Dolomitenladinisch - Sprachgeschichte und hochschuldidaktische Aspekte

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Wir besitzen eine auf die Antike zurückgehende Skizze der Straßenverbindungen im römischen Reich, die uns in einer mittelalterlichen Redaktion des 12. oder 13. Jahrhunderts erhalten ist, die sogenannte Tabula Peutingeriana, benannt nach ihrem ersten Besitzer, dem Augsburger Humanisten Konrad Peutinger (1465–1547).

„Die Tabula Peutingeriana ist keine exakte Straßenkarte nach heutigen Vorstellungen. Sie stellt vielmehr ein topologisches Diagramm dar, das mit den gängigen Darstellungen etwa von heutigen S- oder U-Bahnnetzen vergleichbar ist. Es verfügt weder über ein cartesisches Koordinatensystem, noch gibt es Winkel und Distanzen, abgesehen von den Ziffern der Entfernungsangaben, korrekt an. Die Tabula ist lediglich eine schematische Darstellung vernetzter Routen (Albert & Trick 2010, 23).“

Folgende Charakteristik vermittelt einen Eindruck von der Karte (Heinz 2003, 81):

„Die Peutingersche Karte ist 682 cm lang und ungefähr 34 cm hoch. Sie verbindet die kartographische Darstellung mit einer Reihe von Symbolen und Beischriften. Sie erscheint somit als itinerarium pictum und zugleich adnotatum – Karte und Routenbeschreibung in einem. Bestimmte wiederkehrende Darstellungen, sogenannte Vignetten, ermöglichen schnelle Information (ähnlich den heutigen Symbolen auf Landkarten oder Stadtplänen). Der Reisende konnte sich auch dank beigeschriebener Entfernungsangaben [...] einen Begriff von der möglichen Dauer einer Reise machen, nicht aber von der Landschaft – dazu sind die Vezerrungen zu stark.

Es ist hier nicht der Ort, den im weitesten Sinne Tirol betreffenden Teil der Tabula Peutingeriana zu kommentieren. Lediglich Tredente, also Trient, ist mit der Vignette eines Doppelturms angedeutet, also mit einem Signal, dass es hier eine mansio, eine ständige Unterkunft, gab. Alle anderen Orte sind einfach eingetragen, nach einer Angabe der Entfernung vom Nachbarort in römischen Meilen; auf der via Claudia Augusta sind das Ponte Drusi bei Bozen, Sublabione, Vepiteno im Raume Sterzing, nördlich davon nach Überwindung des Brennerpasses Matreium, also Matrei in Nordtirol. Ein Seitenverbindung oder Bezirksstraße (via vicinalis) war die Verbindung durch das Pustertal über Sebatum (St. Lorenzen) nach Littamum (Innichen) und Aguntum (bei Lienz).

Welchen Stand die Tabula Peutingeriana wiedergibt, ist umstritten. Ekkehard Weber nimmt an, dass sie letztendlich auf die Weltkarte des Marcus Vipsanius Agrippa zurückgehe, aber nach einer Zwischenredaktion am Anfang des 3. Jahrhunderts im 5. Jahrhunderts neu bearbeitet wurde; die Zerstörung von Aquileia im Jahre 452 ist noch nicht berücksichtigt (Maile & La Corte 2000, 34). Eine verlorene karolingische Abschrift des 9. Jahrhunderts sei „vermutlich im 12. oder 13. Jahrhundert erneut abgeschrieben worden und lieferte schließlich die Vorlage für die Peutinger-Karte (Maile & La Corte 2000, 36).

Im Umland der Straßenstationen entstanden Siedlungen der Menschen, die in irgendeiner Weise mit dem Funktionieren des Straßenwesens verbunden waren. In Sebatum, das seinen Namen nach der ursprünglichen Bevölkerung der Gegend, den Saevates, hat, entstand beispielsweise eine größere Niederlassung.

„Die vorhandenen Reste öffentlicher und privater Bauten und ein ausgedehntes Gräberfeld (mit über 100 teilweise reich ausgestatteten Gräbern) lassen ein beinahe städtisches Ausmaß dieser Siedlung erahnen, deren Gedeihen einem florierenden Handel zuzuschreiben ist. Die nächste Station war Littamum (Innichen), wo es ebenfalls eine hoch entwickelte Infrastruktur (Thermalanlage) gab. [...] Im weiteren Umfeld der Straßenstationen entstanden Handwerker- und Händlersiedlungen, die durch Wege mit den benachbarten bäuerlichen Niederlassungen (vici) verbunden waren. Durch die Anhäufung von Grundbesitz entstand eine Führungsschicht, die sowohl neue Grundeigentümer (Militärveteranen, Funktionäre) als auch einheimische Familien rätischen oder keltischen Ursprungs angehörten und die zur Zusammenarbeit mit dem System bereit waren.“ (Kustatscher & Romeo 2010, 45)

Insgesamt darf man aber die Bevölkerungszahl des Zentralalpenraumes nicht überschätzen. Dauerhaft bewohnt waren nur die Talsohlen und das direkt anschließende Mittelgebirge. Eine Faustregel, die natürlich nur ein sehr vages Bild vermittelt, kann davon ausgehen, dass man etwa ein Zehntel der heutigen Bevölkerung ansetzt. Das würde für das antike Gebiet Südtirols maximal 50.000 Personen ergeben, aber angesichts der geringeren Siedlungsfläche 25.000 Personen oder noch weniger (Kramer 2001, 675).

Der Verlauf der Straßen bestimmt die Zonen, von denen aus die Romanisierung einsetzte: Das sind, ganz grob gesehen, das Gebiet nördlich von Trient entlang des Etsch bis zum Reschenpass, dann das Eisacktal vom Brenner bis zur Einmündung in den Etsch und schließlich das Pustertal, das westlich des Toblacher Feldes über die Rienz in den Eisack entwässert, während das Hochpustertal östlich des Toblacher Feldes über die Drau in Richtung der Donau entwässert.

Carlo Battisti hat eine Skizze der „inizi della colonizzazione nelle valli ladine“ geliefert (1941, 24–35), die in wesentlichen Teilen gestützt wird von Giovan Battista Pellegrini (1991, 42–43). Beide gehen davon aus, dass Dauersiedlungen im Gebiet ums Sella-Massiv erst im hohen Mittelalter einsetzten und dass alle zufälligen Kleinfunde aus früheren Zeiten nicht auf dauerhafte Siedlungstätigkeit hindeuten würden.

„Tanto la divisione politica del basino gaderano in una parte pustera e in una isarchese, quanto la coincidente distribuzione del possesso fondiario fra la mensa vescovile di Bressanone e il convento di Castelbadia [...] hanno un’importanza primaria per il quesito storico della provenienza dei coloni. Questi si devono presumere dunque venuti nel primo caso attraverso i due solchi di Antermoia e di Longiarù dal bacino dell’Isarco, risalendo le valli di Lusòn, di Èores e di Funès, nel secondo della Pusteria, sempre in epoca precedente la germanizzazione. La supposizione è pacifica per quanto riguarda la provenienza dal sistema dell’Isarco, dove in questi punti la toponomastica ha una percentuale neolatina superiore al 65 e dove, allo stato attuale delle nostre conoscenze, sarebbe semplicemente ridicolo parlare di germanizazzione non solo rispetto ai secoli XI e XII, ma anche per gli ultimi decenni del medioevo. La ladinità dolomitica, mentre non prosegue al di là del confine naturale della Pusteria con eguale vigore, è circondata ad occidente da un’anfizona costituita dai comuni che occupano il fianco orientale del solco dell’isarco, dove da Tires a Lusòn la romanità fu travolta in epoca recente. È da questa che partono le trattrici di immigrazione nelle valli ladine. Da Tires e da Costalunga due vie portano alle valli di Fassa e di Livinallongo che, non per caso, sono dialettalmente vicinissime. Dalla Gardena l’immmigrazione di Selva penetra a Colfosco nel bacino Gaderano. Da Funès una strada facilissima porta a Longiarù e di qui prosegue a San Martino dove essa si congiunge con la trattrice che da Lusòn e da Eores per comodi passi discende ad Antermoia. Tutte queste vie hanno un decorso parallelo da O. a E., mentre invece ha direzione da N. a S. la via su cui s’effettua la penetrazione dalla Pusteria. Essa comprende, oltre alla via d’alpeggio da Sares, anche le altre comunicazioni che, movendo da S. Stefano e da Riscone, valicano il Plan de Corones e da Marebbe risalgono per il Riet e per altri monti a La Valle. Di qui s’incanala lungo la Gàdera e si sdoppia a La Villa. Mentre un ramo arriva a Corvara, l’altro da San Cassiano risale per i pascoli allo spartiacque col Cordevole e, discendendo per Premaiù a Cherz, interseca la via di penetrazione isarchese Tires–Fassa–Arabba-Livinallongo. Questa seconda ondata d’origine pusterese è una delle più sicure documentazioni della latinità della Pusteria centrale all’epoca della fondazione de convento di Castelbadia e della successiva colonizzazione, che nel documento più antico raggiungibile, del 1296, è ormai in pieno sviluppo lungo questa via.“

Die lokale Forschung in den ladinischen Tälern ging von jeher von einer Siedlungskontinuität aus und begrüßte jeden Fund einer Feuerstelle oder eines Unterstandes gegen schlechtes Wetter als Beleg für die dauernde Anwesenheit von Menschen in den heutigen ladinischen Gebieten. Man hat aus der Anwesenheit der viles, kleiner Haufensiedlungen mit angeschlossener Bewirtschaftung von Wiesen und Wäldern, darauf geschlossen, dass sie das „Werk römischer Landvermesser“ seien, was auf eine „Kolonisierung des Dolomitengebiets in der römischen Zeit oder sofort nach der Einwanderung der Bajuwaren ins Pustertal im 6. Jahrhundert“ hindeuten könnte (Pescosta 2013, 62); freilich, Belege für eine solche Theorie fehlen völlig. Durch die massive Zuwanderung der Bajuwaren wurden die Romanen, ob sie nun eine bodenständige Bevölkerung oder, was viel wahrscheinlicher ist, ehemalige Bewohner der inzwischen von den germanischen Neusiedlern besetzten Tallagen waren, gezwungen, „lediglich in einigen isolierten Randgebieten, darunter im oberen Vinschgau, den Tälern links des Eisackufers und im Dolomitengebiet“ ständige Dauersiedlungen zu errichten (Pescosta 2013, 74). Auch für Werner Pescosta, im Prinzip ein überzeugter Anhänger der Theorie der Siedlungskontinuität seit römischer Zeit, ist die Annahme einer „intensiven Besiedlung“ durch Romanen in der Zeit um 1000 n. Chr. unverzichtbar (2013, 79-80):

„Die intensive Besiedlung von Gröden und von Kolfuschg im hinteren Gadertal ging wahrscheilich von Lajen aus, wenn auch der größte Teil der Siedler vermutlich über den Panider Sattel aus Kastelruth gekommen ist, bevor dieses Gebiet kurz nach dem Jahr Tausend germanisiert wurde. Ein Teil dieser ersten Siedler kann auch über das Sellajoch bis nach Fassa vorgestoßen sein. Im Gadertal kamen die ersten Siedler hingegen in römischer Zeit aus dem Gebiet um St. Lorenzen, später ziemlich sicher über den Übergang der Furkel aus anderen Gegenden des Pustertals, wo sich das Ladinische länger gehalten hatte. Von Enneberg aus stießen die Siedler über niedrige Übergänge weiter nach Wengen vor und siedelten längs der Hanglagen und der Weideflächen von Armentara, bis sie schließlich Abtei erreichten. Die Wiesen des oberen Gadertales wurden zunächst nur als Weiden für Schafe und Ziegen genutzt, später auch für Rinderherden, als die Hütten und Viehunterstände allmählich eine Ganzjahresnutzung erlaubten. Die Schaf- und Ziegenhaltung ist tatsächlich älter, da sie lediglich eine jahreszeitlich bedingte Almwirtschaft voraussetzen. Rinderzucht ist hingegen immer ein sicheres Zeichen für die Existenz einer ansässigen Bevölkerung.

 

Wahrscheinlich hat die Siedlungswelle eine gewisse Anzahl von Leuten über den Campolongo-Pass hinaus ins Buchensteinische einwandern lassen. Diese Gebiete hatten zuvor im Sommer als Weideland für die Herden aus dem heutigen Südtiroler Gebiet, vorwiegend aus dem Etschtal, gedient. Mehrere Ortsbezeichnungen aus dem Hirtenmilieu im Gebiet von Rocca Pietore legen nahe, dass auch die Gegend von Laste und La Rocia von denselben Bauern und Hirten genutzt wurde. Tatsächlich sind Bezeichnungen wie Vil, Velin, Ciaurì, Ciourì typisch für ihre Herkunft aus den ursprünglich romanischen Gebieten Südtirols. [Diesen dem Hirtenmilieu entstammenden Ortsbezeichnungen entsprechen ähnliche ladininische Namen wie Biei, Uleta oder das eingedeutschte Gfrill; sie gehen auf lateinische Wurzel wie oviletum ‘Schafspferch, Schafstall’ oder caprile ‘Zigenhürde, Unterstand für Ziegen’ zurück.]

Die intensive Besiedlung des Fassatales ging vermutlich vom Eisacktal aus, mit dem Fassa immer in Kontakt gewesen war. Diese These wird bekräftigt durch zahlreiche archäologische Funde längs der Niederungen von Ciampac, auf dem Buffaure, im Tal von Duron, welches Fassa mit der Seiser Alm und damit indirekt mit dem Eisacktal verbindet.

Wahrscheinlich ging dann von Fassa die weitere Besiedlung des Pettorina-Tales am Fuß der Marmolata aus, und zwar kam man über den Fedaia-Pass ins Einzugsgebiet des Flusses Cordevole. Das Tal mit Rocca Pietore als seinem Hauptort, das kurz vor Malga Ciapela beginnt und bis zur Mündung des Nebenflusses Pettorina in den Cordevole reicht, gehörte mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Römerzeit zum Noricum und wurde im frühen Mittelalter zusammen mit Buchenstein dem Gericht Andraz zugeschlagen.

Die heutige Dialektgrenze längs des Pettorina-Tales ist von großer Bedeutung, um die Ursprünge der Besiedlungswellen festzustellen: das Vorkommen bestimmter Phoneme, welche für das Ladinische in Rocca Pietore und für die linksseitigen Ortschaften des Tales (Laste und Digonèra) typisch sind, weisen darauf hin, dass diese zur selben Zeit entstanden sind, in der sich die Dörfer in den anderen ladinischen Tälern um das Sellamassiv herausbildeten. Die häufigen, auffälligen Konvergenzen zwischen der Toponomastik in Fassa und der rechtsseitigen Orte im Gebiet von Rocca Pietore verweisen hingegen auf die engen Beziehungen zwischen Fassa und dem Pettorina-Tal. [Den fassanischen Toponymen in der Gemeinde von Alba, Canazei, wie Col de Dèlba, Col de Ciampolin, Gef, Larzonei, Laste oder Léstes, Lastei, Lorèch, Masarei [...], Perace, Piaz, Piavaz, Sas de Rocia, Sommavilla, Valier entsprechen im Gebiet von Rocca Pietore Toponyme wie Albe ‘Dorf’, Col d’Albe, Ciampulin, Gief, Larzonei, Laste, Louertz, Masarei, Peraze, Piaz, Piavaz, Sas de Rocia, Sommavilla, Valier.]“

Carlo Battisti und Werner Pescosta stimmen in den Grundzügen der Besiedlungsgeschichte durchaus überein: Die Besiedlung nahm etwa im 9. und 10. Jahrhundert ihren Ausgang im Pustertal und im Eisacktal vor der kompletten Germanisierung dieser Talschaften, und auch die Romanisierung des Fassatals, die sich im Buchensteinischen fortsetzt, ging vom Eisacktal aus.

Aus germanistischem Blickwinkel hatte Karl Finsterwalder die Besiedlung der ladinischen Täler von den Ostflanken des Eisacktales angenommen, während er für Enneberg zögernd ein „altes romanisches Siedlungsgebiet“ postuliert, da er davon ausgeht, dass das Pustertaler Haupttal schon so früh germanisiert wurde, dass es keineswegs als Ausgangspunkt der ladinischen Dialekte in Frage kommen könne. Er schreibt wörtlich (1995, III 1018):

„Die Besiedlung von Gröden und Fassa kann von ladinisch sprechenden Einwohnern der Ostflanke des Eisacktales erfolgt sein. Das gleiche ist von dem großen Teil des Gadertales, der als brixnerisches Gebiet mit dem Eisacktal verbunden war, anzunehmen. Im Gadertal selbst liegt mit Marèo ein altes romanisches Siedlungsgebiet vor, das ins Frühmittelalter, vor das Jahr 1000, zurückreicht. Von hier und von den Gemeinden am Südrande des Pustertales von Ellen bis Saalen können im Hochmittelalter die übrigen vom Kloster Sonnenburg abhängigen Siedler ins Gadertal gekommen sein.“

Nach diesen Ausführungen sind die ladinischen Dialekte aber in letzter Analyse Weiterentwicklungen der Latinität, die sich an den Straßenabschnitten der Via Claudia Augusta im Eisacktal und vielleicht der via vicinalis durch das Pustertal etabliert hatte.

Im ersten und zweiten Jahrhundert n. Chr. ist nicht der Straßenabschnitt der Via Claudia Augusta, der entlang des Eisacks zum Brenner führte, hauptsächlich benutzt worden, sondern nach der Pons Drusi folgte der Straßenverlauf dem Etsch-Lauf nach Westen, um über den Reschenpass den Alpenhauptkamm zu überschreiten; der Fund des Meilensteins von Rabland bestätigt diese Ansicht. Auch hier hat sich entlang des Straßenverlaufs eine Latinität festgesetzt, die in Südtirol vielleicht bis ins 16. Jahrhundert zu einer Romanität geführt hat, die dann vom Deutschen überlagert wurde. Eine elfzeilige Inschrift aus Latsch (it. Laces), die auf das 14. Jahrhundert zu datieren ist, informiert über die sprachliche Gestalt vor der Germanisierung, und Berengario Gerola hat eine linguistische Analyse des Textes geliefert, der natürlich nahe an der Romanität des benachbarten Münstertales in der Schweiz steht. Mit aller Vorsicht formuliert Berengario Gerola (1934, 348), dass man für die alte Romanität des Vinschgaus nicht ohne Weiteres von „occidentalità“ (= Nähe zum bünderromanischen Sprachstand) oder „centralità“ (= Nähe zum Dolomitenladinischen) reden kann:

„La presenza di fonemi occidentali nella Bassa Venosta, assieme a fonemi centrali, non ci permetta di parlare di un tipo dialettale basso venostano ben differenziato rispetto al dolomitico piuttosto che al monasterino, ma invece, ciò che è molto più aderente alla realtà storica e al concetto di dialetto, di un confluire e diffondersi nella Venosta di correnti linguistiche engadinesi e dolomitiche, con area di diffusione diversa da fonema a fonema da voce a voce, le quali risalgono in genere soltanto a un’epoca in cui le comunicazioni dirette fra quelle due aree neolatine erano già rese difficili dall’iniziato processo di intedescamento della zona intermedia, e che per questo appunto non poterono estendersi all’intiero gruppo dialettale.“

Hier ist also dem zeitlichen Faktor ein größeres Gewicht als dem geographischen Faktor eingeräumt worden: Zu einer Zeit, wo die sprachlichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Romanitätszonen im Zentralalpenbereich noch nicht durch eingedeutschte Gebiete unterbrochen waren, gab es einen Austausch, der sowohl das ladinische Gebiet als auch die engadinische Zone einschließlich des romanischen Vinschgaus als auch natürlich andere romanische Zonen Nordostitaliens erfasste, und zu dieser Zeit hatte es wenig Sinn, an „fonemi occidentali“ oder „fonemi orientali“ zu denken.

Es gibt in den bisherigen Darstellungen zum ladinischen Wortschatz einige Zusammenstellungen der charakteristischen lexikalischen Elemente, die die einen Querschnitt durch den typischen Wortbestand des Ladinischen liefern. Theodor Gartner (1843-1925) hat versucht, die lateinischen Bestandteile der „rätoromanischen Dialekte“, also der von ihm postulierten virtuellen Einheit der bündnerromanischen, ladinischen und friaulischen Dialekte, zusammenzustellen. Er stellte fest, dass „die meisten gemeinraetischen echten Wörter überhaupt gemeinromanisch“ seien (1883, 3) und dass „Tirol fast nie aparte Wege“ ginge (1883, 4). Fast dreißig Jahre später stellte er resignierend fest: „Gemein-tirolisch und zugleich kennzeichnend für Tirol [...] wüsste ich, streng genommen, kein wort zu nennen“ (1910, 265).

Carlo Battisti (1882-1977) machte die ladinische Wortforschung zu einer seiner Lebensaufgaben; diesem Thema sind vor allem seine Werke Popoli e lingue nell’Alto Adige (1931) und Storia linguistica e nazionale delle valli dolomitiche atesine (1941) gewidmet, die trotz aller Ernsthaftigkeit in der sprachwissenschaftlichen Darstellung zuweilen einen faschistischen Duktus aufweisen. Im Kapitel „Caratterististiche lessicali del neolatino dell’Alto Adige“ (1931, 95–120) versucht Carlo Battisti, eine Skizze des untergegangen Regionallateins Südtirols zu geben. Er geht aus von den „elementi toponomastici atesini“, den „dialetti ladini delle Dolomiti“ und von den „relitti lessicali passati nei locali dialetti tedeschi“ (1931, 99), wobei er der konservativen Toponomastik den Vorzug gibt. Die ladinischen Mundarten und die Reliktwörter im Tirolerdeutschen kennen ja keine alten Zeugnisse, und in jüngerer Zeit fand ein Zustrom von rezenten Italianismen und von deutschen Elementen statt, die „hanno deturpato profondamente il loro carattere lessicale anche in campi concettuali dove meno si attenderebbe tale invadenza“ (1931, 100). Der ursprüngliche lateinische Wortschatz der norditalienischen Ebene sei vielfach jünger als der ladinische wegen der „maggiore antichità della latinizzazione“ (1931, 101), aber oft seien Neuerungen, die in langobardischer oder karolingischer Zeit aufkamen, nicht mehr in die Basismundarten des Ladinischen gekommen, so dass es dort eine „conservazione di voci più antiche, sopraffatte in tutto o in gran parte del Veneto, del Trentino, e della Lombardia da neologismi“ (1931, 104) gebe. So erkäre es sich, dass „i dialetti delle Dolomiti concordano alle volte con F(riuli), alle volte con G(rigioni) nella conservazione di una fase anteriore“ (1931, 110), und auch „gli accordi fra i Grigioni e l’Alto Adige in fasi anteriori non sono punto rari“ (1931, 111).

1941 veröffentlichte Carlo Battisti eine Überarbeitung seiner Arbeit von 1931; er gelangte im Wesentlichen zu denselben Resultaten, hat aber seine Beweisführung an vielen bis dahin nicht behandelten Wörtern festgemacht. Die Rekonstruktion des alten Wortschatzes der „zona breunica“ basiert auf „elementi toponomastici atesini“, auf Elementen der ladinischen Dialekte und auf „relitti lessicali passati nei locali dialetti tedeschi“ (1941, 265), wobei „il lessico delle attuali parlate dolomitiche si presta in un certo senso meno del materiale toonomastico atesino“ (1941, 274). Für den aktuellen ladinischen Wortschatz ergeben sich folgende Schlussfolgerungen (1941, 272-273):

„a) Il fondo lessicale dei dialetti dolomitici che risale alla romanizzazione delle valli di transito delle Alpi Centrali (circa sec. V) si identifica sostanzialmente con quello delle prealpi veneto tridentine. [...]

b) Il lessico dolomitico di fondo antico non contiene nessun elemento lessicale latino che possiamo definire specifico per la latinità del Norico o della Vindelicia nei confronti coll’Italia.

c) Non esistono speciali concordanze lessicali fra i Grigioni e le Dolomitic nella fase di latinizzazione, nel senso che esse non siano o non sono state estese anche nella Tranpadana, in quanto a) mancano elementi ladini che siano specifici per un’area retica, di fronte alle prealpi; b) il centro di irradiazione della latinità atesina è direttamente Tridentum, indirettamente Aquileia. [...]“

Auch hier weist Carlo Battisti darauf hin, dass wegen der früheren Latinisierung der Wortschatz im Veneto und Trentino prinzipiell einige konservativere Züge als der ladinische Wortschatz aufweise (1941, 276-281), dass aber (281, 281)

„I dialetti della pianura e delle prealpi, più precisamente nel nostro caso, il veneto e il trentino, sono meno conservativi di quelli delle valli dolomitiche, cui non pervengono dal periodo carolingico o dagli ultimi decenni della dominazione langobarda in poi, se non con intermittenze, le innovazioni lessicali della pianura. [...]“

 

Die Einzeldiagnose zahlreicher Wörter, die ebenso gründlich wie schwer lesbar und unübersichtlich ist, führt zu folgender Gesamtschlussfolgerung (1941, 297):

„La conclusione delle pagini precedenti, sempre in relazione al fondo latino volgare del lessico dolomitico, si può riassumere in brevi parole nella formula: romanità alpino italica nettamente differenziata dal latino delle provincie transalpine e conservativismo lessicale di fronte alle zone sottostanti, determinato dai tre coefficienti: I di zona appartata e montuosa, II di zona abitata appena sul finire del medioevo da elementi etnici provenienti dalla latinità breunica dell’Isarco e della Rienza, III di zona politicamente avulsa al diretto contatto italiano in seguito all’intedescamento del bacino dell’Isarco e perciò ritardataria e disposta ad introdurre nel suo repertorio lessicale molti elementi alloglotti.“

Nach der Analyse von Carlo Battisti ist das Latein, das es vor der weitgehenden Germanisierung vieler Gebiete Südtirols gab, der nördliche Ausläufer einer Latinität, die einst ganz Norditalien beherrschte, wobei das Ladinische ein nach Osten und Süden verpflanzter Rest der in der Germanisierung untergegangenen Latinität des Eisacktals und des Pustertals ist.

In seiner umfassenden Beschreibung des Fassanischen hat Wilhelm Theodor Elwert „Das erbwörtliche romanische Element“ einer genauen Würdigung unterzogen (1943, 218–231). Hier werden zunächst 34 konservative Wörter zusammengestellt, in denen Fassa mit den anderen ladinischen Mundarten übereinstimmt (1943, 218–220), dann kommen 11 ladinische und friaulische Gemeinsamkeiten (1943, 220), 18 „Zentralladinien und Westladinien gemeinsame Wörter“ (1943, 221) und 16 „gemeinladinische Wörter“ (1943, 221–222). Wichtig ist die „Bewahrung altoberitalienischen Wortgutes, das gegenüber Neuerungen in der Ebene im Rückzug begriffen ist“ (1943, 223), wobei W. Th. Elwert 8 Elemente behandelt, die zusammen mit Venetien und Friaul bewahrt wurden, 6 andere, die mit dem Lombardischen gemeinsam sind (1943, 224–225).

Im Jahre 1943 war es aus politischen Gründen nicht möglich, aus diesen Beobachtungen klassifikatorische Schlüsse zu ziehen; W. Th. Elwert tat dies über dreißig Jahre später auf einem Kongress in Fassa, und dieser Beitrag wurde 1979 in einem Sammelband veröffentlicht. Der Mainzer Gelehrte erkennt an, dass „l’unità ladina è scientificamente accettata“ (1979, 108), dass aber „i dialetti ladini in un periodo antico, circa l’anno mille, formavano una unità coll’alto italiano“ (1979, 109); danach sind aber haben sich die norditalienischen Dialekte einer zunehmenden Italianisierung unterworfen, während die alpinen Dialekte ihre konservativen Züge bewahrten und also „sono rimasti similari tra di loro“ (1979, 109). Daraus folge dann, dass man nicht an der Existenz ladinischer oder rätoromanischer Dialekte zweifeln kann, die sich von den italienischen Dialekten der Ebene unterscheide: „esiste dunque indubbiamente un tipo linguistico ladino-retoromanzo che si lascia staccare dai dialetti dell’Alta Italia e che, nell’insieme, constituisce [...] un tipo linguistico che si differenzia chiaramente sia dal tipo italiano, sia dal tipo francese benché con tutti e due questi tipi abbia certi fenomeni in comune“ (1979, 110). Mit anderen Worten: Eine vom restlichen Norditalienischen abzusetzende ladinische Einheit habe es vor dem Jahre 1000 nicht gegeben, aber weil sich die Sprache Norditaliens seither weiter an den Sprachstand der Toskana angepasst habe, das Ladinische aber dem alten Sprachmodell treu geblieben sei, sei heute das Ladinische eine spezielle, konservative Sprache. W. Th. Elwert schließt aber eine soziolinguistisch-sprachtypologische Überlegung an: Im Deutschen kann man Dialekte als Sprachen bezeichnen (bairische Sprache, rheinische Sprache, Sprache Kölns), im Italienischen sei lingua gleichbedeutend mit Schriftsprache, und also setze der Begriff der lingua eine normierte Sprache voraus, in der man alle Bereiche behandeln könne und das auch wirklich tue. Also gelte: „Una lingua ladina, o retoromanza, nel senso che si dà al termine lingua italiana, lingua francese, lingua spagnuola, non esiste“ (1979, 110).

Aus gesamtromanistischer Sicht hat Max Pfister versucht, die Romanität Südtirols vor der Germanisierung zeitlich zu umschreiben. Im Gegensatz zu früheren Ansichten, die von relativ fixen Daten des Übergangs vom Romanischen zum Germanischen ausgingen, wird hier in einer moderneren Betrachtungsweise Perioden der Zweisprachigkeit eine wichtige Rolle zugeschrieben (Pfister 1985, 63–65).

„Alemannen dürften Mitte des 6. Jahrhunderts entlang der Via Claudia Augusta über den Seefeld-Sattel ins Oberinntal (Mieming, Telfs, Zirl) gekommen sein; um 535 erlangten die Bajuwaren im Noricum und in Rätien feste Sitze. Die Bajuwaren hatten um 600 den Brenner, das obere Eisacktal und das Brixener Becken erreicht; im 7. Jahrhundert leiteten sie die Germanisierung des Südtirol ein. [...] Es dürfte schwierig sein, in Tirol vor dem Hochmittelalter deutliche Sprachgrenzabschnitte festzustellen. Wahrscheinlich haben wir gewisse zweisprachige Zonen anzunehmen, wie z. B. im Pustertal und im mittleren Eisacktal, einzelne romanische Sprachinseln (z. B. alter Salzburggau im 9. Jahrhundert) und einige germanische Kolonisationskerne, vielleicht Wehrsiedlungen, wie z. B. die –ing–Ortsnamen um Bruneck oder diejenigen in der Talsohle von Brixen.

Als Beispiel für Jahrhunderte dauernde Zweisprachigkeit erwähne ich Vintl im Pustertal am Ausgang des Pfunderer Tals, belegt als Uintulla vallis (994–1005). Die romanische Betonung ist erhalten in der Form: Vandóies. Daneben muß aber vor dem 12. Jahrhundert schon die eingedeutschte Form existiert haben: 1177 Vintil, 1235 Vintelen mit germanischem Anfangsakzent. [...]

Auf der Sprachenkarte des Frühmittelalters existieren noch große unbesiedelte Räume, z. B. die heute zentralladinischen Alpentäler um die Sellagruppe, der bewaldete Oberlauf des Eisacktales – ausgenommen die Senke von Sterzing – das noch im 12./13. Jahrhundert stark bewaldete obere Silltal, das innere Zillertal; auch der nördliche Zugang zum Reschenpaß südlich von Finstermünz war noch nicht gerodet; noch nicht kolonisiert war das Paznaun; keine ständigen Siedlungen existierten vermutlich im Passeiertal, im Sarntal (Valle Sarentina) und im Ultental.“

Die Schlussfolgerung von Max Pfister aus seiner gründlichen Analyse, die gleichzeitig eine Antwort auf die alte „questione ladina“ darstellt, ob es eine ursprüngliche und dann zerbrochene Einheit zwischen dem Bündnerromanischen, Dolomitenladinischen und Friaulischen gab oder nicht, sieht folgendermaßen aus (1985, 83–86):

„1. Eine Einheit zwischen den heute getrennten romanisch sprechenden Sprachregionen Graubünden – zentralladinische Alpentäler – Friaul bestand bis ins 6. Jahrhundert, als diese Verbindung im Norden durch die vorrückenden Bajuwaren und Slawen im Pustertal, im Süden durch den Langobardenkeil im Etschtal unterbrochen wurde. Diese Einheit umfaßte aber ganz Oberitalien, d. h. auch die Gallia Cisalpina.

Das bis zu diesem Zeitpunkt in den Zentral- und Ostalpentälern gesprochene Regionallatein kann nur als relativ einheitlich bezeichnet werden, da in allen drei Abschnitten eine unterschiedliche Substratbasis bestand und der Grad der Romanisierung verschieden war. Die Regio Augustea X war am frühesten und am intensivsten romanisiert, gefolgt vom Noricum; am schwächsten war die römische Durchdringung in der Raetia.

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