Za darmo

Goethes Briefe an Leipziger Freunde

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

9. Kinderverstand

 
In großen Städten lernen früh
Die jüngsten Knaben was;
Denn manche Bücher lesen sie,
Und hören dieß und das
Vom Lieben und vom Küssen,
Sie brauchtens nicht zu wissen.
Und mancher ist im zwölften Jahr,
Fast klüger als sein Vater war
Da er die Mutter nahm.
 
 
Das Mädgen wünscht von Jugend auf,
Sich hochgeehrt zu sehn,
Sie ziert sich klein und wächst herauf
In Pracht und Assembleen.
Der Stolz verjagt die Triebe
Der Wollust und der Liebe,
Sie sinnt nur drauf wie sie sich ziert,
Ein Aug entzückt, ein Herze rührt,
Und denkt ans andre nicht.
 
 
Auf Dörfern sieht's ganz anders aus
Da treibt die liebe Noth,
Die Jungen auf das Feld hinaus
Nach Arbeit und nach Brod.
Wer von der Arbeit müde,
Läßt gern den Mädgen Friede.
Und wer noch obendrein nichts weiß,
Der denkt an nichts, den macht nichts heiß;
So geht's den Bauern meist.
 
 
Die Bauermädgen aber sind
In Ruhe mehr genährt,
Und darum wünschen sie geschwind
Was jede Mutter wehrt.
Oft stoßen schöckernd Bräute
Den Bräutgam in die Seite,
Denn von der Arbeit, die sie thun,
Sich zu erhohlen, auszuruhn,
Das können sie dabey.
 

10. Die Freuden

 
Da flattert um die Quelle
Die wechselnde Libelle,
Der Wasserpapillon,
Bald dunkel und bald helle,
Wie ein Cameleon;
Bald roth und blau, bald blau und grün.
O daß ich in der Nähe
Doch seine Farben sähe!
 
 
Da fliegt der Kleine vor mir hin
Und setzt sich auf die stillen Weiden.
Da hab ich ihn!
Und nun betracht ich ihn genau,
Und seh ein traurig dunkles blau.
So geht es dir Zergliedrer deiner Freuden!
 
 
10, 11. Da hab ich ihn! Da hab ich ihn!
 

11. Amors Grab

Nach dem Französischen
 
Weint, Mädgen! hier bey Amors Grabe, hier
Sank er von nichts, von ohngefähr darnieder.
Doch ist er wirklich todt? Ich schwöre nicht dafür.
Ein Nichts, ein Ohngefähr erweckt ihn öfters wieder.
 
 
11, 4. Von nichts, von ohngefähr erwacht er öfters wieder.
 

12. Liebe und Tugend

 
Wenn einem Mädgen das uns liebt,
Die Mutter strenge Lehren giebt,
Von Tugend, Keuschheit und von Pflicht,
Und unser Mädgen folgt ihr nicht,
Und fliegt mit neuverstärktem Triebe
Zu unsern heißen Küssen hin;
Da hat daran der Eigensinn,
So vielen Antheil als die Liebe.
 
 
Doch wenn die Mutter es erreicht,
Daß sie das gute Herz erweicht,
Voll Stolz auf ihre Lehren sieht,
Daß uns das Mädgen spröde flieht;
So kennt sie nicht das Herz der Jugend,
Denn wenn das je ein Mädgen thut
So hat daran der Wankelmuth
Gewiß mehr Antheil als die Tugend.
 
 
12, 7. So hat daran der Eigensinn
10. Daß sie das kleine Herz erweicht.
 

13. Unbeständigkeit

 
Im spielenden Bache da lieg ich wie helle!
Verbreite die Arme der kommenden Welle,
Und buhlerisch drückt sie die sehnende Brust.
Dann trägt sie ihr Leichtsinn im Strome darnieder,
Schon naht sich die zweyte und streichelt mich wieder,
Da fühl ich die Freuden der wechselnden Lust.
 
 
O Jüngling sey weise, verwein' nicht vergebens
Die fröhlichsten Stunden des traurigen Lebens
Wenn flatterhaft je dich ein Mädgen vergißt.
Geh, ruf sie zurücke die vorigen Zeiten,
Es küßt sich so süße der Busen der Zweyten,
Als kaum sich der Busen der Ersten geküßt.
 
 
13, 1. Auf Kieseln im Bache, da lieg ich wie helle!
9. Wenn flatterhaft dich ja ein Mädgen vergißt.
 

14. An die Unschuld

 
Schönste Tugend einer Seele,
Reinster Quell der Zärtlichkeit!
Mehr als Byron, als Pamele
Ideal und Seltenheit.
Wenn ein andres Feuer brennet,
Flieht dein zärtlich schwaches Licht;
Dich fühlt nur wer dich nicht kennet,
Wer dich kennt der fühlt dich nicht.
 
 
Göttin! In dem Paradiese
Lebtest du mit uns vereint;
Noch erscheinst du mancher Wiese,
Morgens eh die Sonne scheint.
Nur der sanfte Dichter siehet
Dich im Nebelkleide zieh'n;
Phöbus kömmt, der Nebel fliehet,
Und im Nebel bist du hin.
 

15. Der Misanthrop

 
A. Erst sitzt er eine Weile
Die Stirn von Wolken frey;
Auf einmal kömmt in Eile
Sein ganz Gesicht der Eule
Verzerrtem Ernste bey.
 
 
B. Sie fragen, was das sey?
Lieb oder lange Weile.
 
 
C. Ach sie sinds alle zwey.
 

16. Die Reliquie

 
Ich kenn', o Jüngling, deine Freude,
Erwischest du einmal zur Beute
Ein Band, ein Stückgen von dem Kleide,
Das dein geliebtes Mädgen trug.
Ein Schleyer, Halstuch, Strumpfband, Ringe,
Sind wirklich keine kleinen Dinge,
Allein mir sind sie nicht genug.
 
 
Mein zweytes Glücke nach dem Leben,
Mein Mädgen hat mir was gegeben,
Setzt eure Schätze mir daneben,
Und ihre Herrlichkeit wird nichts.
Wie lach ich all der Trödelwaare!
Sie schenkte mir die schönsten Haare,
Den Schmuck des schönen Angesichts.
 
 
Soll ich dich gleich, Geliebte, missen,
Wirst du mir doch nicht ganz entrissen,
Zu sehn, zu tändeln und zu küssen,
Bleibt mir der schönste Theil von dir.
Gleich ist des Haars und mein Geschicke,
Sonst buhlten wir mit einem Glücke
Um sie, jetzt sind wir fern von ihr.
 
 
Fest waren wir an sie gehangen,
Wir streichelten die runden Wangen,
Und gleiteten oft mit Verlangen
Von da herab zur rundern Brust.
O Nebenbuhler, frey vom Neide,
Reliquie, du schöne Beute,
Erinnre mich der alten Lust.
 
 
16, 4. Ein Strumpfband, einen Ring – ein Nichts
5-11 fehlen.
 

17. Die Liebe wider Willen

 
Ich weiß es wohl, und spotte viel:
Ihr Mädgen seyd voll Wankelmuth!
Ihr liebet, wie im Kartenspiel,
Den David und den Alexander;
Sie sind ja Forçen mit einander,
Und die sind mit einander gut.
 
 
Doch bin ich elend wie zuvor,
Mit misanthropischem Gesicht,
Der Liebe Sklav, ein armer Thor!
Wie gern wär ich sie los die Schmerzen!
Allein es sitzt zu tief im Herzen,
Und Spott vertreibt die Liebe nicht.
 

18. Das Glück der Liebe

 
Trink, o Jüngling, heilges Glücke
Taglang aus der Liebsten Blicke,
Abends gauckl' ihr Bild dich ein;
Kein Verliebter hab es besser,
Doch das Glück bleibt immer größer
Fern von der Geliebten seyn.
 
 
Ew'ge Kräffte, Zeit und Ferne,
Heimlich wie die Krafft der Sterne,
Wiegen dieses Blut zur Ruh.
Mein Gefühl wird stets erweichter,
Doch mein Herz wird täglich leichter,
Und mein Glück nimmt immer zu.
 
 
Nirgends kann ich sie vergessen,
Und doch kann ich ruhig essen,
Heiter ist mein Geist und frey;
Und unmerkliche Bethörung
Macht die Liebe zur Verehrung,
Die Begier zur Schwärmerey.
 
 
Aufgezogen durch die Sonne,
Schwimmt im Hauch äther'scher Wonne
So das leichtste Wölckgen nie,
Wie mein Herz in Ruh und Freude.
Frey von Furcht, zu groß zum Neide
Lieb ich, ewig lieb ich sie.
 

19. An den Mond

 
Schwester von dem ersten Licht,
Bild der Zärtlichkeit in Trauer!
Nebel schwimmt mit Silberschauer
Um dein reizendes Gesicht.
Deines leisen Fußes Lauf
Weckt aus Tagverschloßnen Hölen
Traurig abgeschiedne Seelen,
Mich, und nächt'ge Vögel auf.
 
 
Forschend übersieht dein Blick
Eine großgemeßne Weite!
Hebe mich an deine Seite,
Gieb der Schwärmerey dieß Glück!
Und in wollustvoller Ruh,
Säh der weitverschlagne Ritter
Durch das gläserne Gegitter,
Seines Mädgens Nächten zu.
 
 
Dämmrung wo die Wollust thront,
Schwimmt um ihre runden Glieder.
Trunken sinkt mein Blick hernieder.
Was verhüllt man wohl dem Mond.
Doch, was das für Wünsche sind!
Voll Begierde zu genießen,
So da droben hängen müßen;
Ey, da schieltest du dich blind.
 

20. Zueignung

 
Da sind sie nun! Da habt ihr sie!
Die Lieder, ohne Kunst und Müh
Am Rand des Bachs entsprungen.
Verliebt, und jung, und voll Gefühl
Trieb ich der Jugend altes Spiel,
Und hab sie so gesungen.
 
 
Sie singe, wer sie singen mag!
An einem hübschen Frühlingstag
Kann sie der Jüngling brauchen.
Der Dichter blinzt von ferne zu,
Jetzt drückt ihm diätätsche Ruh
Den Daumen auf die Augen.
 
 
Halb scheel, halb weise sieht sein Blick,
Ein bißgen naß auf euer Glück,
Und jammert in Sentenzen.
Hört seine letzten Lehren an,
Er hat's so gut wie ihr gethan
Und kennt des Glückes Gränzen.
 
 
Ihr seufzt, und singt, und schmelzt und küßt,
Und jauchzet ohne daß ihr's wißt,
Dem Abgrund in der Nähe.
Flieht Wiese, Bach und Sonnenschein,
Schleicht, sollt's auch wohl im Winter seyn,
Bald zu dem Heerd der Ehe.
 
 
Ihr lacht mich aus und rufft: der Thor!
Der Fuchs, der seinen Schwanz verlohr,
Verschnitt jetzt gern uns alle.
Doch hier paßt nicht die Fabel ganz,
Das treue Füchslein ohne Schwanz
Das warnt auch für der Falle.
 

„Vielleicht ist in der letzten Zeile euch für auch zu lesen.“

 
Tieck.

An Venus

 
Große Venus, mächtge Göttin!
Schöne Venus, hör mein Flehn.
Nie hast du mich
Über Krügen vor dem Bachus
Auf der Erden liegen sehn.
 
 
Keinen Wein hab ich getrunken
Den mein Mädchen nicht gereicht.
Nie getrunken,
Daß ich nicht voll güt'ger Sorge
Deine Rosen erst gesäugt.
 
 
Und dann goß ich auf dies Hertze,
Das schon längst dein Altar ist,
Von dem Becher
Güldne Flammen, und ich glühte,
Und mein Mädchen ward geküßt.
 
 
Dir allein empfand dies Hertze
Göttin gieb mir einen Lohn.
Aus dem Lethe
Soll ich trinken wenn ich sterbe,
Ach befreye mich davon.
 
 
Laß mir Gütige – dem Minos
Sey's an meinem Todt genug —
Mein Gedächtniß!
Denn es ist ein zweytes Glücke
Eines Glücks Erinnerung.
 

16. Nur für dich empfand dies Herze (Muse).

Goethes Briefe
an
Chr. G. und J. G. E. Breitkopf

I. 152

Gebe dir Gott einen guten

Abend Bruder Gottlob.

Daß du ein rechtschaffner Mensch bist, und brav, und dich herausmachst, das sagen mir alle Leute die von Leipzig kommen, und das freut mich höchlich, daß du dich nicht außer zu deiner Avantage änderst, du warst von ieher ein guter Junge, und hattest Menschenverstand, und Gedanken wie ein Mensch der eine Sache begreifft, und Einfälle nicht wie ieder; besuche uns doch einmal, die Mädgen sind hier sehr auf deiner Seite, ich hab ihnen so allerley von dir erzählt, und es sind einige muntre Köpfgen unter ihnen, die meynen es wäre was mit dir anzufangen; schreibe mir doch einmal, lieber Bruder, in was für Umständen du ietzo bist.

Ich lebe erträglich. Vergnügt und still. Ich habe ein halb Dutzend englische Mädgen die ich offt sehe, und binn in keine verliebt, es sind angenehme Kreaturen, und machen mir das Leben ungemein angenehm. Wer kein Leipzig gesehen hätte, der könnte hier recht wohl seyn; aber das Sachsen, Sachsen! Ey! Ey! das ist starcker Toback. Man mag auch noch so gesund und starck seyn, in dem verfluchten Leipzig, brennt man weg so geschwind wie eine schlechte Pechfackel. Nun, nun, das arme Füchslein, wird nach und nach sich erholen.153

Nur eins will ich dir sagen, hüte dich ia für der Lüderlichkeit. Es geht uns Mannsleuten mit unsern Kräfften, wie den Mädgen mit der Ehre, einmal zum Hencker eine Jungferschafft, fort ist sie. Man kann wohl so was wieder quacksalben, aber es wills ihm all nicht thun.

Adieu lieber Bruder. Habe mich lieb, und vergiss mich nicht. Aufs Früjahr geh ich nach Strasburg. Wer weiß wann wir da wieder was von einander hören. Schreibe mir doch die Zeit einmal, und wenn Bruder Bernhard nicht schreiben will, so lass dir sagen, ob er mir was zu melden hat und setze es mit in deinen Brief. Grüsse Stocken und seine Dame, und sag ihm er machte recht artige Sachen.

Goethe.

II. 154

Sie werden es dem Vertrauen, das ich zu Ihrer Güte habe, zuschreiben, wenn ich mich in einer kleinen litterarischen Angelegenheit an Sie wende.

Im Jahre 1752 ward eine Ausgabe des Reineke Fuchs bey Ihnen gedrukt. In derselbigen sind Kupfer, um die es mir eigentlich gegenwärtig zu thun ist. Da sie sehr ausgedrukt, und an einigen Stellen aufgestochen sind, so läßt sich vermuthen, daß sie schon zu einer oder mehrern ältern Ausgaben gedient haben. Die älteste nun von diesen zu erfahren und, wo möglich, zu besizen, wünschte ich gar sehr, indem ich auf die Werke des Aldert van Everdingen, der sie verfertiget, einen großen Werth lege.155 An wen könnte ich mich mit beßerer Hoffnung wenden, als an Sie, und bin wenigstens gewiß, daß ich einige sichere Nachricht durch Ihre Güte werde erhalten können. Sie verzeihen aus alter Neigung und Freundschaft der Freyheit, deren ich gebrauche, beehren mich mit einer baldigen Antwort und halten Sich versichert, daß ich Ihnen iederzeit mit vorzüglicher Hochachtung ergeben bleibe. Weimar den 20. Febr. 1782.

Goethe.

III

Im Zutrauen auf unsre ehmaligen guten Verhältnisse, nehme ich mir die Freyheit Ihnen einen jungen Mann zu empfehlen der Ihnen diesen Brief überreichen wird. Er wünscht in Leipzig zu bleiben und dort ein besseres Schicksal zu finden als er bisher hat erfahren müssen. Ich hoffe er wird Ihnen nicht beschwerlich seyn. Haben Sie die Güte ihm zu erlauben daß er Sie manchmal sehe, sich Ihnen eröffne. Verschaffen Sie ihm wo möglich einige Bekanntschaften und Connexionen, damit er durch litterarische Arbeiten etwas verdienen könne. Er heißt Vulpius und ist mir als ein gutartiger junger Mann bekannt.156 Verzeihen Sie diese Bitte und bleiben meiner fortdauernden Freundschaft und Hochachtung versichert. Weimar, d. 31 Aug 89

J W Goethe.

IV

Ew Hochedelgeb. haben die Güte gehabt mir vor einiger Zeit drey Stücke der Bachischen Sonaten für Kenner und Liebhaber zu senden und zwar das Stück. Sie versprachen mir die übrigen nachzusenden, ich habe sie aber bißher noch nicht erhalten. Sollten Ew Hochedelgeb. die drey fehlenden Stücke noch nicht gefunden haben oder es viele leicht gar unmöglich seyn sie aufzufinden, so bitte ich mir gefällige Nachricht davon aus, damit ich mich etwa anderwärts umsehen kann.

Ich lege einige Abdrücke meines Wapens bey welche Sie verlangten.

Mit besonderer Hochachtung unterzeichne ich mich

Weimar d. Octbr. 1790.

Ew Hochedelgeb.
ergebenster
Goethe

V

Da ich die noch fehlenden Bachischen Sonaten, und auch eine weitere Nachricht von Ew Hochedelgeb. nicht erhalten habe; so nehme ich mir die Freyheit die drey Stücke der Sammlung, die mir nun zu weiter nichts nütze sind zurück zu schicken, und selbige mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehen zu begleiten.

Weimar d 4. Febr. 1791.

J W Goethe

Goethes Briefe
an
Phil. Erasmus Reich

I. 157

Franckf. am 20. Febr. 70.

Theuerster Herr Reich,

Es giebt gemischte Empfindungen, die Mendelssohn so richtig zeichnen, und Wieland so süsse mahlen kann, und von denen wir andre schweigen müssen. Davon war es eine die mich überfiel, als ich Ihren lieben Brief, mit dem angenehmsten Geschencke erhielt.158

Nichts war mir neu. Denn dass Wieland so ein Autor ist, dass Sie so ein Verleger und so gütig gegen mich sind, das weiss ich seitdem ich Sie und Wielanden kenne; allein in dem Grade! unter diesen Umständen! war mir alles neu. Meine Danckbaarkeit werden Sie leicht nach dem Werth Ihrer Freundschafft, nach der Fürtrefflichkeit des Buchs, und nach dem Vergnügen messen können, das man in dieser Franckfurter Hungersnoth des guten Geschmacks, sehr lebhafft fühlen muss, wenn man ein neues Buch geschwind in die Hände kriegt. Und auch darum lasse ich meine Erkänntlichkeit gerne schweigen; denn wahrhafftig Sie müssten sehr müde werden Dancksagungen anzuhören, wenn Ihre besondere Gütigkeit, nicht gleich iedem den Sie verbinden, ein ehrfurchtsvolles Stillschweigen auflegte.

Oesers Erfindungen haben mir eine neue Gelegenheit gegeben, mich zu seegnen, dass ich ihn zum Lehrer gehabt habe. Fertigkeit oder Erfahrung vermag kein Meister seinem Schüler mitzutheilen, und eine Übung von wenigen Jahren, Thut in den bildenden Künsten, nur was mittelmässiges; auch war unsre Hand, nur sein Nebenaugenmerck; er drang in unsre Seelen, und man musste keine haben um ihn nicht zu nutzen.

Sein Unterricht wird auf mein ganzes Leben Folgen haben. Er lehrte mich, das Ideal der Schönheit sey Einfalt und Stille, und daraus folgt, dass kein Jüngling Meister werden könne. Es ist ein Glück wenn man sich von dieser Wahrheit nicht erst durch eine traurige Erfahrung zu überzeugen braucht. Empfehlen Sie mich meinem lieben Oeser. Nach ihm und Schäckespearen, ist Wieland noch der einzige, den ich für meinen ächten Lehrer erkennen kann, andre hatten mir gezeigt dass ich fehlte, diese zeigten mir wie ichs besser machen sollte.

Meine Gedancken über den Diogenes werden Sie wohl nicht verlangen. Empfinden und schweigen ist alles was man bey dieser Gelegenheit thun kann; denn so gar loben soll man einen grosen Mann nicht, wenn man nicht so gros ist wie er. Aber geärgert habe ich mich schon auf Wielands Rechnung, und ich glaube mit Recht. Wieland hat das Unglück offt nicht verstanden zu werden, vielleicht ist manchmal die Schuld sein, doch manchmal ist sie es nicht, und da muss man sich ärgern wenn Leute ihre Missverständnisse dem Publiko für Erklärungen verkaufen. Jüngst sagte ein Recensent: die Rede vom Mann im Monde159 sey eine feine Satyre auf die Philosophie der damaligen Zeiten, und ihre Tohrheit. Wem könnte so was einfallen? Doch ia! Er hat einen Gesellschaffter an dem Übersetzer des Agathon. Tableau des moeurs de l'ancienne Grece! So ohngefähr wird der Tittel seyn.160 Ich glaube der Mensch hielte das Buch für eine Archaiologie.

 

Ich weiss nicht ob sich W. auch drüber ärgert, wenigstens hätte er's Ursach.

Wenn Sie diesem grosen Autor, Ihrem Freunde schreiben, oder ihn sprechen, so haben Sie die Gütigkeit, ihm einen Menschen bekannt zu machen, der zwar nicht Mann's genung ist seine Verdienste zu schätzen, aber doch ein genung zärtliches Herz hat sie zu verehren; mit dessen aufrichtigster Empfindung er sich auch nennt

Ihren ergebensten Diener.
Goethe.

II

Hochedelgebohrner insonders Hochzuehrender Herr

Es ist mir sehr angenehm gleich mit dem Anfange des Neueniahrs Gelegenheit zu finden Sie an Ihre alte Gewogenheit gegen mich zu erinnern. Lavater trägt mir auf Ihnen beigehenden Anfang des Phisiognomischen Manuscripts zu übersenden mit dem es folgende Bewandniß hatt. Die Übersetzung der Einleitung habe ich zu besorgen,161 dahingegen Sie die Fragmente selbst von p. 7 an von Herrn Hubern übersezen laßen werden. p. 17. wo ein † mit Bleistifft gezeichnet stehet, wie auch p. 21. werden vielleicht noch einige Zusäze eingesandt werden, sollten diese aber außen bleiben, so ist an beiden Orten zur Nachricht dem Sezer schon angemerkt daß diese Zeichen auf weiter nichts Beziehung haben. Wollten Sie mir den Empfang dieser Papiere gefälligst berichten, und zugleich etwa sonst einiges zu Beförderung und Ausführung dieses Werks gehöriges mir zu wißen thun, so will ich alles mit dem besten Eifer besorgen, da ohnedem die Spedition des Manuscripts meistens durch meine Hände gehen wird, da ich den öfters die Ehre haben werde Sie derienigen Hochachtung zu versichern mit der ich mich nenne

Frankfurt den 2 Jenner

1775

Ew. Hochedelgeb.
ganz ergebenster Diener
Goethe

III

Hier schick ich die Zugaben an den bemerckten Orten einzurücken, ich hoffe sie sollen zur rechten Zeit kommen wo nicht so bitte mirs gleich zu melden.

Sie werden die Folge nun auch schon empfangen haben, oder so gleich empfangen. Frfurt. d. 23 Jan. 1775.

Goethe.

IV

Frankfurt den 14 Hornung 1775.

Ihr leztes geehrtes Schreiben habe durch Herrn Jonas richtig erhalten, wie auch gestern die Probebogen die ich sogleich weiter spediren werde. Wegen der Vignetten hab ich schon an Lavatern geschrieben. Der Judas nach Holbein ist nicht Vignette sondern große Platte, und ich glaube zuverläßig der Christus auch, ob ich ihn gleich noch nicht gesehn habe, doch das sollen Sie mit einander hören. Vielleicht hat Ihnen Herr Jonas geschrieben was wir auf ihr leztes vor das erste vorgekehrt. Da das Bücher-Commissariat eine förmliche Anzeige verlangt, so wird solche der Herr Bruder in Büdingen verfertigen, worinne die Darlegung des vierten und fünften Theils Gellertischer Schrifften162, den klarsten und einfachsten Beweis gebrochener Kayserl. allerhöchster Verfügung abgiebt, da ich denn gerathen habe, dass man von der Commission ein Requisitionsschreiben an den Magistrat verlangen soll, wodurch derselbige in Obliegenheit gesezt wird wenigstens vorerst gegen den Schiller zu verfahren. Was die Niederlage der Sächsischen Bücher allhier betrifft163, sehe ich die Sache zu wenig ein, als dass ich eine gegründete Meinung darüber fassen könnte, schweer würde es immer seyn einen Buchhändler dazu zu finden und zu engagiren. Was ich in dieser Sache dienen kann werd ich mit viel Vergnügen thun. Belieben Sie mich nur mit gefälliger Nachricht und Weisung zu versehen.

Mit der gestrigen Post sind abermals Zugaben zu dem neunten Phisiognomischen Fragmente an Sie abgegangen, wobei zugleich ein Einschluß an Hrn. Prof. Oeser ist den ich gütig abzugeben bitte.

Goethe Dr.

V

Ganz richtig! über Apoll ist die 21. Zugabe. A-E hab ich erhalten. Nach Fragment. 16 hab ich eine Zugabe willentlich weggelassen wie Sie am ausgestrichnen Ende gedachten Fragments sehen werden. Dass dies nicht etwa auch Irrung mache. Es folgt gleich Fragm. 17

d. 14 Merz. 1775.

Goethe

VI

A. B. C. D. sind die vier ersten Phisiogn. Übungen, die übrigen werden alle apart gedruckt und eingehefftet also gewiss auch die. Dass Lav. verlangte ich solle den Abdruck der einen mitschicken, war dünckt mich nur dem Sezzer sinnlich zu zeigen dass Frag und Antworten gegen einander über auf zwey Seiten kämen, da dann die Tafel dazwischen würde gebunden werden. Doch schreib ich gleich deswegen und besorge die andern Vignetten. Die Trenckm. Geschichte hat mich sehr frappirt. d. 31 Merz 75.

G.
152Gedruckt in den Fragmenten aus einer Goethe-Bibliothek. S. 3.
153S. oben
154Die folgenden Briefe sind an den Vater Joh. Gottlob Immanuel und an die Handlung gerichtet.
155„Wo du etwas von Everdingens Radirungen auftreiben kannst, schicke es doch ja. Seit ich diesen Menschen kenne, mag ich weiter nichts ansehen.“ Briefe an Merck II. S. 183 vgl. S. 181 f. 188. I. S. 213. 252. 258. 278. 284. an Frau v. Stein II. S. 60. 76. 118. 141.
156Vgl. Briefw. mit Jacobi S. 112 ff. 116. 120.
157Einige dieser Briefe sind gedruckt bei H. Hirzel, Briefe von Goethe an Lavater S. 163 ff.
158Wieland, Dialogen des Diogenes. Leipz. 1770.
159Diogenes 34. Werke XIII. S. 141 ff.
160Histoire d'Agathon ou tableau philosophique des mœurs de la Grèce imité de l'Allemand de Mr. Wieland. Laus. 1768.
161Goethe sollte die Einleitung durch Gotter ins Französische übersetzen lassen. (Brief von Lavater an Reich 20. Jan. 75.)
162Gellerts Moral war von Göbhardt in Bamberg nachgedruckt.
163Bezieht sich auf Reichs Plan, in Frankfurt ein Commissionslager norddeutschen Verlags zu errichten. Vgl. Sal. Hirzel im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1845 Nr. 6. 23 f.