Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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II. Zahlungsunfähigkeit



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Zahlungsunfähigkeit liegt nach insolvenzrechtlicher Legaldefinition vor, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Auf die noch vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung erforderlichen zusätzlichen Merkmale eines

dauerhaften

 Unvermögens des Schuldners, seine aktuell zu erfüllenden Verbindlichkeiten noch

im Wesentlichen

 zu befriedigen, hat der Gesetzgeber dagegen bewusst verzichtet, um durch die Erweiterung dieses Insolvenzgrundes eine frühzeitige Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu gewährleisten. Allein an der Voraussetzung eines

ernsthaften Einforderns

 hält die

Rechtsprechung in Zivilsachen

 im Rahmen eines „insolvenzrechtlichen Fälligkeitsbegriffs“ auch nach Einführung der Insolvenzordnung, wie gesehen, fest.





1. Strafrechtliche Definition



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Es ist umstritten, ob die insolvenzrechtlichen Weiterungen bei der strafrechtlichen Definition des Krisenmerkmals „Zahlungsunfähigkeit“ bindend zu berücksichtigen sind. Die

Rechtsprechung

und Teile des

Schrifttums

legen der strafrechtlichen Begriffsbestimmung auch insoweit eine strenge Zivilrechtsakzessorietät zu Grunde. Danach sei die Maßgeblichkeit der Merkmale „Dauerhaftigkeit und Wesentlichkeit“ des Liquiditätsdefizits ebenfalls im Rahmen des § 283 Abs. 1 StGB entfallen. Die Zeitspanne der Illiquidität müsse in Anlehnung an das Insolvenzrecht noch mindestens

drei

 Wochen umfassen; die Liquiditätslücke im Mindestmaß 10 % betragen. Diese strikte Insolvenzrechtsakzessorietät ist jedoch, wie gezeigt, keineswegs zwingend. Eine eigenständige, von den insolvenzrechtlichen Vorgaben grundsätzlich gelöste, autonom strafrechtliche Begriffsbestimmung erscheint ebenso wenig sinnwidrig. Sie ist wegen des abweichenden Regelungszusammenhangs vielmehr vorzugswürdig. Die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit, die die Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtfertigen, müssen strafrechtlich gesehen (am Maßstab des Bankrotts) nicht ohne Ausnahme eine in Zusammenschau mit der Bankrotthandlung ausreichende Gefährdung der ökonomischen Interessen der Gläubigerschaft begründen. Die insolvenzrechtlichen „Vorgaben“ kennzeichnen das strafrechtlich relevante Unrecht (Ausmaß der Krisensituation) keineswegs ausnahmslos und hinreichend sicher.





a) Ernsthaftes Einfordern



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Auch im Anschluss an die Insolvenzrechtsreform sind insolvenzrechtlich nur solche Forderungen in die Betrachtung einzubeziehen, die von Seiten der (Unternehmens-)Gläubiger

ernsthaft eingefordert

 werden. Dieses Kriterium wurde bereits zuvor zur Beschränkung des strafrechtlichen Krisenmerkmals „Zahlungsunfähigkeit“ herangezogen, da nur Forderungen, die bei Fälligkeit (i.S. von § 271 BGB) auch ernsthaft eingefordert werden, geeignet sind, Geldilliquidität i.S. einer manifesten Krisensituation zu begründen. Teile des

Schrifttums

und die

Rechtsprechung

, die im Grundsatz einer strengen Insolvenzrechtsakzessorietät zuneigen, wollen dieses Kriterium im Anschluss an die Einführung der Insolvenzordnung allerdings aufgeben. Diese Auffassung wird jedoch gerade unter der Prämisse einer strengen Insolvenzrechtsakzessorietät im Anschluss an die aktuelle

Rechtsprechung

 des

BGH in Zivilsachen

, die – im Unterschied hierzu – auch weiterhin an einem insolvenzrechtlichen Fälligkeitsbegriff unter Einschluss des Merkmals eines ernsthaften Einforderns festhält, zu revidieren sein. Gerade eine streng an die insolvenzrechtlichen Vorgaben angelehnte strafrechtliche Begriffsausfüllung kann auf das Merkmal des „ernsthaften Einforderns“ nicht verzichten. Hinsichtlich dieses restriktiven Kriteriums besteht – zwischen einer strikten und einer (nur) funktionalen Insolvenzrechtsakzessorietät – nach der aktuellen Rechtsprechung des

BGH in Zivilsachen

 daher keine Diskrepanz (mehr). Unabhängig davon kann der strafrechtliche Krisenbegriff nicht weiter gefasst werden als der insolvenzrechtliche Eröffnungsgrund. Dieses Ergebnis ist auch mit Blick auf § 283 StGB sachlich zutreffend, da Verbindlichkeiten, bezüglich derer Gläubiger durch ein Unterlassen des Einforderns zu erkennen geben, dass keine sofortige Leistung erwartet wird, die aktuelle Liquiditätssituation faktisch

nicht

 negativ beeinflussen. In diesen Konstellationen genügt das Ausmaß der Krise (noch) nicht, um in Zusammenschau mit einer Bankrotthandlung des § 283 Abs. 1 StGB (und der objektiven Bedingung der Strafbarkeit, § 283 Abs. 6 StGB) ein strafwürdiges Unrecht zu begründen.





b) Dauer und Wesentlichkeit der Liquiditätslücke



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Eine strikt an den Parametern des Insolvenzrechts (Zeitraum der Illiquidität: drei Wochen; Liquiditätslücke 10 %) orientierte Auslegung genügt den strafrechtlichen Anforderungen an die Feststellung von Zahlungsunfähigkeit als Krisenmerkmal des § 283 Abs. 1 StGB nicht. Es handelt sich – auch in der insolvenzrechtlichen Judikatur – bei Lichte besehen nur um Richtwerte mit

Indizcharakter

. Die „10 %-Grenze“ markiert bei genauer Betrachtung nur einen Referenzwert für eine zivilrechtliche Beweislastverteilung: Während der Schuldner im Fall von Liquiditätslücken, die diesen Referenzwert übersteigen, die Beweislast dafür trägt, dass Zahlungsunfähigkeit nicht vorliegt, kehrt sich die Beweislastverteilung bei Unterschreitung des Schwellenwertes um. In das Strafrecht kann diese Beweisregel schon prozessual unter Beachtung des „in dubio pro reo“ Satzes nicht übernommen werden. Das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit ist selbst bei Erreichen oder Überschreiten dieser Grenze – selbst nach insolvenzrechtlicher „Vorgabe“ – widerlegbar, d.h. hierdurch keineswegs ausreichend sicher festgestellt. Aus diesem Grund ist strafrechtlich ein „Sicherheitszuschlag“ veranlasst. Um Unsicherheiten auszuschließen, ist im Rahmen von § 283 Abs. 1 StGB eine Liquiditätslücke von wenigstens 25 % der (ernsthaft eingeforderten) Verbindlichkeit erforderlich, um die Voraussetzungen des Krisenmerkmals zu begründen.



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Entsprechendes gilt für die strafrechtliche Feststellung der Dauerhaftigkeit der Liquiditätslücke zur Beurteilung der Zeitraumilliquidität. Die dreiwöchige Frist berücksichtigt nur die Dauer, welche die Kapitalbeschaffung „für gewöhnlich“ erfordert. In Einzelfällen besteht – auch nach der

Rechtsprechung in Zivilsachen

 – die Möglichkeit, dass eine Liquiditätslücke – absehbar – noch zu einem späteren Zeitpunkt zurückgeführt werden kann. Dies gilt insbesondere für (kleinere) Unternehmen, die wirtschaftlich nur von wenigen Auftraggebern abhängig sind. Die Anwendung starrer Grenzen, die unabhängig vom jeweils zu würdigenden Einzelfall Geltung beanspruchen, erscheint im strafrechtlichen Kontext zur Abgrenzung zwischen (noch) straflosem und überhaupt strafbarem Verhalten problematisch. Jedenfalls ist strafrechtlich auch im Zusammenhang der Abgrenzung von Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung ein Sicherheitszuschlag veranlasst. Strafrechtlich ist danach ein Illiquiditätszeitraum von wenigstens

sechs

 Wochen Voraussetzung.



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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Krisenmerkmal der Zahlungsunfähigkeit im Kontext der §§ 283 ff. StGB die Feststellung einer Liquiditätslücke von mindesten 25 % der fälligen – und ernsthaft eingeforderten – (Geld-)Verbindlichkeiten erfordert, die dauerhaft, d.h. wenigstens über einen Zeitraum von sechs Wochen (Zeitraumilliquidität) fortbesteht.






2. Feststellung von Zahlungsunfähigkeit



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Die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit sind durch eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder zu beschaffenden Mittel (Liquiditätsbilanz bzw. Liquiditätsstatus) festzustellen. Da ebenfalls im Rahmen von § 283 StGB bloße Zahlungsstockungen, wie gesehen, nicht genügen, ist zusätzlich eine prognostische Beurteilung der Zeitraumilliquidität anhand eines Finanzplans erforderlich, um auch zukünftige, innerhalb des mindestens sechswöchigen Prognosezeitraums zu erwartende Liquiditätszuflüsse und fällig werdende Verbindlichkeiten zu erfassen. Zu berücksichtigen sind auch kurzfristig veräußerbare Vermögensgegenstände bzw. sonst liquide Mittel, die kurzfristig, ggf. auch durch Kredite, beschafft werden können.



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Darüber hinaus hat die

Rechtsprechung

 gebilligt, Zahlungsunfähigkeit (alternativ) allein anhand wirtschaftskriminalistischer Beweisanzeichen – die auch im Rahmen von § 17 Abs. 2 InsO Indizien einer Zahlungsunfähigkeit sind – festzustellen. Dies relativiert die praktische Bedeutung einer eigenständigen Auslegung des Merkmals Zahlungsunfähigkeit im strafrechtlichen Kontext. Zu den insoweit relevanten Indizien zählen etwa Mahnungen, die Zustellung von Mahn- oder Vollstreckungsbescheiden, Scheck- und Wechselproteste, der Verzicht auf Skonti, die erkennbare Suche nach Kreditgebern oder erhebliche Ausweitung der Kreditlinie, ein Wechsel der Hausbank oder Kontenpfändungen. Zudem ist insbesondere eine längerfristige bilanzielle Überschuldung Indiz dafür, dass eine Zahlungsunfähigkeit nicht nur vorübergehenden Charakter besitzt. Die durch eine andauernde Überschuldung belegte, manifeste negative Eigenkapitalbilanz erschwert die Beschaffung von zusätzlichem, liquiditätssicherndem Fremdkapital nicht selten erheblich oder schließt diese aus. Die Kumulation derartiger Beweisanzeichen, die eine Zahlungsunfähigkeit belegt, erfolgt anhand eines chronologischen Warnzeichendiagramms.

 



Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der Krisenmerkmale

 ›

B

 › III. Drohende Zahlungsunfähigkeit






III. Drohende Zahlungsunfähigkeit



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Die Zieldivergenz zwischen Insolvenzverfahren und Strafrecht ist im Rahmen des Krisenmerkmals drohender Zahlungsunfähigkeit besonders ausgeprägt. Der Insolvenzgrund drohender Zahlungsunfähigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 InsO verlangt, dass der Schuldner

voraussichtlich

 nicht in der Lage ist, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Ziel des ergänzend eingeführten Insolvenzeröffnungstatbestands ist es, dem Schuldner eine frühzeitige Insolvenzantragstellung zu ermöglichen, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu Erhalt, Sanierung und Fortführung des betroffenen Unternehmens treffen zu können. Im Gegensatz hierzu bewirkt das Merkmal im strafrechtlichen Regelungskontext eine erhebliche Vorverlagerung der Strafbarkeit. Der Zielkonflikt liegt deutlich zu Tage. Dieser Umstand verhindert nicht selten die Verwirklichung der insolvenzrechtlichen Intention des Gesetzgebers. Die unbesehene Übernahme des insolvenzrechtlichen Begriffsverständnisses scheidet daher auch hier aus. Das Tatbestandsmerkmal einer „drohenden“ Zahlungsunfähigkeit umschreibt sowohl den erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit, mit dem der Eintritt von Zahlungsunfähigkeit zu erwarten ist, gleichzeitig den im Rahmen der Prognose zu berücksichtigenden Zeitraum. Das Merkmal ist im Rahmen von § 283 Abs. 1 StGB mit Blick auf das Erfordernis ausreichender Strafwürdigkeit sowie auf Art. 103 Abs. 2 GG Ansatzpunkt von Restriktionen. Überdies ist ebenfalls der strafprozessuale Grundsatz „in dubio pro reo“ zu beachten, der zu einer restriktiven Handhabung der insolvenzrechtlichen „Vorgabe“ im Rahmen des Bankrotts führt. Dies gilt sowohl für die Kriterien der Zahlungsunfähigkeit, an denen die drohende Zahlungsunfähigkeit anknüpft, als auch für die zusätzlichen prognostischen Elemente.



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Mit Blick auf das Schutzgut von § 283 Abs. 1 StGB wird die Intensität der Gefährdung wirtschaftlicher Interessen der Gläubigerschaft sowohl durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des späteren Eintritts von Zahlungsunfähigkeit des Schuldners als auch durch die zeitliche Nähe dieser Folge bestimmt. Strafrechtlich genügt nicht eine „nahe liegende Möglichkeit“ des Eintritts von Zahlungsunfähigkeit. Erforderlich ist, dass unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Eintritt von Zahlungsunfähigkeit mit

überwiegender

 Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dabei sind nur bereits entstandene, d.h. rechtlich bereits begründete, Zahlungspflichten zu berücksichtigen. Die zu prognostizierende Liquiditätslücke muss auch hier einen wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten erfassen, d.h. mindestens 25 % betragen. Darüber hinaus bedarf ebenfalls der Prognosezeitraum zusätzlicher Restriktion. Ein Abstellen auf den letzten Fälligkeitszeitpunkt bestehender Verbindlichkeiten ist gerade mit Blick auf begründete Dauerschuldverhältnisse zu weitgehend. Die Prognoseunsicherheit wächst mit zunehmender Zeitspanne deutlich und gerät zunehmend in den Bereich der Spekulation. Ein ausgedehnter Prognosezeitraum ist zwar mit dem insolvenzrechtlichen Zweck von § 18 InsO, dagegen nicht mit dem strafrechtlich maßgeblichen Strafwürdigkeitserfordernis vereinbar. Zugleich erfordert Art. 103 Abs. 2 GG eine feste Obergrenze. Der zu betrachtende Zeitraum, der noch eine hinreichend sichere Finanzvorschau erlaubt, beträgt regelmäßig

ein Jahr

. Der bei längeren Zeiträumen zunehmenden Prognoseunsicherheit kann auch durch eine Erhöhung des erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrads kaum mehr hinreichend sicher begegnet werden.



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Daneben sind sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel, d.h. neben der vorhandenen Liquidität und den zu erwartenden Einnahmen, insbesondere auch verfügbare „Kreditmöglichkeiten“ sowie die zu erwartende Auftragsentwicklung, zu berücksichtigen. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit muss bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der Bankrotthandlung – nicht erst danach – bestehen. Drohende Zahlungsunfähigkeit kann betriebswirtschaftlich insbesondere durch eine Finanzvorschau und Liquiditätsplanung ermittelt werden. Daneben kommt (alternativ) die Feststellung auf der Grundlage kriminalistischer Beweisanzeichen in Betracht, wobei freilich zu bedenken ist, dass im Vergleich zu

eingetretener

 Zahlungsunfähigkeit bereits schwächere Anzeichen, etwa drohende Schadenersatzansprüche, drohende Zusammenbrüche wichtiger Kunden, die drohende Kündigung von Bankkrediten oder der anhaltend stockende Ausgleich laufender Verbindlichkeiten als Indizien in Betracht kommen. Andererseits ist der Schluss, dass die Unternehmensleitung solchen Entwicklungen nicht (rechtzeitig) entgegensteuern kann, nur selten mit der erforderlichen Sicherheit zu ziehen.



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Wegen der Ungewissheit der weiteren Entwicklung besteht eine Parallele zum Insolvenzgrund der Überschuldung, der allerdings anders als (drohende) Zahlungsunfähigkeit nicht an der Liquiditäts-, sondern an der Vermögenslage des Unternehmens anknüpft. Der Eintritt von Überschuldung ist zugleich Indiz drohender Zahlungsunfähigkeit, da der Mangel an Eigenkapital in Relation zum Fremdkapitalanteil des Vermögens eine zukünftige Fremdkapitalfinanzierung erschwert. Dies gilt insbesondere bei längerfristiger Überschuldung. Überschuldung scheidet sowohl im insolvenz- wie im strafrechtlichen Sinn bei Bestehen einer positiven Fortführungsprognose aus. Eine positive Fortführungsprognose kann gestellt werden, wenn die ökonomische Ertrags- und Leistungsfähigkeit nach sachkundiger Prüfung aller maßgeblichen erkennbaren Umstände absehbar gewährleistet oder wiederhergestellt werden kann, wobei insbesondere auch eine Liquiditätsplanung erforderlich ist. Dieser Grundgedanke ist auf das Krisenmerkmal drohender Zahlungsunfähigkeit im Zusammenhang des § 283 StGB übertragbar. Die im Rahmen der Fortführungsprognose anzustellende Beurteilung erscheint mit der prognostischen Prüfung drohender Zahlungsunfähigkeit insoweit durchaus vergleichbar. Die Prüfungsinhalte überschneiden sich jedenfalls in wesentlichen Teilbereichen. Die wirtschaftliche Krise, die durch eine drohende Zahlungsunfähigkeit beschrieben wird, hat dann kein hinreichendes, Strafwürdigkeit auslösendes Gewicht, wenn dem Betroffenen trotz vorhandener gegenläufiger Indizien (die auf drohende Zahlungsunfähigkeit hindeuten) eine Fortführung des Unternehmens nach Behebung der sich andeutenden Liquiditätskrise voraussichtlich dennoch möglich sein wird. Jedenfalls kann in diesen Fällen eine Überwindung des drohenden Liquiditätsdefizits nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, so dass die Fortführung nicht gänzlich unwahrscheinlich ist. Der Insolvenzgrund drohender Zahlungsunfähigkeit kann im Insolvenzrecht auf derartige Restriktionen verzichten, da dessen Anwendung allein in der Dispositionsbefugnis des Schuldners selbst steht (§ 18 Abs. 1 InsO) und die abweichende Zielrichtung (Steigerung der Chancen einer Sanierung/Fortführung) verfolgt. Strafrechtlich scheidet drohende Zahlungsunfähigkeit dagegen aus, wenn nicht auszuschließen ist, dass zukünftig drohende Liquiditätsdefizite (welche die Qualität einer Zahlungsunfähigkeit zu erreichen drohen) möglicherweise durch unternehmerische Maßnahmen behoben werden können. In diesem Fall fehlt ein Strafwürdigkeit begründendes Ausmaß der wirtschaftlichen Krise. Die vorzunehmende Prüfung ist, wie gezeigt, der Beurteilung einer Fortführungsprognose im Falle von Überschuldung inhaltlich wenigstens angenähert.



Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der Krisenmerkmale

 ›

B

 › IV. Überschuldung






IV. Überschuldung



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Der Insolvenztatbestand „Überschuldung“ (i.S.v. § 19 InsO) ist, wie gesehen, auf juristische Personen beschränkt. Im Zusammenhang mit dem wortgleichen strafrechtlichen Krisenmerkmal fehlt dagegen eine vergleichbare Restriktion. Der Gesetzgeber hat hierauf bewusst verzichtet. Überschuldung wird dementsprechend im Rahmen von § 283 Abs. 1 StGB auf das Vermögen jedes Schuldners bezogen angewandt. Dieser Umstand erweitert den personellen Anwendungsbereich im strafrechtlichen Kontext. Auf der Grundlage des FMStG gilt insolvenzrechtlich ein modifizierter Überschuldungstatbestand. Das Vorliegen bilanzieller Überschuldung und eine negative Fortführungsprognose sind danach gleichrangige Tatbestandsmerkmale. Der Eröffnungstatbestand scheidet bei positiver Fortführungsprognose aus. Diese Restriktion des insolvenzrechtlichen Krisenbegriffs ist in das Inso

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