem. Doch der konnte mit seinen drei Augen nicht einen einzigen Gegner erkennen und er schüttelte seinen Kopf. »Nicht einmal mein Nachtauge kann dieses Schneetreiben durchdringen«, flüsterte er wieder. »Ich kann keine lebende Seele erkennen.«

»Wir sind noch keine Stunde unterwegs«, brummte Knurr und er schwebte sogleich vor dem Kopf des Riesen. »Doch die Gefahren begleiten uns schon zum Anfang unserer Reise und ich frage mich, wie das noch enden soll. Lasst uns vorsichtig weiter ziehen und macht keinen Lärm. Ich bin noch nicht in Kampflaune.«

»Oh, mein Freund«, flüsterte Barbaron. »Ich bin immer in Kampflaune. Doch ohne meinen Kristall bin ich ein lausiger Gegner.«

Orbin wollte noch etwas sagen, doch das Knacken eines Astes und der Schrei einer Eule ließen die vier Freunde aufhorchen. Artem nickte den Gefährten zu und zeigte mit seiner Lanze in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Der Nekromant hob seinen Zauberstab und flüsterte einen Zauberspruch. Er wiederholte ihn noch zwei Mal und ein Kreis aus weißem Licht umgab die kleine Gruppe. Der Schutzbann glitzerte im Schnee und strahlte hell wie die Sonne. Er nahm den Freunden beinah die Sicht auf die nähere Umgebung.

Neben dem Weg, auf dem die kleine Gruppe stand, ragten die Berge rechts und links hoch auf. Sie waren mit dichtem Wald bedeckt und der Schnee hüllte alles in einen eisigen Mantel. Aus diesem eisigen Mantel erhob sich langsam ein großer dunkler Schatten. Er kam auf die Gruppe zu und blieb ein Stück vor dem Schutzbann stehen. Artem erkannte ihn sofort und er streckte seine Lanze in seine Richtung.

»Wer ist das?«, fragte Knurr leise. Er schwebte mit seiner Flugschale vor den Freunden. »Ich weiß nicht, wie der Kerl heißt«, antwortete Artem. »Doch ich habe ihn schon einmal gesehen. Er gehört zu einer der Familien, die meinem Onkel dienen. Cromber hat ihn sicher geschickt, damit er mich aus dem Weg räumt.«

Hinter dem fremden Riesen tauchten noch weitere Krieger auf. Sie kamen langsam näher und sie schienen auf etwas zu warten, denn sie blieben hinter ihrem Anführer stehen. Für einen Augenblick war es absolut ruhig und Barbaron meinte, die Schläge der Herzen der feindlichen Riesen zu hören, obwohl diese grimmig aussehenden Krieger etwa hundert Schritte weit weg auf dem Weg nach Ando-Hall standen.

»Nur zehn Männer hat Cromber geschickt«, sprach Artem und seine tiefe Stimme dröhnte seinen Gefährten in den Ohren.

»Auf was warten die?«, entgegnete Knurr. »Ich komme langsam in Kampflaune. Und wenn diese Kerle uns noch lange den Weg versperren, zeige ich ihnen, was ich mit Feuer und Blitzen alles anstellen kann.«

Der Kobold brauchte nicht länger zu warten. Mit einem fürchterlichen Brüllen stürmten die Riesen den vier Gefährten entgegen. Ihre Lanzen, die sie meist nur zur Jagd auf Bären und Wölfe benutzten, flogen im hohen Bogen durch die Luft und prallten an Orbins Schutzbann ab. Sie zerbrachen und landeten im Schnee, ohne ihr Ziel erreicht zu haben. Ein Donner hallte sofort durch die Wälder und sein Echo schwang sich von Berg zu Berg. Die Blitze von Knurr und Orbin zuckten den Angreifern entgegen und rissen zwei von ihnen um. Die anderen Krieger versuchten, mit Äxten und Keulen den Schutzbann zu zerschlagen. Doch ihre Kräfte schwanden immer mehr und sie sanken schließlich in den Schnee. Nur der Anführer blieb auf seinen Beinen. Als er sah, was mit seinen Kriegern geschah, konnte er es kaum fassen. Erschrocken wich der Anführer zurück.

Barbaron sprang von Orbins Schulter herunter und hüpfte geschickt von einem Krieger zum anderen. Dabei zog er seine Pfeile aus ihren Armen und Beinen heraus. Dann stellte er sich vor dem Anführer hin und spannte seinen Bogen. »Möchtest du auch ein wenig schlafen?«, fragte er den riesigen Kerl. »Du siehst so müde aus und ich würde dir gern eine Mütze voll Schlaf verpassen.«

»Nein! Nein … ich will nicht!«, rief der Krieger und er warf seine Axt in den Schnee. Dann drehte er sich um und rannte davon, so schnell ihn seine Beine trugen. Kopfschüttelnd sah Artem sich an, wie ein Mann, der so groß und so stark wie eine nordische Eiche war, vor einem winzigen Minitroll davon lief.

 

Orbin lachte und selbst der sonst so brummige Knurr konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Artem machte dem Spaß ein jähes Ende und er rief Barbaron zurück. »Lass es gut sein, mein kleiner Freund. Er wird zu Cromber eilen und ihm berichten wollen.«

Doch der Prinz irrte sich, denn eine große Menge Krieger rückte jetzt auf dem Weg gegen die Gefährten vor. An ihren ledernen Rüstungen und den Wappen auf ihren Schilden erkannte Artem, dass die Feinde, die ihnen entgegen zogen, von der Sippe seines Onkels Cromber waren. Mit diesen Kriegern konnte er nicht reden. Sie waren schon immer gegen seinen Vater gewesen und sie würden ihn sofort töten, nur um ihren Herrn zum Fürsten zu machen. Ando-Hall war noch weit weg und der Prinz befürchtete, dass diese Krieger nicht das letzte Hindernis auf dem Weg dorthin waren.

Orbin stellte sich vor Artem hin und streckte seinen Zauberstab den etwa fünfzig Kriegern entgegen, die schnell näher kamen. »Ich habe da so eine Idee«, erklärte er. »Mal sehen, ob diese kräftigen Kerle auch mit Bäumen kämpfen können.«

»Was du da vorhast, ist ein gefährlicher Zauber«, rief Knurr und er gesellte sich rasch neben den Nekromanten. »Ich werde dich ein wenig unterstützen und Barbaron wird die Berghänge beobachten.«

»Na klar, das werde ich tun«, fauchte der kleine König los. »Wenn ich meinen Kristall bei mir hätte, so würde ich Crombers Strolche durch den Wald jagen. Da könntet ihr sicher sein, meine lieben Freunde. Aber so bin ich ja nur ein Beobachter, ein …«

»Halt die Klappe«, zischte Orbin Barbaron an und er hielt ihm den Mund zu. »Ich muss mich ein wenig konzentrieren, denn der Zauber, den ich anwenden will, ist etwas schwierig.«

Der kleine König drückte die Hand des Nekromanten von sich weg und brüllte ihm eine Frage ins Ohr. »Wirst du mit deinem Zauber auch die Krieger treffen, die sich gerade an unserer rechten Flanke befinden?«

Orbin drehte seinen Kopf nur ein wenig nach rechts und fluchte leise los. »Diese Dummköpfe versauen uns den Tag, noch bevor die Sonne am höchsten steht. Bei unserem Schöpfer schwöre ich, dass sie ihren Überfall noch bitter bereuen werden.«

Von allen Seiten wurde die kleine Gruppe eingekreist. Immer mehr Krieger kamen langsam auf sie zu. Sie streckten ihre Lanzen Artem und seinen Freunden entgegen und nichts schien sie aufhalten zu können.

Doch der Ruf eines mächtigen Herrschers hallte plötzlich durch den Wald und er ließ die feindlichen Riesen aufhorchen. Das Brüllen des Drachenkönigs Urgos ließ die Bäume erzittern und das Drachenhorn von Tabor verkündete, dass der Herrscher der Lüfte nicht mehr weit weg war. Ein Rauschen war als Nächstes zu hören und ein riesiger Schatten bedeckte die kleine Gruppe. Neben ihnen landete mit kräftigem Flügelschlag der König der Drachen und auf ihm saß Tabor. Er hielt in seinen Händen das Horn, mit dem er die Drachen im Drachenhort erlöst hatte.

Der Knabe sprang vom Rücken des Drachenkönigs herunter und lief zu Artem und seinen Freunden. Urgos schlug mit seinen Flügeln und jagte eine Feuersäule in den Himmel. Die Riesen senkten sofort ihre Lanzen und sahen sich furchtsam um. Doch es war kein weiterer Drache zu entdecken.

Artem beugte sich vor und hob Tabor in die Höhe. Er setzte ihn behutsam auf seine rechte Hand und sah ihn mit seinen drei Augen an. »Du bist der tapferste Drachenjunge, den ich je gesehen habe«, sprach er und seine Stimme dröhnte so tief wie das Schnarchen eines schlafenden Bären.

»Das ist nicht weiter verwunderlich«, erklärte Tabor und seine glockenhelle Stimme erklang für den Prinzen wie Musik in seinen Ohren. »Ich bin ja der einzige Drachenjunge, den ihr Riesen jemals gesehen habt. Doch nun lasst uns keine Zeit verlieren. Ich habe Urgos überredet, euch zu helfen und euch alle sicher zum Tempel von Ando-Hall zu bringen. Cromber will sich schon heute Abend zum neuen Fürsten wählen lassen und nur wenige Sippen wagen es, sich offen gegen ihn zu stellen. Er hat etwas vor und niemand kennt seine Pläne. Doch es kann nichts Gutes sein. Selbst die Höhlentrolle und die Waldnymphen sprechen furchtsam von den finsteren Plänen des Cromber und ein gefährlicher schwarzer Hexer soll sich in der Nähe des heiligen Tempels von Ando-Hall herumtreiben.«

Urgos sah sich die Riesen an, die noch immer ihn und die kleine Gruppe umringt hatten. Sie rückten nicht näher vor, doch sie wollten auch nicht zurückweichen. »Wer ist euer Anführer!?«, brüllte der Drachenkönig und eine kleine Flamme fuhr ihm aus seinem Maul.

Einer der Krieger trat zögernd vor und ging auf Urgos zu. Artem und seine Freunde stellten sich neben ihren mächtigen Verbündeten und der Drachenjunge kletterte wieder auf den Rücken des Drachenkönigs. Ein magischer Schuppenpanzer bedeckte sofort seinen Körper und der Junge schien mit dem Drachen unlösbar zu verschmelzen. Über Artems breites Gesicht huschte ein Lächeln, als er Tabor so auf dem Rücken seines Freundes Urgos sah.

Langsam kam der Krieger näher, der mit mehr als hundert Riesen durch die Wälder zog, um Artem zu überfallen. »Ich bin Roger, und ich führe die Krieger an, die ihr hier seht. Mein Herr Cromber, der neue Fürst der Nachtaugenriesen, hat mich geschickt, um dem Verräter Artem das fürstliche Urteil unseres Herrn zu verkünden. Er darf nie wieder unser Land betreten und ist für alle Zeit verbannt.«

Urgos streckte dem Krieger seinen massigen Kopf entgegen und knurrte leise. Er zog kurz die Luft in seine Nase ein uns sah den Krieger grimmig an. »Nicht der Prinz ist der Verräter«, sprach er und seine Worte dröhnten in allen Ohren. »Cromber war schon immer ein machtgieriger Mann. Doch er ist noch kein Fürst und er kann deshalb auch kein Urteil fällen. Wenn er ein Fürst werden will, so muss er im Zweikampf mit Prinz Artem siegen. Es sieht jedoch so aus, als ob dein Herr vor diesem Kampf Angst hat. Deshalb schickt er dich und deine hundert Verräter. Ihr sollt ihm den Weg zur Herrschaft ebnen.«

Artem trat dicht an Roger heran. »Der Drachenkönig hat recht«, sprach der Prinz. »Du weißt es selbst sehr gut. Kein Riese darf mir den Weg nach Ando-Hall versperren. Doch Cromber bricht die Gesetzte unseres Volkes. Und ihr alle macht euch mitschuldig an dem Verrat meines Onkels.«

Roger sah sich unsicher um und seine Verlegenheit war nicht zu übersehen. Er nickte schließlich und warf seine Lanze vor Artems Füße. »Eigentlich sollte die Zeremonie für die Fürstenweihe erst in sieben Tagen sein. Doch Cromber hat den obersten Priester Kalon gezwungen, die Weihe sieben Tage eher abzuhalten. Er bedroht ihn mit der Vernichtung seiner Familie. Du wirst also nicht rechtzeitig vor dem Tempel erscheinen, um Cromber herauszufordern. Und wenn wir dich nicht von deiner Reise abhalten, so wird der neue Fürst unsere Familien ausstoßen und die Krieger, die du hier siehst, töten lassen. Er ist sehr mächtig geworden und er will unbedingt der nächste Fürst sein.«

Urgos schüttelte seinen Kopf und stieß eine Dampfwolke aus seinen Nasenlöchern aus. Dann sprach er leise zu Roger und seine Worte dröhnten dem Krieger erneut in den Ohren. »Der Prinz wird rechtzeitig in Ando-Hall erscheinen. Ich werde dafür sorgen. Und ich werde darauf achten, dass der Zweikampf auf ehrliche Art geführt wird. So will es das Gesetz der Riesen und Cromber muss sich diesem Gesetz beugen.«

Roger sah den Drachenkönig erstaunt an. »Ihr Drachen habt doch vor langer Zeit dem Schöpfer geschworen, euch nicht in die Angelegenheiten der Völker einzumischen. Warum tust du es auf einmal? Gibt es dafür einen Grund, den wir Riesen wissen sollten?«

Urgos wiegte bedächtig seinen Kopf hin und her. Dann antwortete er und seine Worte erstaunten nicht nur Roger. »Ich habe den Verdacht, dass sich jemand für euch interessiert, der sich mit der schwarzen Magie auskennt. Willst du, dass ein schwarzer Hexer euch Riesen in seinen Bann zieht, und ihr für eine Sache kämpft, die gegen den Willen des Schöpfers ist? Tabor, der Drachenjunge hörte die Reden der Waldnymphen und der Höhlentrolle. Sie sprechen über den schwarzen Hexer, der in der Nähe eures Tempels gesehen wurde. Wenn er es schafft, euer Heiligtum zu betreten, so droht euch Riesen große Gefahr. Ich will das Gleichgewicht der Magie erhalten. Deshalb mische ich mich ein.«

Roger sah kurz zu seinen Kriegern und dann zu Artem. Er hob seine Lanze wieder auf und hielt sie in beiden Händen. »Ich werde mit den Kriegern nach Ando-Hall zurückkehren. Dich und deine Freunde greifen wir nicht an und ich hoffe, dass du dein Schicksal erfüllst, mein junger Prinz.«

Roger drehte sich um und winkte seinen Kriegern zu. Die Riesen sammelten sich bei einer alten Buche, deren Äste schon längst keine Blätter und keine Früchte mehr trugen. Leise unterhielten sie sich und einige sahen mit bösen Blicken zu Roger, der ihnen entgegen kam. Noch bevor er die Krieger erreichte, ertönte ein lauter Schrei und ein Blitz schlug in der Brust von Roger ein. Er sank tödlich getroffen zu Boden und mit einem zweiten Schrei flatterte eine schwarze Gestalt von den Bäumen auf, die in der Nähe standen. Diese Gestalt verschwand rasch und ein hässliches Lachen war zu hören.

Artem lief durch den hohen Schnee zu Roger und sah mit entsetzen, dass in der Brust des Kriegers ein rauchendes Loch war. Der Prinz hätte seine Faust hineinstecken können.

»Du hattest recht …«, röchelte Roger mit letzter Kraft. »Ein schwarzer Hexer … er wird …« Der Kopf des Kriegers sank zur Seite und sein rotes Blut bedeckte den Schnee. Ratlos standen die Krieger um ihren Anführer herum und die Furcht war in ihren Augen zu sehen.

»Begrabt ihn mit allen Ehren«, sprach Artem zu ihnen. Dann strich er dem toten Roger über die Augen. »Zieht danach rasch zum Tempel und verweigert Cromber den Dienst. Er hat sich mit den finsteren Mächten eingelassen. Das ist gegen unser Gesetz und dafür muss mein Onkel seine gerechte Strafe erhalten. Ich werde Roger rächen, das bin ich ihm und euch allen schuldig. Und vergesst eure zehn Freunde nicht, die auf dem Weg liegen und schlafen. Ihr werdet ihnen helfen müssen.«

Die Krieger nickten zustimmend und hoben ihren toten Anführer auf. Schnell fertigten sie aus Lederriemen und Lanzen einige Tragen. Artem sah ihnen einen Augenblick nach und ging dann zu seinen Freunden zurück, als die Krieger mit ihren schlafenden Freunden und ihrem toten Anführer im Wald zwischen den Bäumen verschwanden.

Urgos peitschte unruhig mit seinem mächtigen Schwanz den Schnee hinter sich. »Steig auf meinen Rücken«, rief er Artem zu. »Die Zeit wird knapp für dich werden. Der Hexer wird Cromber berichten wollen, dass du noch heute kommen wirst. Wir sollten ihm keine Zeit lassen und verhindern, dass er sich vorbereiten kann.«

Der Prinz sah noch einmal zu dem großen Blutfleck, der im Schnee schon von Weitem zu sehen war. Dann kletterte er auf Urgos Rücken. Er setzte sich hinter Tabor und hielt sich an einer Kette fest, die der Drache um seinen Hals trug. »Hoffentlich wird es dir nicht zu eisig«, rief der Drachenjunge. »Die Kälte kann dich in großer Höhe in einen Eisklumpen verwandeln.«

»Ich bin ein Nachtaugenriese«, antwortete Artem. »Ich fürchte die Kälte nicht, denn der Schöpfer hat meinem Volk vor langer Zeit die Kraft gegeben, dem Eis zu widerstehen. Mein Herz gibt mir die Wärme, die ich brauche.« Trotz seiner Worte hüllte der Prinz sich noch fester in seinen dicken Mantel ein.

Langsam erhob sich der Drachenkönig nach einem kurzen Anlauf. Orbin saß auf seiner Flugschale und folgte Urgos mit einigem Abstand. Knurr flog neben dem Nekromanten und der kleine König aller Minitrolle saß bei ihm und schaute über den Rand der Flugschale. Er sah sich noch einmal um, doch der schwarze Hexer war nicht mehr zu entdecken. Wer hatte diesen Mörder nur geschickt? Die Frage ging Barbaron durch den Kopf und sie ließ ihm keine Ruhe.