Osteopathische Diagnostik und Therapie

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TOLLWUT

Hierbei handelt es sich um eine akute, nicht unbedingt infektiöse Erkrankung, die auch kontagiös ist. Sie kommt vor allem bei Hunden, Wölfen und Katzen vor und überträgt sich von diesen Tieren auf den Menschen. Tollwut tritt also in erster Linie in der Tierwelt auf und wird von dort in den menschlichen Bereich übertragen.

Der allgemeinen Auffassung nach entsteht diese Erkrankung aus einem Keim, obgleich man die Mikrobe niemals isoliert hat. Tatsächlich ist Tollwut aber keine keimbedingte Erkrankung, vielmehr ist der Keim hier ein Produkt des Tollwut-Toxins. Er geht auf ein im Blut und in den Speicheldrüsen des Tieres festzustellendes Toxin zurück, das wahrscheinlich eine Art toxisches Sekret darstellt. Die Infektion wird nicht durch die Schleimhaut übertragen, denn man kann den Speichel oder das Blut eines tollwütigen Hundes ohne jegliche Folgen zu sich nehmen und schlucken. Eine Infizierung kann einzig und allein auf dem Weg direkt über das Gewebe stattfinden – durch Abrieb von Haut und subkutanem Gewebe. Die empfänglichsten Körperteile sind Kopf, Gesicht und Hände.

Pathologie

1. Vergiftungsstadium, das heißt giftige Entzündung oder Stauung im Bereich der Zirkulation.

2. Die markanten Wirkungen, die durch die toxische Reaktion hervorgerufen werden, äußern sich ausschließlich über das zerebrospinale System:

a. Die Blutgefäße sind dilatiert.

b. Aus den Blutgefäßen tritt Serum aus.

c. Die Zellen – vor allem die der perivaskulären Hüllen (Lymphe) des Plexus choroideus und der Ventrikel des Gehirns – sind von Nervengewebe infiltriert.

d. Am häufigsten ist die Medulla betroffen, das heißt, das Virus scheint an diesem Punkt sein Zentrum zu haben und verbreitet sich von dort zum Gehirn, zum Rückenmark und zu den Hirnnerven.

Nach dem Nervensystem sind auch andere Teile betroffen, etwa der Pharynx, der Ösophagus und die Trachea. Dies sind aber wie gesagt Nebenerscheinungen der Nervenpathologie. Das Fundament der Tollwut-Pathologie ist eine neuronale Störung, die aus dem stagnierten, vergifteten Zustand des Bluts und der Lymphe entsteht. Die Inkubationsphase variiert beträchtlich, sie umfasst mindestens 14 und höchstens 30 Tage.

Verlauf

1. Das Anfangsstadium: Die markantesten Symptome sind Mattigkeit, begleitet von Schmerzen an der Basis des Kopfes, die nach oben zum Kortex ausstrahlen; Schlaflosigkeit; leicht wunder Rachen; vom Infektionspunkt ausgehende stark stechende Schmerzen, die sich über den gesamten Körper erstrecken. Weiter besteht ein Zustand von Hypersensibilität, der an der Bissstelle beginnt und dann den ganzen Körper erfasst. Darauf folgt eine Semiparese des Rachens, die sich allmählich auf Arme und Rumpf ausdehnt.

2. Die spastische Form: In diesem Stadium wird aus der Mattigkeit ein besorgter, angstvoller Zustand, geprägt von starker Ruhelosigkeit. Diese Erregbarkeit stellt die Abweichung des toxischen Zustands dar. Es vollziehen sich in der Pathologie Veränderungen, die wir als Wirkungen bezeichnet haben.52 In diesem Stadium besteht exzessive Hyperästhesie, die Krämpfe betreffen Larynx und Mund, es kommt zu dyspnoischer Atmung, die ihren Höhepunkt in Spasmen und Schweißausbrüchen hat. Diese Krämpfe treten insbesondere dann auf, wenn der Patient Wasser zu sich genommen oder gesehen hat. Flüssigkeiten werden sehr schnell absorbiert und die vermehrte Absorption erhöht das Volumen und den Druck des Blutes, was anfallartige Krämpfe hervorruft. Während dieses Stadiums steigt die Temperatur auf 38,9–40 Grad Celsius. Häufig entwickelt sich Wahnsinn, in dem der Patient in wilden Ekstasen geisteskrank ist. Oft tritt in dieser Phase der Tod ein.

3. Lähmungszustand. Hält der Patient bis zu diesem Stadium durch, ist er physisch und mental völlig erschöpft. Die Krämpfe haben zwar aufgehört, er befindet sich jedoch in einem komatösen Zustand, sein Herz und alle Organe sind schwach – er stirbt an Erschöpfung.

Behandlung

In den alten Schulen der Medizin gibt es für diese Erkrankung keine spezielle Behandlung – außer der Pasteurschen Vakzination mit dem Tollwut-Virus.

Was man tun kann, ist, von der Infektion so viel wie möglich aus der Wunde herauszuziehen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Wunde durch Elektrizität oder rotglühendes Eisen auszubrennen. Auch Kohlensäure ist gut. Eine Methode, die man in Russland praktiziert, wo Wolfsbisse häufig vorkommen, besteht im Auflegen von Cantharidenpflastern. Das Pflaster wird zuerst äußerlich auf der Wunde oder dem Biss angewendet, dann nimmt der Patient den Wirkstoff auch ein. Nach dieser äußerlichen und innerlichen Anwendung hält man, wenn das Pflaster wieder entfernt worden ist, die Wunde mit Hilfe einer Nadel offen. Nach der gleichen Methode verfährt übrigens Dr. Still bei Pocken.53

Jede osteopathische Behandlung im Fall von Tollwut sollte genau so ablaufen wie bei Tetanus, um die Muskulatur zu entspannen. Allerdings sollte man die Zirkulation nicht durch eine Behandlung anregen, weil das Ziel ja darin besteht, die Infektion aus dem System herauszuhalten.

Behandeln Sie zugunsten von Ausscheidung und Muskelentspannung.

Der ‚Stein des Wahnsinns‘ kann eine gewisse Wirkung haben, sofern er Gifte absorbiert; auch weißen Wildstein kann man anwenden.54

Stimulieren Sie die Schweiß-, Lymph- und Nierenzentren.

1. Ausscheidung fördernd

2. muskelentspannend

3. antitoxisch


PNEUMONIE

Pneumonie ist primär eine Bluterkrankung, bei der allerdings die Gefahr besteht, dass sie auf den Lymphbereich übergreift. Es handelt sich um eine akut infektiöse Erkrankung, die auch zu einem gewissen Grad kontagiös ist. Stauung, Entzündung und Infiltration des pulmonalen Bereichs oder eines Teils davon sind ihre Hauptmerkmale. Es gibt drei Typen von Pneumonie – lobäre, bronchiale und interstitielle Pneumonie.

Lobäre Pneumonie, gelegentlich auch als Lungenfieber bezeichnet. Manche Autoren behaupten, sie gehe auf den Mikrokokkus lanceolatus oder den Fränkel-Diplokokkus zurück, der in der Lungensubstanz eine lokale Stauung und Entzündung hervorruft. Das Toxin verteilt sich überall im System und führt zu Schüttelfrost, Rigor usf. Diese Erkrankung kommt bei Männern häufiger vor als bei Frauen.

Ätiologie

Prädisponierende Ursache sind:

1. ein Katarrh oder eine katarrhalische Diathese;

2. ein Brusttrauma, das den Thorax insgesamt oder teilweise betrifft – z. B. die Rippen, die interkostale Muskulatur oder Wirbelläsionen im thorakalen Bereich (Th2–Th7). Dort befindet sich der regionale vasomotorische Steuerungsbereich der Lungen. Der im oberen zervikalen Bereich befindliche vasomotorische Bereich der Lungen kann auch disloziert sein, ebenso der im unteren zervikalen Bereich, dem Lymphbereich.

Eine Stauung kann wie folgt entstehen:

1. durch aktive Behinderung der Blutzirkulation;

2. durch mangelhafte lymphatische Spülung der Lungen.

Weitere Läsionen bestehen in exzessiven Kontraktionen der Brustmuskeln sowie in Dislozierungen der oberen Rippen, insbesondere der 3.–5.

Zu den prädisponierenden Ursachen für Pneumonie gehören Alkoholismus, bronchialer Katarrh oder Heufieber55, die Brightsche Erkrankung, aber auch eine geschwächte oder verminderte Zirkulation des Blutes durch die Lungen sowie jegliche Erkrankung, die die Vitalität herabsetzt. Ein Anfall prädisponiert für einen weiteren Anfall. Die meisten Fälle von Pneumonie, auch die meisten tödlich verlaufenden, betreffen sehr junge und sehr alte Menschen. Die Pathologie zeichnet sich durch drei Stadien aus:

1. Das Stauungsstadium. Ausgangsbasis der Pneumonie ist eine pulmonale Stase. Diese beruht auf einer vasomotorischen Störung, die als prädisponierende Ursache wirkt. Verursacht wird sie durch Feuchtigkeit, das heißt, die Verbindung zwischen Ätiologie und Pathologie ist vasomotorisch. In diesem Stadium wird die Lungensubstanz fest und tiefrot, die gesamte Lunge wird in Blut und Serum gebadet. Die Kapillaren sind dilatiert und angeschwollen von Blut, während die alveolaren Zellen mit schaumiger Flüssigkeit und insbesondere mit großen Massen weißer und roter Blutkörperchen angefüllt sind.

2. Stadium der roten Hepatisierung. Nun werden die Gewebe fest, die Erkrankung befällt den gesamten Lungenflügel, am häufigsten den unteren rechten Lappen, dann den unteren linken Lappen und danach den oberen rechten Lappen. Letzterer ist bei Kindern am häufigsten betroffen, während bei älteren Menschen meist der untere rechte oder der untere linke Lappen in Mitleidenschaft gezogen ist. Der Lungenlappen vergrößert sich, sodass die Rippen auf ihn drücken. Er nimmt dann ein bräunliches Rot an und seine Zellen sind nicht mehr mit Luft angefüllt, sondern mit einer Flüssigkeit, die sich zu einer fibrösen Substanz verfestigt, welche Eiterbildung verursacht.

3. Das Stadium der grauen Hepatisierung. Jetzt ist das Lungengewebe dicht und schwer, es zeigt sich eine feuchte Absonderung auf der Oberfläche, während die rote Farbe zu Grau wechselt. Die graue Farbe kommt von der granularen Materie, die dadurch entsteht, dass die Luftzellen eng zusammengepackt und mit Blutkörperchen gefüllt sind. Das führt zu Eiterbildung.

4. Was nun folgt, ist entweder eine Zunahme oder Ausweitung der Eiterbildung oder deren Auflösung. Weitet sich die Eiterbildung aus, wird der Patient sterben, löst sie sich auf, wird er sich erholen.

 

Symptome

Lobäre Pneumonie, die durch ein Toxin verursacht wird, beginnt ganz plötzlich mit

1. Schüttelfrost und hoher Temperatur,

2. sehr akuten und starken Schmerzen entlang der Seite sowie

3. trockener Haut und gerötetem Gesicht.

4. Darauf folgt ein kurzer, trockener Husten, gelegentlich blutiger, klebriger Auswurf.

5. Der Puls ist stark und hart bei erschwerter Atmung, begleitet von Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit.

6. Es treten Verstopfung und gelegentlich Nasenbluten auf.

Verlauf

Am ersten Tag ist das Sputum mukös und dick, am zweiten Tag besteht es aus einer gesättigten Flüssigkeit mit kleinen gelben Bestandteilen, vermischt mit Blut, Eiter und zerstörten Zellen. In diesem Stadium stellen wir dürftigen Urin mit erhöhtem Harnstoff und entsprechender Harnsäure fest. Eine hektische Rötung der Wangen ist ebenfalls ein Symptom. Kaltes Schwitzen, Ausschlag auf Nase und Oberlippe, Erbrechen, Trockenheit von Mund, Rachen und Magen sind jeweils konstante Symptome. Bei Kindern treten Krämpfe auf, Erwachsene fallen bei schweren Formen der Erkrankung ins Delirium. Ein weiteres Symptom sind konstante Kopfschmerzen. Der Patient tendiert dazu, auf der betroffenen Seite zu liegen, und es lässt sich auf dieser Seite auch ein Bewegungsverlust im Thorax feststellen. Die Komplikationen bestehen in Pleuritis, Endokarditis und Perikarditis, aber auch Nephritis und Peritonitis.

Behandlung

Es handelt sich wie gesagt um eine Bluterkrankung mit der Tendenz, auf den Lymphbereich überzugreifen. Der Hauptaspekt der Erkrankung besteht im gestörten Zirkulationszustand:

1. […]

2. […]

3. Blutige, serumartige Exsudation im Lungengewebe.

Sofern nur eine Stauung vorliegt, besteht keine Pneumonie, denn Pneumonie folgt auf Stauung. Erste Anzeichen für Pneumonie sind Kältegefühl oder Starre bzw. rasch über den Körper laufende Schauer.

1. Die erste markante Veränderung funktioneller Art äußert sich in der Frühphase der Pneunomie in Form einer durch mangelnde Koordination des Nervensystems bedingten respiratorischen Unordnung. Daraus entsteht als Folge von Stauung eine Nervenstörung des Lungengewebes – die eigentliche Ursache – Pneumonie. In den frühen Stadien behandeln Sie durch starke Hemmung im zervikalen sowie im oberen thorakalen Bereich und stimulieren dann durch den zervikalen und thorakalen Bereich intensiv die Muskulatur, um die Nervenkräfte zu koordinieren.

2. Im zweiten Entwicklungsstadium der Pneumonie wird der Brustkorb vor allem auf der betroffenen Seite unbeweglich. Bitten Sie den Patienten, sich auf die andere Seite zu legen, und bringen Sie wieder Bewegung in Brust und Rippen der betroffenen Seite, indem Sie zuerst die 3. Rippe behandeln und sich dann nach unten vorarbeiten, wobei Sie während der Ausatmungsphase nach oben gerichteten Druck am Rippenwinkel anwenden.

3. Behandeln Sie nicht das Herz – weder direkt noch indirekt durch das Zwerchfell –, denn eine Stimulation würde jetzt, wo die rechte Seite des Herzens ohnehin zusätzliche Arbeit leistet, Herzschwäche verursachen.

4. Stimulieren Sie den abdominalen Bereich durch die Wirbelsäule (unterer thorakaler, lumbaler und sakraler Wirbelbereich), indem Sie dort eine rhythmische Behandlung durchführen.

5. Behandeln Sie die Nerven, welche die Kapillaren durch das vasomotorische pulmonale System kontrollieren, mittels starker Stimulation der ersten sieben Brustwirbelkörper und wenden Sie zusätzlich eine starke Schwingung am gesamten anterioren Thorax an, wobei Sie dem Bereich der 4.–5. Rippe auf der betroffenen Seite besondere Aufmerksamkeit widmen.

6. Korrigieren Sie die muskulären und ossären Läsionen, die Sie höchstwahrscheinlich vorfinden

a. im oberen zervikalen Bereich (Lymphe),

b. im Bereich Th2–Th7 (Blut).

Artikulieren Sie in diesen Regionen auf jeden Fall, ob nun eine Läsion vorhanden ist oder nicht, und wenden Sie im skapluaren und interskapluaren Bereich ebenfalls Schwingung an.

7. Sorgen Sie im mittleren ebenso wie im unteren zervikalen Bereich für durchgehende Entspannung, denn sie erleichtert

a. den Druck auf die Lymphbahnen oder eine dort bestehende Irritation sowie

b. den Nervus laryngeus recurrens (Hustenbereich).

8. Behandeln Sie den pneumogastrischen Nerv direkt, insbesondere seine superioren laryngealen Verzweigungen. Behandeln Sie den zervikalen Bereich so weit oben wie möglich und auch den pneumogastrischen Nerv entlang der Trachea.

9. Der Nervus laryngeus recurrens ist gelegentlich irritiert oder behindert durch

a. Dilatation der Aorta (die Sie lindern, indem Sie den Thorax insgesamt anheben),

b. Stauung der subklavialen Zirkulation (der Sie begegnen, indem Sie die ersten beiden Rippen anheben und die Muskulatur im unteren zervikalen Bereich sowie durch lokale Behandlung insbesondere den Musculus sternocleidomastoideus entspannen).

10. Der Herzzyklus ist gestört, die Lungen sind nicht richtig koordiniert, Puls und Herzschlag sind hoch. Um sie zu koordinieren, heben Sie die 2.–5. Rippe auf der betroffenen Seite an und behandeln die entsprechenden Wirbelkörper.

11. Versuchen Sie, dem Körper Wärme zu entziehen – z. B durch ein Schwammbad mit kaltem Wasser, das eine milde Dilatation an der Oberfläche hervorrufen und doppelte Wirkung haben wird:

a. Erleichterung der Lungen,

b. Stimulation der oberflächlichen Zirkulation.

Behandeln Sie im Bereich vom Th2–Th5 an der Oberfläche, um die Lungen, und in der Tiefe, um das Herz zu erreichen.

12. Die Nahrung des Patienten sollte weder Stärke noch Zucker enthalten. Die beste Ernährung ist Eiweiß in flüssiger Form. Der Patient soll bei gleichmäßiger Raumtemperatur das Bett hüten und nicht zu lange auf dem Rücken liegen.


PYÄMIE

Pyämie, eine Art der Vergiftung des Blutes, ist eine akut infektiöse Erkrankung, die dadurch entsteht, dass im Körper vorhandener infizierter Eiter über das Blut im Organismus verteilt wird.

Pyämie ist zu unterscheiden von Septikämie, einer durch Sepsis verursachten infektiösen und kontagiösen Erkrankung. Sie ist stets Folge, niemals Ursache eines Abszesses oder des Vorhandenseins von Eiter. Früher dachte man, sie werde durch Eiter im Blut verursacht. Die moderne Pathologie hat jedoch aufgezeigt, dass der Eiter in den Geweben die Ursache ist, nicht der Eiter im Blut. Das Blut fungiert nur als Verbreitungsmedium. In den meisten Fällen hängt die Erkrankung mit einem lokalen Abszess zusammen. Der infizierte Abszess infiziert das gesamte System. Der alten Anschauung nach entstehen Eiter und Pyämie durch einen Keim. Streptococcus pyogenes ist der Name eines neuen Keims, von dem die Deutschen herausgefunden haben, dass er mit der Erkrankung in Verbindung steht.

Eiterbildung repräsentiert den Zerfall von Blut, das heißt weißer Blutkörperchen. Kann Eiter ohne einen pathologischen Zustand entstehen? Injizieren Sie den Inhalt einer mit Terpentin gefüllten Spritze in den Handrücken oder den Finger und beobachten Sie das Ergebnis. Es bildet sich Eiter. Daraus ziehen wir den Schluss, dass alles, was weiße Blutkörperchen tötet, Eiter hervorbringt. Eiter lässt sich auch außerhalb des Körpers erzeugen, indem man etwas Blut mit einer aus Morphintabletten hergestellten Lösung zusammenbringt. Binnen Kurzem sind dann die weißen Korpuskeln tot und Eiter entsteht.

Pyämie kann auch hervorgerufen werden durch Dosenfleisch oder durch andere konservierte Nahrungsmittel, in denen sich ein Toxin – wie etwa das Ptomain bei Fleisch – entwickelt hat. Pyämie ist sekundär, das heißt die Folge verdorbenen, z. B. zu lange gelegenen Fleisches, da es bzgl. der Wirkung auf das Blut ähnlich wirkt wie Morphium. Hier haben wir es also vorrangig mit einem toxischen Zustand des Bluts zu tun, der nur sekundär auf die Gewebe bezogen ist. […]

Ätiologie

ist also eine Intoxikation. Folglich haben wir es hier zu tun mit

1. der Toxinerzeugung und

2. der Toxinverteilung sowie mit

3. Symptomentwicklungen in den Geweben als Ergebnis des Widerstands der Gewebe gegen die Vergiftung.

Die meisten pyämischen Zustände werden hervorgerufen durch

1. giftige Heilmittel oder vergiftende Substanzen

2. ein Trauma wie etwa im Fall besonders großer oder nicht gereinigter Wunden oder Risse, in denen sich aufgrund des Absterbens weißer Blutkörperchen Eiter bildet.

Es gibt zwei unterschiedliche Typen von Pyämie:

1. Post-Infarkt-Typ: Diesen auf einen Infarkt folgenden, durch Stocken des Blutes verursachten Typ findet man meist an einem Arterien- oder Venen-Endpunkt im Bereich des Gehirns, der Nieren, manchmal auch der Milz – am häufigsten aber in der Leber, was auf eine Behinderung der portalen Zirkulation und den daraus resultierenden entzündlichen Zustand zurückzuführen ist. Diese Form von Pyämie entsteht aufgrund von Erkrankungen wie Appendizitis, Peritonitis und Magengeschwür. Bei diesen Erkrankungen wird der Eiter zur Leber transportiert und führt dort zur Abszessbildung. Auch einige Formen von Peritonitis können die Folge sein. Solange der Abszess auf die Leber begrenzt bleibt, handelt es sich nicht um Pyämie, Pyämie kann aber in der Folge auftreten.

2. Metastatischer Typ: Er geht auf Abszesse im intermuskulären oder subkutanen Gewebe zurück. Manche Pathologen leugnen aber Metastasierung generell. Sie meinen, dass eine Erkrankung ohne bekannte Ursache ihren Sitz nicht von einem Bereich in einen anderen verlagern kann, das heißt dass z. B. Rheumatismus heute im Knie, morgen im Ellbogen und übermorgen im Bein auftreten kann. Bei diesem Zustand findet die Bewegung oder die Verlagerung jedoch entweder über das Nervensystem, die Zerebrospinale Flüssigkeit oder aufgrund des durchgehenden Zusammenhängens der Membranen statt.

Bei Pyämie zeigen sich drei Symptome:

1. Kälteschauer,

2. markante fiebrige Temperatur mit der Tendenz, unter die Normaltemperatur zu sinken, und

3. Schwitzen.

Alle drei müssen im Zusammenhang betrachtet werden.

Behandlung

Beim Post-Infarkt-Typ besteht eine Pyämie des gesamten Nervensystems.

1. Führen Sie eine intensive Behandlung der allgemeinen Zirkulation durch.

2. Beim metastatischen Typ ist eine solche zirkulatorische Behandlung kontraindiziert.

3. Die bei der zirkulatorischen Behandlung relevanten Hauptaspekte befinden sich im unteren zervikalen, im oberen und unteren thorakalen sowie im oberen lumbalen Bereich.

4. Achten Sie bei beiden Typen auf die betroffenen Organe, die Leber, die Nieren und die Milz. Widmen Sie sich dem Bereich Th8–Th10 auf der rechten Seite und im Hinblick auf die Nieren den Bereichen Th10–Th12 sowie L1–L3. Die Nieren beeinflussende Läsionen befinden sich fast immer im oberen Nierenbereich (Th10–Th12) auf der rechten Seite und im unteren Bereich (L1–L3) auf der linken Seite.

5. Achten Sie auf lokale sekundäre Abszessbildung. Sie kommt am häufigsten im Leberbereich vor. Stimulieren Sie dort präventiv sowohl durch lokale als auch durch spinale Behandlung der Leber intensiv deren Funktion. Achten Sie auch auf die Knorpel im Bereich der 8.–10. Rippe, die sich häufig invertiert oder evertiert zeigen.

6. Regen Sie auch die Ausscheidung über alle exkretorischen Kanäle intensiv an und dämmen Sie eine eventuell bestehende Diarrhö nicht ein.

7. Beim metastatischen Typ ist immer auch das Bindegewebe oder aber das membranöse Gewebe betroffen. Stimulieren Sie deshalb im Bereich Th3–Th5 die oberflächliche Zirkulation, um den Eiter in das Blut an der Oberfläche zu transportieren und ihn am Zirkulieren zu halten, bis er ausgeschieden ist. Wenn Sie den Patienten z. B. durch Dampfbäder oder Einwickeln in heiße Leintücher zum Schwitzen bringen, ist das eine gute Unterstützung.

8. Befreien Sie das Lymphsystem und halten Sie es frei zirkulierend. Sind die Lymphknoten betroffen, das heißt vergrößert, sollten Sie keine der großen Drüsen durch Kneten behandeln, sondern Schwingung anwenden.

 

9. Erlauben Sie dem Patienten nicht, übermäßig viel Wasser zu trinken, denn je mehr er trinkt, desto geringer wird die Absorptionsfähigkeit. Das gilt nicht nur bei Pyämie, sondern auch bei Abszessen im Allgemeinen. Um den Patienten in einem chronischen Abszesszustand bei Kräften zu halten, verordnen Sie ihm Nahrung mit hohem Eiweißgehalt. Das gleiche Prinzip gilt auch bei einem einfachen Abszess oder bei Pyämie.

10. Beim metastatischen Typ führen Sie eine lokale zirkulatorische Behandlung durch.


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