Zentrale Aspekte der Alten Kirchengeschichte

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2.2.2.2 Der Apostel Paulus und die Episkopen und Diakone in seinen heidenchristlichen Gemeinden

Eine für das heidenchristliche Milieu repräsentative Quelle, die Mitarbeiter eines Apostels erwähnt, ist der wahrscheinlich um 60 geschriebene Brief des Paulus an die von ihm gegründete Gemeinde von Philippi.31 Der Apostel grüßt in der Briefadresse alle dortigen Christen „samt Episkopen und Diakonen“ (Phil 1,1). Doch handelt es sich dabei um die einzige Stelle, in der sich Paulus über Episkopen äußert. Hinzu kommt, dass Paulus mit keiner Silbe verrät, was er unter diesen Episkopen und Diakonen von Philippi versteht. Aufgrund ihrer ausdrücklichen Nennung in der Briefadresse kann aber mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass sie wichtige Gemeindedienste – eventuell in kollegialer Zusammenarbeit – wahrnehmen. Ferner führen sie zwei voneinander unterschiedene „Titel“, mit denen man in Philippi offensichtlich die Träger bestimmter Gemeindefunktionen bezeichnet. Schließlich dürften in diesen „Titeln“ die im Rahmen eines längeren Entwicklungsprozesses entstandenen Bezeichnungen für jene Gemeindedienste vorliegen, die Paulus in seinen anderen Briefen als die wichtigeren beschreibt. Unter dieser Voraussetzung stehen die Episkopen und Diakone von Philippi ihren Mitchristen wohl mit fürsorgenden, verwaltenden und leitenden Diensten bei, wobei den Episkopen aufgrund ihrer Erstnennung wahrscheinlich eine größere Bedeutung zukommt als den Diakonen. Die entsprechenden Dienstbezeichnungen entlehnt man offensichtlich der heidnisch-hellenistischen Umwelt. In dieser versteht man unter einem ἐπίσκοπος einen Kommunalbeamten oder einen Vereinsfunktionär mit aufsichtführender oder verwaltender Tätigkeit (vgl. Abb. 9). Als διάκονος bezeichnet man dagegen eine freie Person, die zu einer anderen Person in einem Dienstverhältnis steht. Während sich aber über die Episkopen keine weiteren Vermutungen anstellen lassen, bietet der um 56 entstandene Brief des Paulus an die Römer neue Auskünfte über die Diakone. Darin fordert der Apostel nämlich die römische Gemeinde auf:

Abb. 9 In der Vorstadt Neomaras von Rhodos sind auf einer im ersten Jahrhundert vor Christus entstandenen Inschrift Episkopen als Kommunalbeamte bezeugt.

„Ich empfehle euch nun Phöbe, unsere Schwester, die zudem Diakon (διάκονος) der Gemeinde in Kenchreä ist, dass ihr sie aufnehmt im Herrn, wie es sich für Heilige gehört, und ihr in jeder Sache beisteht, bei der sie euer bedarf; denn auch sie selbst ist Beistand (πϱοστάτις) für viele geworden, ja, auch für mich selbst“ (Röm 16,1).

Offensichtlich legt Paulus seiner Mitchristin Phöbe hier einen für die römischen Christen verständlichen „Titel“ bei. Denn wenn er beabsichtigt hätte, Phöbe als eine Frau zu charakterisieren, die den Mitgliedern der Gemeinde von Kenchreä in dienender Haltung zugetan ist, dann hätte er sie den Römern – gemäß ihrem weiblichen Geschlecht – sicher nicht mit der maskulinen Form Diakon (διάκονος) vorgestellt, sondern sie als διακóνισσα bezeichnet. Darüber hinaus lässt sich der zitierten Stelle eventuell noch ein weiterer Aspekt des urchristlichen diakonalen Dienstes entnehmen. Erweist sich Phöbe doch laut Paulus für viele und auch für ihn als Beistand (πϱοστάτις). Was meint Paulus damit? Klauck kommt nach eingehender Analyse zu dem Ergebnis, dass der diesbezügliche Dienst der Phöbe im Wesentlichen „darin bestanden haben [wird], daß sie als Gastgeberin fungierte und die Filialgemeinde von Kenchreai, die von Korinth aus gegründet worden war, in ihrem Haus beherbergte“32. In solchen und ähnlichen Diensten wird man wohl die Ursprünge des Diakonenamtes zu suchen haben.

Wer die Diakone und Episkopen zu ihrem Dienst bestellt hat, geht aus den Quellen nicht hervor. Doch wahrscheinlich dürften sie von der Gemeinde gewählt und von der höheren Autorität, also von Paulus, eingesetzt oder zumindest bestätigt bzw. anerkannt worden sein.33 Insgesamt macht sich also schon in der Gemeinde von Philippi Mitte des 1. Jahrhunderts die Tendenz zum dreigestuften kirchlichen Dienstamt bemerkbar (vgl. Abb. 10). An führender Stelle steht der Apostel Paulus, der – wie sein Brief bezeugt – die Gemeindeleitung inne hat. Als seine Helfer und in seiner Abwesenheit dürften die besagten Episkopen und Diakone die anfallenden Gemeindedienste übernommen haben.

Abb. 10 In der heidenchristlichen Gemeinde von Philippi macht sich Mitte des ersten Jahrhunderts eine Tendenz zum dreigestuften kirchlichen Dienstamt bemerkbar.

BÖHM, Thomas, Der eine Bischof als Garant der einen katholischen Kirche?, in: HAINTHALER, Theresia / MALI, Franz / EMMENEGGER, Gregor (Hg.), Einheit und Katholizität der Kirche. Forscher aus dem Osten und Westen Europas an den Quellen des gemeinsamen Glaubens (= Pro Oriente 32) Innsbruck Wien 2009, 113-126; hier 119f. (Episkopen in Phil 1,1).

DASSMANN (wie S. 12) 163 (Episkopen und Diakone bei Paulus).

GNILKA, Joachim, Der Philipperbrief (= Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament 10/3) Freiburg Basel Wien 1968, 32-40 (Episkopen und Diakone bei Paulus).

HÜBNER (wie S. 32) 55-60 (Episkopen und Diakone bei Paulus).

MAYER (wie S. 34) 21f. (Episkopen und Diakone bei Paulus).

2.2.2.3 Apostel, Propheten und Lehrer sowie Episkopen und Diakone in den Gemeinden der Didache

Wie eine Zusammenfassung des in Antiochien und den paulinischen Gemeinden festgestellten Befunds wirkt die verfassungsgeschichtliche Phänomenologie der Didache, einer Anfang des 2. Jahrhunderts im syrisch-palästinischen Raum entstandenen Kirchenordnung. Auch sie kennt von Ort zu Ort umherziehende Apostel (Did. 11,3-6), Propheten, die sich in scheinbar größeren Gemeinden niederlassen (Did. 13,1) und der Eucharistie vorstehen (Did. 10,7), sowie ähnlich charakterisierte Lehrer (Did. 13,2; 15,1). Sie alle werden gleichermaßen als geistbegabte Propheten charakterisiert, die das Evangelium verkündigen und die Gläubigen lehren, stärken und ermahnen. Außerdem fordert die Didache die Gläubigen auf:

„Wählt euch nun Episkopen und Diakone, die des Herrn würdig sind, Männer, die sanftmütig, nicht geldgierig, aufrichtig und bewährt sind; denn auch sie leisten euch den priesterlichen Dienst (λειτουϱγία) der Propheten und Lehrer. Achtet sie also nicht gering; denn sie sind eure Geehrten zusammen mit den Propheten und Lehrern“ (Did. 15,1f.).

Hier werden also wohl die Mitglieder kleinerer Gemeinden angesprochen, zu denen die Apostel offensichtlich seltener kommen und in denen sich auch keine Propheten und Lehrer niedergelassen haben. Daher sollen sie Episkopen und Diakone wählen, die fortan den priesterlichen Dienst der Propheten und Lehrer übernehmen. Sie erfreuen sich freilich nicht des Ansehens der vermutlich in größeren Gemeinden ansässigen Propheten und Lehrer und der wohl von größeren kirchlichen Zentren aus wirkenden Apostel. Sonst hätte der Didachist ihre Hochschätzung nicht so nachdrücklich einschärfen müssen. Ansonsten verrät er über ihre Aufgaben zunächst nichts. Allerdings lassen sich seiner Forderung, nur Persönlichkeiten zu Episkopen und Diakonen zu wählen, „die sanftmütig [und] nicht geldgierig“ sind, doch zwei Informationen entnehmen.

1. Mit dem Wort sanftmütig (πϱαύς) im Sinn von sanftmütiger Freundlichkeit umschreibt die frühchristliche Literatur nämlich die Qualifikation kirchlicher Amtsträger, Streitigkeiten zu schlichten. So dürften damit moderierende und gemeindeleitende Aufgaben der Episkopen und Diakone gemeint sein.

2. Die Eigenschaft, nicht geldgierig (ἀφιλάϱγυϱος) zu sein, kann dagegen ohne Schwierigkeiten auf die Verwaltung der Gemeindefinanzen bezogen werden.

Hinzu kommt noch eine dritte Information:

3. Da die Episkopen und Diakone laut der Didache den priesterlichen Dienst (λειτουϱγία) der Propheten und Lehrer übernehmen, könnten sie eventuell auch der Eucharistie vorgestanden und Lehraufgaben wahrgenommen haben.

So macht sich auch in der Didache die Tendenz zum dreigestuften kirchlichen Dienstamt bemerkbar. An der Spitze stehen die Apostel, Propheten und Lehrer, wie an Propheten deutlich wird, die sich in einer Gemeinde niedergelassen haben. Ihr Ansehen wird dadurch unterstrichen, dass ihnen – mit der Begründung, sie seien Hohepriester – eine Erstlingsabgabe der Gläubigen zukommt (Did. 13,3). In klarer Unterscheidung stehen ihnen Episkopen und Diakone zur Seite, wenn auch aus der Didache nicht hervorgeht, wie sich diese voneinander unterscheiden.

BÖHM (wie S. 36) 121-123.

SCHÖLLGEN, Georg (Übers./Einleitung), Didache. Zwölf-Apostel-Lehre (= Fontes Christiani 1) Freiburg Basel Wien Barcelona Rom New York 1991, 9-139; hier 58-64 u. 70-73 (Einleitung zu den Ämtern), 126-129, 132-135 (Text und Übersetzung von Did. 11,1-9; 13,1-15,2).

 

2.3 Die Verschmelzung des juden- und des heidenchristlichen Modells

Bisher haben sich zwei grundlegende Gemeindemodelle der apostolischen und frühen nachapostolischen Zeit bemerkbar gemacht: Die judenchristliche Gemeinde von Jerusalem, an deren Spitze ein Einzelner mit einem Presbyterkollegium steht, sowie die heidenchristlichen Gemeinden von Antiochien, Philippi und der Didache, die Apostel, Propheten und Lehrer zusammen mit Episkopen und Diakonen leiten. Es bleibt jedoch nicht bei diesem Nebeneinander. In den nachfolgenden Jahrzehnten nimmt mit dem kontinuierlichen Wachstum des Christentums auch der gegenseitige Kontakt der Gemeinden zu und damit auch – vermittelt z.B. durch reisende oder zuziehende Christen – das Maß wechselseitiger Beeinflussung. Im Zuge dieser Entwicklung gleichen sich die beiden Verfassungsformen allmählich aneinander an, um schließlich miteinander zu verschmelzen. Der damit verbundene Entwicklungsprozess kann aufgrund fehlender Quellen nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Immerhin macht sich aber in der um 90/100 entstandenen Apostelgeschichte in Apg 20,17.28 eine Übergangsphase bemerkbar, indem hier die Presbyter von Ephesus sowohl Presbyter als auch Episkopen genannt werden. Das Resultat des besagten Prozesses manifestiert sich schließlich in zwei Quellen des ausgehenden 1. Jahrhunderts.

2.3.1 Episkopen, Presbyter und Diakone im Brief des Clemens von Rom

Ein schwerwiegender Konflikt veranlasst Clemens von Rom um 96 zu einem Brief an die Gemeinde von Korinth. Dort hatten sich einige jüngere Gemeindemitglieder gegen die Presbyter erhoben und sie aus ihrer Stellung verdrängt. Indem Clemens ihnen klarmacht, dass ihre Presbyter – was ihre Einsetzung anbelangt – in einer lückenlosen Sukzessionsreihe über die Erstlinge der Apostel, die Apostel und Christus letztlich auf Gott zurückgehen, hält er ihnen anschließend vor:

„Dass nun die, die von jenen [Aposteln] oder hernach von anderen angesehenen Männern unter Zustimmung der gesamten Gemeinde eingesetzt wurden, die untadelig der Herde Christi in Demut priesterlich dienten (λειτουϱγήσαντας), […] – dass diese vom priesterlichen Dienst (λειτουϱγίας) abgesetzt werden, halten wir nicht für recht. Denn es wird für uns keine kleine Sünde sein, wenn wir die, die untadelig und fromm die Opfer darbrachten, vom Aufsichtsamt absetzen“ (1 Clem. 44,3f.).

Abb. 11 Abbildung des Clemens von Rom mit dem Anker, dem Werkzeug seines Martyriums, auf einem eventuell auf antike Vorlagen zurückgehenden Mosaik des zwölften Jahrhunderts auf dem Chorbogen der Basilika San Clemente zu Rom.

Clemens hält es also für unrecht und für eine schwere Sünde, die letztlich auf göttliche Einsetzung zurückgehenden Presbyter abzusetzen. Aus seinem Brief geht ferner hervor, dass die Leitung der Gemeinden von Korinth und Rom damals in den Händen eines Kollegiums von Presbytern liegt, unter denen eine kleine Gruppe von Episkopen eine Führungsrolle gespielt haben könnte. Genannt werden auch Diakone; doch werden deren Aufgaben nicht beschrieben, da sie von den korinthischen Auseinandersetzungen nicht betroffen sind. Die Episkopen und Presbyter leiten dagegen die Gemeinde und dienen der Herde Christi daher mit verschiedenen priesterlichen Diensten. Unter Zustimmung der gesamten Gemeinde – also nach einem Wahlverfahren – von den Aposteln und danach von Episkopen eingesetzt, wohl auf Lebenszeit bestellt und bei korrekter Amtsführung nicht absetzbar, gehört es zu ihren Aufgaben, die Opfer darzubringen, d.h. ihrer Gemeinde insbesondere bei der Feier der Eucharistie vorzustehen, sowie in Verkündigung und Lehre tätig zu sein.

Mit welchen philosophisch-theologischen Argumenten begründet Clemens die beschriebene kirchliche Verfassung? Seines Erachtens möge jeder Christ in der Gemeinde „entsprechend der ihm verliehenen Gnade“ (1 Clem. 38,1) auf seinem Posten stehen. Denn auf dieser Basis sei er von den Aposteln und danach von den Episkopen an dem ihm angemessenen Platz eingesetzt worden. Auf diese Weise begegne man in der Kirche den Laien sowie den Episkopen, Presbytern und Diakonen, wobei jeder an seinem Platz die ihm von Gott zugewiesene Aufgabe zu erfüllen habe. Bei Clemens hat also alles seine Ordnung.34 Habe Gott doch die ganze Schöpfung wohlgeordnet eingerichtet, weshalb sich auch die gesellschaftliche Ordnung in Staat, Polis oder Heer an diesem Vorbild orientiere. Aber auch in der Zeit des Alten Bunds habe Gott das Leben seines Volks und den kultischen Dienst Israels nach klaren Ordnungen geregelt. Da der Kirche „größere Erkenntnis“ zuteil geworden sei, müsse sie umso mehr den göttlichen Ordnungswillen erfüllen. Schließlich habe Christus im Rahmen dieser göttlichen Ordnung die Apostel ausgesandt, und im Sinne dieser Ordnung müsse sich auch das Leben der Gemeinde von Korinth abspielen. Unter Einhaltung dieser auf Gott zurückgehenden und damit sakralen Ordnung könne die Kirche ihre Berufung wahren.

Besonders auffällig ist, dass Clemens hier das Beispiel des levitischen Tempelgottesdienstes und der levitischen Kulthierarchie heranzieht. Nach einem kurzen Blick auf den levitischen Tempelgottesdienst schreibt er nämlich:

„Dem Hohenpriester sind eigene priesterliche Dienste (λειτουϱγίαι) übertragen, den Priestern ist ihr eigener Platz verordnet und auch den Leviten (λευίταις) obliegen eigene Dienste (διακονίαι). […] Jeder von uns, Brüder, soll auf seinem Posten Gott gefallen, indem er ein gutes Gewissen bewahrt und die für seinen priesterlichen Dienst (λειτουϱγίας) festgelegte Regel nicht übertritt“ (1 Clem. 40,5-41,1).

Clemens vergleicht hier also die Struktur des dreigestuften levitischen Priestertums mit der für den priesterlichen Dienst der Christengemeinde festgelegten Regel. Ohne einen wesensmäßigen Zusammenhang zwischen der jüdischen Kulthierarchie und den christlichen Dienstämtern herstellen zu wollen, dürfte er dieses Beispiel auch deshalb aufgegriffen haben, um damit auf ein anscheinend in der römischen und korinthischen Gemeinde in ersten Ansätzen vorhandenes dreigestuftes Dienstamt – bestehend aus Episkopen, Presbytern und Diakonen – anzuspielen. Es ist daher möglich, „daß uns hier der christliche Gemeindegottesdienst beschrieben wird, bei dem der Bischof den doppelten Dienst (Liturgie) von Verkündigung und Gebet, nämlich Eucharistiegebet, leistet, die Presbyter ihn an ihrem Ehrenplatz schweigend umgeben und die Diakone die vielfältigen Dienste vom Herbeibringen der Gaben bis hin zur Hauskommunion leisten“35. Vogt dürfte also wohl das Richtige getroffen haben, wenn er zu der zitierten Clemensstelle bemerkt, Clemens habe sich damit auf dem Weg zum Monepiskopat befunden. Freilich beschreibt Clemens noch eine Situation, in der die Episkopen stets in der Mehrzahl auftreten.

HOFMANN, Johannes, Die amtliche Stellung der in der ältesten römischen Bischofsliste überlieferten Männer in der Kirche von Rom, in: Historisches Jahrbuch 109 (1989) 1-23; hier 7-19 (Episkopen, Presbyter und Diakone bei Clemens).

HÜBNER (wie S. 32) 69-75 (Episkopen, Presbyter und Diakone bei Clemens).

2.3.2 Der Bischof, die Presbyter und die Diakone in den Pastoralbriefen

In den Pastoralbriefen, die den 1. und 2. Timotheusbrief sowie den Titusbrief umfassen und um 100 entstanden sind,36 macht sich gegenüber dem Clemensbrief eine weiter fortgeschrittene Entwicklung bemerkbar, die sich in folgenden klar umrissenen Ämtern manifestiert:

1. Der Bischof (1 Tim 3,1-7; Tit 1,7-9),

2. die Presbyter (1 Tim 5,17-19, Tit 1,5f.), deren Kollegium fest organisiert ist und daher πϱεσβυτέϱιον heißt (1 Tim 4,14), und

3. die Diakone (1 Tim 3,8-13).

Bezeichnend ist, wie intensiv der Bischof und die Diakone aufeinander zugeordnet sind. Wenn diese enge Verknüpfung auch schon in Phil 1,1 begegnet, so wird der Bischof (ἐπίσκοπος) in 1 Tim – im Unterschied zu Philippi – als einzelner und nicht mehr als Mitglied einer Gruppe von Episkopen (ἐπίσκοποι) erwähnt. Darüber hinaus ist das Kollegium der Presbyter als eigenständige Größe in die Gemeindeverfassung integriert.

Die Voraussetzungen für einen Bischofskandidaten beschreibt 1 Tim 3,2-7 in nüchterner Sprache. Der für dieses Amt geeignete Mann müsse besonnen sein, gastfreundlich, zum Lehren befähigt, kein Trinker und Raufbold, bescheiden, nicht streitsüchtig und geldgierig. Ferner müsse er sich bisher als guter Vorsteher seines eigenen Hauses und als bewährter Erzieher seiner Kinder erwiesen haben. Aus diesen Anforderungen geht also hervor, dass der Bischof in der Gemeinde autoritative, pastorale und ökonomische Funktionen wahrzunehmen hat. Vor allem hat er über die offensichtlich gefährdete Reinheit der apostolischen Lehre zu wachen.

Freilich ist der Bischof dieser nachapostolischen Zeit nicht nur auf seine natürlichen Anlagen angewiesen. Der unter dem Pseudonym des Paulus schreibende Verfasser der Pastoralbriefe ermuntert seinen bischöflichen Adressaten Timotheus vielmehr, er möge die Gnadengabe neu entfachen, die er durch die Handauflegung des Apostels empfangen habe (2 Tim 1,6). Ähnlich heißt es in 1 Tim 4,14:

„Vernachlässige die Gnade nicht, die in dir ist und die dir verliehen wurde, als dir die Presbyter aufgrund prophetischer Worte gemeinsam die Hände auflegten.“

Mit diesen Worten wird erstmals der Akt einer kirchlichen Amtsübertragung beschrieben. Demnach wird dem neu bestellten Amtsträger durch die Handauflegung der Heilige Geist verliehen, eine göttliche Gnadengabe, die ihn auf Dauer zur Ausübung seines Dienstes befähigt. Wie außerdem die Anweisung von 1 Tim 5,22 nahe legt, keinem vorschnell die Hände aufzulegen, sollen entsprechende Kandidaten vor der Einsetzung ins Amt einer Prüfung unterzogen werden. Darüber hinaus kann man die hier erstmals erwähnte Mitteilung des Heiligen Geistes durch das äußere Zeichen der Handauflegung als sakramentale Weihe interpretieren. Sie wirkt nach 2 Tim 2,2 auch insofern fort, als Timotheus das, was er selbst empfangen hat, durch Weihe „an zuverlässige Menschen [weitergeben kann], die fähig sind, wiederum andere zu lehren“.

Schwer lösbar ist die Frage, welches Verhältnis zwischen Bischof und Presbyterkollegium besteht. Gehört er ihm als Gleicher unter Gleichen an oder steht er an seiner Spitze? Nach Gnilka dürfte eher das Letztere der Fall gewesen sein.37

Die Diakone der Pastoralbriefe sind schließlich dem Bischof untergeordnet und dienen ihm und der Gemeinde auf vielfältige Weise. Man hält sie in der Regel – aufgrund der von ihnen in 1 Tim 3,8-10 verlangten Eigenschaften – für Armenpfleger, Gemeindefürsorger und karitativ tätige Amtsträger. Vermutlich sind sie aber auch in der Verkündigung tätig.

DASSMANN (wie S. 12) 166f. (Bischof und Presbyter in den Pastoralbriefen).

HÜBNER (wie S. 32) 64-69 (Bischof, Presbyter und Diakone in den Pastoralbriefen).