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Italienische Reise — Band 2

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Bericht

Juli

Um Nachstehendes, welches ich nunmehr einzuführen gedenke, schicklicherweise vorzubereiten, halte für nötig, einige Stellen aus dem vorigen Bande, welche dort, im Lauf der Ereignisse, der Aufmerksamkeit möchten entgangen sein, hier einzuschalten und die mir so wichtige Angelegenheit den Freunden der Naturwissenschaft dadurch abermals zu empfehlen.

Palermo, Dienstag, den 17. April 1787

Es ist ein wahres Unglück, wenn man von vielerlei Geistern verfolgt und versucht wird! Heute früh ging ich mit dem festen, ruhigen Vorsatz, meine dichterischen Träume fortzusetzen, nach dem öffentlichen Garten, allein eh' ich mich's versah, erhaschte mich ein anderes Gespenst, das mir schon diese Tage nachgeschlichen. Die vielen Pflanzen, die ich sonst nur in Kübeln und Töpfen, ja die größte Zeit des Jahres nur hinter Glasfenstern zu sehen gewohnt war, stehen hier froh und frisch unter freiem Himmel, und indem sie ihre Bestimmung vollkommen erfüllen, werden sie uns deutlicher. Im Angesicht so vielerlei neuen und erneuten Gebildes fiel mir die alte Grille wieder ein, ob ich nicht unter dieser Schar die Urpflanze entdecken könnte. Eine solche muß es denn doch geben! Woran würde ich sonst erkennen, daß dieses oder jenes Gebilde eine Pflanze sei, wenn sie nicht alle nach einem Muster gebildet wären?

Ich bemühte mich, zu untersuchen, worin denn die vielen abweichenden Gestalten voneinander unterschieden seien. Und ich fand sie immer mehr ähnlich als verschieden, und wollte ich meine botanische Terminologie anbringen, so ging das wohl, aber es fruchtete nicht, es machte mich unruhig, ohne daß es mir weiterhalf. Gestört war mein guter poetischer Vorsatz, der Garten des Alcinous war verschwunden, ein Weltgarten hatte sich aufgetan. Warum sind wir Neueren doch so zerstreut, warum gereizt zu Forderungen, die wir nicht erreichen noch erfüllen können!

Neapel, den 17. Mai 1787

Ferner muß ich dir vertrauen, daß ich dem Geheimnis der Pflanzenzeugung und — organisation ganz nahe bin, und daß es das Einfachste ist, was nur gedacht werden kann. Unter diesem Himmel kann man die schönsten Beobachtungen machen. Den Hauptpunkt, wo der Keim steckt, habe ich ganz klar und zweifellos gefunden, alles übrige seh' ich auch schon im ganzen, und nur noch einige Punkte müssen bestimmter werden. Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt, um welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen, das heißt: die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auf alles übrige Lebendige anwenden lassen.

So viel aber sei hier, ferneres Verständnis vorzubereiten, kürzlich ausgesprochen: Es war mir nämlich aufgegangen, daß in demjenigen Organ der Pflanze, welches wir als Blatt gewöhnlich anzusprechen pflegen, der wahre Proteus verborgen liege, der sich in allen Gestaltungen verstecken und offenbaren könne. Vorwärts und rückwärts ist die Pflanze immer nur Blatt, mit dem künftigen Keime so unzertrennlich vereint, daß man eins ohne das andere nicht denken darf. Einen solchen Begriff zu fassen, zu ertragen, ihn in der Natur aufzufinden, ist eine Aufgabe, die uns in einen peinlich süßen Zustand versetzt.

Störende Naturbetrachtungen

Wer an sich erfahren hat, was ein reichhaltiger Gedanke heißen will, er sei nun aus uns selbst entsprungen oder von andern mitgeteilt und eingeimpft, wird gestehen, was dadurch für eine leidenschaftliche Bewegung in unserm Geiste hervorgebracht werde, wie wir uns begeistert fühlen, indem wir alles dasjenige in Gesamtheit vorausahnen, was in der Folge sich mehr und mehr entwickeln, wozu das Entwickelte weiter führen soll. Dieses bedenkend, wird man mir zugestehen, daß ich von einem solchen Gewahrwerden wie von einer Leidenschaft eingenommen und getrieben worden, und, wo nicht ausschließlich, doch durch alles übrige Leben hindurch mich damit beschäftigen müssen.

So sehr nun auch diese Neigung mich innerlichst ergriffen hatte, so war doch an kein geregeltes Studium nach meiner Rückkehr in Rom zu denken; Poesie, Kunst und Altertum, jedes forderte mich gewissermaßen ganz, und ich habe in meinem Leben nicht leicht operosere, mühsamer beschäftigte Tage zugebracht. Männern vom Fach wird es vielleicht gar zu naiv vorkommen, wenn ich erzähle, wie ich tagtäglich in einem jeden Garten, auf Spaziergängen, kleinen Lustfahrten mich der neben mir bemerkten Pflanzen bemächtigte. Besonders bei der eintretenden Samenreife war es mir wichtig, zu beobachten, wie manche davon an das Tageslicht hervortraten. So wendete ich meine Aufmerksamkeit auf das Keimen des während seines Wachstums unförmlichen Cactus opuntia und sah mit Vergnügen, daß er ganz unschuldig dikotyledonisch sich in zwei zarten Blättchen enthüllte, sodann aber bei fernerem Wuchse sich die künftige Unform entwickelte.

Auch mit Samenkapseln begegnete mir etwas Auffallendes; ich hatte derselben mehrere von Acanthus mollis nach Hause getragen und in einem offenen Kästchen niedergelegt; nun geschah es in einer Nacht, daß ich ein Knistern hörte und bald darauf das Umherspringen an Decke und Wände, wie von kleinen Körpern. Ich erklärte mir's nicht gleich, fand aber nachher meine Schoten aufgesprungen und die Samen umher zerstreut. Die Trockne des Zimmers hatte die Reife bis zu solcher Elastizität in wenigen Tagen vollendet.

Unter den vielen Samen, die ich auf diese Weise beobachtete, muß ich einiger noch erwähnen, weil sie zu meinem Andenken kürzer oder länger in dem alten Rom fortwuchsen. Pinienkerne gingen gar merkwürdig auf, sie huben sich wie in einem Ei eingeschlossen empor, warfen aber diese Haube bald ab und zeigten in einem Kranze von grünen Nadeln schon die Anfänge ihrer künftigen Bestimmung.

Galt das Bisherige der Fortpflanzung durch Samen, so ward ich auf die Fortpflanzung durch Augen nicht weniger aufmerksam gemacht, und zwar durch Rat Reiffenstein, der auf allen Spaziergängen, hier und dort einen Zweig abreißend, bis zur Pedanterie behauptete, in die Erde gesteckt, müsse jeder sogleich fortwachsen. Zum entscheidenden Beweis zeigte er dergleichen Stecklinge gar wohl angeschlagen in seinem Garten. Und wie bedeutend ist nicht in der Folgezeit eine solche allgemein versuchte Vermehrung für die botanische Gärtnerei geworden, die ich ihm wohl zu erleben gewünscht hätte.

Am auffallendsten war mir jedoch ein strauchartig in die Höhe gewachsener Nelkenstock. Man kennt die gewaltige Lebens — und Vermehrungskraft dieser Pflanze; Auge ist über Auge an ihren Zweigen gedrängt, Knoten in Knoten hineingetrichtert; dieses wird nun hier durch Dauer gesteigert und die Augen aus unerforschlicher Enge zur höchstmöglichen Entwickelung getrieben, so daß selbst die vollendete Blume wieder vier vollendete Blumen aus ihrem Busen hervorbrachte.

Zur Aufbewahrung dieser Wundergestalt kein Mittel vor mir sehend, unternahm ich es, sie genau zu zeichnen, wobei ich immer zu mehrerer Einsicht in den Grundbegriff der Metamorphose gelangte. Allein die Zerstreuung durch so vielerlei Obliegenheiten ward nur desto zudringlicher, und mein Aufenthalt in Rom, dessen Ende ich voraussah, immer peinlicher und belasteter.

Nachdem ich mich nun so geraume Zeit ganz im stillen gehalten und von aller höheren zerstreuenden Gesellschaft fern geblieben, begingen wir einen Fehler, der die Aufmerksamkeit des ganzen Quartiers, nicht weniger der nach neuen und seltsamen Vorfällen sich umschauenden Sozietät auf uns richtete. Die Sache verhielt sich aber also: Angelika kam nie ins Theater, wir untersuchten nicht, aus welcher Ursache; aber da wir als leidenschaftliche Bühnenfreunde in ihrer Gegenwart die Anmut und Gewandtheit der Sänger sowie die Wirksamkeit der Musik unseres Cimarosa nicht genugsam zu rühmen wußten und nichts sehnlicher wünschten, als sie solcher Genüsse teilhaftig zu machen, so ergab sich eins aus dem andern, daß nämlich unsere jungen Leute, besonders Bury, der mit den Sängern und Musikverwandten in dem besten Vernehmen stand, es dahin brachte, daß diese sich in heiterer Gesinnung erboten, auch vor uns, ihren leidenschaftlichen Freunden und entschieden Beifall Gebenden, gelegentlich einmal in unserm Saale Musik machen und singen zu wollen. Dergleichen Vorhaben, öfters besprochen, vorgeschlagen und verzögert, gelangte doch endlich nach dem Wunsche der jüngern Teilnehmer zur fröhlichen Wirklichkeit. Konzertmeister Kranz, ein geübter Violinist, in herzogl. weimarischen Diensten, der sich in Italien auszubilden Urlaub hatte, gab zuletzt durch seine unvermutete Ankunft eine baldige Entscheidung. Sein Talent legte sich auf die Waage der Musiklustigen, und wir sahen uns in den Fall versetzt, Madam Angelika, ihren Gemahl, Hofrat Reiffenstein, die Herren Jenkins, Volpato und wem wir sonst eine Artigkeit schuldig waren, zu einem anständigen Feste einladen zu können. Juden und Tapezier hatten den Saal geschmückt, der nächste Kaffeewirt die Erfrischungen übernommen, und so ward ein glänzendes Konzert aufgeführt in der schönsten Sommernacht, wo sich große Massen von Menschen unter den Fenstern versammelten und, als wären sie im Theater gegenwärtig, die Gesänge gehörig beklatschten.

Ja, was das Auffallendste war, ein großer mit einem Orchester von Musikfreunden besetzter Gesellschaftswagen, der soeben durch die nächtliche Stadt seine Lustrunde zu machen beliebte, hielt unter unsern Fenstern stille, und nachdem er den obern Bemühungen lebhaften Beifall geschenkt hatte, ließ sich eine wackre Baßstimme vernehmen, die eine der beliebtesten Arien eben der Oper, welche wir stückweise vortrugen, von allen Instrumenten begleitet, hinzugesellte. Wir erwiderten den vollsten Beifall, das Volk klatschte mit drein, und jedermann versicherte, an so mancher Nachtlust, niemals aber an einer so vollkommenen, zufällig gelungenen teilgenommen zu haben.

 

Auf einmal nun zog unsere zwar anständige, aber doch stille Wohnung dem Palast Rondanini gegenüber die Aufmerksamkeit des Korso auf sich. Ein reicher Mylordo, hieß es, müsse da eingezogen sein, niemand aber wußte ihn unter den bekannten Persönlichkeiten zu finden und zu entziffern. Freilich, hätte ein dergleichen Fest sollen mit barem Gelde geleistet werden, so würde dasjenige, was hier von Künstlern Künstlern zuliebe geschah und mit mäßigem Aufwand zur Ausführung zu bringen war, bedeutende Kosten verursacht haben. Wir setzten nun zwar unser voriges stilles Leben fort, konnten aber das Vorurteil von Reichtum und vornehmer Geburt nicht mehr von uns ablehnen.

Zu einer lebhaftern Geselligkeit gab die Ankunft des Grafen Fries jedoch neuen Anlaß. Er hatte den Abbate Casti bei sich, welcher durch Vorlesung seiner damals noch ungedruckten galanten Erzählungen große Lust erregte; sein heiterer freier Vortrag schien jene geistreichen, übermäßig genialen Darstellungen vollkommen ins Leben zu bringen. Wir bedauerten nur, daß ein so gutgesinnter reicher Kunstliebhaber nicht immer von den zuverlässigsten Menschen bedient werde. Der Ankauf eines untergeschobenen geschnittenen Steines machte viel Reden und Verdruß. Er konnte sich indessen über den Ankauf einer schönen Statue gar wohl erfreuen, die einen Paris, nach der Auslegung anderer einen Mithras, vorstellte. Das Gegenbild steht jetzt im Museo Pio-Clementino, beide waren zusammen in einer Sandgrube gefunden worden. Doch waren es nicht die Unterhändler in Kunstgeschäften allein, die ihm auflauerten, er hatte manches Abenteuer zu bestehen; und da er sich überhaupt in der heißen Jahrszeit nicht zu schonen wußte, so konnt' es nicht fehlen, daß er von mancherlei übeln angefallen wurde, welche die letzten Tage seines Aufenthalts verbitterten. Mir aber war es um so schmerzlicher, als ich seiner Gefälligkeit gar manches schuldig geworden; wie ich denn auch die treffliche Gemmensammlung des Prinzen von Piombino mit ihm zu betrachten günstige Gelegenheit fand.

Beim Grafen Fries fanden sich außer den Kunsthändlern auch wohl derart Literatoren, wie sie hier in Abbétracht herumwandern. Mit diesen war kein angenehmes Gespräch. Kaum hatte man von nationaler Dichtung zu sprechen angefangen und sich über ein und andern Punkt zu belehren gesucht, so mußte man unmittelbar und ohne weiteres die Frage vernehmen, ob man Ariost oder Tasso, welchen von beiden man für den größten Dichter halte. Antwortete man: Gott und der Natur sei zu danken, daß sie zwei solche vorzügliche Männer einer Nation gegönnt, deren jeder uns nach Zeit und Umständen, nach Lagen und Empfindungen die herrlichsten Augenblicke verliehen, uns beruhigt und entzückt — dies vernünftige Wort ließ niemand gelten. Nun wurde derjenige, für den man sich entschieden hatte, hoch und höher gehoben, der andere tief und tiefer dagegen herabgesetzt. Die ersten Male sucht' ich die Verteidigung des Herabgesetzten zu übernehmen und seine Vorzüge geltend zu machen; dies aber verfing nicht, man hatte Partei ergriffen und blieb auf seinem Sinne. Da nun ebendasselbe immerfort und fort sich wiederholte und es mir zu ernst war, um dialektisch über dergleichen Gegenstände zu kontroversieren, so vermied ich ein solches Gespräch, besonders da ich merkte, daß es nur Phrasen waren, die man, ohne eigentliches Interesse an dem Gegenstande zu finden, aussprach und behauptete.

Viel schlimmer aber war es, wenn Dante zur Sprache kam. Ein junger Mann von Stande und Geist und wirklichem Anteil an jenem außerordentlichen Manne nahm meinen Beifall und Billigung nicht zum besten auf, indem er ganz unbewunden versicherte, jeder Ausländer müsse Verzicht tun auf das Verständnis eines so außerordentlichen Geistes, dem ja selbst die Italiener nicht in allem folgen könnten. Nach einigen Hin — und Widerreden verdroß es mich denn doch zuletzt, und ich sagte, ich müsse bekennen, daß ich geneigt sei, seinen äußerungen Beifall zu geben; denn ich habe nie begreifen können, wie man sich mit diesen Gedichten beschäftigen möge. Mir komme die "Hölle" ganz abscheulich vor, das "Fegefeuer" zweideutig und das "Paradies" langweilig; womit er sehr zufrieden war, indem er daraus ein Argument für seine Behauptung zog: dies eben beweise, daß ich nicht die Tiefe und Höhe dieser Gedichte zum Verständnis bringen könne. Wir schieden als die besten Freunde; er versprach mit sogar einige schwere Stellen, über die er lange nachgedacht und über deren Sinn er endlich mit sich einig geworden sei, mitzuteilen und zu erklären.

Leider war die Unterhaltung mit Künstlern und Kunstfreunden nicht erbaulicher. Man verzieh jedoch endlich andern den Fehler, den man an sich bekennen mußte. Bald war es Raffael, bald Michelangelo, dem man den Vorzug gab, woraus denn am Schluß nur hervorging, der Mensch sei ein so beschränktes Wesen, daß, wenn sein Geist sich auch dem Großen geöffnet habe, er doch niemals die Großheiten verschiedener Art ebenmäßig zu würdigen und anzuerkennen Fähigkeit erlange.

Wenn wir Tischbeins Gegenwart und Einfluß vermißten, so hielt er uns dagegen durch sehr lebendige Briefe möglichst schadlos. Außer manchen geistreich aufgefaßten wunderlichen Vorfällen und genialen Ansichten erfuhren wir das Nähere durch Zeichnung und Skizze von einem Gemälde mit welchem er sich daselbst hervortat. In halben Figuren sah man darauf Oresten, wie er am Opferaltar von Iphigenien erkannt wird und die ihn bisher verfolgenden Furien soeben entweichen. Iphigenie war das wohlgetroffene Bildnis der Lady Hamilton, welche damals auf dem höchsten Gipfel der Schönheit und des Ansehens glänzte. Auch eine der Furien war durch die ähnlichkeit mit ihr veredelt, wie sie denn überhaupt als Typus für alle Heroinen, Musen und Halbgöttinnen gelten mußte. Ein Künstler, der dergleichen vermochte, war in dem bedeutenden geselligen Kreise eines Ritter Hamilton sehr wohl aufgenommen.

August

Korrespondenz

Den 1. August 1787

Den ganzen Tag fleißig und still wegen der Hitze. Meine beste Freude bei der großen Wärme ist die überzeugung, daß ihr auch einen guten Sommer in Deutschland haben werdet. Hier das Heu einführen zu sehen, ist die größte Lust, da es in dieser Zeit gar nicht regnet und so der Feldbau nach Willkür behandelt werden kann, wenn sie nur Feldbau hätten.

Abends ward in der Tiber gebadet, in wohlangelegten sichern Badhäuschen; dann auf Trinitŕ de' Monti spaziert und frische Luft im Mondschein genossen. Die Mondscheine sind hier, wie man sie sich denkt oder fabelt.

Der vierte Akt von "Egmont" ist fertig, im nächsten Brief hoff' ich dir den Schluß des Stückes anzukündigen.

Den 11. August

Ich bleibe noch bis künftige Ostern in Italien. Ich kann jetzt nicht aus der Lehre laufen. Wenn ich aushalte, komme ich gewiß so weit, daß ich meinen Freunden mit mir Freude machen kann. Ihr sollt immer Briefe von mir haben, meine Schriften kommen nach und nach, so habt ihr den Begriff von mir als eines abwesend Lebenden, da ihr mich so oft als einen gegenwärtig Toten bedauert habt.

"Egmont" ist fertig und wird zu Ende dieses Monats abgehen können.

Alsdann erwarte ich mit Schmerzen euer Urteil.

Kein Tag vergeht, daß ich nicht in Kenntnis und Ausübung der Kunst zunehme. Wie eine Flasche sich leicht füllt, die man oben offen unter das Wasser stößt, so kann man hier leicht sich ausfüllen, wenn man empfänglich und bereitet ist; es drängt das Kunstelement von allen Seiten zu.

Den guten Sommer, den ihr habt, konnte ich hier voraussagen. Wir haben ganz gleichen reinen Himmel und am hohen Tag entsetzliche Hitze, der ich in meinem kühlen Saale ziemlich entgehe. September und Oktober will ich auf dem Lande zubringen und nach der Natur zeichnen. Vielleicht geh' ich wieder nach Neapel, um Hackerts Unterricht zu genießen. Er hat mich in vierzehn Tagen, die ich mit ihm auf dem Lande war, weiter gebracht, als ich in Jahren für mich würde vorgerückt sein. Noch schicke ich dir nichts und halte ein Dutzend kleine Skizzchen zurück, um dir auf mal etwas Gutes zu senden.

Diese Woche ist still und fleißig hingegangen. Besonders hab' ich in der Perspektiv manches gelernt. Verschaffelt, ein Sohn des Mannheimer Direktors, hat diese Lehre recht durchgedacht und teilt mir seine Kunststücke mit. Auch sind einige Mondscheine aufs Brett gekommen und ausgetuscht worden, nebst einigen andern Ideen, die fast zu toll sind, als daß man sie mitteilen sollte.

Rom, den 11. August 1787

Ich habe der Herzogin einen langen Brief geschrieben und ihr geraten, die Reise nach Italien noch ein Jahr zu verschieben. Geht sie im Oktober, so kommt sie gerade zur Zeit in dies schöne Land, wenn sich das Wetter umkehrt, und sie hat einen bösen Spaß. Folgt sie mir in diesem und andrem, so kann sie Freude haben, wenn das Glück gut ist. Ich gönne ihr herzlich diese Reise.

Es ist sowohl für mich als für andere gesorgt, und die Zukunft wollen wir geruhig erwarten. Niemand kann sich umprägen und niemand seinem Schicksale entgehn. Aus eben diesem Briefe wirst du meinen Plan sehn und ihn hoffentlich billigen. Ich wiederhole hier nichts.

Ich werde oft schreiben und den Winter durch immer im Geiste unter euch sein. Tasso kommt nach dem neuen Jahre. Faust soll auf seinem Mantel als Kurier meine Ankunft melden. Ich habe alsdann eine Hauptepoche zurückgelegt, rein geendigt, und kann wieder anfangen und eingreifen, wo es nötig ist. Ich fühle mir einen leichtern Sinn und bin fast ein andrer Mensch als vorm Jahr.

Ich lebe in Reichtum und überfluß alles dessen, was mir eigens lieb und wert ist, und habe erst diese paar Monate meine Zeit hier recht genossen. Denn es legt sich nun auseinander, und die Kunst wird mir wie eine zweite Natur, die gleich der Minerva aus dem Haupte Jupiters, so aus dem Haupte der größten Menschen geboren worden. Davon sollt ihr in der Folge tagelang, wohl jahrelang unterhalten werden.

Ich wünsche euch allen einen guten September. Am Ende Augusts, wo alle unsre Geburtstage zusammentreffen, will ich eurer fleißig gedenken. Wie die Hitze abnimmt, geh' ich aufs Land, dort zu zeichnen, indes tu' ich, was in der Stube zu tun ist, und muß oft pausieren. Abends besonders muß man sich vor Verkältung in acht nehmen.

Rom, den 18. August 1787

Diese Woche hab' ich einigermaßen von meiner nordischen Geschäftigkeit nachlassen müssen, die ersten Tage waren gar zu heiß. Ich habe also nicht so viel getan, als ich wünschte. Nun haben wir seit zwei Tagen die schönste Tramontane und eine gar freie Luft. September und Oktober müssen ein paar himmlische Monate werden.

Gestern fuhr ich vor Sonnenaufgang nach Acqua acetosa; es ist wirklich zum Närrischwerden, wenn man die Klarheit, die Mannigfaltigkeit, duftige Durchsichtigkeit und himmlische Färbung der Landschaft, besonders der Fernen ansieht.

Moritz studiert jetzt die Antiquitäten und wird sie zum Gebrauch der Jugend und zum Gebrauch eines jeden Denkenden vermenschlichen und von allem Büchermoder und Schulstaub reinigen. Er hat eine gar glückliche richtige Art, die Sachen anzusehn, ich hoffe, daß er sich auch Zeit nehmen wird, gründlich zu sein. Wir gehen des Abends spazieren, und er erzählt mir, welchen Teil er des Tags durchgedacht, was er in den Autoren gelesen, und so füllt sich auch diese Lücke aus, die ich bei meinen übrigen Beschäftigungen lassen mußte und nur spät und mit Mühe nachholen könnte. Ich sehe indes Gebäude, Straßen, Gegend, Monumente an, und wenn ich abends nach Hause komme, wird ein Bild, das mir besonders aufgefallen, unterm Plaudern aufs Papier gescherzt. Ich lege dir eine solche Skizze von gestern abend bei. Es ist die ungefähre Idee, wenn man von hinten das Kapitol heraufkommt.

Mit der guten Angelika war ich Sonntags die Gemälde des Prinzen Aldobrandini, besonders einen trefflichen Leonard da Vinci zu sehen. Sie ist nicht glücklich, wie sie es zu sein verdiente bei dem wirklich großen Talent und bei dem Vermögen, das sich täglich mehrt. Sie ist müde, auf den Kauf zu malen, und doch findet ihr alter Gatte es gar zu schön, daß so schweres Geld für oft leichte Arbeit einkommt. Sie möchte nun sich selbst zur Freude, mit mehr Muße, Sorgfalt und Studium arbeiten und könnte es. Sie haben keine Kinder, können ihre Interessen nicht verzehren, und sie verdient täglich auch mit mäßiger Arbeit noch genug hinzu. Das ist nun aber nicht und wird nicht. Sie spricht sehr aufrichtig mit mir, ich hab' ihr meine Meinung gesagt, hab' ihr meinen Rat gegeben und muntre sie auf, wenn ich bei ihr bin. Man rede von Mangel und Unglück, wenn die, welche genug besitzen, es nicht brauchen und genießen können! Sie hat ein unglaubliches und als Weib wirklich ungeheures Talent. Man muß sehen und schätzen, was sie macht, nicht das, was sie zurückläßt. Wie vieler Künstler Arbeiten halten Stich, wenn man rechnen will, was fehlt!

 

Und so, meine Lieben, wird mir Rom, das römische Wesen, Kunst und Künstler immer bekannter, und ich sehe die Verhältnisse ein, sie werden mir nah und natürlich, durchs Mitleben und Hin — und Herwandeln. Jeder bloße Besuch gibt falsche Begriffe. Sie möchten mich auch hier aus meiner Stille und Ordnung bringen und in die Welt ziehen, ich wahre mich, so gut ich kann. Verspreche, verzögre, weiche aus, versprach wieder und spiele den Italiener mit den Italienern. Der Kardinal Staatssekretär, Buoncompagni, hat mir es gar zu nahe legen lassen, ich werde aber ausweichen, bis ich halb September aufs Land gehe. Ich scheue mich vor den Herren und Damen wie vor einer bösen Krankheit, es wird mir schon weh, wenn ich sie fahren sehe.

Rom, den 23. August 1787

Euren lieben Brief Nr. 24 erhielt ich vorgestern, eben als ich nach dem Vatikan ging, und habe ihn unterwegs und in der Sixtinischen Kapelle aber — und abermals gelesen, sooft ich ausruhte von dem Sehen und Aufmerken. Ich kann euch nicht ausdrücken, wie sehr ich euch zu mir gewünscht habe, damit ihr nur einen Begriff hättet, was ein einziger und ganzer Mensch machen und ausrichten kann; ohne die Sixtinische Kapelle gesehen zu haben, kann man sich keinen anschauenden Begriff machen, was ein Mensch vermag. Man hört und liest von viel großen und braven Leuten, aber hier hat man es noch ganz lebendig über dem Haupte, vor den Augen. Ich habe mich viel mit euch unterhalten und wollte, es stünde alles auf dem Blatte. Ihr wollt von mir wissen! Wie vieles könnt' ich sagen! Denn ich bin wirklich umgeboren und erneuert und ausgefüllt. Ich fühle, daß sich die Summe meiner Kräfte zusammenschließt, und hoffe noch etwas zu tun. Über Landschaft und Architektur habe ich diese Zeit her ernstlich nachgedacht, auch einiges versucht und sehe nun, wo es damit hinaus will, auch wie weit es zu bringen wäre.

Nun hat mich zuletzt das A und O aller uns bekannten Dinge, die menschliche Figur, angefaßt, und ich sie, und ich sage: "Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn, und sollt' ich mich lahm ringen." Mit dem Zeichnen geht es gar nicht, und ich habe also mich zum Modellieren entschlossen, und das scheint rücken zu wollen. Wenigstens bin ich auf einen Gedanken gekommen, der mir vieles erleichtert. Es wäre zu weitläufig, es zu detaillieren, und es ist besser zu tun als zu reden. Genug, es läuft darauf hinaus, daß mich nun mein hartnäckig Studium der Natur, meine Sorgfalt, mit der ich in der komparierenden Anatomie zu Werke gegangen bin, nunmehr in den Stand setzen, in der Natur und den Antiken manches im ganzen zu sehen, was den Künstlern im einzelnen aufzusuchen schwer wird, und das sie, wenn sie es endlich erlangen, nur für sich besitzen und andern nicht mitteilen können.

Ich habe alle meine physiognomischen Kunststückchen, die ich aus Pik auf den Propheten in den Winkel geworfen, wieder hervorgesucht, und sie kommen mir gut zu passe. Ein Herkuleskopf ist angefangen; wenn dieser glückt, wollen wir weitergehen.

So entfernt bin ich jetzt von der Welt und allen weltlichen Dingen, es kommt mir recht wunderbar vor, wenn ich eine Zeitung lese. Die Gestalt dieser Welt vergeht, ich möchte mich nur mit dem beschäftigen, was bleibende Verhältnisse sind, und so nach der Lehre des *** meinem Geiste erst die Ewigkeit verschaffen.

Gestern sah ich bei Ch. v. Worthley, der eine Reise nach Griechenland, ägypten etc. gemacht hat, viele Zeichnungen. Was mich am meisten interessierte, waren Zeichnungen nach Basreliefs, welche im Fries des Tempels der Minerva zu Athen sind, Arbeiten des Phidias. Man kann sich nichts Schöneres denken als die wenigen einfachen Figuren. Übrigens war wenig Reizendes an den vielen gezeichneten Gegenständen; die Gegenden waren nicht glücklich, die Architektur besser.

Lebe wohl für heute. Es wird meine Büste gemacht, und das hat mir drei Morgen dieser Woche gekostet.

Den 28. August 1787

Mir ist diese Tage manches Gute begegnet, und heute zum Feste kam mir Herders Büchlein voll würdiger Gottesgedanken. Es war mir tröstlich und erquicklich, sie in diesem Babel, der Mutter so vieles Betrugs und Irrtums, so rein und schön zu lesen, und zu denken, daß doch jetzt die Zeit ist, wo sich solche Gesinnungen, solche Denkarten verbreiten können und dürfen. Ich werde das Büchlein in meiner Einsamkeit noch oft lesen und beherzigen, auch Anmerkungen dazu machen, welche Anlaß zu künftigen Unterredungen geben können.

Ich habe diese Tage immer weiter um mich gegriffen in Betrachtung der Kunst, und übersehe nun fast das ganze Pensum, das mir zu absolvieren bleibt; und wenn es absolviert ist, ist noch nichts getan. Vielleicht gibt's andern Anlaß, dasjenige leichter und besser zu tun, wozu Talent und Geschick bestimmt.

Die französische Akademie hat ihre Arbeiten ausgestellt; es sind interessante Sachen drunter. Pindar, der die Götter um ein glückliches Ende bittet, fällt in die Arme eines Knaben, den er sehr liebt, und stirbt. Es ist viel Verdienst in dem Bilde. Ein Architekt hat eine gar artige Idee ausgeführt, er hat das jetzige Rom von einer Seite gezeichnet, wo es sich mit allen seinen Teilen gut ausnimmt. Dann hat er auf einem andern Blatte das alte Rom vorgestellt, als wenn man es aus demselben Standpunkt sähe. Die Orte, wo die alten Monumente gestanden, weiß man, ihre Form auch meistens, von vielen stehen noch die Ruinen. Nun hat er alles Neue weggetan und das Alte wiederhergestellt, wie es etwa zu Zeiten Diokletians ausgesehen haben mag, und mit ebensoviel Geschmack als Studium, und allerliebst gefärbt.

Was ich tun kann, tu' ich, und häufe so viel von allen diesen Begriffen und Talenten auf mich, als ich schleppen kann, und bringe auf diese Weise doch das Reellste mit.

Hab' ich dir schon gesagt, daß Trippel meine Büste arbeitet? Der Fürst von Waldeck hat sie bei ihm bestellt. Er ist schon meist fertig, und es macht ein gutes Ganze. Sie ist in einem sehr soliden Stil gearbeitet. Wenn das Modell fertig ist, wird er eine Gipsform darüber machen und dann gleich den Marmor anfangen, welchen er dann zuletzt nach dem Leben auszuarbeiten wünscht; denn was sich in dieser Materie tun läßt, kann man in keiner andern erreichen.

Angelika malt jetzt ein Bild, das sehr glücken wird: die Mutter der Gracchen, wie sie einer Freundin, welche ihre Juwelen auskramte, ihre Kinder als die besten Schätze zeigt. Es ist eine natürliche und sehr glückliche Komposition.

Wie schön ist es, zu säen, damit geerntet werde! Ich habe hier durchaus verschwiegen, daß heute mein Geburtstag sei, und dachte beim Aufstehen: sollte mir denn von Hause nichts zur Feier kommen? Und siehe, da wird mir euer Paket gebracht, das mich unsäglich erfreut. Gleich setzte ich mich hin, es zu lesen, und bin nun zu Ende und schreibe gleich meinen herzlichsten Dank nieder.