QUARANTÄNE (The Death 1)

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Z serii: The Death #1
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»Das muss ich ihm nicht sagen; falls es wieder geschieht, haben Sie es sich selbst zuzuschreiben.« Damit zog sie ein Taschenmesser aus ihrer Jeans und klappte es mit einem geräuschvollen Klicken auf. Nachdem sie das Klebeband mit der drei Zoll langen, schmalen Spyderco-Klinge durchtrennt hatte, streifte sie es von seinem Oberkörper und tat das Gleiche mit seinen Beinen.



Er wand und drehte sich, bis er das Band los war. Als er aufstand, wurde ihm schwindlig, weshalb er gezwungen war, sich wieder in den Sessel fallen zu lassen.



»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte sie.



»Äh, ja, mir ist bloß schummrig«, antwortete er, während er seinen Kopf in die Hände stützte.



»Nun, ich habe meinen Teil der Abmachung eingehalten; jetzt suche ich weiter zusammen, was ich brauche.«



»Warten Sie einen Moment«, bat Devin.



Da sich viele seiner anfänglichen Bedenken verflüchtigt hatten, wollte er wissen, wer diese Frau war. Er hatte seit sechs Monaten keinen anderen Menschen gesehen, und nun mit jemandem sprechen zu können, war ihm wichtig. Im Hinterkopf behielt er den Gedanken, sie könne ihm einen Großteil der Lebensmittel stehlen, und nach dem, was gerade geschehen war, wollte er nicht mit ihr darum kämpfen müssen.



Sie blieb stehen und wartete darauf, was er wollte.



»Wie heißen Sie?«



»Tess.«



»Ich bin Devin.«



»Gut, damit wären die üblichen Nettigkeiten ausgetauscht; darf ich jetzt weitermachen?«



»Woher kommen Sie?«



Tess ignorierte seine Frage und kehrte in die Küche zurück, um Konserven in ihren Rucksack zu packen.



Er stand vorsichtig auf und haderte mit seinem Gleichgewicht. Bevor er sich in Bewegung setzte, schaute er zu Brando, der seine Augen keine Sekunde lang von ihm abgewandt hatte.



»Dieses Haus ist eine Goldgrube«, bemerkte Tess freudig.



»Stimmt, in ihrer Speisekammer fehlte es an nichts, das steht fest«, entgegnete Devin, während er langsam an Brando vorbeiging. Dann betrat er die Küche.



»Ich schätze, Sie sind selbst gerade erst angekommen, oder?«



»Nein, ich bin seit fast sechs Monaten hier.« Devin zog einen kleinen Stuhl unterm Küchentisch hervor und setzte sich.



Sie unterbrach sich beim Packen und drehte sich um. »Sie wollen mir weismachen, schon so lange hier zu sein, obwohl noch so viel zu essen übrig ist?«



»Genau so ist es.«



»Das erklärt, warum Sie solchen Wert auf diese dumme Maske legen.«



»Was meinen Sie damit?«



»Dass Gasmasken und dergleichen nichts gegen diesen Tod ausrichten, und jeder, der nur eine Minute dort draußen verbracht hat, müsste das wissen.«



»Diesen Tod?«



»Sie wissen schon, das Virus, von dem 90 Prozent des Lebens auf dem Planeten ausgelöscht wurden.«



»Ich wusste gar nicht, dass es einfach nur ›Der Tod‹ genannt wird.«



»Tja, so ist es aber«, bekräftigte sie selbstgefällig.



»Ich kam ein paar Tage nach dem Ausbruch hier an – mit dem Auto aus Indianapolis. Ich schaffte es bis nach Decatur, doch dort wurde ich von einer Bande überfallen, die mir die Kiste geklaut hat. Dabei wäre ich fast draufgegangen. Als ich das Haus erreichte, fand ich meine Angehörigen oben – tot.«



Tess spürte, wie nahe ihm diese Erzählung ging. Sie nahm einen weiteren Stuhl unter dem kleinen Esstisch hervor und ließ sich gegenüber Devin nieder. »Tut mir leid wegen Ihrer Familie.«



»Mir auch. Um ehrlich zu sein, war der Mann mein Cousin zweiten Grades, und ich kannte sie nur flüchtig, aber zu sehen, wie sie gestorben sind, war ziemlich heftig.«



»Vielleicht waren sie klüger, als wir es sind. Hätte ich keine solche Angst vor dem Tod, würde ich mich auch umbringen.«



»Jetzt sagen Sie mir, was Sie herführt, Tess.«



»Das ist eine lange Geschichte, die ich lieber nicht noch einmal durchleben möchte.«



»Können Sie mir dann wenigstens sagen, was gerade vor sich geht? Gibt es irgendetwas Neues, kümmert sich die Regierung darum, wieder für Ordnung zu sorgen? Wird vielleicht gerade ein Impfmittel entwickelt?«



»Diese Fragen lassen sich leicht beantworten: Da draußen ist alles im Arsch. Die Regierung, beziehungsweise das, was von ihr übrig geblieben ist, hat sich im Land verstreut, in Bunkern verkrochen; ein Teil der Bevölkerung, die immun ist, wurde in Lagern eingepfercht, und was einen Impfstoff angeht: Rechnen Sie nicht damit.«



»Wissen Sie was? Sie sind mir keine große Hilfe. Ich begreife überhaupt nicht, wovon Sie sprechen.«



»Ich bin jedenfalls draußen im Stall gewesen und habe dort herumgestöbert; wie es aussah, hausen Sie dort, aber wieso?«



Devin verwies mit einem Blick an die Decke ins Obergeschoss.



»Weil sie tot sind? Warum haben Sie sie nicht einfach begraben?«



»Als ich hier eintraf, stank es erbärmlich nach Verwesung, und ich brachte es nicht übers Herz, später noch einmal herzukommen …«



Tess starrte ihn an. Dass er nicht imstande war, etwas zu tun, das ihr ganz leicht vorkam, überraschte sie.



»Was denn? Weshalb starren Sie mich so an?«, fragte Devin.



»Sie haben sie in gewisser Weise als Verwandte betrachtet, es aber nicht fertiggebracht, sie zu begraben? Sie konnten ihnen nicht den Respekt entgegenbringen, der ihnen als Angehörigen Ihrer Familie gebührt?«



»Ich … ach …«



»Alles klar«, sagte sie und stand vom Tisch auf.



»Werfen Sie mir das nicht vor.«



Sie drehte sich um. »Doch, das tue ich. Sie mögen zwar so lange überlebt haben, sollten aber wissen, dass Sie dabei nur Glück hatten. So viele Menschen sind gestorben, die Welt ist praktisch tot. Die wenigen von uns, die übrig bleiben, führen sich auf wie verdammte Tiere. Sie hatten die Chance, ein wenig Menschlichkeit zu beweisen, wären Sie bereit gewesen, Ihre Familie zu bestatten, ließen sich aber von Ihrem Egoismus leiten. Nur ein einziges Mal möchte ich einen Immunen finden, der noch ein humanes Verhalten an den Tag legt.«



Nachdem sie ihre Tirade beendet hatte, wandte sie sich wieder von ihm ab. Während sie weitere Dosen in ihren Rucksack stopfte, überdachte er die zahlreichen Antworten, die ihm unterdessen in den Sinn kamen.



Mehrere Augenblicke vergingen in unbeholfener Stille, ehe er aufmerkte: »Sie nicht begraben zu haben, bereitet mir wirklich Gewissensbisse. Kein Tag verging, an dem ich nicht daran dachte, bloß wollte ich nicht krank werden. Ich weiß nicht genau, warum Tom seine Familie und sich selbst umgebracht hat. Keine Ahnung, ob sie sich mit dem Virus infiziert hatten, sodass er schlicht beschloss, ihnen allen ein schnelles Ende zu bereiten; klar, diese Rechtfertigung lässt zu wünschen übrig, aber ich wollte es mir eben nicht selbst einhandeln.«



»Das können Sie gar nicht, niemals.«



»Warum sind Sie sich da so sicher?«



Sie drehte sich wieder zu ihm um und erklärte: »Weil wir alle infiziert sind. Falls Sie eine Woche nach dem Ausbruch mit irgendjemandem Kontakt hatten, steht so gut wie hundertprozentig fest, dass Sie dabei an einen Kranken gerieten.«



»Ich verstehe nicht.«



»Sie sind immun, genauso wie ich und Brando dort drüben.«



»Immun?«



»Der Tod verbreitet sich schnell; Sie werden angehaucht oder lediglich berührt, schon sind Sie infiziert. Fasst ein Träger des Virus einen Türgriff an, bleibt es daran haften, bis jemand ihn sterilisiert. Der Tod ist das wirksamste Virus, das je entwickelt wurde.«



»Sie sagen

entwickelt

?« »Ja, also gut, ich weiß nicht genau, ob das stimmt, doch einige Überlebende dort draußen glauben, die Regierung habe es sich ausgedacht, um das Bevölkerungswachstum zu regulieren, und als es unters Volk gebracht wurde, seien unbeabsichtigte Folgen daraus erwachsen – die Auslöschung allen Lebens.«



»Das kann ich nicht glauben. Eine derart abstruse Verschwörungstheorie zu glauben, ist mir einfach zuwider.«



»Dann sagen Sie mir, woher es stammt«, forderte Tess trotzig.



»Ich vermute, es kommt von dem Einschlag des Asteroiden; es stammt aus dem Weltall.«



»Außerirdische oder Weltraumkeime, das ist eine weitere Theorie, aber spielt das wirklich eine Rolle? Es ist passiert, wir haben es überstanden und wollen weiterleben.«



»Ich schätze, Sie haben recht.«



Nachdem sie den leichtgewichtigen Armeerucksack gefüllt hatte, stellte sie ihn mit ihrem Gewehr neben die Hintertür und ging rasch nach draußen.



Devin wusste nicht, wohin sie wollte, aber es war ihm eigentlich auch egal. Er blieb auf dem Stuhl sitzen und ließ sich durch den Kopf gehen, was passiert war, nicht zu vergessen die seltsamen Offenbarungen, die Tess ihm gemacht hatte.



Die Schatten wurden länger, als die Sonne im Westen unterging. Er sah nicht vor, im Haus zu übernachten, und konnte sich nicht vorstellen, wo sie dies zu tun gedachte.



Die Antwort auf diese Frage erhielt er, als sie zurückkehrte – mit einer Schaufel.



»Ich schlafe hier drinnen«, sagte sie, »aber erst begraben Sie Ihre Verwandten.«



Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.



»Hier.« Sie hielt ihm die Schaufel hin.



»Denken Sie daran, mein Arm ist verletzt.«



»Aber nicht gebrochen, es ist nur eine Fleischwunde. Los jetzt.«



Er hielt ihrem Blick stand. »Meinen Sie das ernst?«



»Es ist an der Zeit, dass Sie aufhören, sich wie eine Memme zu benehmen, und tun, was sich gehört.«



Er hatte ihr einen der Hauptgründe dafür vorenthalten, warum er seine Angehörigen nicht begraben wollte: Wenn er sich mit den Leichen befasste, erkannte er die Realität all der Tode an – insbesondere Cassidys.



»Warum legen Sie solchen Wert darauf? Ich dachte, Sie wollten sowieso morgen verschwinden.«

 



Sie zog den Reißverschluss ihrer Lederjacke hinunter und hielt die rechte Seite auf.



Devin machte große Augen, als er den Blutfleck auf dem weißen T-Shirt sah, das unter Tess’ Panzerweste herausragte.



»Oh mein Gott, geht es Ihnen gut?«



»Ja, ich werd’s überleben.«



»Wurden Sie angeschossen?«



»Ja, doch ich habe die Wunde sauber verbunden, nachdem sie versorgt war. In erster Linie brennt es heftig. Ich möchte einfach nur einen Tag irgendwo zur Ruhe kommen.«



Er blickte auf die Schaufel und erhob sich. Dann packte er sie am Griff und sagte: »Suchen wir eine Stelle und bringen es hinter uns.«



Tess klopfte die frisch aufgeschüttete Erde der Gräber von Tom und dessen Familie fest. Nachdem sie dies sorgfältig erledigt hatte, legte Devin einige Spielsachen der Kinder an die Kopfenden; einen großen Plüschhasen für das Mädchen und einen langen, gelben Tonka-Laster für den Jungen.



Als sie endgültig fertig waren, betrachteten die beiden die Erdhaufen. Schließlich sahen sie einander an.



»Möchten Sie etwas sagen?«, fragte Tess.



Devin fand es nur angemessen, ein Gebet zu sprechen. »Sicher.« Er faltete die Hände und senkte den Kopf.



Sie tat es ihm gleich.



»Tom, ich verlor dich nach unserer Kindheit aus den Augen, konnte aber sagen, dass du ein guter Mensch, Vater und Ehemann warst. Ich bedaure, dass dies geschehen ist und du glaubtest, keine andere Wahl zu haben. Wäre ich bloß früher hergekommen, vielleicht hätten wir dann eine bessere Lösung finden können. Egal, ich werde stets an dich und deine liebe Familie denken. Amen.«



Tess hob den Kopf und schaute Devin an. Was er gesagt hatte, beeindruckte sie und kam ihr aufrichtig vor.



»Hoffentlich war das gut«, bemerkte er verlegen.



»Es war wunderbar.«





Lager 13 der Katastrophenschutzbehörde, Region VIII,

 50 Meilen östlich des internationalen Flughafens von Denver





Das Verwaltungsgebäude zählte zu einer Reihe teilweise feststehender Einrichtungen. Man erreichte sie nur, nachdem man einen Wust aus Stacheldraht, Sandsäcken und Absperrelementen hinter sich gebracht hatte. Hielt sich Lori vor Augen, wie gut geschützt und bewacht der Verwaltungsbereich und die anderen Gebäude des Lagerpersonals waren, wurde sie das Gefühl nicht los, dass etwas im Argen lag, doch sie verdrängte den Gedanken rasch wieder.



Vasquez führte sie an den üppigen Sicherheitsvorrichtungen vorbei zu ihrem Bestimmungsort, dem Büro der Direktorin für Lagerneueinteilung.



»Warten Sie hier. Gehen Sie nirgendwohin, verstanden?«, schnaubte er.



Sie sah ihn verächtlich an.



Vasquez war schwer zu durchschauen. Viele in Quadrant 4 hielten ihn für arrogant und grausam. Es war nicht so, dass er Aggression gezeigt oder die Menschen gar misshandelt hätte, nur ging ihm jegliches Mitgefühl ab, und er schien sowohl seine Position als auch die Bewohner des Lagers zu hassen.



Jetzt verschwand er über den Korridor.



Lori schaute sich in dem trostlos aussehenden Wartebereich um. Dem Raum fehlte jegliche Ausschmückung; die getäfelten Wände waren einfach stumpf grau gestrichen, und weder die weiße Zwischendecke noch das gelbe Licht der Halogenlampen verbesserten den insgesamt schauderhaften Eindruck, den der Raum hinterließ, was Loris bange Vorahnung noch verschlimmerte.



Neben ihr ging eine Tür auf und eine Frau kam heraus.



»Lori Roberts?«



»Ja.«



»Hi, ich bin Yvonne Foley, Direktorin für Lagerneueinteilung.«



»Hallo«, erwiderte Lori befangen.



»Bitte treten Sie ein und nehmen Sie Platz«, fuhr Yvonne fort, indem sie auf einen Stuhl vor ihrem Schreibtisch zeigte.



Lori stand auf, ging an ihr vorbei und setzte sich.



Nachdem die Direktorin die Tür geschlossen hatte, ging sie zu ihrem Sessel und begann: »Ich weiß, Sie fragen sich, warum Sie hier sind.«



»So ist es, das frage ich mich tatsächlich.«



Yvonne ließ sich nieder, klappte einen Registerordner auf und fing an, darin zu blättern.



Lori beugte sich nach vorn und sah ihren Namen auf einem Karteireiter.



»Mrs. Roberts – oder darf ich Sie Lori nennen?«



»Lori ist gut, ja.«



»Danke. Ich mag das, so wirkt es … weniger förmlich.«



Lori war eine findige Architektin, und einer der Gründe dafür, dass sie in ihrem Beruf herausragend war, bestand in ihrem Auge für Details. Sie betrachtete Yvonne, den Schreibtisch und die Umgebung, wobei sie auf Einzelheiten achtete, die sie darauf stoßen mochten, weshalb sie hier war oder was außerhalb des Lagers vor sich ging. Informationen waren wertvoll, zumal niemand genau wusste, was passierte. Auch Yvonnes Kleidung gab ihr vielleicht Hinweise. Der Tisch und das Büro insgesamt entsprachen dem Wartebereich dahin gehend, dass sie bar jeglicher hervorstechender Merkmale oder Farben waren. Der Raum hatte die gleichen tristen Wände und eine weiße Rasterdecke, während das Möbel aus schiefergrauem Metall bestand. Die einheitlichen Mauern waren abgesehen von einer einzelnen Uhr auf einer Seite kahl, und die ließ sich nicht gebrauchen, weil sie die falsche Zeit anzeigte. Neben einem Stapel weiterer Ordner stand eine einsame Lampe auf dem Tisch. Lori fielen aber auch die drei Aktenschränke hinter Yvonne auf; sie konnte sich nur vorstellen, welche Fülle an Informationen sie enthielten.



»Ich komme gleich zur Sache. Heute Morgen erwähnte Lagerkommandant Brockman, dass Camp Sierra expandiert. Das ist eine großartige Neuigkeit für alle, doch wenn etwas größer wird, geht dies auch mit wachsenden Sorgen einher. Wir benötigen im Rahmen dieser Expansion mehr Hilfskräfte, verstehen Sie? Dazu zählen auch Architekten, Fachleute wie Sie.«



Lori schluckte und wartete darauf, das Eine zu hören, von dem sie nie geglaubt hätte, es käme ihr einmal zu Ohren: Die Erlaubnis, von hier wegzuziehen.



»Lori, aus diesen Seiten geht hervor, dass Sie Architektin sind und sogar zum Führungspersonal eines Unternehmens gehörten. Das ist einfach klasse.«



»Sie lassen uns also von hier fort?«



Yvonne blickte von dem Ordner auf und erwiderte: »Uns?«



»Sie haben mich doch herbestellt, um mir zu sagen, dass meine Familie und ich ausgesucht wurden, um nach Camp Sierra zu ziehen, oder?«



»Nein, nein, Ihre Familie wird Sie nicht dorthin begleiten, und überhaupt werden Sie noch nirgendwohin ziehen. Wir schicken Sie zum DIA; dort werden Sie mit einem Team arbeiten, das wir zusammengestellt haben.«



»Das verstehe ich nicht. Was meinen Sie damit, meine Familie wird mich nicht begleiten, und was ist der DIA?«



»Lori, Sie sehen aufgebracht aus. Ich darf Ihnen versichern, alles wird gut werden. Freuen Sie sich; Sie wurden auserwählt, um uns beim Wiederaufbau zu helfen. Das ist eine Riesengelegenheit für Ihre Familie und Sie.«



»Ich kann sie nicht verlassen, verstehen Sie das?«



»Bitte beruhigen Sie sich, es gibt keinen Grund zur Aufregung«, entgegnete Yvonne.



»Was wird hier gespielt? Da ist doch was faul; wohin bringen Sie mich?«



»Mrs. Roberts, glauben Sie mir, alles ist in bester Ordnung. Wir brauchen Fachpersonal wie Sie, um Pläne zur Erweiterung von Camp Sierra zu entwerfen, das ist alles. Das Team, dem wir dieses Projekt anvertrauen, wird an den DIA ausgelagert, das ist die Abkürzung für den internationalen Flughafen von Denver.« Yvonne betonte dies ausdrücklich, aber im ruhigen Tonfall.



Lori konzentrierte sich auf sie und versuchte, irgendetwas anhand ihrer Körpersprache zu deuten.



»Sie müssen heute Nachmittag zum Aufbruch bereit sein.«



Obwohl sie in Gedanken verschiedene Szenarien durchspielte, beruhigte sie sich letzten Endes und begann, logisch zu denken. Hiermit tat sich eine Möglichkeit auf, das Lager zu verlassen, und falls alles gut ging, würde man ihr erlauben, mit David und Eric nach Camp Sierra überzusiedeln.



»Wie lange werde ich fort sein?«



»Das ist noch nicht sicher und hängt vor allem davon ab, wie schnell Ihr Team mit dem Projekt voranschreitet.«



»Ah, okay, aber warum darf meine Familie nicht mitkommen?«



»Wie in jedem Lager und jeder Noteinrichtung auf dem Kontinent verfügen wir hier nur über begrenzte Mittel und können deshalb nicht jeden versetzen, doch der Hauptgrund besteht darin, dass Sie sich auf Ihre Aufgabe konzentrieren sollen. Ihre Teilnahme ist wichtig.«



»Tut mir leid, aber ich muss nachhaken: Warum ich – abgesehen davon, dass Sie Architekten brauchen?«



»Ihr Fachgebiet war Städteplanung, und genau aus diesem Bereich suchen wir jemanden. Lori, viele Menschen haben ihre Leben gelassen; es gibt einfach nur noch wenige Experten wie Sie dort draußen, und Ihr…«



»Was?«



Yvonne schaute wieder auf und wich aus: »Ach, nichts eigentlich.«



»Was bedeuten diese Zahlen?«, fragte Lori mit Blick auf eine Tabelle, die sie in ihrer Akte sah.



»Es ist eine Liste Ihrer Blutwerte, die wir nach Ihrer Ankunft hinterlegt haben.«



Das beunruhigte Lori. »Ist damit alles in Ordnung?«



»Ja, alles bestens«, versicherte Yvonne und schlug den Ordner zu. »Wir brauchen Sie für dieses Projekt. Wie gesagt, Sie sollten sich freuen. Sie wurden ausdrücklich wegen Ihrer Fähigkeiten und Ihrem persönlichen Wesen ausgewählt. Vertrauen Sie mir, das ist etwas Gutes für Sie und Ihre Familie.«



Lori dachte noch einmal über die Gelegenheit nach. Sie hoffte nur, diese Erklärung ergebe Sinn, denn ansonsten hätte sie nicht gewusst, wie sie es David und Eric unterbreiten sollte.



»Haben Sie noch weitere Fragen?«



»Kann ich mit meinem Mann und meinem Sohn Kontakt halten, während ich weg bin?«



Yvonne zögerte, bevor sie antwortete: »Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.«



»Gut. Das ist wirklich gut, danke«, erwiderte Lori und zwang sich zu einem verkniffenen Lächeln.



»Ich danke Ihnen, Lori. Bitte melden Sie sich wegen der Abreisebestimmungen um 16 Uhr im Big Red.«



»Ich werde da sein, besten Dank.«



»Das wäre dann alles, ich wünsche Ihnen eine sichere Reise«, sagte Yvonne, ohne aufzuschauen, und notierte sich etwas auf der Akte.



Lori verließ das Büro und schloss die Tür, ehe sie tief durchatmete.



Die widersetzlichen Empfindungen, mit welchen sie die ganze Zeit gehadert hatte, begannen nun, sich körperlich zu äußern. Sie fing an zu zittern.



Laute Stimmen weiter unten auf dem Flur machten sie hellhörig. Um herauszufinden, was los war, ging sie langsam auf den Lärm zu. Anhand des Tonfalls erkannte sie, dass sich mehrere Männer stritten, doch erst als sie eine halb offene Tür erreichte, verstand sie, was genau geschah: Sie warf einen zaghaften Blick in einen Kontrollraum, wie es aussah. Dort waren an der gegenüberliegenden Wand Monitore und Anzeigetafeln montiert, auf denen sie in einigen Einstellungen Bereiche aus ihrem Quadranten wiedererkannte.



Die Männer brachen in Gelächter aus. Was Lori wie eine erhitzte Debatte vorgekommen war, entpuppte sich als schlichte Alberei. Da ihr die Männer den Rücken zukehrten, konnte sie sie nicht identifizieren. Dann fiel ihr ein Bild ins Auge, das sie entsetzte, den Männern aber anscheinend eine sadistische, groteske Form von Unterhaltung bot; sie lachten und grölten angesichts eines Videos einer Exekution.



Lori neigte sich so weit nach vorn, wie sie konnte, um besser zu sehen, und war umso schockierter, als sie erkannte, dass es kein Spielfilm war, sondern echt. Die Kamera zoomte auf eine Frau, die weinte und um ihr Leben flehte. Dann geschah das Fürchterliche: Ein Mann in einer Uniform ging auf sie zu und schoss ihr in den Kopf. Als Lori dies sah, schluchzte sie auf.



Die Männer im Raum hörten mit dem Lachen auf und schauten einander an.



»Habt ihr das gehört?«, fragte einer, stand auf und drehte sich zur Tür um.



Lori schaute nach links und rechts, um sich zu entscheiden, wohin sie laufen sollte. Da sah sie eine Toilette, keine zehn Schritte weiter, und stürzte darauf zu. Ihr Herz raste; sie huschte in eine Kabine und verriegelte die Tür.



»Nein, nein, nein, du hast das gar nicht gesehen. Es muss ein Film oder so gewesen sein«, sagte sie mehrmals leise vor sich hin.



Die Toilettentür ging mit einem Knarren auf, und eine Männerstimme fragte: »Irgendjemand hier drin?«



Lori geriet in Panik; sie hob die Beine und zog sie an, damit er ihre Füße nicht sah.



Als der Mann eintrat, knirschten Sandkörner und Schottersplitter unter seinen harten Schuhsohlen. Sie hörte, wie er noch ein paar Schritte näherkam und dann stehen blieb. Ihr rasender Puls rauschte in ihren Ohren. Sie bereitete sich darauf vor, fliehen zu müssen, wusste aber nicht, wohin.

 



Der Mann kam einen weiteren Schritt näher, da knarrte die Tür erneut.



»He, Thomas, hör auf, so herumzuschleichen, der Kommandant will mit dir reden«, sagte eine andere Männerstimme.



»Okay, ich komme«, entgegnete der Erste, drehte sich um und ging hinaus.



Nachdem er die Tür geschlossen hatte, holte Lori mehrmals tief Luft und dachte:

Was ist hier nur los?







Decatur, Illinois







Die Sonne war schließlich hinterm Horizont verschwunden und die Dunkelheit brach herein. Nun, da sie Devins Verwandte beerdigt hatten, galt es, sich ins Haus zurückzuziehen. »Ich nehme das Zimmer des Mädchens«, beschloss Tess.



»Gut, dann schlafe ich im Gästezimmer im Erdgeschoss.«



»Gab es in der Scheune so etwas wie Draht zum Strohbinden?«, fuhr sie fort.



»Ich glaube schon, schauen Sie im Schrank an der hinteren Wand nach.«



Sie machte sich sofort auf den Weg. Da Devin wissen wollte, was sie vorhatte, folgte er ihr.



Neben dem Draht fand sie auch eine Pflanzenschere.



»Was haben Sie vor?«



»Besorgen Sie mir ein paar leere Blechdosen«, verlangte sie nur.



Er zögerte nicht, der Aufforderung nachzukommen. In der Scheune lag ein ganzer Haufen Büchsen. Sie wartete vor den Stufen des Hauses auf ihn, nahm ihm mehrere Dosen ab und stellte sie auf den Boden. Nachdem sie etwas Schotter zusammengesucht und in den Dosen verteilt hatte, zog sie den Draht durch die Zuglaschen an den Deckeln. Als sie so mehrere Dosen an je einem Stück Draht befestigt hatte, spannte sie diese auf Fußhöhe zwischen den beiden Geländern auf, jeweils einen an der untersten und oberen Stufe. Das Ganze wiederholte sie an der Treppe hinter dem Haus.



Danach trennte sie ein kürzeres Stück Draht ab und verband den inneren Griff des Fliegengitters mit dem Knauf der eigentlichen Tür. »Damit wäre dieser Eingang soweit sicher. Für Fort Knox würde es zwar nicht reichen, aber der Draht und die Dosen sollten dabei helfen, Brando aufmerksam zu machen, falls sich jemand Zugang verschaffen will.«



»Sieh an, eine echte Pfadfinderin«, feixte Devin.



»Ist doch kein Kunststück. Liegt einfach nur nahe.«



»Ja, stimmt, das tut es.«



Nachdem sie die Hintertür genommen hatten, verbanden sie das Fliegengitter wieder mit dem Knauf der Tür. Drinnen schoben sie schwere Möbel vor beide Türen.



»So langsam kommt es mir jetzt aber doch wie Fort Knox vor«, meinte Devin.



»Wir dürfen es niemandem zu leicht machen, ins Haus zu kommen. Falls wir uns verteidigen müssen …«



»Ich nehme an, Sie selbst haben das auf die harte Tour gelernt, was?«



»Ja, kann man so sagen.«



»Sagen Sie, sind Sie hungrig?«



»Ja, aber ich wasche mich und gehe zu Bett; ich bin wirklich müde. Oben werde ich eine Dose Thunfisch essen.«



»Na dann, äh … gute Nacht.«



Der Hund kam zu Tess gelaufen und wartete geduldig darauf, dass sie ihm einen Befehl erteilte.



»Bist ein braver Junge, Brando«, lobte sie. »Geh da rüber und mach Platz; halt die Ohren offen.« Sie kniete sich hin, streichelte ihn und kraulte seinen Kopf, bevor sie ihm mehrere Küsse auf die Schnauze gab.



Brando tat prompt, was sie ihm aufgetragen hatte, und verzog sich zur Haustür. Dort ging er ein paarmal im Kreis und ließ sich nieder.



»Eigenartig. Als würde er Sie verstehen.«



»Das tut er.«



Devin schmunzelte.



»Gute Nacht, wir sehen uns morgen früh.«



»Gute Nacht, Tess.«



Sie ging langsam die Treppe hinauf und verschwand im Kinderzimmer.



Devin dachte noch eine Weile über die Ereignisse des Tages nach. So viel war geschehen; er hatte ihn allein begonnen, scheinbar ziellos in seinem Tun, doch jetzt, nachdem er seiner moralischen Pflicht Genüge getan und seine Verwandten bestattet hatte, fand er sich im Haus wieder, allerdings nicht allein, zumindest fürs Erste. Er musste lächeln, denn dieser Gedanke gefiel ihm. Er war realistisch und wusste, es würde nicht von Dauer sein. Doch das bekümmerte ihn nicht. Er wollte diese Zeit genießen, bis sie vorbei war.







Lager 13 der Katastrophenschutzbehörde, Region VIII,  50 Meilen östlich des internationalen Flughafens von Denver







»David, ich kann das nicht

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