Die Reise in die Rocky Mountains

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Am 8. fanden wir früh ganz frische Pferdespuren, die andeuteten, dass kurz zuvor Indianer hier gewesen sein mussten; auch das Verschwinden der gestern noch so zahlreichen Büffel deutete darauf hin. Auf dem ganzen Weg erblickten wir Überreste von erst kürzlich erlegten Büffeln. Wir schritten vorsichtig längs des Flusses, die Hügel sorgfältig vermeidend, weiter. Doch auch mit dem Fernrohr konnten wir keinen lebenden Gegenstand erkennen. Nach einigen Meilen gewahrten wir an den Hügeln einige dunkle Gegenstände, die wir anfangs für Büffel hielten, doch ein zweiter Blick belehrte uns, dass es Indianer waren, die in schnellem Lauf auf uns zukamen. Wir waren nur zu sieben und schlecht beritten. Anfangs schienen es nicht mehr als 15 oder 20 Wilde zu sein, doch schon nach wenigen Minuten gewahrten wir deren 200 bis 300, die nur mit einem Schurz umgürtet schnell über die Prärie eilten. Ehe wir mit unserem Gepäck ein nahes Gehölz erreichen konnten, von dem wir uns zu unserem Schrecken noch durch einen Fluss getrennt sahen, kamen die Indianer auf uns hernieder. In wenigen Augenblicken würden der Führer und auch wohl einige seiner Genossen gestürzt sein, denn wir empfingen sie schussfertig. In Lagen wie die gegenwärtige pflegt man aber mehr aus Instinkt als mit kalter Besonnenheit zu handeln. Eben wollten wir feuern, als Maxwell dem Anführer in der Indianersprache zurief: »Narr, erkennst du mich nicht?« Der Klang seiner eigenen Sprache schien ihn stutzig zu machen. Er wandte sein Pferd etwas seitwärts und flog wie ein Pfeil an uns vorüber. Als ich auf ihn zuritt, lenkte er um, reichte mir seine Hand und rief, sich auf die Brust schlagend: »Arapaho!« Bei diesem Indianerstamm hatte Maxwell sich früher eine Zeit lang aufgehalten und wurde von ihnen gleichfalls wiedererkannt. Bald befanden wir uns mitten unter ihnen und antworteten, so gut wir konnten, auf ihre vielen Fragen, von denen eine der ersten war, zu welchem Stamm unsere indianischen Begleiter gehörten. Der Anführer zeigte uns sein Dorf, das 6 Meilen vor uns dicht bei dem Fluss an einem Gehölz lag, und deutete auf eine Büffelherde auf der anderen Seite des Platte, die zu umzingeln sie ausgezogen waren. Nach wenigen Minuten kamen ihre Frauen, ebenfalls zu Pferde, herangesprengt, um ihren Männern bei dem Verteilen und Fortschaffen der Beute Beistand zu leisten. Sie baten uns, eine Weile zu halten, um die Herde nicht zu verscheuchen. Wir sattelten daher ab und setzten uns am Flussufer nieder, während unsere neuen Bekannten etwas weiter unten über den Fluss setzten. Eine Meute wild aussehender Hunde, die weit mehr einer Herde von Wölfen glichen, folgten ihnen. – Unsere Indianer hatten erfahren, dass sich in dem Arapaho-Dorf etwa 20 Hütten ihrer Landsleute befanden, und sie begannen sogleich, sich zu deren Besuch vorzubereiten. Sie badeten sich im Fluss, banden sich bunte Schurze von Baumwollstoff um, den sie, wie ich später erfuhr, von unseren Leuten gestohlen hatten, ordneten ihr Haar und knüpften es mit roten Bändern in die Höhe. Während sie selbstgefällig damit beschäftigt waren, machte sich das Packpferd der armen Cheyennes, das ihren ganzen irdischen Reichtum auf dem Rücken trug, aus dem Staub. Am meisten beklagten sie den Verlust ihrer Speere und Schilde und eines kleinen Vorrats an Tabak. Indes ertrugen sie es mit der ganzen philosophischen Ruhe eines Indianers. »Unser Volk«, sagte einer von ihnen, »wird uns auslachen, wenn wir zu Fuß zurückkehren, anstatt eine Herde Pawnee-Pferde vor uns herzutreiben.« – Indessen begann die Jagd auf dem anderen Ufer. Die Indianer griffen in zwei Abteilungen an und trieben die zu den Hügeln fliehenden Büffel gegen den Fluss zurück. Zerstreut rannten diese nach allen Seiten. Wir waren zu entfernt, um den Knall der Flinten oder irgendeinen Laut zu hören. In stetem Wechsel kamen durch die von der Sonne erhellten Staubwolken einige flüchtige Büffel zum Vorschein und dicht hinter ihnen ein Indianer mit seinem langen Speer und verschwanden wieder in einer neu aufwirbelnden Wolke. Die anscheinende Stille und die eilend dahinjagenden Schattengestalten gaben dem ganzen Schauspiel etwas Traumhaftes und mehr das Aussehen eines Gemäldes als eines wirklichen Erlebnisses. Es war eine Herde von wohl 300 bis 400 Büffeln, doch, obwohl ich genau achtgab, sah ich nicht einen einzigen aus der unheilvollen Wolke hervorkommen, in der das Werk der Zerstörung vor sich ging.

Nach einer Stunde schlugen wir den Weg nach dem Indianerdorf ein. Allmählich kam einer derselben nach dem anderen, mit seiner Jagdbeute beladen, dahergeritten, und als wir uns den Hütten näherten, war der ganze Weg von den heimkehrenden Reitern bedeckt. Das Dorf bestand aus etwa 120 Hütten, die auf beiden Seiten einer gegen 150 Fuß breiten Straße, die längs des Flusses hinlief, zerstreut lagen. Als wir an ihm entlangritten, bemerkte ich neben einigen Wohnungen eine Art Gestell, das von drei dünnen und reinlichen Birkenstangen gebildet wurde, an dem der Schild und Speer und einige andere Waffen eines Häuptlings befestigt waren. Alle waren auf das Sorgfältigste geputzt, die Lanzenspitzen glänzend und die Schilde weiß und fleckenlos. Einer der Häuptlinge lud uns zu sich ein. Er breitete, als wir eintraten, für mich ein Gewand zum Sitzen aus, und die Frauen stellten eine große hölzerne Schüssel mit Büffelfleisch vor uns. Der Wirt hatte indessen seine Pfeife angezündet, und nachdem sie bei uns die Runde gemacht hatte, begannen wir die Mahlzeit. Nach und nach kamen gegen sechs andere Häuptlinge und setzten sich schweigend nieder. Nach der Mahlzeit richtete der Wirt eine Anzahl Fragen an uns in Betreff des Zweckes unserer Reise, den ich ihm nicht verhehlte. Obwohl meine Erklärung, dass es sich um die dereinstige Anlegung von Militärposten auf dem Weg zum Gebirge handele, ihnen ebenso wichtig als unerfreulich sein musste, so verrieten doch ihre Mienen nicht das geringste Erstaunen, und sie blieben sich völlig gleich in ihrer gemessenen Höflichkeit. Die anderen hörten zu und rauchten. Ich bemerkte, dass ein jeder, bevor er die Pfeife in den Mund nahm, das Rohr mit einem raschen Blick in die Höhe hielt, als ob er sie dem großen Geist darbringen wollte. – Regentropfen schlugen an die Hütte und mahnten uns zum Aufbruch. Mit einem Vorrat an getrocknetem Fleisch beschenkt, ritten wir in der Abenddämmerung davon, bis wir unsere Leute 8 Meilen weiter aufwärts unter einem alten, dichtbelaubten Baum gelagert fanden. Gerade gegenüber mündete einer der beträchtlichsten Nebenflüsse des Südarms, der Biberfluss.

Am Morgen des 9. Juli gewahrten wir den ersten schwachen Schimmer des Felsengebirges in einer Entfernung von etwa 60 Meilen. Wie eine kleine Wolke schimmerte durch den leichten Nebel der schneeige Gipfel von Long’s Peak. Wir begegneten zwei Weißen und einem Mulatten zu Pferde. Der Letztere hatte sich schon als Knabe den Krähenindianern zugesellt und in der Folge durch Tapferkeit unter ihnen zum Rang eines Häuptlings emporgeschwungen. Sie suchten eine Anzahl Pferde, die ihnen davongelaufen waren. Später, nachdem wir über einen ziemlich breiten Nebenfluss des Platte, Bijou’s Fork2, gesetzt waren, trafen wir auf vier bis fünf Weiße, die vom Columbia-Fluss kommend auf eigene Faust Handel trieben. Alle hatten ihre Frauen mit sich und eine große Anzahl kleiner dicker Knaben, die sich fröhlich um das Lager tummelten. Abends erreichten wir eine Insel im Platte, wo ein gewisser Chabonard mit seinen Leuten für diesen Sommer sich aufhielt. Er hatte mit mehreren mit Pelzwerk beladenen Booten nicht weiter flussabwärts gelangen können. Der Strom war sehr seicht, das Wasser klar, die Ufer sandig und noch fortwährend bewaldet. Auf der gegenüberliegenden Prärie weidete eine ansehnliche Herde von Pferden, und Rauch stieg von zerstreuten Feuern auf, um welche die Leute unseres gastfreundlichen Wirts, sämtlich Spanier, sich gelagert hatten. Das Ganze hatte ein wahrhaft patriarchalisches Aussehen. Julep (mit Zucker oder Sirup versetzter Kräutersaft), einige gekochte Rindszungen und Kaffee mit Zucker wurden uns bald vorgesetzt.

1 Eine engl. Elle = 1 Yard = 3 engl. Fuß

2 Fork = Gabel, Flussarm

ZWEITES KAPITEL
Reiseabenteuer auf dem Marsch zum South Pass

Am 10. erreichten wir nach einem Marsch von 45 Meilen spät am Abend St. Vrain’s Fort. Dieser Posten ist am rechten Ufer des Südarms unmittelbar am Fuße des Gebirges und 17 Meilen östlich von Long’s Peak, in 40° 22' nördl. Breite und 87° 31' westl. Länge von Ferro gelegen. Der Strom, dessen Bett ganz aus Sand und Kies besteht, ist durch kleine Inseln, zwischen denen er schnell dahineilt, in verschiedene Arme geteilt. Zwischen ihm und dem Gebirge, dessen schneeige Spitzen in geringer Entfernung schimmern, liegen die Schwarzen Berge. Die nächsten Gebirge schienen sich nicht weit über die Linie des ewigen Schnees zu erheben, der sich zunächst auf die Nordseite der Gipfel beschränkte und gegen Süden nur einige 100 Fuß herabreichte. Die Fichtenwaldungen, welche tiefer unten das Gebirge umgürten, waren in Rauch gehüllt; in ihnen soll schon seit Monaten das Feuer wüten. Pike’s Peak, ein 100 Meilen weiter südlich gelegener Berggipfel, war wegen der durch Rauch verdüsterten Luft nicht sichtbar. Die Höhe des Platte über dem Meer beträgt hier 5400 Fuß. Herr St. Vrain nahm uns gastfreundlich auf, und durch seine Güte erhielt ich einige Pferde und Maultiere; an Vorräten konnte er uns aber nichts überlassen.

Am 12. brachen wir nach Fort Laramie, unserem nächsten Bestimmungsort, auf, das gegen 125 Meilen von da fast streng nördlich liegt. Noch begleiteten uns drei Spanier, von denen der eine in meinen Dienst getreten war. Bald verließen wir das in dem Schmuck seiner Blumen einem Garten gleichende Flusstal und zogen längs der Schwarzen Berge, die sich auf dem ganzen Weg zwischen uns und dem westlichen Gebirge hinstreckten. Wir ritten durch zahlreiche Nebenflüsse der beiden Hauptarme des Platte, unter denen der Krähen- und der Pferdefluss die ansehnlichsten waren, und hatten mehrere Höhenzüge zu überschreiten. Das Land zeigte meist ein durchaus ödes und wüstes Aussehen, doch trägt mehr die Trockenheit des Klimas als die Beschaffenheit des Bodens die Schuld daran. Nur an einigen Flüssen zeigte sich wieder frischer Rasen, auf dem Büffelherden weideten; Holz aber wurde so selten, dass wir uns meist des früher erwähnten »Kuhholzes« beim Kochen bedienen mussten. Am Abend des 14. kamen wir durch eine weite Schlucht, die von zwei jäh abfallenden Hügelreihen, durch die ein Fluss strömt, gebildet wird. Der Fels besteht aus Mergel und Kalkstein und zeigt, von Wind und Regen zerklüftet und ausgewaschen, ein seltsames Naturspiel. Er sieht nämlich täuschend einer Festung ähnlich, die einen Halbkreis bildend an beiden Enden in ungeheure Bastionen ausläuft. Längs der ganzen gegen 300 Ellen sich ausdehnenden Linie ragen Kuppeln und schlanke Minarette von 40 bis 50 Fuß Höhe über die Wälle und geben diesen Felsenbildungen das Aussehen einer alten, befestigten Stadt. Noch häufiger finden sich diese am Weißen Fluss. Dort gleichen sie zuweilen in überraschender Weise einer großen Stadt mit zahlreichen Straßen und prächtigen Gebäuden, und andere Male nehmen sie die Gestalt eines leer stehenden Hauses an mit großen Zimmern, in welche die Reisenden über Nacht ihre Pferde treiben und innerhalb dieser natürlichen Schutzwehr vollkommen sicher vor den Angriffen der räuberischen Wilden schlafen.

 

Am 15. erreichten wir den Nordarm des Platte, 13 Meilen unterhalb Fort Laramie. Nach einem drückend heißen Tag gelangten wir gegen Abend zur Vereinigung des Laramie- und Platte-Flusses, an der sich eine von Pelzhändlern gegründete Niederlassung befindet. Die Gebäude bestehen aus Erde, sind von drei Seiten mit Wällen umgeben und nach dem Fluss hin offen. Bald darauf erblickten wir Fort Laramie, auch Fort John genannt, einen Hauptposten der amerikanischen Pelzkompanie. Es ist auf einer Anhöhe am linken Ufer des gleichnamigen Flusses erbaut. Seine hohen weiß schimmernden Wälle mit den großen Bastionen an den Ecken gaben ihm in dem ungewissen Abendlicht ein Achtung gebietendes, kriegerisches Aussehen. Unter den Wällen hatten die Sioux-Indianer eine Anzahl Hütten aufgeschlagen, und mit dem anmutigen Hintergrund der Schwarzen Berge, überragt vom Gipfel des Laramie-Gebirges, das in scharfen Umrissen in den lichten Abendhimmel emporstieg, bildete das Ganze ein überraschend schönes Gewölbe. Der Befehlshaber dieses Platzes, Herr Boudeau, nahm mich mit großer Gastfreundschaft auf. Die andere Abteilung, welche den Nordarm hinaufgezogen war, hatte schon vor uns das Fort erreicht und in dessen Nähe sich gelagert. – Ich teile über ihre Reiseabenteuer einiges aus dem Tagebuch des Herrn Preuß mit, welchen ich, wie früher erzählt, der anderen Mannschaft am Tag nach meiner Trennung von ihr nachgeschickt hatte.

»Ich ritt«, berichtet er, »am 6. Juli, nachdem ich mich von Captain Frémont verabschiedet hatte, mit meinem Begleiter über das Hochland, das sich zwischen den beiden Armen des Platte ausstreckt, und erreichte den nördlichen nach etwa sechs Stunden. Man sah keine Spur, dass unsere Leute schon hier vorübergekommen waren, und wir ritten daher auf einige Fichten zu, unter deren Schatten wir unsere Gefährten erwarteten. Ungeduldig über ihr Ausbleiben, ritt mein Begleiter den Fluss abwärts, um sie auszusuchen. Die Sonne ging unter, und er kam noch nicht zurück. Ich zündete ein großes Feuer an und legte mich rauchend und hungrig daneben. Endlich kam der Ersehnte zurück. Er hatte sie 7 Meilen weiter abwärts getroffen und brachte eine gute Abendmahlzeit mit, bei der wir uns in Ermangelung des Salzes nach Soldatenbrauch des Schießpulvers bedienen mussten. – Anderentags reisten wir mit ihnen gemeinschaftlich den Fluss entlang. Der Boden war weit sandiger; üppiges Gras fand sich nur an einigen zerstreuten Stellen nahe dem Fluss, und nur einzelne Bäume waren sichtbar. Eine lange Dürre, verbunden mit der größten Hitze, hatte hier die höher liegenden Prärien so versengt, dass sie gar kein oder nur vergilbtes Gras zeigten. Der bis zu den Schwarzen Bergen sich erstreckende Sand- und Kalkboden ist den Einwirkungen der Witterung sehr unterworfen. So kam es, dass auf unserem Rückweg im September dasselbe Tal des Platte einem grünenden und blühenden Garten glich.

Auf unserem einsamen Weg am 8. Juli erblickten wir nicht einmal einen Büffel oder eine flüchtige Antilope, bis unsere Karawane gegen Abend plötzlich anhielt. Alles ritt und lief durcheinander in lärmender Verwirrung, die Flinten wurden hervorgeholt, die Kugeltaschen untersucht, kurz, das Geschrei »Indianer!« wurde wiederum gehört. Doch bald zeigte es sich, dass es Weiße waren unter der Leitung eines Herrn Bridger. Sie lagerten mit uns, und nach der Mahlzeit setzte uns der Letztere von dem gefährlichen Zustand des Landes in Kenntnis. Die Abneigung der Sioux-Indianer sei in offene Feindschaft ausgebrochen. Vergangenen Herbst hätten sie mit ihnen mehrere Gefechte bestanden, in denen auf beiden Seiten viele gefallen seien. Vereinigt mit den Cheyenne- und den Dickbauchindianern, durchzögen sie das Hochland in starken Kriegsscharen, und seien gegenwärtig in der Nähe der Roten Kuppen (Red Buttes), an denen wir vorüber mussten. Sie hätten jedem lebenden Wesen, das sie von da westlich fänden, den Krieg erklärt. Seine genaue Kenntnis des Landes hätte ihm gestattet, ihnen zu entgehen und auf einem ungewöhnlichen Weg durch die Schwarzen Berge Laramie zu erreichen. Obwohl unsere Leute ihr Leben unter den Gefahren dieses Landes zugebracht hatten, fand ich doch zu meiner Verwunderung, dass sie alle durch diese Nachricht in die äußerste Bestürzung geraten waren, und von allen Seiten hörte ich Äußerungen der tiefsten Entmutigung. Die ganze Nacht waren zerstreute Gruppen um die Feuer versammelt und lauschten mit der größten Begierde auf die übertriebenen Schilderungen der Gefechte mit den Indianern. Am Morgen war die Mehrzahl unserer Leute ernstlich geneigt umzukehren, aber Clement Lambert, ihr Führer, erklärte mit sechs anderen seinen festen Entschluss, Frémont bis zum äußersten Punkt seiner Reise zu folgen. Die anderen fingen nun an, sich ein wenig ihrer Feigheit zu schämen und entschlossen sich, wenigstens bis zum Laramie-Fluss mitzugehen. – Wir erblickten manche seltsame Felsenbildung, so in der Entfernung von 30 Meilen den berühmten »Schlotfelsen«, Chimney Rock, der von hier aus ganz dem Schlot von Dampfmaschinen glich. In seiner Nähe schlugen wir am folgenden Tag unser Lager auf. Wind und Wetter haben seine Höhe auf 200 Fuß verringert, während die Reisenden vor mehreren Jahren dieselbe noch auf mehr als 500 Fuß schätzten. – Am 13. erreichten wir ohne sonderliche Vorfälle das Fort Laramie.«

Dasselbe ist nach mexikanischer Weise im Viereck und aus Lehm erbaut. Die Mauern sind gegen 15 Fuß hoch und von hölzernen Palisaden überragt. Sie bilden nach innen Häuserreihen, welche einen Hof von etwa 130 Fuß im Geviert völlig umgeben und deren Türen und Fenster auf diesen geben. Zwei einander gegenüberliegende Eingänge führen dahin; über dem Haupttor befindet sich ein viereckiger Turm mit Schießscharten, während der andere eine Art Nebenpforte bildet. An zwei schräg einander gegenüberliegenden Ecken sind große Bastionen erbaut, welche alle vier Wallseiten bestreichen. Außer Herrn Boudeau und zwei Gehilfen lebten in dem Fort 16 Mann, die sich wie üblich ihre Frauen unter den Indianern gewählt haben und mit ihren Kindern dem Platz ein belebtes Aussehen gaben. Der Zweck dieser Niederlassung ist der Handel mit den benachbarten Stämmen, die gewöhnlich zwei oder drei Mal des Jahres dieselbe besuchen. Die Indianer bringen fast nur Büffelhäute und empfangen dagegen Decken, bunte Baumwollstoffe, Flinten, Pulver und Blei, ferner allerlei Tand wie Glasperlen, Spiegel, Ringe, rote Farbe zum Bemalen, sodann Tabak und namentlich, ungeachtet gesetzlicher Verbote, Branntwein, der als Alkohol (wasserfreier Weingeist) eingeführt und dann mit Wasser verdünnt wird. Zwar sucht die amerikanische Pelzkompanie die Einfuhr geistiger Getränke, die wie ein verheerendes Gift unter den Wilden wüten, möglichst zu beschränken, kann aber – wenn sie durch andere sich ihren Handel nicht ganz zerstören lassen will – unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf diesen Handelsgegenstand nicht ganz verzichten. Denn jeder Landstreicher aus den Vereinigten Staaten oder Mexiko kann zu ihrem großen Nachteil, wenn er nur so viel Geld hat, um sich ein Maultier und ein paar Fässchen Branntwein zu kaufen, dafür von einem Indianer alles, was er besitzt, sein Pelzwerk, sein Zelt, seine Pferde, ja selbst Weib und Kinder erhandeln, so leidenschaftlich lieben sie das »Feuerwasser«. Mit ungeheurem Gewinn wird dieser gewissenlose Handel betrieben, denn diese Leute lassen sich für ein Gallone (4 berl. Quart) 36 Dollar bezahlen. Auch hierin tut sich der große Unterschied zwischen einem Handelsmann im Dienst der Gesellschaft und einem Coureur des bois, »Holzstreicher«, wie die Franzosen diesen auf eigene Faust wandernden Krämer nennen, kund. Jene denken auch an die Fortsetzung des Handels für die Zukunft und lassen daher den Indianern ihre Waffen, Pferde und was sie sonst zur Jagd benötigen, während diese von jedem Indianer nehmen, was sie können und wie sie können, auch wenn sie ihm damit die Möglichkeit, noch ferner zu jagen, nehmen.

Die unsere Mannschaft beunruhigenden Nachrichten über die feindselige Gesinnung mehrerer Indianerstämme und ihrer das Land durchschwärmenden Kriegsscharen fanden hier ihre Bestätigung. Auch die uns nach dem Oregon-Gebiet voranziehenden Auswanderer waren, wie wir hörten, dadurch in große Verlegenheit geraten. Spaltungen und Missverständnisse waren zwischen ihnen ausgebrochen, als sie bei dem Fort anlangten. Ihr Vieh war von der langen Reise so ermattet gewesen, dass sie es samt den Wagen hier hatten verkaufen müssen. Die abgetriebenen Pferde, die sie dafür eintauschten, fielen, ehe sie das Gebirge erreichten. Ihr ohnedies gesunkener Mut schwand völlig, als sie von den bevorstehenden Gefahren hörten. Glücklicherweise hatten sie hier den im ganzen Land in hohem Ansehen stehenden Herrn Fitzpatrick zu ihrem Führer und Beschützer erhalten können, der mit ihnen am 4. Juli nach dem Gebirge aufgebrochen war. Gleich darauf war ihnen eine Kriegsschar von 350 Indianern auf dem Fuß gefolgt, deren Häuptling einen seiner Verwandten in dem letzten Gefecht verloren und geschworen hatte, die ersten Weißen, auf die er stieße, zu töten. Im Tal des Sweetwater River (Süßwasserflusses) waren die Auswanderer von ihren Verfolgern eingeholt worden, aber die Gewandtheit und Entschlossenheit ihres Führers hatte sie vor einem Überfall bewahrt und es zu keinem offenen Angriff kommen lassen. Darauf waren sie in ein großes indianisches Dorf geraten, in dem sie eine sehr zweideutige Aufnahme fanden. Die ganze Nacht, die sie dort verweilten, beratschlagten die Häuptlinge miteinander, ob sie am anderen Morgen die Weißen angreifen sollten; doch der Einfluss der »Zerbrochenen Hand«, wie sie Herrn Fitzpatrick nannten, weil eine seiner Hände durch ein gesprungenes Gewehr zerschmettert worden war, überwog und sicherte ihnen einen freien Abzug. Zugleich aber hatten die Indianer bestimmt erklärt, dass alle Weißen, die noch des Weges kämen, sicheres Verderben erwarte.

So schien das Land von zerstreuten Kriegsscharen durchschwärmt zu werden, und große Unruhe bemächtigte sich meiner Leute. Den übelsten Eindruck machte es, dass auch Kit Carson offen die ernstesten Besorgnisse äußerte und seinen letzten Willen niederlegte. Ein Teil der Mannschaft war so verzagt, dass sie ihres Dienstes hier entlassen zu werden begehrten. Ich nahm einen Herrn Bissonette aus dem nahen Fort Platte als Dolmetscher an, der uns bis zu den 135 Meilen weiter westlich gelegenen Roten Kuppen begleiten sollte, um im Fall eines Zusammentreffens mit den Indianern eine friedliche Verständigung möglich zu machen. Fast fortwährend wurde mein Zelt von Wilden besucht, die Geschenke begehrten oder nach dem Zweck unserer Reise forschten oder mit uns handeln wollten. Einer lud mich zu einer mir zu Ehren veranstalteten Mahlzeit ein, bei der ein Hund verspeist werden sollte, und wartete in tiefem Stillschweigen, bis ich bereit war, ihn zu begleiten. Die Frauen und Kinder saßen außerhalb der Hütte, in der wir auf ringsum ausgebreiteten Büffelhäuten Platz nahmen. In der Mitte befand sich der Hund in einem gewaltigen Topf über dem Feuer. Alsbald wurde in großen hölzernen Schüsseln aufgetischt. Das Fleisch war sehr zäh und glich im Aussehen und Geschmack etwas dem Hammelfleisch. Ich fühlte hinter mir sich etwas bewegen und wurde gewahr, dass ich meinen Sitz mitten unter einem Wurf junger, fetter Hunde genommen hatte; doch ich bin nicht von zarten Nerven und fuhr ruhig fort, meine Schüssel zu leeren.

 

Am 18. Juli traf die schon angekündigte Einwohnerschaft eines Dorfes ein. Es waren größtenteils Greise, Frauen und Kinder, die hier ihre junge Mannschaft zurückerwarten wollten, die wir früher als die Verfolger der Auswanderer erwähnten. Sie führten eine ansehnliche Menge Pferde und große Scharen von Hunden mit sich. Nahe dem Fort schlugen sie ihre Hütten auf, und unser Lager war vom Morgen bis in die Nacht mit Indianern angefüllt. Mein Zelt war der einzige Ort, zu dem sie sich nicht wagten, dahin kamen nur die Häuptlinge, und gewöhnlich blieb einer von ihnen zurück, um die Frauen und Kinder wegzujagen. Die zahlreichen seltsamen Instrumente, die zu noch seltsamerem Gebrauch verwendet wurden, erregten ihre große Bewunderung, und mit besonderer Ehrfurcht blickten sie auf die, durch welche ich mich »mit der Sonne und den Sternen unterhielt«, als geheimnisvolle Gegenständen der »großen Heilkunst«. – Am Abend des 19. ließ ich meine Mannschaft zusammenkommen und erklärte ihr, dass alle Anstalten zur Weiterreise getroffen seien. Wer zu feige sei, mir weiter zu folgen, solle hervortreten und seinen Abschied erhalten. Zu ihrer Ehre sei gesagt, dass nur einer hervorzutreten wagte, den ich auch entließ. Doch hielt ich es für meine Pflicht, in Betracht der bevorstehenden Gefahren unsere beiden jungen Begleiter, Brant und Benton, wenn auch wider ihren Wunsch, hier zurückzulassen.

Alles war am 23. zum Aufbruch bereit, und wir gingen nur noch einmal hinauf in das Fort, um dort den Abschiedstrank zu nehmen. Während wir in einem der kleinen, kühlen Zimmer heiter beisammensaßen, erschienen an der Tür eine Anzahl Häuptlinge, meist kräftige, gut aussehende Männer, und drangen, ohne dass es die Wache hindern konnte, zu uns ein. Sie überreichten mir einen Brief und setzten sich dann schweigend nieder. In ihm benachrichtigte mich Bissonette, die Häuptlinge ließen nach einer Beratung mich warnen, nicht abzureisen vor der Rückkehr ihrer jungen Krieger, die in sieben bis acht Tagen hier anlangen würden. Dieselben würden sonst sicherlich, sobald sie mit uns zusammenträfen, auf uns feuern. Die Häuptlinge seien selbst die Überbringer dieser Zeilen, unter ihnen »Otterhut«, »Pfeilbrecher«, »Schwarze Nacht«, »Ochsenschwanz«. Als ich den Brief gelesen hatte, erhob sich einer der Indianer, schüttelte mir die Hand und sprach, wie folgt: »Ihr seid zu uns zu einer bösen Zeit gekommen. Etliche von unserem Volk sind getötet worden, und unsere jungen Männer, die zu den Bergen gegangen sind, begehren zu rächen das Blut ihrer Verwandten, das von den Weißen vergossen worden ist. Unsere jungen Männer sind böse, und wenn sie auf euch treffen, so werden sie meinen, dass ihr Gut und Kriegsvorrat zu ihren Feinden bringt, und werden auf euch schießen. Ihr habt uns gesagt, dass das zum Krieg führt. Wir wissen, dass unser Großer Vater (oder Präsident der Vereinigten Staaten) viele Krieger und große Feuerwaffen hat, und wir sind besorgt um die Erhaltung unseres Lebens. Wir lieben die Weißen und verlangen nach Frieden. Des allen eingedenk, haben wir beschlossen, euch hierzubehalten, bis unsere Krieger zurückkehren. Wir sehen euch gern unter uns. Unser Vater ist reich, und wir erwarteten, dass ihr uns Geschenke mitbrächtet – Pferde, Flinten und Decken. Doch wir sehen euch gern. Wir sehen auf eure Ankunft als auf das Licht, das der Sonne vorhergeht; denn ihr werdet unserem Großen Vater sagen, dass ihr uns gesehen habt und dass wir nackend und arm sind und nichts zu essen haben; und er wird uns alle diese Dinge schicken.« In ähnlicher Weise sprachen auch die anderen.

Die Bemerkungen des Wilden schienen vernünftig; aber ich wurde gewahr, dass sie dabei nur im Auge hatten, mich für den Augenblick vom tieferen Eindringen in das Land abzuhalten. Ich forderte sie daher auf, zwei oder drei aus ihrer Mitte auszuwählen, um uns zu begleiten, bis wir mit ihrem Volk zusammenträfen. Sie sollten ihre Decken in meinem Zelt ausbreiten und an meinem Tisch essen, und bei unserer Rückkehr wollte ich ihnen Geschenke geben als Lohn für ihre Dienste. Sie lehnten es ab, indem sie sagten, sie seien zu alt, um so viele Tage zu Pferde zu reisen, und zögen es nun vor, ihre Pfeife in der Hütte zu rauchen und die Krieger gehen zu lassen auf dem Kriegspfad. Zudem hätten sie keine Macht über die jungen Männer und wagten nicht, sich ihnen zu widersetzen. – Ich erwiderte: »Ihr sagt, ihr liebt die Weißen, warum habt ihr so viele im Frühling getötet? Ihr sagt, ihr liebt die Weißen, und doch wollt ihr nicht einmal ein paar Tage mit uns reiten, um unser Leben zu erhalten? Wir glauben euren Worten nicht und achten nicht auf eure Rede. Was auch bei uns ein Häuptling seinen Kriegern zu tun gebietet, das geschieht. Wir sind die Krieger des Großen Häuptlings, eures Vaters. Er hat uns geboten, hierher zu kommen und zu sehen dies Land und alle Indianer, seine Kinder. Warum sollten wir nicht gehen? Ehe wir kamen, hörten wir, dass ihr aufgehört hättet, seine Kinder zu sein, aber wir kamen zu euch friedfertig und reichten euch unsere Hand. Jetzt finden wir, dass, was man uns erzählte, keine Lügen waren und dass ihr nicht länger seine Freunde und Kinder seid. Wir haben unser Leben daran gesetzt, und kehren nicht um. Da ihr uns sagtet, eure jungen Männer würden uns töten, wusstet ihr nicht, dass unsere Herzen stark sind, und saht nicht die Flinten, die meine jungen Männer in den Händen führen. Wir sind wenige, und ihr seid viele und könnt uns alle töten; aber viel Klagegeschrei wird man hören in euren Dörfern, denn mancher eurer jungen Männer wird zurückbleiben und die Rückkehr vom Gebirge mit euren Kriegern vergessen. Meint ihr, dass unser Großer Häuptling seine Krieger wird sterben lassen und vergessen, ihre Gräber zuzuschütten? Ehe der Schnee wiederum schmilzt, werden vor seinen Kriegern eure Dörfer verschwinden, wie im Herbst vor dem Feuer das Gras der Prärie. Seht, ich habe meine ›weißen Häuser‹ niedergerissen und meine Leute sind bereit; wenn die Sonne zehn Schritte höher ist, ziehen wir weiter! Wenn ihr uns etwas zu sagen habt, so sagt es bald.« Ich brach die Unterredung ab, weil ich sah, dass nichts weiter auszurichten war. Begleitet von unseren freundlichen Wirten kehrten wir zu unserem Lager zurück. Wir saßen schon zu Pferde und hatten Abschied genommen, als einer der Häuptlinge (»Ochsenschwanz«) mir die Nachricht hinterbrachte, dass sie beschlossen hätten, einen jungen Mann mit uns zu senden, der bei unserem Abendlager zu uns stoßen sollte. »Der junge Mann ist arm«, sagte er, »er hat kein Pferd und erwartet, dass ihr ihm eins gebt.« Ich bezeichnete ihm den Lagerplatz, wir reichten uns zum Abschied die Hände, und nach wenigen Minuten verschwand die letzte Wohnung der Weißen uns aus dem Gesicht.

Unser Weg führte uns über eine Hochebene zwischen dem Nordarm des Platte zu unserer Rechten und dem Laramie-Fluss zur Linken. Nach 10 Meilen folgten wir dem trockenen, zum Teil von hohen Felsen überschatteten Bett eines Flüsschens, das weiterhin durch eine geräuschvoll aus steinkohlenhaltigem Kalkstein hervorsprudelnde Quelle einiges Wasser erhält, bis zu dessen Einfluss in den Platte. Hier lagerten wir für heute. Da uns unsere Zelte gegen Wind und Wetter nicht genug Schutz gewährten, so hatte ich mir von den Indianern eine Hütte verschafft. Sie besteht aus Fellen, die von Stangen getragen werden, hat die Gestalt eines Kegels und gegen 18 Fuß im Durchmesser und 20 Fuß Höhe. Mit einem Feuer in der Mitte bietet sie bei schlechtem Wetter eine trockene und warme Zufluchtsstätte dar. Ein eigentümlicher Vorzug ist auch, dass man in ihr nicht von den Moskitos geplagt wird. Als wir eben damit beschäftigt waren, die Hütte aufzuschlagen, stieß unser Dolmetscher Bissonette in Begleitung des Indianers und seiner Frau zu uns. Sie lachten über unsere Ungeschicklichkeit und halfen uns, die Arbeit schnell zu beenden. – Von hier hatten wir eine schöne Aussicht auf die enge Felsenschlucht, durch welche der Platte aus den Schwarzen Bergen hervortritt, indem er sich plötzlich von einem Gebirgsstrom in einen Fluss der Ebenen verwandelt.