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Goethes Briefe an Leipziger Freunde

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X

Wenn ich Ew. Wohlgebornen auf Ihr früheres Schreiben nicht antwortete und das Stück nicht zur Aufführung brachte, so waren die Zweifel daran Schuld, die bey mir aufstiegen und welche sie gewissermaßen selbst angeregt hatten. Wenn das Stück seine Wirkung thun soll, so gehört nothwendig ein Mann in Jahren dazu, den man gewöhnlich den zärtlichen Alten nennt, den man aber eigentlich den würdigen Alten nennen sollte. Er muß Zutrauen und Neigung erregen und in seiner Art liebenswürdig seyn, in dem Grade daß, wie bey Ihrer Privataufführung der Fall war, wenn ihm die Actrice den Korb giebt, eine Zuschauerinn allenfalls geneigt wäre ihn zu entschädigen. Ich glaube nicht, daß einer unsrer Schauspieler sich anmaßt diese Wirkung völlig rein hervorzubringen, ob sie sich gleich auch in unserm Verhältniß bis auf einen gewissen Grad denken läßt. Ich habe daher das Stück das nunmehr gedruckt ist einigen Personen zu lesen gegeben, und werde es Herrn Becker zustellen um es mit nach Lauchstädt zu nehmen. Ew. Wohlgeboren kommen ja wohl selbst hinüber und geben einige Anregung, daß das Stückchen nach Ihren Wünschen und Überzeugung aufgeführt werde; wozu ich vor meiner Abreise nach Carlsbad, welche bald erfolgen wird, das Nöthige einleiten werde. Leben Sie wohl und fahren Sie fort meiner mit Neigung zu gedenken.

Weimar den 2. May 1808.

Goethe

XI

Ew. Wohlgebornen erhalten hierbey das mitgetheilte der Antigone mit Dank zurück. Es wäre in mehr als einem Sinn sehr Schade, wenn Sie diese Arbeit nicht fortsetzen wollten. Auch auf dem Theater glaube ich daß sie Glück machen werde. Ist das Stück vollendet, so bitte mir es zuzuschicken. Ob und wie man eine solche Production auf die Bühne bringen könne, darüber läßt sich zum Voraus nichts entschieden aussprechen, weil sich gar zu viel unvorhergesehene Hindernisse in den Weg stellen, und ich selbst vielleicht weniger als sonst das Ungewohnte einleiten mag. Doch ist es mein Wunsch und Vorsatz Ihre Antigone zu Anfang künftigen Jahrs auf die Bühne zu bringen, deshalb ich sie mir Anfang Decembers wo möglich erbitten müßte. Der ich recht wohl zu leben wünsche und mich zu geneigtem Andenken empfehle

Weimar den 30 October 1808.

Goethe

XII

Ew. Wohlgebornen danke vielmals für die überschickte Antigone.237 Sie hat mir bey einem flüchtigen Durchlesen gar wohl gefallen und dem ersten Anblick nach sollte ich glauben sie müßte ausführbar seyn. Ich werde sie in ruhigen Stunden mit dem Original vergleichen, damit ich einsehe, wie Sie verfahren sind.

In dem Vertrauen das ich zu Ihnen hege kann ich indessen nicht verbergen, daß unser Theater in einer Crise steht, bey welcher ich noch nicht übersehen kann, ob ich die Direction, die ich für den Augenblick niedergelegt, wieder aufzunehmen werde im Fall seyn, deswegen ich mir das Nähere jenes Stück betreffend vorbehalten muß.

Nun aber eine Bitte. Ich bin Herrn Dr. Kappe238 soviel Dank schuldig, daß ich ihm wenigstens etwas Gefälliges erzeigen sollte. Mein Gedanke ist, ihm ein Velin Exemplar meiner Werke anzubieten. Wenn Sie erlaubten so würde ich es wohlgepackt an Sie addressiren; es ist nur broschirt, ich wünschte aber daß es in Leipzig durch Ew. W. Vorsorge geschmackvoll gebunden würde. Was würde man für 12 Bände zu bezahlen haben? Ich würde das Geld gleich beyliegen. Mit Bitte um baldige Antwort empfehle ich mich bestens

Weimar den 8 December 1808.

Goethe

XIII

Ew. Wohlgebornen bin so frey das Exemplar für Herrn Doctor Kappe zu übersenden. Ist es gebunden, so erbitte mir die Anzeige des Kostenbetrags. Sie hätten ja wohl die Gefälligkeit bey Dr. Kappe anzufragen, ob Sie es in Leipzig lassen oder ihm nach Dresden schicken sollen. Ich schreibe ihm alsdann auf alle Fälle selbst. Bis dahin kann ich wohl auch etwas näheres von dem Schicksal unsers Theaters und Ihrer Antigone schreiben. Eins scheint mir unerläßlich, daß Sie sich nun auch die gleiche Mühe mit Ödipus, und Ödipus auf Colonus geben: denn eigentlich thut Antigone nur den vollkommnen Effect in Gefolge von jenen beyden Stücken. Sie könnten um sich ein Stück Arbeit zu ersparen, die Solgersche Arbeit zu Grunde legen und diese nur deutschen Ohren mehr annähern. Doch davon läßt sich weiter sprechen wenn wir erst dazu kommen, Antigone voraus aufzuführen.

Ich wünsche recht wohl zu leben und bitte meines Antheils und Danks gewiß zu seyn.

Weimar den 26 December

1808.

Goethe

XIV

Ew. Wohlgebornen erhalten abermals einen Brief von mir, mit Bitte um eine kleine Gefälligkeit.

Ein junger Mensch, Fr. Wessel bey der Dessauer-Bühne, die sich gegenwärtig in Leipzig befindet, hat sich hier gemeldet und will in jugendlichen seriosen Baßpartieen auch komischen Rollen etwas leisten, sowie auch im Schauspiel nicht ganz unnütz seyn. Dürfte ich Ew. W. ersuchen mir etwas über ihn zu sagen, besonders wie es mit seiner Stimme und seinem Gesang beschaffen ist; doch ohne Jemand deshalb etwas merken zu lassen.

Schon aus diesem Auftrag ersehen Sie, daß ich wieder bey unserm Theater einzugreifen bin veranlaßt worden. Ihre Antigone wird ausgeschrieben und wahrscheinlich noch im Januar gegeben. Verzeihung, wenn ich heute nicht mehr sage.

Weimar den 9 Januar

1809.

Goethe

XV

Ew. Wohlgebornen bin ich höchlich dankbar für die ausführliche Nachricht den Schauspieler und Sänger Wessel betreffend. Wie lehrreich müßte es seyn, mehrere Theaterglieder so recensirt zu sehen! Ja, wie sehr wäre es zu wünschen, daß man werdenden Schauspielern solche klare Spiegel vorhalten könnte; freylich vorausgesetzt, daß sie einen so deutlichen Anblick ihrer selbst ertrügen. Erinnern Sie sich eines Weidners bey der Dresdner Gesellschaft, der mir von einem Reisenden als Chorführer in der Braut von Messina sehr gelobt worden, so sagen Sie mir ja auch wohl ein Wort über ihn.

Für die Besorgung der Bände gleichfalls meinen aufrichtigen und lebhaften Dank. Hierbey einen Brief an Herrn Hofrath Kapp. Der Geldbetrag folgt mit der fahrenden Post. Heute nichts weiter als meine besten Wünsche.

Antigone ist auf den 30. angesetzt. Leider füllt sie nicht den ganzen Abend und ich muß eine kleine Operette hinter her geben. Bis jetzt weiß und vermuthet noch Niemand den Autor.

Weimar den 22 Januar 1809.

Goethe

XVI

Ew. Wohlgebornen erhalten hierbei die 9 Thaler Sächß. Sollte noch irgend eine Auslage sich nöthig gemacht haben, so bitte mir es zu melden.

Von Antigone habe ich die Leseprobe und eine Theaterprobe gehört. Sie wird gut gesprochen und anständig gespielt. Mir macht es sehr große Freude diesen herrlichen sophocleischen Schatz in einer Art von Auszug zu sehen und zu vernehmen. Heute Abend ist Hauptprobe; morgen Aufführung. Das was wir in unsern Tagen Effect nennen kann das Stück nicht machen; aber ich glaube doch es wird sich in den Kreis der ruhig edlen Darstellungen, die wir von Zeit zu Zeit vortragen, mit einschließen und sich erhalten. Mehreres nächstens

Weimar den 29 Januar 1809.

Goethe

XVII

Weimar den 1 Februar 1809.

Nur mit Wenigem sage ich, daß Antigone Mondtag den 30sten glücklich aufgeführt worden.239 Der Effect war, den ich voraussah. Das Stück hinterließ einen sehr angenehmen erfreulichen Eindruck. Jedermann war zufrieden und halb erstaunt, indem man von dieser Klarheit und Einfalt kaum etwas kennt. Die verständliche Sprache brachte hiebey den größten Vortheil. Die Schauspieler haben durchaus deutlich und richtig gesprochen, manche vortrefflich durchaus, wo man Madam Wolff als Antigone und ihren Gatten als ersten Chorführer zu rühmen hat, andere theilweise sehr gut, und wie gesagt, man konnte überhaupt völlig zufrieden seyn. Heute wird es wieder gegeben und ich hoffe das Stück soll sich immer mehr bey dem Zuschauer einschmeicheln. Über Ihre Behandlung selbst wüßte ich auch nur Gutes zu sagen; daß sie zweckmäßig sey, hat die Ausführung bewiesen. Etwas von der angegebenen Musik habe ich weggelassen, damit Recitation und Declamation nicht gestört werden. Was ich hie und da geändert, ist nicht der Rede werth. Herr Unzelmann ist nicht zu vergessen, dem ich den Krieger im Anfange und den Boten zuletzt zugleich aufgetragen: er hat trefflich erzählt. Also nur soviel für dießmal mit meinem Dank. Wer der Verfasser sey ist bis jetzt ein Halbgeheimniß geblieben.

 
Goethe

XVIII

Ew. Wohlgebornen verzeihen, daß ich auf einen schon lange erhaltnen Brief noch nicht geantwortet. Ich habe hier einige Monate auf die Bearbeitung und auf den Druck eines Romans verwendet, der in wenig Tagen die Presse verlassen wird.240

Da Sie sich in diesem Fache selbst so löblich hervorgethan; so wünschte ich wohl Ihre Meynung über meine Arbeit zu hören, und wenn es Ihnen gelegen wäre, öffentlich. Es giebt, wie Sie selbst wissen, mehr als eine Art dergleichen Productionen zu beurtheilen: eine gedrängte, welche die Hauptmomente hervorhebt, würde mir sehr willkommen seyn.

Daß die Theatercommission Ihre kleine Schuld bey Herzogl. Canzley saldire, nehmen Sie wohl freundlich auf. Wir sind Ihnen so mancherley schuldig, daß wir wenigstens nicht unterlassen können, bey dieser geringen Gelegenheit Ihnen unsre dankbare Aufmerksamkeit zu bezeigen.

Der ich mit den besten Wünschen für Ihr Wohlseyn mich zu geneigtem Andenken empfehle

Jena den 28 September

1809.

Goethe

*XIX

Das Vertrauen womit ich mir ein Urtheil über mein Neustes von Ihnen erbat ist durch Ihren liebenswürdigen Brief gar schön belohnt worden; ich danke Ihnen dafür auf das herzlichste. Billig ist es wohl daß die Freunde des Schönen und Guten mir ein tröstliches Wort über diese Production sagen, die wenigstens ein fortgesetztes redliches Streben andeutet und die mich in manchem Sinne theuer zu stehen kommt; ja, wenn ich die Umstände bedencke unter denen das Werckchen fertig geworden; so scheint es mir ein Wunder daß es auf dem Papier steht.

Seitdem es abgedruckt ist habe ich es nicht in der Folge gelesen, eine solche Prüfung pflege ich gewöhnlich zu verspäten. Ein gedrucktes Werck gleicht einem aufgetrockneten Fresko Gemälde an dem sich nichts mehr thun läßt. Soviel es mir noch im Sinne schwebt und wie es sich mir durch Ihre Bemerckungen vergegenwärtigt, möchte ich wohl noch einige Schraffuren anbringen der Verknüpfung und Harmonie willen. Weil aber das nicht angeht; so tröste ich mich damit daß der gewöhnliche Leser dergleichen Mängel nicht gewahr wird, und der Kunstgebildete, eben indem er die Forderungen macht, für sich selbst das Werk ergänzt und vollendet.

Daß Sie ein solcher Leser und Schauer sind wußte ich wohl und erfahre es auch diesmal. Haben Sie doppelten Danck für die Theilnahme und für die Mittheilung; haben Sie dreyfachen daß Sie es in einer Zeit thun in welcher mancher andre, mit Fug und Recht, seinen Freunden schwiege und sich mit seinem eigenen Glück beschäftigte. Möge das Gute das Ihnen bereitet ist so klar zu Ihnen treten als Sie Welt und Kunst erblicken und so beständig bey Ihnen verweilen als Sie Ihren Freunden zuverlässig sind. Meines fortdaurenden Anteils bleiben Sie gewiß.

Weimar d. 15. Nov 1809

Goethe

XX

Ew. Wohlgebornen gehe schon wieder mit einer Bitte an, wobey ich doch ausdrücklich bemerke, daß es mit der Erfüllung derselben keine Eile hat. Wenn die Nachricht die ich wünsche, auf Weihnachten zu mir gelangt, so kommt sie noch zeitig genug.

Indem ich mich mit der Geschichte der Chromatik beschäftige, treffe ich wieder auf einen Mann, von dessen Lebensumständen ich schon längst eine nähere Nachricht gewünscht hätte.241 Er heißt Johann Leonhard Hoffmann, und sein Buch: Versuch einer Geschichte der mahlerischen Harmonie überhaupt und der Farbenharmonie insbesondre, mit Erläuterungen aus der Tonkunst und vielen practischen Anmerkungen. Halle, in Joh. Christ. Hendels Verlage 1768.

Die Dedication ist Leipzig im Sommermonat desselbigen Jahrs datirt, an Herrn Gottfried Winkler gerichtet. Daraus, und aus der Art wie in der Vorrede von Oesern gesprochen wird, sieht man, daß der Verfasser sich eine Zeit lang in Leipzig aufgehalten hat. Er scheint ein zarter, wohl denkender Mann gewesen zu seyn, der schöne Kenntnisse sowohl in der Mahlerey als in der Musik verräth, und wenn er seinem Unternehmen auch nicht ganz gewachsen ist, doch wegen feiner und glücklicher Bemerkungen alle Aufmerksamkeit und in der Geschichte eine ehrenvolle Erwähnung verdient. Könnten Ew. Wohlgebornen mir von den Lebensumständen dieses Mannes einige Nachricht verschaffen, so würden Sie mich sehr verbinden.

Theilte wohl Ihr Freund etwas von seinen Zeichnungen nach Faust auf kurze Zeit mit; so würde es mir und manchem unsrer kleinen Gesellschaft zu großem Vergnügen gereichen. Sie sollten bald wieder zurückerfolgen.

Mich bestens empfehlend

Weimar den 20 November

1809.

Goethe

XXI

Durch Demoiselle Longhi von Neapel,242 eine schöne und treffliche Harfenspielerinn, wünsche ich mein Andenken bey Ihnen, mein Werthester, wieder aufzufrischen, und ich hoffe, es soll mir gelingen. Ich bin überzeugt, Sie werden diesem Frauenzimmer um ihrer selbst- und meinetwillen freundlich seyn.

Eigentlich aber bewegt mich nicht sowohl das schöne Talent, das sich wohl selbst empfiehlt, zu dem gegenwärtigen Schreiben: das gute Kind ist hier in den bedenklichen Fall gerathen, daß ihre zwey kleinen Finger auf eine rheumatische Weise geschwollen sind; das Schlimmste wohl, was derjenigen begegnen kann, die sich auf Harfe und Pianoforte bis Petersburg zu produciren gedenkt. Ist unser vortrefflicher Kapp,243 dem ich selbst soviel schuldig geworden bin, in Leipzig; so haben Sie ja die Gefälligkeit, ihn für diese hübsche Italiänerinn zu interessiren, indem Sie zugleich von mir tausend Empfehlungen ausrichten. Mehr sage ich nicht und brauche es nicht, weil es hier nur einer kurzen Einführung bedarf, und dieser Brief noch spät geschrieben wird. Möchten Sie durch gegenwärtiges veranlaßt, mir einmal wieder ein Wort von sich zu vernehmen geben, so würden Sie mir sehr viel Freude machen. Mit den besten Wünschen!

Weimar den 22 April

1811.

Goethe

XXII

Ew. Wohlgebornen sind versichert, daß es mir sehr leid gethan hat, Sie bey Ihrer Durchreise nicht begrüßen zu können. Sich einmal wieder anzutreffen und über manches auszureden, giebt auf mehrere Jahre ein wo nicht besseres doch gewiß entschiedeneres und klareres Verhältniß. Indessen will ich mich durch die Sicherheit Ihrer Neigung und Ihres Wohlwollens trösten.

Wenn Sie wünschen, daß ich dem braven Freyherrn von Truchseß244 meine Bearbeitung des Götz für das Theater mittheilen möge; so will ich deshalb mein Bedenken eröffnen. Er hat an dem Stücke, wie es zuerst herausgegeben worden, so vielen und warmen Antheil genommen, ja sich gewissermaßen selbst in die Person des alten biedern Helden versetzt, daß es ihm gewiß nicht angenehm seyn würde, nunmehr manches ausgelassen, umgestellt, verändert, ja in einem ganz andern Sinne behandelt zu sehen.

Eigentlich kann diese Umarbeitung nur durch den theatralischen Zweck entschuldigt werden,245 und kann auch nur in so fern gelten, als durch die sinnliche Gegenwart der Bühne und des Schauspiels dasjenige ersetzt wird, was dem Stücke von einer andern Seite entzogen werden mußte. Da ich also überzeugt bin, daß beym Lesen Niemand leicht die neue Arbeit billigen werde, weil nicht zu verlangen ist, daß der Lesende die mangelnde Darstellung sich vollkommen supplire; so habe ich bisher gezaudert diese Bearbeitung drucken zu lassen, ja selbst meine nächsten hiesigen Freunde, die das Manuscript zu sehen verlangt, an die Vorstellung gewiesen, von der sie denn nicht ganz unzufrieden zurückkehrten.

Ich bin überzeugt, daß Ew. Wohlgebornen sowohl als der würdige Truchseß-Götz, es nicht misbilligen, wenn ich diesen meinen Gründen soviel Gewicht gebe, um die gewünschte Mittheilung abzulehnen. Verzeihen Sie daher und erhalten mir ein freundliches Andenken.

Ein etwas wunderliches biographisches Bändchen erhalten Sie zu Michael. Wilhelm Meisters Wanderjahre durchzuführen haben mich meine eigenen Wanderungen abgehalten. Bey jenem Büchelchen aber bitte ich Sie sich zu überzeugen, daß Sie unter diejenigen gehören, für die ich es schreibe. Mit entfernten Freunden und Geistesverwandten mich zu unterhalten, ist dabey meine einzige Absicht: denn diese sind es ja eigentlich nur, die man zu Zeugen seines vergangnen Lebens und Treibens, und zur Theilnahme am gegenwärtigen aufrufen kann.

Weimar

den 11. September

1811.

Ew. Wohlgeb.
wahrhaft zugethaner
Goethe.

XXIII

Mit vielem Danke, mein Werthester, sende ich den mitgetheilten Aufsatz zurück. Wer das deutsche Publicum kennt, dessen selbstische Eigenwilligkeiten Sie so gut schildern, wer zunächst erfahren hat, daß sie vor allem Neuen, so sehr sie darnach gierig sind, wenn es einigermaßen problematisch ist, eine ängstliche Apprehension fühlen, und daher den Miswollenden freyes Spiel geben, um sich nur jener Furcht entledigt zu sehen – der weiß gewiß dankbar anzuerkennen, wenn ein Freund als Mittelsperson auftreten mag, damit die Menschen sich geschwinder mit dem befreunden, was ihnen fremd und wunderlich erscheint.246 Besonders in den letzten zwanzig Jahren mußte man große Geduld haben: denn mehrere meiner spätern Arbeiten brauchten zehn und mehr Jahr, bis sie sich ein größeres Publicum unmerklich erschmeichelten; wie denn ja mein Tasso über 20 Jahr alt werden mußte, ehe er in Berlin aufgeführt werden konnte. Eine solche Langmuth ist nur dem zuzumuthen, der sich bey Zeiten den Dédain du Succès angewöhnt hat, welchen die Frau von Staël in mir gefunden haben will.247 Wenn sie den augenblicklichen leidenschaftlichen Succès meint, so hat sie recht.248 Was aber den wahren Erfolg betrifft, gegen den bin ich nicht im mindesten gleichgültig; vielmehr ist der Glaube an denselben immer mein Leitstern bey allen meinen Arbeiten. Diesen Erfolg nun früher und vollständiger zu erfahren, wird mit den Jahren immer wünschenswerther, wo man nicht mehr viel Stunden in Gleichgültigkeit gegen den Augenblick zuzubringen und auf die Zukunft zu hoffen hat.249

 

In diesem Sinne machen Sie mir ein großes Geschenk durch Ihren Aufsatz und bethätigen dadurch abermals die frühere mir schon längst bewährte Freundschaft. Doch darf es mich nicht einmal überraschen, daß Sie in meine Intentionen auch bey dieser Arbeit so tief eindringen, da Sie unter diejenigen abwesenden Freunde gehören, die ich mir vergegenwärtige, wenn ich mir meine alten Mährchen in der Einsamkeit zu erzählen anfange; und ich darf wohl versichern, daß der nächste und eigentliche Zweck ist, gegen solche auf indirectem Wege wieder einmal laut zu werden, da die directe Communication so manches Hinderniß erfährt.250

Daß Sie meine asiatischen Weltanfänge251 so freundlich aufnehmen, ist mir von großem Werth. Es schlingt sich die daher für mich gewonnene Cultur durch mein ganzes Leben, und wird noch manchmal in unerwarteten Erscheinungen hervortreten: wie ich denn von Ihrem liebevollen Glauben hoffen kann, daß Sie überzeugt sind, der erste Theil sey mit Bewußtseyn und mit Absicht geschrieben, und enthalte auch nicht das kleinste geringfügig scheinende, was nicht künftig einmal nach seinem Geschlecht und Art in Blüthe und Frucht hervortreten soll. Freylich, das Publicum, wenn man es an ein Saatfeld führt, bringt gleich die Sicheln mit, und bedenkt nicht, daß noch mancher Monat bis zur Erndte hingeht, ja wohl noch das ganze grüne Feld eine schöne Zeit unter einer Schnee- und Eisdecke zu ruhen hat.

Es würde mir unendlich interessant seyn, wenn Sie mir mittheilen wollten, was Sie über die Farbenlehre aufgesetzt haben. Die Wirkung von dieser wird noch mehr retardirt, als die Wirkung meiner andern Sachen. Denn hier kann man das Publicum am leichtesten irre führen, indem man mir anderes Verdienst wohl läßt, aber in dieser Sache, die ja nicht in mein Fach schlage, ein verzeihliches Travers Schuld giebt. Indessen macht es mich schon glücklich, daß ich diese Arbeit, die ich so lange mit mir herumgetragen, endlich losgeworden. Was für eine große Übung es für mich gewesen, diesen Gegenstand durchzuarbeiten, ermessen Sie selbst; und welche wichtigen Bemerkungen ich mache, indem ich meine Gegner beobachte, wage ich kaum auszusprechen. Doch ist es ja kein Geheimniß, daß Niemand überzeugt wird, wenn er nicht will.

Warum sollte ich nun nicht auch wünschen, meine Freunde kennen zu lernen und besonders Ihre Ansicht, die mir in so mancher Betrachtung werth seyn muß.

Mich zu daurendem Wohlwollen empfehlend

W. d. 30 Jan.

1812.

Goethe
237Rochlitz: Antigone, Tragödie nach Sophokles in drei Abtheilungen; in der Auswahl Th. II.
238Dr. Kapp, Goethes Tischgenoß auf der Universität (s. ), früher Arzt in Leipzig, später in Dresden, welcher ihn in Karlsbad behandelte. Briefw. m. Zelter I. S. 266. Vgl. XIII. XIV. XV. XXI. Werke XXVII. S. 240. 299.
239Werke XXVII. S. 270.
240Die Wahlverwandtschaften.
241Vgl.
242Später Frau des Concertmeisters Möser in Berlin.
243Vgl.
244Christian von Truchseß von der Bettenburg, „der in früheren Jahren durch redliche Tüchtigkeit sich in die Reihe der Götze von Berlichingen zu stellen verdient hatte.“ Werke XXVII. S. 98.
245Werke XXVII. S. 160. Eckermann Gespr. I. S. 250 f. Briefw. m. Schiller VI. S. 276 f. Riemer Mitth. II. S. 500 ff.
246Man vergleiche nur eine Recension des ersten Theils von Dichtung und Wahrheit in der Bibliothek der redenden und bildenden Künste VIII. S. 261 ff., deren Verfasser „Hrn. v. Goethe während seines Leipz. Aufenthalts ziemlich genau gekannt, mit ihm bei Ernesti Collegia gehört, mit ihm bei Oeser gezeichnet hat;“ wobei er denn wahrnehmen konnte, daß „Hr. v. Goethe mit der deutschen Sprachlehre dazumal noch im Kampfe war – eine Folge seines mangelhaften, unclassischen Hausunterrichts als Knabe.“
247De l'Allemagne II, 7: „On apperçoit le dédain du succès dans Goethe à un degré qui plait singulièrement, alors même qu'on s'impatiente de sa négligence.“ Vgl. Goethe Werke XXVII. S. 150.
248„Ich ging auf meinem Weg ruhig fort, ohne mich um den Succeß weiter zu bekümmern.“ Eckermann Gespr. I. S. 147.
249„Bedenke ich es aber jetzt genauer, so finde ich hier den Keim der Nichtachtung, ja der Verachtung des Publicums, die mir eine ganze Zeit meines Lebens anhing und nur spät durch Einsicht und Bildung ins Gleiche gebracht werden konnte.“ Werke XX. S. 53.
250Vgl.
251In Dichtung und Wahrheit. Werke XX. S. 153 ff.