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Italienische Reise — Band 2

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Oktober

Korrespondenz

Frascati, den 2. Oktober

Ich muß beizeiten ein Blättchen anfangen, wenn ihr es zur rechten Zeit erhalten sollt. Eigentlich hab' ich viel und nicht viel zu sagen. Es wird immerfort gezeichnet, und ich denke dabei im stillen an meine Freunde. Diese Tage empfand ich wieder viel Sehnsucht nach Hause, vielleicht eben, weil es mir hier so wohl geht und ich doch fühle, daß mir mein Liebstes fehlt.

Ich bin in einer recht wunderlichen Lage und will mich eben zusammennehmen, jeden Tag nutzen, tun, was zu tun ist, und so diesen Winter durch arbeiten.

Ihr glaubt nicht, wie nützlich, aber auch wie schwer es mir war, dieses ganze Jahr absolut unter fremden Menschen zu leben, besonders da Tischbein — dies sei unter uns gesagt — nicht so einschlug, wie ich hoffte. Es ist ein wirklich guter Mensch, aber er ist nicht so rein, so natürlich, so offen wie seine Briefe. Seinen Charakter kann ich nur mündlich schildern, um ihm nicht unrecht zu tun, und was will eine Schilderung heißen, die man so macht! Das Leben eines Menschen ist sein Charakter. Nun hab' ich Hoffnung, Kaysern zu besitzen, dieser wird mir zu großer Freude sein. Gebe der Himmel, daß sich nichts dazwischen stelle!

Meine erste Angelegenheit ist und bleibt, daß ich es im Zeichnen zu einem gewissen Grade bringe, wo man mit Leichtigkeit etwas macht und nicht wieder zurücklernt, noch so lange still steht, wie ich wohl leider die schönste Zeit des Lebens versäumt habe. Doch muß man sich selbst entschuldigen. Zeichnen, um zu zeichnen, wäre wie reden, um zu reden. Wenn ich nichts auszudrücken habe, wenn mich nichts anreizt, wenn ich würdige Gegenstände erst mühsam aufsuchen muß, ja, mit allem Suchen sie kaum finde, wo soll da der Nachahmungstrieb herkommen? In diesen Gegenden muß man zum Künstler werden, so dringt sich alles auf, man wird voller und voller und gezwungen, etwas zu machen. Nach meiner Anlage und meiner Kenntnis des Weges bin ich überzeugt, daß ich hier in einigen Jahren sehr weit kommen müßte.

Ihr verlangt, meine Lieben, daß ich von mir selbst schreibe, und seht, wie ich's tue; wenn wir wieder zusammenkommen, sollt ihr gar manches hören. Ich habe Gelegenheit gehabt, über mich selbst und andre, über Welt und Geschichte viel nachzudenken, wovon ich manches Gute, wenngleich nicht Neue, auf meine Art mitteilen werde. Zuletzt wird alles im "Wilhelm" gefaßt und geschlossen.

Moritz ist bisher mein liebster Gesellschafter geblieben, ob ich gleich bei ihm fürchtete und fast noch fürchte, er möchte aus meinem Umgange nur klüger und weder richtiger, besser noch glücklicher werden, eine Sorge, die mich immer zurückhält, ganz offen zu sein.

Auch im allgemeinen mit mehreren Menschen zu leben, geht mir ganz gut. Ich sehe eines jeden Gemütsart und Handelsweise. Der eine spielt sein Spiel, der andre nicht, dieser wird vorwärts kommen, jener schwerlich. Einer sammelt, einer zerstreut. Einem genügt alles, dem andern nichts. Der hat Talent und übt's nicht, jener hat keins und ist fleißig etc. etc. Das alles sehe ich und mich mitten drin; es vergnügt mich und gibt mir, da ich keinen Teil an den Menschen, nichts an ihnen zu verantworten habe, keinen bösen Humor. Nur alsdann, meine Lieben, wenn jeder nach seiner Weise handelt und zuletzt noch prätendiert, daß ein Ganzes werden, sein und bleiben solle, es zunächst von mir prätendiert, dann bleibt einem nichts übrig, als zu scheiden oder toll zu werden.

Albano, den 5. Oktober 1787

Ich will sehen, daß ich diesen Brief noch zur morgenden Post nach Rom schaffe, daß ich auf diesem Blatt nur den tausendsten Teil sage von dem, was ich zu sagen habe.

Eure Blätter hab' ich zu gleicher Zeit mit den "Zerstreuten", besser "gesammelten Blättern", den "Ideen" und den vier Saffianbänden erhalten, gestern, als ich im Begriff war, von Frascati abzufahren. Es ist mir nun ein Schatz auf die ganze Villeggiatur.

"Persepolis" habe ich gestern nacht gelesen. Es freut mich unendlich, und ich kann nichts dazusetzen, indem jene Art und Kunst nicht herübergekommen ist. Ich will nun die angeführten Bücher auf irgendeiner Bibliothek sehen und euch aufs neue danken. Fahret fort, ich bitte euch, oder fahret fort, weil ihr müßt, beleuchtet alles mit eurem Lichte!

Die "Ideen", die Gedichte sind noch nicht berührt. Meine Schriften mögen nun gehen, ich will treulich fortfahren. Die vier Kupfer zu den letzten Bänden sollen hier werden.

Mit den Genannten war unser Verhältnis nur ein gutmütiger Waffenstillstand von beiden Seiten, ich habe das wohl gewußt, nur was werden kann, kann werden. Es wird immer weitere Entfernung und endlich, wenn's recht gut geht, leise, lose Trennung werden. Der eine ist ein Narr, der voller Einfaltsprätensionen steckt. "Meine Mutter hat Gänse" singt sich mit bequemerer Naivetät als ein: "Allein Gott in der Höh' sei Ehr." Er ist einmal auch ein — : "Sie lassen sich das Heu und Stroh, das Heu und Stroh nicht irren" etc. etc. Bleibt von diesem Volke! der erste Undank ist besser als der letzte. Der andere denkt, er komme aus einem fremden Lande zu den Seinigen, und er kommt zu Menschen, die sich selbst suchen, ohne es gestehn zu wollen. Er wird sich fremd finden und vielleicht nicht wissen warum. Ich müßte mich sehr irren, oder die Großmut des Alcibiades ist ein Taschenspielerstreich des Züricher Propheten, der klug genug und gewandt genug ist, große und kleine Kugeln mit unglaublicher Behendigkeit einander zu substituieren, durcheinander zu mischen, um das Wahre und Falsche nach seinem theologischen Dichtergemüt gelten und verschwinden zu machen. Hole oder erhalte ihn der Teufel, der ein Freund der Lügen, Dämonologie, Ahnungen, Sehnsuchten etc. Ist von Anfang!

Und ich muß ein neues Blatt nehmen und bitten, daß ihr lest, wie ich schreibe, mit dem Geiste mehr als den Augen, wie ich mit der Seele mehr als den Händen.

Fahre du fort, lieber Bruder, zu finden, zu vereinigen, zu dichten, zu schreiben, ohne dich um andre zu bekümmern. Man muß schreiben, wie man lebt, erst um sein selbst willen, und dann existiert man auch für verwandte Wesen.

Plato wollte keinen agewmetrhton in seiner Schule leiden; wäre ich imstande, eine zu machen, ich litte keinen, der sich nicht irgendein Naturstudium ernst und eigentlich gewählt. Neulich fand ich in einer leidig apostolisch-kapuzinermäßigen Deklamation des Zürcher Propheten die unsinnigen Worte: "Alles, was Leben hat, lebt durch etwas außer sich." Oder so ungefähr klang's. Das kann nun so ein Heidenbekehrer hinschreiben, und bei der Revision zupft ihn der Genius nicht beim ärmel. Nicht die ersten, simpelsten Naturwahrheiten haben sie gefaßt und möchten doch gar zu gern auf den Stühlen um den Thron sitzen, wo andre Leute hingehören oder keiner hingehört. Laßt das alles gut sein, wie ich auch tue, der ich es freilich jetzt leichter habe!

Ich möchte von meinem Leben keine Beschreibung machen, es sieht gar zu lustig aus. Vor allem beschäftigt mich das Landschaftszeichnen, wozu dieser Himmel und diese Erde vorzüglich einlädt. Sogar hab' ich einige Idyllen gefunden. Was werd' ich nicht noch alles machen! Das seh' ich wohl, unsereiner muß nur immer neue Gegenstände um sich haben, dann ist er geborgen.

Lebt wohl und vergnügt, und wenn es euch weh werden will, so fühlt nur recht, daß ihr beisammen seid und was ihr einander seid, indes ich, durch eignen Willen exiliert, mit Vorsatz irrend, zweckmäßig unklug, überall fremd und überall zu Hause, mein Leben mehr laufen lasse als führe und auf alle Fälle nicht weiß, wo es hinaus will.

Lebt wohl, empfehlt mich der Frau Herzogin. Ich habe mit Rat Reiffenstein in Frascati ihren ganzen Aufenthalt projektiert. Wenn alles gelingt, so ist's ein Meisterstück. Wir sind jetzt in Negotiation wegen einer Villa begriffen, welche gewissermaßen sequestriert ist und also vermietet wird, anstatt daß die andern entweder besetzt sind oder von den großen Familien nur aus Gefälligkeit abgetreten würden, dagegen man in Obligationen und Relationen gerät. Ich schreibe, sobald nur etwas Gewisseres zu sagen ist. In Rom ist auch ein schönes freiliegendes Quartier mit einem Garten für sie bereit. Und so wünscht' ich, daß sie sich überall zu Hause fände, denn sonst genießt sie nichts; die Zeit verstreicht, das Geld ist ausgegeben, und man sieht sich um wie nach einem Vogel, der einem aus der Hand entwischt ist. Wenn ich ihr alles einrichten kann, daß ihr Fuß an keinen Stein stoße, so will ich es tun.

Nun kann ich nicht weiter, wenngleich noch Raum da ist. Lebt wohl und verzeiht die Eilfertigkeit dieser Zeilen.

Castel Gandolfo, den 8. Oktober, eigentlich den 12ten,

denn diese Woche ist hingegangen, ohne daß ich zum Schreiben kommen konnte. Also geht dieses Blättchen nur eilig nach Rom, daß es noch zu euch gelange.

Wir leben hier, wie man in Bädern lebt, nur mache ich mich des Morgens beiseite, um zu zeichnen, dann muß man den ganzen Tag der Gesellschaft sein, welches mir denn auch ganz recht ist für diese kurze Zeit; ich sehe doch auch einmal Menschen ohne großen Zeitverlust und viele auf einmal.

Castel Gandolfo. Radierung von Mechau

Angelika ist auch hier und wohnt in der Nähe, dann sind einige muntere Mädchen, einige Frauen, Herr von Maron, Schwager von Mengs, mit der seinigen, teils im Hause, teils in der Nachbarschaft; die Gesellschaft ist lustig, und es gibt immer was zu lachen. Abends geht man in die Komödie, wo Pulcinell die Hauptperson ist, und trägt sich dann einen Tag mit den bonmots des vergangnen Abends. Tout comme chez nous — nur unter einem heitern, köstlichen Himmel. Heute hat sich ein Wind erhoben, der mich zu Hause hält. Wenn man mich außer mir selbst herausbringen könnte, müßten es diese Tage tun, aber ich falle immer wieder in mich zurück, und meine ganze Neigung ist auf die Kunst gerichtet. Jeden Tag geht mir ein neues Licht auf, und es scheint, als wenn ich wenigstens würde sehen lernen.

 

"Erwin und Elmire" ist so gut als fertig; es kommt auf ein paar schreibselige Morgen an; gedacht ist alles.

Herder hat mich aufgefordert, Forstern auf seine Reise um die Welt auch Fragen und Mutmaßungen mitzugeben. Ich weiß nicht, wo ich Zeit und Sammlung hernehmen soll, wenn ich es auch von Herzen gerne täte. Wir wollen sehen.

Ihr habt wohl schon kalte, trübe Tage, wir hoffen noch einen ganzen Monat zum Spazierengehn. Wie sehr mich Herders "Ideen" freuen, kann ich nicht sagen. Da ich keinen Messias zu erwarten habe, so ist mir dies das liebste Evangelium. Grüßt alles, ich bin in Gedanken immer mit euch, und liebt mich.

Den letzten Posttag, meine Lieben, habt ihr keinen Brief erhalten, die Bewegung in Castello war zuletzt gar zu arg, und ich wollte doch auch zeichnen. Es war wie bei uns im Bade, und da ich in einem Hause wohnte, das immer Zuspruch hat, so mußte ich mich drein geben. Bei dieser Gelegenheit habe ich mehr Italiener gesehen als bisher in einem Jahre, und bin auch mit dieser Erfahrung zufrieden.

Eine Mailänderin interessierte mich die acht Tage ihres Bleibens, sie zeichnete sich durch ihre Natürlichkeit, ihren Gemeinsinn, ihre gute Art sehr vorteilhaft vor den Römerinnen aus. Angelika war, wie sie immer ist, verständig, gut, gefällig, zuvorkommend. Man muß ihr Freund sein, man kann viel von ihr lernen, besonders arbeiten, denn es ist unglaublich, was sie alles endigt.

Diese letzten Tage war das Wetter kühl, und ich bin recht vergnügt, wieder in Rom zu sein.

Gestern abend, als ich zu Bette ging, fühlt' ich recht das Vergnügen, hier zu sein. Es war mir, als wenn ich mich auf einen recht breiten, sichern Grund niederlegte.

über seinen "Gott" möcht' ich gern mit Herdern sprechen. Zu bemerken ist mir ein Hauptpunkt: man nimmt dieses Büchlein, wie andre, für Speise, da es eigentlich die Schüssel ist. Wer nichts hineinzulegen hat, findet sie leer. Laßt mich ein wenig weiter allegorisieren, und Herder wird meine Allegorie am besten erklären. Mit Hebel und Walzen kann man schon ziemliche Lasten fortbringen; die Stücke des Obelisks zu bewegen, brauchen sie Erdwinden, Flaschenzüge und so weiter. Je größer die Last oder je feiner der Zweck (wie z. E. bei einer Uhr), desto zusammengesetzter, desto künstlicher wird der Mechanismus sein und doch im Innern die größte Einheit haben. So sind alle Hypothesen oder vielmehr alle Prinzipien. — Wer nicht viel zu bewegen hat, greift zum Hebel und verschmäht meinen Flaschenzug, was will der Steinhauer mit einer Schraube ohne Ende? Wenn L. seine ganze Kraft anwendet, um ein Märchen wahr zu machen, wenn J. sich abarbeitet, eine hohle Kindergehirnempfindung zu vergöttern, wenn C. aus einem Fußboten ein Evangelist werden möchte, so ist offenbar, daß sie alles, was die Tiefen der Natur näher aufschließt, verabscheuen müssen. Würde der eine ungestraft sagen: Alles, was lebt, lebt durch etwas außer sich? Würde der andere sich der Verwirrung der Begriffe, der Verwechslung der Worte von Wissen und Glauben, von überlieferung und Erfahrung nicht schämen? Würde der dritte nicht um ein paar Bänke tiefer hinunter müssen, wenn sie nicht mit aller Gewalt die Stühle um den Thron des Lamms aufzustellen bemüht wären; wenn sie nicht sich sorgfältig hüteten, den festen Boden der Natur zu betreten, wo jeder nur ist, was er ist, wo wir alle gleiche Ansprüche haben?

Halte man dagegen ein Buch wie den dritten Teil der "Ideen", sehe erst, was es ist, und frage sodann, ob der Autor es hätte schreiben können, ohne jenen Begriff von Gott zu haben? Nimmermehr; denn eben das Echte, Große, Innerliche, was es hat, hat es in, aus und durch jenen Begriff von Gott und der Welt.

Wenn es also irgendwo fehlt, so mangelt's nicht an der Ware, sondern an Käufern, nicht an der Maschine, sondern an denen, die sie zu brauchen wissen. Ich habe immer mit stillem Lächeln zugesehen, wenn sie mich in metaphysischen Gesprächen nicht für voll ansahen; da ich aber ein Künstler bin, so kann mir's gleich sein. Mir könnte vielmehr dran gelegen sein, daß das Prinzipium verborgen bliebe, aus dem und durch das ich arbeite. Ich lasse einem jeden seinen Hebel und bediene mich der Schraube ohne Ende schon lange, und nun mit noch mehr Freude und Bequemlichkeit.

Castel Gandolfo, den 12. Oktober 1787

An Herder

Nur ein flüchtig Wort, und zuerst den lebhaftesten Dank für die "Ideen"! Sie sind mir als das liebenswerteste Evangelium gekommen, und die interessantesten Studien meines Lebens laufen alle da zusammen. Woran man sich so lange geplackt hat, wird einem nun so vollständig vorgeführt. Wie viel Lust zu allem Guten hast du mir durch dieses Buch gegeben und erneut! Noch bin ich erst in der Hälfte. Ich bitte dich, laß mir so bald als möglich die Stelle aus Camper, die du pag. 159 anführst, ganz ausschreiben, damit ich sehe welche Regeln des griechischen Künstlerideals er ausgefunden hat. Ich erinnere mich nur an den Gang seiner Demonstration des Profils aus dem Kupfer. Schreibe mir dazu und exzerpiere mir sonst, was du mir nützlich dünkst, daß ich das Ultimum wisse, wie weit man in dieser Spekulation gekommen ist; denn ich bin immer das neugeborne Kind. Hat Lavaters "Physiognomik" etwas Kluges darüber? Deinem Aufruf wegen Forsters will ich gerne gehorchen, wenn ich gleich noch nicht recht sehe, wie es möglich ist; denn ich kann keine einzelnen Fragen tun, ich muß meine Hypothesen völlig auseinandersetzen und vortragen. Du weißt, wie sauer mir das schriftlich wird. Schreibe mir nur den letzten Termin, wann es fertig sein, und wohin es geschickt werden soll. Ich sitze jetzt im Rohre und kann vor Pfeifenschneiden nicht zum Pfeifen kommen. Wenn ich es unternehme, muß ich zum Diktieren mich wenden; denn eigentlich seh' ich es als einen Wink an. Es scheint, ich soll von allen Seiten mein Haus bestellen und meine Bücher schließen.

Was mir am schwersten sein wird, ist: daß ich absolut alles aus dem Kopfe nehmen muß, ich habe doch kein Blättchen meiner Kollektaneen, keine Zeichnung, nichts hab' ich bei mir, und alle neusten Bücher fehlen hier ganz und gar.

Noch vierzehn Tage bleib' ich wohl in Castello und treibe ein Badeleben. Morgens zeichne ich, dann gibt's Menschen auf Menschen.

Es ist mir lieb, daß ich sie beisammen sehe, einzeln wäre es eine große Sekkatur. Angelika ist hier und hilft alles übertragen.

Der Papst soll Nachricht haben, Amsterdam sei von den Preußen eingenommen. Die nächsten Zeitungen werden uns Gewißheit bringen. Das wäre die erste Expedition, wo sich unser Jahrhundert in seiner ganzen Größe zeigt. Das heiß' ich eine sodezza! Ohne Schwertstreich, mit ein paar Bomben, und niemand, der sich der Sache weiter annimmt! Lebt wohl. Ich bin ein Kind des Friedens und will Friede halten für und für, mit der ganzen Welt, da ich ihn einmal mit mir selbst geschlossen habe.

Rom, den 27. Oktober 1787

Ich bin in diesem Zauberkreise wieder angelangt und befinde mich gleich wieder wie bezaubert, zufrieden, stille hinarbeitend, vergessend alles, was außer mir ist, und die Gestalten meiner Freunde besuchen mich friedlich und freundlich. Diese ersten Tage hab' ich mit Briefschreiben zugebracht, habe die Zeichnungen, die ich auf dem Lande gemacht, ein wenig gemustert, die nächste Woche soll es an neue Arbeit gehn. Es ist zu schmeichelhaft, als daß ich es sagen dürfte, was mir Angelika für Hoffnungen über mein Landschaftszeichnen unter gewissen Bedingungen gibt. Ich will wenigstens fortfahren, um mich dem zu nähern, was ich wohl nie erreiche.

Ich erwarte mit Verlangen Nachricht, daß "Egmont" angelangt und wie ihr ihn aufgenommen. Ich habe doch schon geschrieben, daß Kayser herkommt? Ich erwarte ihn in einigen Tagen, mit der nun vollendeten Partitur unsrer Scapinereien. Du kannst denken, was das für ein Fest sein wird! Sogleich wird Hand an eine neue Oper gelegt, und "Claudine" mit "Erwin" in seiner Gegenwart, mit seinem Beirat verbessert.

Herders "Ideen" hab' ich nun durchgelesen und habe mich des Buches außerordentlich gefreut. Der Schluß ist herrlich, wahr und erquicklich, und er wird, wie das Buch selbst, erst mit der Zeit und vielleicht unter fremdem Namen den Menschen wohltun. Je mehr diese Vorstellungsart gewinnt, je glücklicher wird der nachdenkliche Mensch werden. Auch habe ich dieses Jahr unter fremden Menschen achtgegeben und gefunden, daß alle wirklich kluge Menschen mehr oder weniger, zärter oder gröber, darauf kommen und bestehen: daß der Moment alles ist, und daß nur der Vorzug eines vernünftigen Menschen darin bestehe: sich so zu betragen, daß sein Leben, insofern es von ihm abhängt, die möglichste Masse von vernünftigen, glücklichen Momenten enthalte.

Ich müßte wieder ein Buch schreiben, wenn ich sagen sollte, was ich bei dem und jenem Buch gedacht habe. Ich lese jetzt wieder Stellen, so wie ich sie aufschlage, um mich an jeder Seite zu ergötzen, denn es ist durchaus köstlich gedacht und geschrieben.

Besonders schön find' ich das griechische Zeitalter; daß ich am römischen, wenn ich mich so ausdrücken darf, etwas Körperlichkeit vermisse, kann man vielleicht denken, ohne daß ich es sage. Es ist auch natürlich. Gegenwärtig ruht in meinem Gemüt die Masse des, was der Staat war, an und für sich; mir ist er wie Vaterland etwas Ausschließendes. Und ihr müßtet im Verhältnis mit dem ungeheuern Weltganzen den Wert dieser einzelnen Existenz bestimmen, wo denn freilich vieles zusammenschrumpfte und in Rauch aufgehn mag.

So bleibt mir das Coliseo immer imposant, wenn ich gleich denke, zu welcher Zeit es gebaut worden, und daß das Volk, welches diesen ungeheuren Kreis ausfüllte, nicht mehr das altrömische Volk war.

Ein Buch über Malerei und Bildhauerkunst in Rom ist auch zu uns gekommen. Es ist ein deutsches Produkt und, was schlimmer ist, eines deutschen Kavaliers. Es scheint ein junger Mann zu sein, der Energie hat, aber voller Prätension steckt, der sich Mühe gegeben hat, herumzulaufen, zu notieren, zu hören, zu horchen, zu lesen. Er hat gewußt, dem Werke einen Anschein von Ganzheit zu geben, es ist darin viel Wahres und Gutes, gleich darneben Falsches und Albernes, Gedachtes und Nachgeschwätztes, Longueurs und Echappaden. Wer es auch in der Entfernung durchsieht, wird bald merken, welch monstroses Mittelding zwischen Kompilation und eigen gedachtem Werk dieses voluminose Opus geworden sei.

Die Ankunft "Egmonts" erfreut und beruhigt mich, und ich verlange auf ein Wort darüber, das nun wohl unterwegs ist. Das Saffianexemplar ist angelangt, ich hab' es der Angelika gegeben. Mit Kaysers Oper wollen wir es klüger machen, als man uns geraten hat; euer Vorschlag ist sehr gut, wenn Kayser kommt, sollt ihr mehr hören.

Die Rezension ist recht im Stil des Alten, zuviel und zu wenig. Mir ist jetzt nur dran gelegen, zu machen, seitdem ich sehe, wie sich am Gemachten, wenn es auch nicht das Vollkommenste ist, Jahrtausende rezensieren, das heißt, etwas von seinem Dasein hererzählen läßt.

Jedermann verwundert sich, wie ich ohne Tribut durchgekommen bin; man weiß aber auch nicht, wie ich mich betragen habe. Unser Oktober war nicht der schönste, ob wir gleich himmlische Tage gehabt haben.

Es geht mit mir jetzt eine neue Epoche an. Mein Gemüt ist nun durch das viele Sehen und Erkennen so ausgeweitet, daß ich mich auf irgendeine Arbeit beschränken muß. Die Individualität eines Menschen ist ein wunderlich Ding, die meine hab' ich jetzt recht kennen lernen, da ich einerseits dieses Jahr bloß von mir selbst abgehangen habe und von der andern Seite mit völlig fremden Menschen umzugehen hatte.