Rückkehr zu Gott

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115 cant. 81, 6, Winkler VI, 589: „Ex hac nempe inest illi inter bonum quidem et malum, nec non inter vitam et mortem, sed et nihilominus inter lucem et tenebras, et cognitio iudicii, et optio eligendi, et si qua sunt alia quae similiter circa animi habitum sese e regione respicere videantur. Nihilominus inter ipsa censorius quidam arbiter, is animae oculus, diiudicat et discernit, sicut arbiter in discernendo, ita in eligendo liber. Unde et liberum nominatur arbitrium, quod liceat versari in his pro arbitrio voluntatis. Inde homo ad promerendum potis: omne etenim quod feceris bonum malumve, quod quidem non facere liberum fuit, merito ad meritum reputatur. Et ut merito laudator, non is tantum qui potuit facere mala et non fecit, sed et qui potuit non facere bona et fecit, ita malo non caret merito tam is qui potuit non facere mala et fecit, quam qui potuit facere bona nec fecit. Ubi autem non est libertas, nec meritum“ (588).

116 cant. 81, 6, Winkler VI, 589: „quae sunt carentia ratione animalia“ (588).

117 cant. 81, 7, Winkler VI, 591: „Hanc vim a natura solus homo non patitur, et ideo solus inter animantia liber“ (590).

118 cant. 83, 4, Winkler VI, 615: „Adde quod iste sponsus non modo amans, sed amor est. ... Legi autem quia Deus caritas est“ (614).

119 Vgl. RUH 1990, 267: „Das unterscheidet die nuptiale grundsätzlich von der Christusmystik, die auf der Liebe zum menschgewordenen Gottessohn beruht und die Einheit in der conformitas des Leidens sucht.“

120 cant. 83, 6, Winkler VI, 619: „amor sanctus et castus, amor suavis et dulcis, amor tantae serenitatis quantae et sinceritatis, amor mutuus, intimus validusque, qui non in carne una, sed uno plane in spirita duos iungat, duos faciat iam non duos sed unum, Paulo ita dicente: Qui adhaeret Deo, unus spiritus est“ (618).

121 cant. 45, 6, Winkler VI, 121: „Vides quam in excelso stat, et in sublime mentis verticem extulit, quae universitatis Dominum quadam sibi proprietate vindicet in dilectum. Attende enim quomode non simpliciter ´dilecte´, sed dilecte mi, inquit, ut proprium designaret. Magna visio prorsus, de qua ista in id fiduciae et auctoritas excrevit, ut omnium Dominum, dominum nesciat, sed dilectum. Existimo enim nequaquam hac vice eius sensibus importatas imagines carnis, aut crucis, aut alias quascumque corporearum similitudines infirmitatum. In his namque, iuxta Prophetam, non erat ei species neque decor. Haec autem eo intuito, nunc pulchrum decorumque pronuntiat, in visione meliori illum sibi apparuisse significans. Ore enim ad os, sicut quondam cum sancto Moyse, loquitur cum sponsa, et palam, non per aenigmata et figuras, Deum videt. Talem denique ore pronuntiat, qualem et mente conspicatur, visione plane sublimi et suavi. Regem in decore suo viderunt oculi eius, non tamen ut regem, sed ut dilectum. Viderit eum sane quis super solium excelsum et elevatum, et alius quoque facie ad faciem sibi apparuisse testatus sit“ (120).

122 Dinzelbacher 2003(a) 79.

123 Dinzelbacher 2003(a) 79. Vgl. Angenendt 2005, 98. 537 – 541.

124 Vgl. Angenendt 2005, 136ff.

125 cant. 43, 1, Winkler VI, 97: „Ante ´rex´, modo ´dilectus´; ante ´in accubitu regio´, modo ´inter ubera sponsae´“ (96).

126 Dinzelbacher 1994, 117. Vgl. McGinn 1996, 340: „Den neuen (wenn auch vielleicht nicht gänzlich neuen) Weg, den dieser größte Mystiker der Zisterzienser wies, führte zu einer neuen Wertschätzung der eigenen Erfahrung. Loquor vobis experimentum meum quod expertus sum (´Ich will euch erzählen, was ich selbst davon erfahren habe´) (Cant. 51,3)“.

127 Zu Wilhelm: Vgl. Dinzelbacher 1994, 121-125; McGinn 1996, 341-417; Ruh 1990, 276-319.

128 Zu Gilbert: Vgl. Dinzelbacher 1994, 126ff.; McGinn 1996, Bd. 2, 456-463; Ruh 1990. Bd. I, 268.

129 Stölting 2005, 30: „Bernhard ist der Begründer der Jesus- und Christusmystik, die im Gefolge der Hoheliedinterpretation zur Brautmystik wird“.

130 McGinn 1996, 339.

131 Zur Frauenmystik: Stölting 2005.

132 Dinzelbacher 1994, 120 Vgl. Stölting 2005, 30: „So wurden die Klöster zu Orten, in denen im 12. und 13. Jahrhundert die Mystik beheimatet war; Zisterziensermystik ist aber, seit dem 13. Jahrhundert, ‚zum größten Teil Frauenmystik‘ (Zit. v. Brockhusen, Wörterbuch der Mystik). V. Brockhusen verweist hierfür auf Luitgart von Tongern, Beatrjs von Nazareth, Ida von Nijvel, die Nonnen von Helfta, Mechthild von Magdeburg (was aber nur für ihre letzten Lebensjahre zutrifft), Mechthild von Hackeborn und Gertrud die Große, die zwar nicht alle dem Orden angehören, aber in seinem Umfeld anzusiedeln sind.“

133 Zu Margareta Ebner und Heinrich von Nördlingen sowie die mit beiden und Tauler zusammenhängende Bewegung der sog. „Gottesfreunde“ Siehe den dritten Teil, siebtes Kapitel.

134 Margaretha Ebner und Heinrich von Nördlingen, hg. von Philipp Strauch, 1966, 21f.

135 Vgl. V 43,188,8 (H 45): „minnenden Bernhardus“.

136 Mehr hierzu im dritten Teil, zehntes Kapitel, III, 2

137 Vgl. Grundmann 1977, 527; McGinn 1999, 67. Siehe auch den ersten Teil, sechstes Kapitel, III); Grundmann 1977, 527: „Die besonderen Ausdrucksformen ihrer [Meister Eckhart, Seuse und Tauler] deutschen Predigten und Traktate sah er [gemeint Heinrich Denifle] nicht in ihrer nationalen Eigenart und Neigung begründet, sondern in der von ihrem Orden ihnen übertragenen Aufgabe, als Seelsorger und Prediger eine große Zahl frommer Frauen zu betreuen, Dominikanerinnen und Beginen, die ohne gelehrte Lateinkenntnis, aber besonders empfänglich und interessiert waren für religiöse Unterweisung und theologischen Tiefsinn. Warum sich aber gerade in Deutschland so besonders viele religiöse Frauengemeinschaften den Dominikanern anschlossen und aus deren Predigt ein mystisches Schrifttum werden ließ, das lässt sich wiederum nicht einfach aus der geistig-seelischen Eigenart oder aus der sozialen Struktur dieses Landes und Volkes erklären, sondern nur aus dem ganzen Verlauf der religiösen Bewegung dieser Zeit. Erst die Verknüpfung von dominikanischer Theologie und Seelsorge, volkssprachlicher Predigt, weiblicher Frömmigkeit und der besonderen Stellung Deutschlands in den religiösen Bewegungen des 13. und 14. Jahrhunderts schuf die Voraussetzung für die Entstehung der ´deutschen Mystik´.“

Drittes Kapitel
„Vita evangelica et apostolica“ - Wanderpredigt und die Entstehung neuer Orden138

Der Umstand, dass immer mehr Menschen Kontakte und Anschluss an die neuen Orden suchten, weil der Hunger nach geistlicher Unterweisung immer größer wurde, führte dazu, dass Kleriker und Mönche, die der gregorianischen Reform anhingen, ihre Klausur verließen, um als Wanderprediger in den Dörfern und Städten die Botschaft Christi zu verkündigen.139

I. Wanderprediger

Das Ideal der vita evangelica und apostolica, bisher vor allem als Armut innerhalb eines zönobitischen oder anachoretischen Mönchslebens verstanden, wurde nun um einen neuen Gesichtspunkt erweitert. Aus dem Ideal des Eremiten- oder Mönchsleben bildete sich ein neues religiöses Ideal, welches dieses

„als aktiver Impuls aufrüttelnd umgestaltete: das Ideal der vita apostolica in einem neuen Sinn, des apostolischen Wirkens in der Welt und auf der Welt statt nur im Kloster oder im Eremus.“140

Das Ideal bestand darin,

„wie Christus und die Apostel von Ort zu Ort zu ziehen, um das Reich Gottes zu verkünden, und keine Stelle sein eigen zu nennen, wohin man sein Haupt legen konnte.“141

Die Wanderprediger agierten oftmals ausdrücklich im Auftrag eines Bischofs oder auch des Papstes.142 Das bedeutete allerdings nicht, dass deren Wirken immer im Einklang mit der Kirche endete.143 Das in der gregorianischen Reform grundgelegte Ideal der Armut und der apostolischen Wanderschaft wurde auch zum Wegbereiter für manche von der Kirche als häretisch verurteilten religiösen Bewegungen.144 Ihre Anhänger betrachteten sich mitunter als besonders erwählt und erleuchtet. Deshalb lehnten sie die institutionelle Kirche mit ihren Lehren, Ämtern und Sakramenten ab. Sie lehrten eine geistig-mystische Überhöhung des einzelnen Menschen, der beispielsweise von Gott nicht mehr abhängig sei.145

Die ersten Wanderprediger traten Anfang des 12. Jahrhunderts auf, gleichzeitig mit antikirchlich manichäischen Predigern. Die Verkündigung der kirchlich gesinnten Prediger war sehr erfolgreich. Vor allem die Laien, die in der Welt lebten und arbeiteten, fühlten sich mehr zu dieser missionarisch-evangelikalen Lebensweise hingezogen. Nicht nur in der auf Innerlichkeit konzentrierten monastischen Klostergemeinschaft außerhalb der Welt, sondern auch durch missionarischen Dienst in der Welt wird die vita apostolica verwirklicht. Deshalb schlossen sich den Wanderpredigern, aber ebenso den sog. Ketzerpredigern, zahlreiche Frauen und Männer an und zogen mit ihnen durch Stadt und Land. Besonders hoch war der Frauenanteil. Das erregte jedoch öffentliches Ärgernis beim Klerus und auch bei manchen einfachen Gläubigen: „Vor allem die Beteiligung von Frauen an diesem neuartigen apostolischen Leben hat hier … das Einschreiten der Kirche herausgefordert.“146 Aus diesem Grund wurden manche Wanderprediger schließlich zu Ordensgründern. Denn

 

„nur solche apostolische Wanderprediger haben im Gefüge der kirchlichen Ordnungen Anerkennung ihres Wirkens gefunden, die – sei es auf Weisung der Kirche, sei es aus eigenem Entschluss – durch die Begründung von Klöstern, Kongregationen, Orden für ihre Anhängerschaft eine neue stabile Lebensform schufen.“147

Wanderprediger, die sich nicht der kirchlichen Ordnung anpassten und sich weigerten, den Frauen und Männern, die mit ihnen zogen, in Klöstern ein geregeltes Leben zu schaffen, hat die Kirche dagegen mit aller Schärfe als Ketzer verfolgt.148 So forderte Bernhard von Clairvaux beispielsweise, dass man Ketzer, die weder geständig noch überführt werden könnten, nach Geschlechtern getrennt zu Gemeinschaften zusammenschließen solle, in denen sie ihre Keuschheitsgelübde gemeinsam und unter Aufsicht erfüllen könnten, ohne wie bisher Anstoß zu erregen.149 Wer sich jedoch diesem Vorgehen widersetze, „der dürfe mit vollem Recht als Ketzer aus der Kirche ausgestoßen werden.“150

Als Ketzer wurde also zunächst einmal nicht der verurteilt, der eine wirkliche Irrlehre verbreitete, sondern der einen Lebensstil führte, der der kirchlichen Ordnung widersprach. Wer sich nicht in das Gefüge der kirchlichen Ordnung einzuordnen schien, der galt als Ketzer.151

II. Robert von Arbrissels Doppelklöster und Norbert von Xantens Prämonstratenser

Zwei der kirchlich gesinnten Wanderprediger sollen an dieser Stelle hervorgehoben werden: Robert von Arbrissel (+ 1177), der „durch das Land, barfuss, mit wallendem Bart und Haar und in ärmlicher Kleidung“152 zog, und Norbert von Xanten (1082 – 1134)153. Sie sammelten durch ihre Predigten die „Armen Christi“ um sich, Frauen und Männer, die auf ihre Güter verzichteten und mit ihren Meistern, alle Entbehrungen auf sich nehmend, unstet umherzogen.154

Robert von Arbrissel war zunächst Ratgeber des Bischofs von Rennes, schließlich Leiter einer Eremiten-Gemeinschaft im Walde von Craon. Im Februar 1096 erhielt er vom Papst die Erlaubnis zur Wanderpredigt: „Vier Jahre lang war Robert als Wanderprediger mit der Schar seiner Anhänger im Lande herumgezogen; überall erregte dieses Auftreten Anstoß bei der hohen Geistlichkeit. Zu Ende des Jahres 1100 war er auf einer Synode in Poitiers, die von zwei Kardinälen geleitet wurde. Unmittelbar darauf gründete er das Kloster Fontevrault, bringt seine weiblichen Anhänger dort in strenger Klausur unter und legt damit den Grundstein zu einer neuen Kongregation. Die Vermutung liegt nahe, dass über diese Frage auf jener Synode verhandelt worden war, dass Robert die gegen ihn erhobenen Vorwürfe durch die Zusicherung hatte beschwichtigen müssen, künftig nicht mehr seine Anhänger beiderlei Geschlechts mit sich herumziehen zu lassen, sondern getrennt voneinander, vor allem aber die Frauen in Klöstern unterzubringen.

Norbert von Xanten wurde aus ähnlichen Gründen zum Ordensstifter. Nachdem er ein Jahr lang als Wanderprediger durch Frankreich gezogen war, suchte er im November 1119 auf einer Synode in Reims von dem neuen Papst Calixt II. eine erneute Bestätigung seiner Befugnis zur Wanderpredigt zu erhalten. Ob ihm diese seine Bitte erfüllt wurde, ist nicht ganz sicher. Allem Anschein nach war aber weder der Papst noch der Bischof von Laon dazu bereit, Norbert weiterhin wie bisher mit seinen Anhängern als freien Wanderprediger herumziehen zu lassen. Anschließend an die Synode von Reims versuchten sie für Norbert einen neuen Wirkungskreis zu finden, der seinen unsteten Wanderpredigten ein Ende machen und ihn und seine Anhänger in feste kirchliche Ordnungen einfügen sollte. Norbert hat in diese Pläne nur unter der Bedingung eingewilligt, dass er dabei seinen Vorsatz treu bleiben könnte: ein evangeliengemäßes, apostolisches Leben zu führen. Nachdem der Versuch, ihm die Leitung einer Gemeinschaft von Augustiner-Chorherren in Laon zu übertragen, an deren Widerstand gegen Norberts religiöse Forderungen gescheitert war, verhalf ihm der Bischof von Laon zur Gründung eines eigenen Klosters, das er nach seinen Ideen einrichten konnte. So ist Prémontré entstanden.“155

Die durch das Wirken dieser und anderer Wanderprediger156 gegründeten Orden waren wirkliche Neugründungen im herkömmlichen Sinn. Bisherige Neugründungen – wie z.B. der Zisterzienserorden – gingen aus dem bestehenden Mönchtum hervor. Solche Neugründungen, wie die der Prämonstratenser, sind Versuche, „eine sich außerhalb der Klöster abspielende religiöse Bewegung in neue Formen klösterlichen Lebens zu fassen.“157 Da die neuen religiösen Bewegungen nicht ausschließlich Männer erfassten, sondern besonders stark die Frauen158, erwies es sich als eine dringende Aufgabe, die weiblichen Anhänger der Wanderprediger in Klöstern unterzubringen.159 Norbert wie auch Robert gründeten aus diesem Grund sog. Doppelklöster für Männer und Frauen, in denen beide Geschlechter jedoch getrennt lebten:

„Die Frauenklöster oder Doppelklöster, die auf diese Weise aus der Wanderprediger-Bewegung entstanden, waren die ersten und für lange Zeit die einzigen Stätten, in denen die von der religiösen Bewegung ergriffenen Frauen ein Gemeinschaftsleben in strenger Askese und Ordenszucht führen konnten.“160

In diesen neuartigen Klöstern – vor allem in denen Roberts von Arbrissel – dominierte durchaus das weibliche Element. So lag

„die Leitung ... in den Händen einer Frau, und die männlichen Mitglieder waren hauptsächlich dazu bestimmt, den gottesdienstlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Frauengemeinschaften zu dienen.“161

Allerdings sieht Grundmann darin auch den Grund für den schnellen Niedergang der Klöster Roberts, denn ohne den Anschluss an einen Männerorden hatten die Frauenklöster keine Chance zu einer weiteren Entwicklung gehabt.162

Von größerer Bedeutung war die Gründung Norberts:

„Der wichtigste und zuverlässigste Zeuge für das Wirken Norberts in den Anfängen von Prémontré, Hermann von Laon, weiß besonders zu rühmen, dass Norbert ebenso die Frauen wie die Männer der strengen Zucht seines Ordens unterstellt hat, und sieht sein überragendes Verdienst gerade darin, dass er nicht wie die Zisterzienser nur Männer, sondern auch Frauen aufgenommen hat und ihnen sogar eine noch härtere Lebensweise vorschrieb als den Mönchen, ohne dadurch den weiblichen Zudrang in seine Klöster zu hemmen.“163

Im Prämonstratenserorden war es religiösen Frauen aller Schichten zum ersten Mal möglich, „in strenger Klausur, in unbedingter Verpflichtung zu enthaltsamen, armen, beschaulichen Leben eine Daseinsform im Sinne der die Zeit bewegenden religiösen Ideen zu verwirklichen.“164 In Norberts Klöstern dominierten die Frauen nicht, sondern sie lebten in Prémontré unter der Leitung des Abtes als „Inklusen“ oder „Conversen“. Am Chorgebet waren sie anfangs nicht beteiligt, übernahmen jedoch häusliche Arbeiten. Aber dennoch:

„Der Zustrom von Frauen aller Stände, besonders auch des Adels, muss auffallend groß gewesen sein, so dass Herrmann von Laon schon in der Jahrhundertmitte von 1000 Frauen in den Prämonstratenserklöstern des Bistums Laon, 10000 im ganzen Orden reden kann.“165

Die immer größer werdende Zahl von Nonnen mag dann auch der Grund gewesen sein, warum sich der neue Orden (vor 1200) von seiner ursprünglichen Bestimmung wieder entfernte und sich mehr den monastisch-eremitischen Strukturen der älteren Mönchsorden anglich, so dass die Seelsorge und die Verpflichtungen gegenüber den neugegründeten Frauenklöstern nach und nach aufgegeben wurden. Frauen wurden zudem durch Ausschluss aus dem Ordensverband sowie durch das Verbot, neue Doppelklöster zu gründen oder neue Frauenklöster im Ordensverband aufzunehmen (Inkorporation), gänzlich ausgeschlossen.166 Die Lücke, die nun entstand, füllten zunächst die Zisterzienser, denn es zeigte sich,

„dass diese prämonstratensischen Frauenklöster keineswegs nur ein Ergebnis der Ordenspropaganda gewesen waren, sondern der Niederschlag einer starken religiösen Frauenbewegung, die nicht erlosch, als der Orden von Prémontré sich ihr verschloss, sondern immer stärker anschwoll und sich neue Formen suchte.“167

III. Frauenklöster im Zisterzienserorden

Die religiösen Frauengemeinschaften suchten Anschluss an den Zisterzienserorden. Um 1200 beschloss dieser deshalb, Frauenklöster im Ordensverband aufzunehmen.168 Doch bereits auf dem Generalkapitel 1212 wurde darüber geklagt, die Frauenklöster lägen zu nahe bei den Männerklöstern.169 Zudem werde die strenge Klausur – Bedingung, um zum Zisterzienserorden gehören zu dürfen – nicht eingehalten.170 Problematisch war auch die Überfüllung der Klöster, so dass sich der Orden genötigt sah, nach Inspektion von Besitz und Einkünften der neuen Klöster jeweils die Höchstzahl von Nonnen festzulegen.171 1220 wurde schließlich beschlossen, künftig keine Frauenklöster mehr zu inkorporieren. Dieses Verbot betraf jedoch nur bereits bestehende Klöster; Neugründungen dagegen waren immer noch möglich, sofern die Nonnen in strenger Klausur lebten und das Kloster wirtschaftlich eigenständig bestehen konnte. Allerdings sollten sich keine Ordensbrüder mehr ständig in den Klöstern aufhalten, weder in den bestehenden noch in den neugegründeten, zwecks seelsorglicher Betreuung oder Verwaltung des Klosters.172 Auf dem Generalkapitel von 1228 wurde endgültig festgelegt, überhaupt keine Frauenklöster mehr in den Orden aufzunehmen. Zudem weigerte sich der Orden, die seelsorgliche Betreuung und die Visitationspflichten weiter wahrzunehmen. Ordensangehörigen wurde es strengstens verboten, diesen Beschluss nicht zu befolgen.173 Nur der Papst konnte veranlassen, ein neues Frauenkloster zu gründen bzw. im Ordensverband aufzunehmen. „Grundsätzlich konnte der Orden solche päpstliche Anweisungen zur Inkorporation nicht ablehnen.“174 Aus diesem Grund fanden immer noch Frauenklöster die Möglichkeit, in den Orden inkorporiert zu werden. Deshalb beschloss das Generalkapitel von 1230, den Papst über den Willen des Ordens zu unterrichten und um Zusicherung zu bitten, dass „künftig päpstliche Verfügungen über die Inkorporation von Frauenklöstern nur dann wirksam werden sollten, wenn darin der entgegenstehende Ordensbeschluss ausdrücklich außer Kraft gesetzt wird.“175 Eine Inkorporation sollte also nur verbindlich sein, wenn diese „Abrogationsklausel“, die ausdrückliche Außerkraftsetzung des Ordensbeschlusses, der päpstlichen Verfügung beigefügt sei. Die Kurie gewährte diesen Wunsch, unterließ es jedoch auch, den Orden zu neuen Inkorporationen bzw. Neugründungen zu zwingen.176

Neben der großen Anzahl von Laien, vor allem von Frauen, die sich für ein religiöses Leben nach dem Evangelium interessierten, hatte also auch der monastisch-eremitische Rückzug der Zisterzienser wie der Prämonstratenser zur Folge, dass sich das religiöse Leben der Laien weitgehend ohne genügend kompetente geistliche Begleitung entfalten musste.177 Die Laien mussten nun neue Wege und Formen finden. Und die neuen Bettelorden – Dominikaner und Franziskaner – waren noch in ihrer Entstehungsphase. So entstanden, meist in der Nähe von Hospitälern und Leproserien, neue Gemeinschaften von Jungfrauen und Witwen, die ein geistliches Leben führen wollten, aber zugleich praktische Werke der Nächstenliebe verrichteten. Aus diesen Bewegungen ging das Beginentum (um 1170) hervor.178 Das entstehende Beginenwesen – über das wir im Zusammenhang mit der religiösen Frauenbewegung noch sprechen werden – war jedoch nur die eine Seite der Medaille; auf der anderen Seite suchten viele die Nähe zu den als ketzerisch verurteilten Bewegungen, die seit dem 12. Jahrhundert immer mehr zunahmen.179

Sicherlich war der Rückzug der Zisterzienser und Prämonstratenser durchaus folgenreich. Man darf bei aller Kritik180 jedoch nicht vergessen, dass die Zisterzienser nicht aus der Wanderprediger-Bewegung hervorgegangen sind, sondern aus einer Erneuerungsbewegung des benediktinischen Mönchtums. Das eigentliche Ziel war also nicht die Sorge um Frauenklöster, sondern ein monastisch-eremitisches Leben. Und ganz außer Acht lassen darf man auch nicht, dass Norbert von Xanten zunächst einmal ein eremitisches Leben führen wollte. Allerdings ist sein Orden – im Gegensatz zu den Zisterziensern – aus der Wanderprediger-Bewegung hervorgegangen.

 

138 Vgl. u.a. Grundmann 1977, 38-50. 442-452. 487-524; Ders. 1978, 38-92.

139 Vgl. Angenendt 2005, 54. 224f.; Kempf 1999, 519.

140 Kempf 1999, 519.

141 Kempf 1999, 518. Vgl. Mt. 8,20: Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“ Oder Lk 10,1-12: Christus schickt seine Jünger zu zweit, aber ohne Geldbeutel und Vorratstasche zum Predigen: „Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe! ... Heilt die Kranken, die dort sind, und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,4.9). Vgl. McGinn 1999, Bd. 3, 25: „Kein Ideal stand höher im Mittelpunkt des Spätmittelalters als dasjenige der vita apostolica, d.h. der Wunsch, so zu leben, wie Christus und seine Apostel gelebt hatten.“

142 Vgl. Grundmann 1977, 41f.: „Robert von Arbrissel … erhielt im Februar 1096 von Urban II. die Erlaubnis zur Wanderpredigt; Bernhard von Thiron, der sich um 1101 an Robert anschloss, soll in Rom von Paschalis II. mit dem Amt eines predicator publicus betraut worden sein; ein Mann namens Heinrich (von Lausanne), der vorher Mönch gewesen war, erwirkte 1101 von Bischof Hildebert von Le Mans die Erlaubnis zur Predigt in dessen Diözese; Norbert von Gernepp (Norbert von Xanten), aus freiherrlichem Geschlecht, Kanoniker von Xanten, auf einer Fritzlarer Synode wegen unberechtigter Predigttätigkeit angeklagt, wurde im November 1118 durch Papst Gelasius II. zur Wanderpredigt ermächtigt.“

143 Vgl. Morrison 1993, 208: „Radikale Nonkonformisten wie Heinrich von Le Mans (um 1116-1145), Arnold von Brescia (1155 hingerichtet) und wohl auch Tanchelm vom Antwerpen (1115 erschlagen) begannen ihre Predigt innerhalb der Gregorianischen Reform und endeten mit einer Verurteilung der hierarchischen Kirche, weil diese das Evangelium durch weltlichen Pomp und Habsucht verraten hatte.“

144 Vgl. McGinn 1999, Bd. 3, 27: „Die neue Etappe im Verständnis der vita apostolica ist untrennbar mit dem Aufsprießen volkstümlicher Häresien im 12. und 13. Jahrhundert verbunden.“ Vgl. Borst 2007, 199 – 286; Morrison 1993, 208.

145 Vgl. v. Brockhusen 1998, 456f.

146 Grundmann 1977, 43.

147 Grundmann 1977, 45.

148 Vgl. Grundmann 1977, 46. Heinrich von Lausanne bspw. „hat sich zwar auf einer Synode in Pisa 1134 verpflichtet“, so Grundmann (45), „seine Tätigkeit als Wanderprediger aufzugeben und Mönch in Citeaux zu werden, er hat aber diese Verpflichtung nicht eingehalten; seine Anhänger in klösterliche Gemeinschaften zusammenzuschließen und einen Orden zu gründen, das hat er, so viel wir wissen, nie versucht. Eben deshalb ist er immer von neuem als Ketzer verfolgt, von Bernhard von Clairvaux heftig bekämpft, schließlich gefangen gesetzt worden.“ (vgl. hierzu auch Grundmann 1977, 38f.).

149 Vgl. Grundmann 1977, 38f.

150 Grundmann 1977, 39. Vgl. Bernhard, Cant 66, Winkler VI, 371 – 391.

151 Vgl. Grundmann 1977, 39.

152 Grundmann 1977, 17. Zu Robert: Siehe Dalarun 1985.

153 Zu Norbert: Siehe Elm 1984.

154 Vgl. Grundmann 1977, 17.

155 Grundmann 1977, 41 – 45. Vgl Angenendt 2005, 224 (zu Robert von Arbrissel), 58f. (zu Norbert).

156 Zu nennen sind: Girald von Salles (1120), ein Gefährte Robert von Arbrissels, Vitalis von Mortain (1122), der die Kongregation von Savigny gründete. Savigny mit seinen 28 Klöstern schlossen sich 1147 den Zisterziensern an. Die Wanderpredigt griff auch nach England über. Dort gründete Gilbert von Sempringham 1135 den vornehmlich weiblichen Gilbertiner-Orden (vgl. Grundmann 1977, 489f.).

157 Grundmann 1977, 46.

158 Zur religiösen Frauenbewegung: Siehe dieser Teil, sechstes Kapitel.

159 Vgl. Grundmann 46f.

160 Grundmann 1977, 47.

161 Grundmann 1977, 47.

162 Vgl. Grundmann 1977, 47, 490. Fontevrault bestand allerdings bis zur Französischen Revolution.

163 Grundmann 1977, 48. Vgl. Miracula S. Mariae Laudunensis III c.6f. (geschr. 1149/50), MG. Scr. XII, 657ff.

164 Grundmann 1977, 176.

165 Grundmann 1977, 49.

166 Vgl. Grundmann 1977, 49f.

167 Grundmann 1977, 176.

168 Vgl. Grundmann 1977, 2035. Vgl. Cistercienser-Chronik XXXVII, hg. Müller 1925, 233.

169 Vgl. Grundmann 1977, 2047: 1218 wurde beschlossen, dass Frauenklöster 6 Meilen von Männerklöstern und 10 Meilen untereinander entfernt liegen müssten.

170 Vgl. Grundmann 1977, 2048: Das Klausurgebot wird immer wieder erneut aufs Schärfste gefordert. 1225 wird beschlossen, dass die Klöster, die vier Jahre nach der Inkorporation immer noch nicht in strenger Klausur leben, aus dem Orden wieder ausgeschlossen werden. Selbst das eigenmächtige Verlassen der Klausur, um nach Zustimmung des Generalkapitels neue Klöster zu gründen, wurde als Klosterflucht betrachtet.

171 Vgl. Grundmann 1977, 2049.

172 Vgl. Grundmann 1977, 205.

173 Vgl. Grundmann 1977, 205f.

174 Grundmann 1977, 206f.

175 Grundmann 1977, 207.

176 Vgl. Grundmann 1977, 207f.

177 Vgl. Grundmann 1977, 513.

178 Vgl. Stölting 2005, 31: „Auch die um 1170 entstandene Beginenbewegung kann als eine Antwort von Frauen auf diese neue Situation aufgefasst werden. ... Aber im Ergebnis bot das Beginentum vielen Frauen die Möglichkeit, in einem bisher nicht gekannten Maß in freier Selbstbestimmung, ohne Ehe oder Klausur, zu leben, ihre Spiritualität zu pflegen und zugleich nützliche Tätigkeiten – als sorores in saeculo – nachzugehen; vor allem in der frühen Zeit wurden die Beginenniederlassungen in der Nähe von Spitälern oder Leprosenheimen gebaut, in denen sich die Frauen engagierten.“ Vgl. auch Wolter 1999, 140.

179 Vgl. Grundmann 1977, 513.

180 Vgl. Grundmann 1977, 513.