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Goethes Briefe an Leipziger Freunde

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II

Franckfurt, am 9 Nov.
1768.

Hochgeehrtester Herr Professor,

Das Aussenbleiben Ihres Junges, hat diesen Brief, den ich so balde zu schreiben schuldig war, um einen Monat und drüber verzögert. Mit ihm hoffte ich ein Paquet Briefe, und ein Paquet Kleinigkeiten nach Leipzig zu schicken, die nun auf eine andre Gelegenheit warten mögen.

Wenn Sie nicht mehr Nachricht von ihm haben als ich; so werden Sie unruhiger seyn als ich; denn ich dencke immer, er hat entweder an Sie geschrieben, oder ist durch einen andern Weeg zu Ihnen zurückgekehrt. Bald hoffe ich's zu erfahren; ein guter Freund hat es auf sich genommen, sich in Grehweiler zu erkundigen wie es mit ihm und seinen Sachen steht.

Meine Gesundheit fängt an, wieder etwas zu steigen, und doch ist sie noch nicht viel über's Schlimme. Inliegender Brief, den ich mich unterstanden habe an Ihre Mademoiselle Tochter zu schreiben, sagt mehr von diesem Punckte, und mehr von meinem übrigen Leben.

Die Kunst, ist, wie sonst, fast jetzt meine Hauptbeschäfftigung, ob ich gleich mehr drüber lese, und dencke, als selbst zeichne, denn jetzt da ich so allein lauffen soll, fühle ich erst meine Schwäche; es will gar nicht mit mir fort Herr Professor, und ich weiss vor der Hand nichts anders, als das Lineal zu ergreifen, und zu sehen, wie weit ich mit dieser Stütze in der Baukunst und in der Perspecktiv kommen kann.

Was binn ich Ihnen nicht schuldig, Theuerster Herr Professor, dass Sie mir den Weeg zum Wahren und Schönen gezeigt haben, dass Sie mein Herz gegen den Reitz fühlbaar gemacht haben. Ich binn Ihnen mehr schuldig, als dass ich Ihnen dancken könnte. Den Geschmack den ich am Schönen habe, meine Kenntnisse, meine Einsichten, habe ich die nicht alle durch Sie? Wie gewiss, wie leuchtend wahr, ist mir der seltsame, fast unbegreifliche Satz geworden, dass die Werckstatt des grossen Künstlers mehr den keimenden Philosophen, den keimenden Dichter entwickelt, als der Hörsaal des Weltweisen und des Kritickers. Lehre tuht viel, aber Aufmunterung tuht alles. Wer unter allen meinen Lehrern hat mich jemals würdig geachtet mich aufzumuntern, als Sie. Entweder ganz getadelt, oder ganz gelobt, und nichts kann Fähigkeiten so sehr niederreissen. Aufmunterung nach dem Tadel, ist Sonne nach dem Reegen, fruchtbaares Gedeyen. Ja Herr Professor wenn Sie meiner Liebe zu den Musen nicht aufgeholfen hätten ich wäre verzweifelt. Sie wissen was ich war da ich zu ihnen kam, und was ich war da ich von Ihnen ging, der Unterschied ist Ihr Werck. Ich weiss wohl, es war mir wie Prinz Biribinckern nach dem Flammenbaade,108 ich sah ganz anders, ich sah mehr als sonst; und was über alles geht, ich sah was ich noch zu tuhn habe, wenn ich was seyn will.

Sie haben mich gelehrt demütig ohne Niedergeschlagenheit, und stolz ohne Präsumtion zu seyn. Ich würde kein Ende finden, zu sagen was Sie mich gelehrt haben; verzeihen Sie meinem danckbaaren Herzen diese Apostrophe, diese Sentenzen; das habe ich mit allen tragischen Helden gemein, dass meine Leidenschafft sich sehr gerne in Tiraden ergiesst, und wehe dem der meiner Lava in den Weeg kömmt.

Die Gesellschafft der Musen, und eine fortgesetzte schrifftliche Unterredung mit meinen Freunden, wird mir diesen Winter ein kränckliches einsames Leben angenehm machen, das ohne sie für einen Menschen von zwanzig Jahren eine ziemliche Folter seyn möchte.

Mein Freund Seekatz109 ist einige Wochen vor meiner Ankunft gestorben. Meine Liebe für die Kunst, meine Danckbarkeit gegen die Künstler, werden Ihnen das Maas meines Schmerzens angeben. Sollte Hr. CrStEinnehmer Weise die Gefälligkeit für mich haben wollen, einige Nachrichten von seinem Leben und seiner Kunst in die Bibliotheck einzurücken: so wollte ich sie Ihnen zusenden.110 Haben Sie die Gütigkeit, ihn bey Gelegenheit darum zu ersuchen. Idris habe ich eben gelesen, meine Gedancken hiervon ein andermal. Meine Eltern grüssen Sie und Ihre Famielie, mit der Liebe und Danckbaarkeit, die sie einem Manne schuldig sind, dem ihr Sohn so viel schuldig ist. Leben Sie wohl. Ich binn

Theuerster Hr. Professor
Der Ihrige
Goethe.

III

Franckfurt, am 24 Nov. 1768.

Hochgeehrtester Herr Professor,

Junge, geht Morgen ab, sollte ich diese Gelegenheit versäumen, an Sie zu schreiben? Ich beneide alle Welt, die nach Sachsen geht, und meine Briefe dazu; und doch ist meine Correspondenz nach Sachsen, jetzt fast das einzige, daran ich ein würckliches Vergnügen finde.

Sie werden Sich verwundern, was Ihr Tischer für Kostbaarkeiten mitbringt; wir haben uns alle gefreut, dass seine Reise, die Kranckheit ausgenommen, so glücklich gewesen ist, und hoffen, dass seine Rückreise bey dieser schlimmen Jahrszeit, so gut gehen wird, als es wahrscheinlich ist.

Wäre der Weeg nach Leipzig, nur nicht gar so schlimm, und gar so lang; ich wollte Sie einmal recht unvermuhtet überfallen. Denn Ich habe Ihnen gar zu viel zu sagen. Sie wissen ich hatte immer einen hübschen Fond von Reflecktiohnen die ich Ihnen meistenteils vortrug, freylich gingen sie manchmal etwas queer, nun, da belehrten Sie mich eines bessern; aber es giebt tausend Dinge, die man ohne Bedencken sagt, die man aber groses Bedencken trägt zu schreiben.

Meine Gedancken über den Idris, und den Brief an Riedeln,111 über den Ugolino, über Weissens Grosmuht für Grosmuht, über die Abhandlung von Kupferstichen, aus dem Englischen,112 sind zwar zum erzälen ganz erträglich, zum Schreiben noch lange nicht ordentlich, nicht richtig genug.

Die Cabinette hier, sind zwar klein, dafür sind sie häufig und ausgesucht, mein gröstes Vergnügen ist, mich recht darinne umzusehen. Es ist gut dass Sie mich gelehrt haben, wie man sich umsieht.

Sonst leide ich viel der Kunst wegen; mein Glück, dass ich schon gewohnt binn, um meiner Freunde willen zu leiden. Apostel, Propheten und Poeten, schätzt man selten in ihrem Vaterlande, und noch seltner zu der Zeit, da man sie alle Tage sehn kann; und doch kann ich mich nicht enthalten den guten Geschmack zu predigen; richtet man gleich nicht viel aus, so lernt man doch immer dabey, und sollte man auch nur bey der Gelegenheit erfahren, dass weit ausgebreitete Gelehrsamkeit, tiefdenckende spitzfündige Weisheit, fliegender Witz und gründliche Schulwissenschafften, mit dem Guten Geschmacke, sehr heterogen sind.

Das Frauenzimmer liebt sich hier sehr das erstaunliche, vom schönen, naiven, komischen halten sie weniger. Desswegen sind alle Meerwunder: Grandison, Eugenie,113 der Galeerensclave,114 und wie die ganze fantastische Famielie heisst, hier im grossen Ansehn. Von der Wilhelmine, die doch dem Himmel sey Danck, dreymal aufgelegt ist,115 habe ich trutz aller Nachfrage in keiner Damenbibliotheck Ein Exemplar auftreiben können. Nächstens ein mehreres von diesen betrübten Umständen.

 

Wenn der Rothstein und die schwarze Kreide gut sind, so steht Ihnen mehr zu Diensten. Empfelen Sie mich gütig, Ihrer Frau Gemalinn, und der ganzen Famielie; wie auch meinen Gönnern und Freunden, denen Herren Creuchauf, Weisse, Clodius Hubert, v. Hartenberg, Cravinus, Gröning, namentlich. Meine Eltern empfelen sich Ihnen. Und ich binn, mit der zärtlichsten Hochachtung,

Ihr
ergebenster Schüler
und Diener,
Goethe.

IV. 116

Ich bin verschwunden wie ich erschienen bin. Liebster Mann, tausend Danck für alles, und unveränderliche Liebe in saecla saeclorum. Grüsen Sie ihre ganze Famielie, und Beckern117. Vergessen Sie die Abgüsse nicht und schicken sie bald. Der Herzog hat auf meine Beschreibung Lust zu den Snayers gekriegt, man muss sehn wie sie ihm gegenwärtig behagen. Drum bitt ich Sie, mir sie wohl gesäubert und wohl gepackt mit dem Postwagen zu übersenden. – Ich habe Leipzig ungern verlassen, – M. Becker soll mir manchmal schreiben.

Weimar d. 6. Apr. 1776.

Goethe.

V

Wir wollen der Hrz. Louise auf ihren Geburtstag auf unsern Brettern ein neu Stück geben118 und bedürfen dazu eines hintersten Vorhanges zum Wald. Wir mögten auf diesem Prospeckt gern eine herrliche Gegend vorstellen mit Haynen Teichen, wenigen Architeckturstücken &c. denn es soll einen Parck bedeuten.

Hätten Sie so was vorräthig so schicken Sies doch aber mit nächster Post, allenfalls ein Kupfer von Poussin, oder sonst eine Idee, wir bitten recht sehr drum. Sie haben erinnere ich mich so was auf einem Vorhang in Leipzig. Die Büste kriegen Sie ehstens. Ihr Andencken ist lebendig unter uns. Herzoginn Louise hat mir Vorwürfe gemacht dass ich Sie nicht zu ihr gebracht habe, also müssen Sie bald wiederkommen das gut zu machen. Addio ist Ihnen nichts weiter von meiner Gottheit offenbaart worden?

d. 7 Jan. 77. Goethe.

VI

Wir sind durch einen andern Weeg wieder in unser Land gegangen, und haben Sie nicht mit nehmen können119. Es ist auch iezt Herzoginn Mutter in Ilmenau, ob Sies gleich wohl auch hätte freuen können Ihr dahin zu folgen.

Nun bitte ich inständig um die Basreliefs weil ich gern möchte die Rahmen fertigen lassen in ihrer Abwesenheit.

Gern unterhielt ich Sie von dem gebetnen Tische und von andern Sachen aber ich weis schon wies einem mit Ihnen geht.

Schicken Sie mir doch ein paar Zeichnungen zu steinernen Garten Bäncken ganz simpel aber schöne Formen.

Wenn ich von Ilmenau komme hören Sie mehr von mir.

Von dem Tische schreib ich Ihnen meine Gedancken. Ich hab mir wieder so ein fest Bild gemacht wie er aussehn soll und das ist wieder ein bisgen gothisch. Wir werden wieder Händel haben; es ist so schlimm was für mich zu machen als für irgend einen Philister. Schreiben Sie und schicken Sie bald.

d. 15 Jun. 78.
Goethe.

VII. 120

Weimar den 10 Merz. 1780.

Meinen besten Dank werthester Herr Professor bezeige ich Ihnen für das gütig überschickte. Das Gefängniss soll abgezeichnet sogleich wieder zurückkommen.

Sie schreiben: „das mitfolgende auf Papier entworffene soll Schuman in des obigen Tone ausführen“ ich finde aber nichts worauf sich diese Linien beziehen könnten.

Die Zeichnung des Tischfuses liegt wieder bei ich wähle die terms und bitte Sie versprochnermassen so wohl um die Reinlichkeit des Details als um die Stellung, Construktion und Verbindung des Ganzen.

Auch ersuche ich sie mir bald möglichst einen Theaterleuchter zu schicken, denn wir sind bald so weit dass wir des Lichts bedürfen.

Sie stehen mein lieber Herr Professor mit noch verschiednen andern Sachen auf meinem Zettelein und ich bitte Sie aber und abermal ja Ihren Plan sicher zu machen, dass Sie mit eintretendem Frühjahr bei uns sein können.

Den Brief werd' ich besorgen und die Kiste erwarten.

Goethe

VIII

Ihre Briefe habe ich übergeben und Ihre Aufträge ausgerichtet. Wahrscheinlich erhalten Sie mit der heutigen Post auch Ihre Büste und ich hoffe dass Sie einigermassen mit der Arbeit zufrieden sein werden.121 Ich habe mit Clauern gesprochen, wegen des Verlangens das Sie haben ihn auf eine Zeit bei Sich zu sehen. Er scheint unentschlossen und ich wünschte selbst, ehe ich Durchl. dem Herzog etwas davon sage und um Urlaub für ihn bitte, näher unterrichtet zu sein, auf was für eine Art, wie lang und zu welchem Zweck Sie ihn bei Sich zu haben wünschen, denn nach allen diesem wird der Herr mich gewiss fragen. Klauer selbst scheint wegen einiger näherer Bestimmung verlegen und ich wollte selbst rathen mit ihm dadrüber so ausführlich und deutlich als möglich zu handeln. Es giebt bei Arbeiten des Künstlers die schweer zu schätzen sind meistentheils zulezt ein Misvergnügen, wenn man sich nicht gleich Anfangs zusammen auf einen festen Fus gesezt hat. Es bleibt ihm ohnedem auch hier noch verschiedenes zu thun, wo er unter ein Viertel Jahr schweerlich fertig wird.

Ich schicke hier versprochener massen ein Exemplar der berühmten Correspondenz, die ich mir zu seiner Zeit wieder zurück erbitte. Ich weis nicht ob es Ihnen gehen wird, wie mir, Sie ist mir in der Erzählung hübscher und lustiger vorgekommen als Sie mir gedruckt erscheint.

Wollen Sie etwa einige architektonische Zeichnungen für Durchl. den Prinzen122 hierher schicken so würde ich sorgen dass sie kopirt werden.

In dem ich dieses schreibe sind Sie wohl in einer wichtigen Handlung begriffen, wozu ich alles Glück wünsche.123 Vielleicht steht die Statue schon auf ihrem Plaz und ich bin recht neugierig sie zu sehen.

Leben Sie recht wohl. Denken Sie gelegentlich an die Aufträge mit denen wir Sie belästigt haben. Weimar den 3 Aug. 1780.

Goethe

IX

In der Zerstreuung, in die mich vielerley Geschäfte bey meiner Ankunft versezen, kann ich nur mein bester Herr Profeßor Ihnen für die viele Liebe und Freundschaft danken die Sie mir bey meinem Aufenthalt in Leipzig bezeiget. Da mir meine Stunden so knapp zugemeßen waren, wie viel bin ich Ihnen nicht schuldig dass Sie mir den größten Theil davon so angenehm und nüzlich haben verbringen machen.

Da ich übermorgen als den 3t. schon wieder von hier abreisen muß,124 so bitte ich Sie wegen der abzuschickenden Statue mit dem Herrn Rath Bertuch zu korrespondiren, dem ich den umständlichen Auftrag gegeben habe. Er wird auf Ihre Nachricht den Fuhrmann zur rechten Zeit nach Leipzig schicken, und das nöthige besorgen.

Ich empfehle mich Ihnen und den Ihrigen aufs beste, wobey sich mein kleiner Reisegefährdte125 mit anschließt. Verzeihen Sie alle Beschwerden die ich Ihnen mache, und bleiben Sie meiner vollkommensten Ergebenheit versichert. Weimar d. 1 Okt. 1781.

Das bewußte Basrelief wird nächstens anlangen.

Goethe

X

Mein Dank kommt spät lieber Herr Professor und ist noch immer so warm als beym Abschiede, da ich gewiß sehr ungerne Leipzig verließ.126 Sie haben mir meinen Aufenthalt so angenehm und nüzlich gemacht als möglich und ich bin wie immer bereichert von Ihnen weggegangen.

 

Zwar habe ich es gemacht wie das Volk Israel bey seinem Auszuge aus Egypten. Sie werden verschiedenes vermissen worunter besonders ein großer Pinsel ist, welchen ich aber mir ohne Furcht und Reue zugeeignet habe. Wenn wir so glücklich sind Sie aufs Frühjahr hier zu sehen127 soll Ihnen alles vorgelegt werden was ich damit biß dahin zu Stande bringe. Die Farbe ist gekocht, die Kunststüke werden geübt, aber leider ists noch immer das Rähmchen was mir an solchen Arbeiten am besten gelingt.

Die verlangte Büste für Herrn Breitkopf ist eingepackt und geht mit dem Schaurischen Wagen ab. Den Riß des Observatorii habe ich in eine Schachtel an Rosten beypacken laßen, und auch dieser wird hoffentlich zur rechten Zeit anlangen.

Nun aber muß ich auf das dringendste um den berühmten Brunnen bitten. Der Versuch ist gemacht worden, man hat ihn in die Höhe gestaucht, welches wohl angeht. Freylich läuft er da in einer starken Röhre und in einem schwachen Spiegel. Haben Sie die Güte mir die Zeichnung so bald als möglich zu schicken, denn es warten die Anlagen der Weege und die Pflanzungen darauf und ob gleich die Jahrszeit strenge ist so sind doch immer unsere gnädigsten Herrn in Arbeit.

Große Steine sind auch zu dem berühmten Felsen hinzugeschafft und warten nur auf Ihre schöpferische Befehle um sich zu einem schönen Ganzen zu bilden. Lassen Sie nun unsere Hoffnungen nicht scheitern und kommen mit der ersten guten Jahreszeit.128

Empfehlen Sie mich den werthen Ihrigen und danken tausendmal für die viele gefällige Hülfe und freundliche Unterhaltung, womit sie bey meinem Aufenthalte gegen mich so freygebig gewesen sind.

Herrn Creuchauf recht viele Complimente.

Was macht mein Burscher? Werde ich balde ein Kunstwerk des neuen Hogarths sehen?

Ich habe auch gleich nach meiner Ankunft die feinen Pappen nachmachen laßen, sie sind aber zum erstenmale nicht ganz glücklich gerathen, es fehlt ihnen an dem nöthigen Leime, weswegen sich der Papiermacher mit der Witterung entschuldigt.

Wenn Sie zu uns kommen werden Sie Sich an den vortreflichen Eisenstufen ergözen die ich aus dem Trierischen erhalten habe. Sogar auch Ungarische sind mir zugekommen. Freylich nicht so schön wie die Ihrigen.

Geben Sie mir bald Gelegenheit, daß ich wenigstens einigermassen aus Ihrer Schuld komme in der ich so viel stehe.

Leben Sie nochmals auf das beste wohl.

Weimar 30 Jan. 1783.

Goethe

An Friederike Oeser

I. 129

Franckfurt am 6. Nov. 1768.

Mamsell,

 
So launisch, wie ein Kind das zahnt;
Bald schüchtern, wie ein Kaufmann den man mahnt,
Bald still, wie ein Hypochondrist,
Und sittig, wie ein Mennonist,
Und folgsam, wie ein gutes Lamm;
Bald lustig, wie ein Bräutigam,
Leb' ich, und binn halb kranck und halb gesund,
Am ganzen Leibe wohl, nur in dem Halse wund;
Sehr missvergnügt, dass meine Lunge
Nicht so viel Ahtem reicht, als meine Zunge
Zu manchen Zeiten braucht, wenn sie mit Stolz erzählt,
Was ich bey Euch gehabt, und was mir jetzt hier fehlt.
 
 
Da sucht man nun mit Macht mir neues Leben,
Und neuen Muht und neue Krafft zu geben;
Drum reichet mir mein Docktor Medicinä
Extrackte aus der Cortex Chinä,
Die jungen Herrn erschlaffte Nerven
An Augen, Fus und Hand,
Auf's neue stärcken den Verstand,
Und das Gedächtniss schärfen.
 
 
Besonders ist er drauf bedacht,
Durch Ordnung wieder einzubringen,
Was Unordnung so schlimm gemacht,
Und heisst mich meinen Willen zwingen.
 
 
Bey Tag, und sonderlich bey Nacht,
Nur an nichts reitzendes gedacht!
Welch ein Befehl für einen Zeichnergeist,
Den jeder Reitz bis zum Entzücken reisst.
Des Bouchers Mädgen nimmt er mir
Aus meiner Stube, hängt dafür
Mir eine abgelebte Frau,
Mit riesigem Gesicht, mit halbzerbrochnem Zahne,
Vom fleissig kalten Gerhard Dow
An meine Wand, langweilige Tisane
Setzt er mir statt des Weins dazu.
 
 
O sage Du,
Kann man was traurigers erfahren?
Am Körper alt, und jung an Jahren,
Halb siech, und halb gesund zu seyn?
Das giebt so melanchol'sche Laune,
Und ihre Pein
Würd' ich nicht los, und hätt' ich sechs Alraune.
Was nützte mir der ganzen Erde Geld?
Kein krancker Mensch geniesst die Welt.
 
 
Und dennoch wollt' ich gar nicht klagen,
Denn ich binn schon im Leiden sehr geübt;
Hätt' ich nur das, was uns die Plagen,
Die Last der Kranckheit zu ertragen,
Mehr Krafft als selbst die Tugend giebt.
Verkürzung grauer Regenstunden,
Balsam'sches Pflaster aller Wunden,
Gesellschafftsgeister die man liebt.
 
 
Zwar hab ich hier an meiner Seite
Beständig rechte gute Leute,
Die mit mir leiden, wenn ich leide,
Sie sorgen mir für manche Freude,
Es fehlt mir nur an mir, um recht beglückt zu seyn.
Und dennoch kenn' ich niemand, der die Pein
Des Schmerzens, so behende stillt, die Ruh
Mit Einem Blick der Seele schenckt, wie Du.
 
 
Ich kam zu Dir, ein Todter aus dem Grabe,
Den bald ein zweyter Todt zum zweytenmal begräbt;
Und wem er nur einmal recht nah um's Haupt geschwebt,
Der bebt
Bey der Erinnerung, gewiss so lang er lebt.
Ich weiss wie ich gezittert habe;
Doch machtest Du mit Deiner süssen Gabe,
Ein Blumenbeet mir aus dem Grabe;
Erzähltest mir wie schön, wie kummerfrey,
Wie gut, wie süss Dein seelig Leben sey,
Mit einem Ton von solcher Schmeicheley,
Dass ich, was mir das Elend jemals raubte,
Weil Du's besas'st selbst zu besitzen glaubte.
Zufrieden reisst ich fort, und was noch mehr ist, froh,
Und ganz war meine Reise so.
Ich kam hierher, und fand das Frauenzimmer
Ein bissgen – ja man sagt's nicht gern – wie immer,
Gnug bis hierher hat keine mich gerührt.130
 
 
Zwar sag ich nicht was einst Herr Schübler131
Von Hamburgs Schönen prädicirt,
Doch binn ich auch ein starcker Grübler,
Seitdem Ihr Mädgen mich verführt,
Die ich wohl schwerlich je vergesse;
Und da begreiffst Du wohl, dass jede leicht verliert,
Die ich nach Eurem Maasstab messe.
Du lieber Gott! an Munterkeit ist hie
An Einsicht, und an Witz Dir keine einz'ge gleich,
Und Deiner Stimme Harmonie
Wie käme die heraus in's Reich.
 
 
So ein Gespräch, wie unsers war, im Garten,
Und in der Loge noch, mit diesem seltnen Zug,
So aufgeweckt, und doch so klug,
Ja, darauf kann ich warten.
 
 
Binn ich bey Mädgen launisch froh;
So sehn sie sittenrichtrisch sträflich,
Da heisst's: der Herr ist wohl aus Bergamo?
Sie sagen's nicht einmal so höflich.
Zeigt man Verstand, so ist das auch nicht recht.
Denn will sich einer nicht bequemen
Des Grandisons ergebner Knecht
Zu seyn, und alles blindlings anzunehmen
Was der Dicktator spricht,
Den lacht man aus, den hört man nicht.
 
 
Wie seyd Ihr nicht so gut, so Euch zu bessern willig,
Auf eigne Fehler streng, und gegen fremde billig,
Und zum Gefallen ohnbemüht,
Ist niemand den Ihr nicht gewönnet.
Ah, man ist Euer Freund, so wenig man Euch kennet,
Man liebt Euch, eh man's sich versieht;
Mit einem Mädgen hier zu Lande,
Ist's aber ein langweilig Spiel,
Zur Freundschafft fehlt's ihr am Verstande,
Zur Liebe fehlt's ihr am Gefühl.
 
 
Drauf ging ich ganz gewiss, hätt ich nicht so viel Laune,
Bräch' ich mir nicht gar manche Lust vom Zaune,
Lacht ich nicht da wo keine Seele lacht.
Und dächt ich nicht, dass Ihr schon offt an mich gedacht.
 
 
Ja, dencken müsst Ihr offt an mich, das sage
Ich Euch, besonders an dem Tage
Wenn Ihr auf Euerm Landgut132 seyd,
Dem Ort der mir so manche Plage
Gemacht, dem Ort der mich so sehr erfreut.
 
 
Doch Du verstehst mich nicht, ich will es Dir erklären,
Ich weiss doch Du verzeihst es mir.
Die Lieder die ich dir gegeben, die gehören
Als wahres Eigentuhm dem schönen Ort und Dir.
 
 
Wenn mich mein böses Mädgen plagte,
Wenn der Verdruss mich aus den Mauern jagte,
War ich verwegen gnug, und wagte
Dich aufzusuchen eh es tagte,
Auf Deinen Feldern die Du liebst,
Die Du mir offt so schön beschriebst.
 
 
Da ging ich nun in Deinem Paradiese,
In jedem Holz, auf jeder Wiese,
Am Fluss, am Bach, das hoffende Gesicht
Vom Morgenstrahl geschminckt, und sucht' und fand Dich nicht.
 
 
Dann schlug ich, angereitzt von launischem Verdrusse,
Den armen Frosch, am sonnbestrahlten Flusse,
Dann jagt' ich ringsumher, und fing
Bald einen Reim bald einen Schmetterling.
 
 
Und mancher Reim, und mancher Schmetterling
Entging
Der ausgestreckten Hand, die mitten
In ihrem Haschen stille stand,
Wenn aus dem Wald, von Stimmen oder Tritten
Den Schall, mein lauschend Ohr empfand.
 
 
Am Tage sang ich diese Lieder,
Am Abend ging ich wieder heim,
Nahm meine Feder, schrieb sie nieder
Den guten und den schlechten Reim.
 
 
Offt kehrt ich noch mit immer schlechterm Glücke
Auf die fatale Flur zurücke,
Biss mir zuletzt das günstige Geschicke
Noch einen Tag den ich nicht hoffte gab.
Doch ich genoss sie kaum die süssen letzten Stunden,
Sie waren gar zu nah am Grab.
Ich sage nicht was ich empfunden,
Denn mein prosaisches Gedicht
Stimmt diesesmal sehr zur Empfindung nicht.
 
 
Du hast die Lieder nun, und zur Belohnung
Für alles was ich für Dich litt,
Besuchst Du Deine seelge Wohnung;
So nimm sie mit;
Und sing sie manchmal an den Orten
Mit Lust wo ich aus Schmerz sie sang,
Dann denck an mich, und sage: dorten
Am Flusse wartete er lang,
Der Arme der so offt mit ungewognem Glücke
Die schönen Felder fühllos sah!
Käm er in diesem Augenblicke,
Eh nun, jetzt wär' ich da.
Jetzt, dächt ich nun, war's hohe Zeit zum Schliessen,
 
 
Denn wenn man so zwey Bogen133 Reime schreibt,
Da wollen sie zuletzt nicht fliessen.
Doch warte nur wenn mich die Laune treibt,
Und Deine Gunst mir sonst versichert bleibt,
So schreib ich Dir noch manchen Brief wie diesen.
 
 
Willst Du mir die Geschwister grüssen,
So schliesse Richtern134 auch mit ein.
Leb wohl! Und wird das Glück Dein Freund beständig seyn
Wie ich; so wirst Du steets des schönsten Glücks geniessen.
 
Goethe.
108In Wielands Don Sylvio von Rosalva. Th. VI. S. 215 f.
109Vgl. Goethes Werke XX. S. 29. 103. ff. 131 ff.
110In der Neuen Bibliothek der schönen Wissensch. findet sich nur eine kurze Notiz über Seekatz, die nicht von Goethe herrührt.
111Wielands Brief an Riedel war der ersten Ausgabe von Idris und Zenide (1767) vorgedruckt.
112An essay upon prints. Lond. 1768. 8.
113Eine Übersetzung der Eugenie von Beaumarchais (Paris 1767) erschien Leipzig 1768; vgl. Werke XXII. S. 147.
114Der Galeerensclave (Leipz. 1768) war eine Übersetzung von L'honnête criminel von Fenouillot de Falbaire (Par. 1766). Lessing dachte einmal an eine Bearbeitung desselben Stoffs, „denn er war mit dem französischen Stücke davon nicht zufrieden, soviel auch deren deutsche Vorstellung damals Beifall erhielt.“ Lessings theatr. Nachlaß I. S. XLVII.
115Thümmels Wilhelmine war in Leipzig 1764, 1766, 1768 erschienen; vgl. Werke XXII. S. 148.
116Hier fehlen mehrere Briefe;
117W. G. Becker, Herausgeber der Erholungen und des Taschenbuchs zum geselligen Vergnügen, später Aufseher der Antikensammlung in Dresden, welcher in Oesers Hause sehr viel verkehrte.
118Proserpina wurde am 30. Jan. 1777 aufgeführt. Riemer Mittheilungen II. S. 38.
119Goethe war mit dem Herzog Anfang Mai in Leipzig gewesen, und dann mit ihm nach Berlin gereist, von wo sie Anfang Juni nach Weimar zurückkamen. Briefe an Frau v. Stein I. S. 165 ff. Merck Briefe II. S. 140. 146. Riemer Mittheilungen II. S. 59 f.
120Von hier an sind die Briefe nicht mehr von Goethes Hand geschrieben.
121Der Bildhauer Klauer hatte, als Oeser im Sommer 1780 in Weimar war, dessen Büste modellirt, mit welcher Goethe seine Zufriedenheit wiederholt ausspricht, Briefe an Frau v. Stein I. S. 318. 319. 321 an Merck I. S. 252.
122Prinz Constantin, Bruder des Herzogs.
123Das Oesersche Standbild Friedrich Augusts III. auf dem Königsplatz in Leipzig wurde am 3. Aug. 1780 feierlich aufgerichtet.
124Nach Gotha. Briefe an Frau v. Stein II. S. 103 ff.
125Friedrich v. Stein. Briefe an Frau v. Stein II. S. 102 ff.
126Friederike Oeser schreibt an ihren Bruder 6. Jan. 1783: „Der Hr. Geheime Rath v. Goethe ist diese Feyertage in Leipzig gewesen, wo manches gesprochen worden ist.“
127Oeser kam im Juli nach Weimar, und „war gar lustig, Herder gut, Wieland gesprächig, Musäus gutmüthig und platt wie immer.“ Briefe an Frau v. Stein II. S. 327.
128Von der Theilnahme Oesers an diesen Anlagen zeugt auch ein Blatt, auf welches Goethe das Epigramm auf Amor, der die Nachtigall füttert, geschrieben hat und zwar in der Form, wie es in Tiefurt in den Stein gegraben ist, vgl. Briefe an Frau v. Stein II. S. 208. Sollte die kleine Statue von Oeser sein?
129Gedruckt in Goethes Werken VI. S. 56 ff. (1840) mit wenigen nicht bedeutenden Abweichungen, hier genau nach dem Original.
130Horn schreibt auch nach seiner Rückkehr nach Frankfurt: „Hier im Reiche ist es gar nicht auszuhalten, die Leute sind so stipide, als man es sich nur vorstellen kann. Manchmal muß ich drüber lachen, aber öfters ärgere ich mich darüber. – Die Mädchen! o die sind hier ganz unerträglich! sehr stoltz und ohne allen Menschenverstand. Ich mögte rasend werden, wenn ich an Leipzig gedencke. Nicht eine ist fähig eine discours zu führen, als etwa vom Wetter, oder von einer neumodischen Haube.“
131Daniel Schiebeler aus Hamburg hielt sich von 1765 bis 1768 in Leipzig auf, und beschäftigte sich mit Musik und Dichtkunst. Seine auserlesenen Gedichte gab Eschenburg heraus (Hamburg 1773). Goethe erwähnt ihn (Werke XXI. S. 138) und daß sein Singspiel „Lisuard und Dariolette“ von ihm und seinen Freunden begünstigt ward. Wie es scheint gehörte auch er dem Oeserschen Kreise an. Hier ist auf den Schluß seines Gedichtes „Pygmalion“ angespielt: „Wenn stets dich zu erhöhenMein Herz, Gott Amor, eifrig war;So fleuch itzt auf mein FlehenZur Stadt, die mich gebar.Statüen wirst Du finden,So schöne macht ein Künstler nie.O Vater vom Empfinden!Hauch zu! so leben sie.“
132In Dölitz, eine gute Stunde von Leipzig.
133Es sind wirklich zwei Briefbogen, sehr fest und sauber geschrieben.
134Den bereits genannten Obergeleitseinnehmer Richter.