Фауст. Трагедия / Faust. Eine Tragödie

Tekst
55
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Auerbachs Keller in Leipzig

Zeche lustiger Gesellen.

Frosch
 
Will keiner trinken? keiner lachen?
Ich will euch lehren Gesichter machen!
Ihr seyd ja heut wie nasses Stroh,
Und brennt sonst immer lichterloh.
 
Brander
 
Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbey,
Nicht eine Dummheit, keine Sauerey.
 
Frosch

gießt ihm ein Glas Wein über den Kopf.

 
Da hast du beydes!
 
Brander
 
Doppelt Schwein!
 
Frosch
 
Ihr wollt’ es ja, man soll es seyn!
 
Siebel
 
Zur Thür hinaus wer sich entzweyt!
Mit offner Brust singt Runda, sauft und schreyt!
Auf! Holla! Ho!
 
Altmayer
 
Weh mir, ich bin verloren!
Baumwolle her! der Kerl sprengt mir die Ohren.
 
Siebel
 
Wenn das Gewölbe wiederschallt,
Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt.
 
Frosch
 
So recht, hinaus mit dem der etwas übel nimmt!
A! tara lara da!
 
Altmayer
 
A! tara lara da!
 
Frosch
 
Die Kehlen sind gestimmt.
 
Singt.
 
Das liebe, heil’ge Röm’sche Reich,
Wie hält’s nur noch zusammen?
 
Brander
 
Ein garstig Lied! Pfuy! ein politisch Lied!
Ein leidig Lied! Dankt Gott mit jedem Morgen
Daß ihr nicht braucht für’s Röm’sche Reich zu sorgen!
Ich halt’ es wenigstens für reichlichen Gewinn,
Daß ich nicht Kaiser oder Kanzler bin.
Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;
Wir wollen einen Papst erwählen.
Ihr wißt, welch eine Qualität
Den Ausschlag giebt, den Mann erhöht.
 
Frosch singt
 
Schwing’ dich auf, Frau Nachtigall,
Grüß’ mir mein Liebchen zehentausendmal.
 
Siebel
 
Dem Liebchen keinen Gruß! ich will davon nichts hören!
 
Frosch
 
Dem Liebchen Gruß und Kuß! du wirst mir’s nicht verwehren!
 

Singt.

 
Riegel auf! in stiller Nacht.
Riegel auf! der Liebste wacht.
Riegel zu! des Morgens früh.
 
Siebel
 
Ja, singe, singe nur, und lob’ und rühme sie!
Ich will zu meiner Zeit schon lachen.
Sie hat mich angeführt, dir wird sie’s auch so machen.
Zum Liebsten sey ein Kobold ihr bescheert!
Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern;
Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt,
Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!
Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut
Ist für die Dirne viel zu gut.
Ich will von keinem Gruße wissen,
Als ihr die Fenster eingeschmissen!
 
Brander

auf den Tisch schlagend.

 
Paßt auf! paßt auf! Gehorchet mir!
Ihr Herrn gesteht, ich weiß zu leben,
Verliebte Leute sitzen hier,
Und diesen muß, nach Standsgebühr,
Zur guten Nacht ich was zum Besten geben.
Gebt Acht! Ein Lied vom neusten Schnitt!
Und singt den Rundreim kräftig mit!
 

Er singt.

 
Es war eine Ratt’ im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst’t,
Als wie der Doctor Luther.
Die Köchinn hatt’ ihr Gift gestellt;
Da ward’s so eng’ ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
 
Chorus jauchzend
 
Als hätte sie Lieb’ im Leibe.
 
Brander
 
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus,
Und soff aus allen Pfützen,
Zernagt’, zerkratzt’ das ganze Haus,
Wollte nichts ihr Wüthen nützen;
Sie thät gar manchen Aengstesprung,
Bald hatte das arme Thier genung,
Als hätt’ es Lieb’ im Leibe.
 
Chorus
 
Als hätt’ es Lieb’ im Leibe.
 
Siebel
 
Wie sich die platten Bursche freuen!
Es ist mir eine rechte Kunst,
Den armen Ratten Gift zu streuen!
 
Brander
 
Sie stehn wohl sehr in deiner Gunst?
 
Altmayer
 
Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!
Das Unglück macht ihn zahm und mild;
Er sieht in der geschwollnen Ratte
Sein ganz natürlich Ebenbild.
 

Faust und Mephistopheles.

Mephistopheles
 
Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.
Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest.
Mit wenig Witz und viel Behagen
Dreht jeder sich im engen Zirkeltanz,
Wie junge Katzen mit dem Schwanz.
Wenn sie nicht über Kopfweh klagen,
So lang’ der Wirth nur weiter borgt,
Sind sie vergnügt und unbesorgt.
 
Brander
 
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht’s an ihrer wunderlichen Weise;
Sie sind nicht eine Stunde hier.
 
Frosch
 
Wahrhaftig du hast Recht! Mein Leipzig lob’ ich mir!
Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute.
 
Siebel
 
Für was siehst du die Fremden an?
 
Frosch
 
Laßt mich nur gehn! bey einem vollen Glase,
Zieh’ ich, wie einen Kinderzahn,
Den Burschen leicht die Würmer aus der Nase.
Sie scheinen mir aus einem edlen Haus,
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
 
Brander
 
Marktschreyer sind’s gewiß, ich wette!
 
Altmayer
 
Vielleicht.
 
Frosch
 
Gib Acht, ich schraube sie!
 
Mephistopheles zu Faust
 
Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie beym Kragen hätte.
 
Faust
 
Seyd uns gegrüßt, ihr Herrn!
 
Siebel
 
Viel Dank zum Gegengruß.
 

Leise, Mephistopheles von der Seite ansehend.

 
Was hinkt der Kerl auf Einem Fuß?
 
Mephistopheles
 
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann,
Soll die Gesellschaft uns ergetzen.
 
Altmayer
 
Ihr scheint ein sehr verwöhnter Mann.
 
Frosch
 
Ihr seyd wohl spät von Rippach aufgebrochen?
Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeis’t?
 
Mephistopheles
 
Heut sind wir ihn vorbey gereis’t;
Wir haben ihn das letztemal gesprochen.
Von seinen Vettern wußt’ er viel zu sagen,
Viel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen.
 

Er neigt sich gegen Frosch.

Altmayer leise
 
Da hast du’s! der versteht’s!
 
Siebel
 
Ein pfiffiger Patron!
 
Frosch
 
Nun, warte nur, ich krieg’ ihn schon!
 
Mephistopheles
 
Wenn ich nicht irrte, hörten wir
Geübte Stimmen Chorus singen?
Gewiß, Gesang muß trefflich hier
Von dieser Wölbung wiederklingen!
 
Frosch
 
Seyd ihr wohl gar ein Virtuos?
 
Mephistopheles
 
O nein! die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß.
 
Altmayer
 
Gebt uns ein Lied!
 
Mephistopheles
 
Wenn ihr begehrt, die Menge.
 
Siebel
 
Nur auch ein nagelneues Stück!
 
Mephistopheles
 
Wir kommen erst aus Spanien zurück,
Dem schönen Land des Weins und der Gesänge.
 

Singt.

 
 
Es war einmal ein König,
Der hatt’ einen großen Floh —
 
Frosch
 
Horcht! Einen Floh! Habt ihr das wohl gefaßt?
Ein Floh ist mir ein saub’rer Gast.
 
Mephistopheles singt
 
Es war einmal ein König,
Der hatt’ einen großen Floh,
Den liebt’ er gar nicht wenig,
Als wie seinen eignen Sohn.
Da rief er seinen Schneider,
Der Schneider kam heran.
Da miß dem Junker Kleider,
Und miß ihm Hosen an!
 
Brander
 
Vergeßt nur nicht dem Schneider einzuschärfen,
Daß er mir auf’s genauste mißt,
Und daß, so lieb sein Kopf ihm ist,
Die Hosen keine Falten werfen!
 
Mephistopheles
 
In Sammet und in Seide
War er nun angethan,
Hatte Bänder auf dem Kleide,
Hatt’ auch ein Kreuz daran,
Und war sogleich Minister,
Und hatt’ einen großen Stern.
Da wurden seine Geschwister
Bey Hof’ auch große Herrn.
Und Herrn und Frau’n am Hofe,
Die waren sehr geplagt,
Die Königinn und die Zofe
Gestochen und genagt,
Und durften sie nicht knicken,
Und weg sie jucken nicht.
Wir knicken und ersticken
Doch gleich wenn einer sticht.
 
Chorus jauchzend
 
Wir knicken und ersticken
Doch gleich wenn einer sticht.
 
Frosch
 
Bravo! Bravo! Das war schön!
 
Siebel
 
So soll es jedem Floh ergehn!
 
Brander
 
Spitzt die Finger und packt sie fein!
 
Altmayer
 
Es lebe die Freyheit! Es lebe der Wein!
 
Mephistopheles
 
Ich tränke gern ein Glas, die Freyheit hoch zu ehren,
Wenn eure Weine nur ein Bißchen besser wären.
 
Siebel
 
Wir mögen das nicht wieder hören!
 
Mephistopheles
 
Ich fürchte nur der Wirth beschweret sich,
Sonst gäb’ ich diesen werthen Gästen
Aus unserm Keller was zum Besten.
 
Siebel
 
Nur immer her! ich nehm’s auf mich.
 
Frosch
 
Schafft ihr ein gutes Glas, so wollen wir euch loben.
Nur gebt nicht gar zu kleine Proben;
Denn wenn ich judiciren soll,
Verlang’ ich auch das Maul recht voll.
 
Altmayer leise
 
Sie sind vom Rheine, wie ich spüre.
 
Mephistopheles
 
Schafft einen Bohrer an!
 
Brander
 
Was soll mit dem geschehn?
Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Thüre?
 
Altmayer
 
Dahinten hat der Wirth ein Körbchen Werkzeug stehn.
 

Mephistopheles nimmt den Bohrer zu Frosch

 
Nun sagt, was wünschet ihr zu schmecken?
 
Frosch
 
Wie meynt ihr das? Habt ihr so mancherley?
 
Mephistopheles
 
Ich stell’ es einem jeden frey.
 
Altmayer zu Frosch
 
Aha! du fängst schon an die Lippen abzulecken.
 
Frosch
 
Gut! wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben.
Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben.
 
Mephistopheles

indem er an dem Platz, wo Frosch sitzt, in Loch in den Tischrand bohrt.

 
Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!
 
Altmayer
 
Ach das sind Taschenspielersachen.
 
Mephistopheles zu Brander
 
Und ihr?
 
Brander
 
Ich will Champagner Wein,
Und recht mussirend soll er seyn!
 

Mephistopheles bohrt, einer hat indessen die Wachspropfen gemacht und verstopft.

Brander
 
Man kann nicht stets das Fremde meiden,
Das Gute liegt uns oft so fern.
Ein echter deutscher Mann mag keinen Franzen leiden,
Doch ihre Weine trinkt er gern.
 
Siebel

indem sich Mephistopheles seinem Platze nähert.

 
Ich muß gestehn, den sauren mag ich nicht,
Gebt mir ein Glas vom echten süßen!
 
Mephistopheles bohrt
 
Euch soll sogleich Tokayer fließen.
 
Altmayer
 
Nein, Herren, seht mir in’s Gesicht!
Ich seh’ es ein, ihr habt uns nur zum Besten.
 
Mephistopheles
 
Ey! Ey! Mit solchen edlen Gästen
Wär’ es ein Bißchen viel gewagt.
Geschwind! Nur grad’ heraus gesagt!
Mit welchem Weine kann ich dienen?
 
Altmayer
 
Mit jedem! Nur nicht lang gefragt.
 

Nachdem die Löcher alle gebohrt und verstopft sind, Mephistopheles mit seltsamen Geberden.

Mephistopheles
(mit seltsamen Gebärden)
 
Trauben trägt der Weinstock!
Hörner der Ziegenbock;
Der Wein ist saftig, Holz die Reben,
Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben.
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur!
Nun zieht die Pfropfen und genießt!
 
Alle

indem sie die Pfropfen ziehen, und jedem der verlangte Wein in’s Glas läuft.

 
O schöner Brunnen, der uns fließt!
 
Mephistopheles
 
Nur hütet euch, daß ihr mir nichts vergießt!
 

Sie trinken wiederholt.

Alle singen
 
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünf hundert Säuen!
 
Mephistopheles
 
Das Volk ist frey, seht an, wie wohl’s ihm geht!
 
Faust
 
Ich hätte Lust nun abzufahren.
 
Mephistopheles
 
Gib nur erst Acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
 

Siebel. trinkt unvorsichtig, der Wein fließt auf die Erde, und wird zur Flamme.

Siebel
 
Helft! Feuer! helft! die Hölle brennt!
 
Mephistopheles die Flamme besprechend
 
Sey ruhig, freundlich Element!
 

zu dem Gesellen.

 
Für dießmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
 
Siebel
 
Was soll das seyn? Wart! ihr bezahlt es theuer!
Es scheinet, daß ihr uns nicht kennt.
 
Frosch
 
Laß er uns das zum zweytenmale bleiben!
 
Altmayer
 
Ich dächt’, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehn.
 
Siebel
 
Was Herr? Er will sich unterstehn,
Und hier sein Hokuspokus treiben?
 
Mephistopheles
 
Still, altes Weinfaß!
 
Siebel
 
Besenstiel!
Du willst uns gar noch grob begegnen?
 
Brander
 
Wart nur! es sollen Schläge regnen.
 

Altmayer. zieht einen Pfropf aus dem Tisch, es springt ihm Feuer entgegen.

Altmayer
 
Ich brenne! ich brenne!
 
Siebel
 
Zauberey!
Stoßt zu! der Kerl ist vogelfrey!
 

Sie ziehen die Messer und gehn auf Mephistopheles los.

Mephistopheles mit ernsthafter Geberde
 
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
Seyd hier und dort!
 

Sie stehn erstaunt und sehn einander an.

Altmayer
 
Wo bin ich? Welches schöne Land!
 
Frosch
 
Weinberge! Seh’ ich recht?
 
Siebel
 
Und Trauben gleich zur Hand!
 
Brander
 
Hier unter diesem grünen Laube,
Seht, welch ein Stock! Seht, welche Traube!
 

Er faßt Siebeln bei der Nase. Die andern thun es wechselseitig und heben die Messer.

Mephistopheles wie oben
 
Irrthum, laß los der Augen Band!
Und merkt euch, wie der Teufel spaße.
 

Er verschwindet mit Faust, die Gesellen fahren aus einander.

Siebel
 
Was giebt’s?
 
Altmayer
 
Wie?
 
Frosch
 
War das deine Nase?
 
Brander zu Siebel
 
Und deine hab’ ich in der Hand!
 
Altmayer
 
Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!
Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!
 
Frosch
 
Nein, sagt mir nur, was ist geschehn?
 
Siebel
 
Wo ist der Kerl? Wenn ich ihn spüre,
Er soll mir nicht lebendig gehn!
 
Altmayer
 
Ich hab’ ihn selbst hinaus zur Kellerthüre —
Auf einem Fasse reiten sehn —
Es liegt mir bleyschwer in den Füßen.
 
Sich nach dem Tische wendend.
 
Mein! Sollte wohl der Wein noch fließen?
 
Siebel
 
Betrug war alles, Lug und Schein.
 
Frosch
 
Mir däuchte doch als tränk’ ich Wein.
 
Brander
 
Aber wie war es mit den Trauben?
 
Altmayer
 
Nun sag’ mir eins, man soll kein Wunder glauben!
 

Hexenküche

Auf einem niedrigen Herde steht ein großer Kessel über dem Feuer. In dem Dampfe, der davon in die Höhe steigt, zeigen sich verschiedne Gestalten. Eine Meerkatze sitzt bey dem Kessel und schäumt ihn, und sorgt daß er nicht überläuft. Der Meerkater mit den Jungen sitzt darneben und wärmt sich. Wände und Decke sind mit dem seltsamsten Hexenhausrath ausgeschmückt.

 

Faust. Mephistopheles.

Faust
 
Mir widersteht das tolle Zauberwesen!
Versprichst du mir, ich soll genesen,
In diesem Wust von Raserey?
Verlang’ ich Rath von einem alten Weibe?
Und schafft die Sudelköcherey
Wohl dreyßig Jahre mir vom Leibe?
Weh mir, wenn du nichts bessers weißt!
Schon ist die Hoffnung mir verschwunden.
Hat die Natur und hat ein edler Geist
Nicht irgend einen Balsam ausgefunden?
 
Mephistopheles
 
Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!
Doch zu verjüngen, gibt’s auch ein natürlich Mittel;
Allein es steht in einem andern Buch,
Und ist ein wunderlich Capitel.
 
Faust
 
Ich will es wissen.
 
Mephistopheles
 
Gut! Ein Mittel, ohne Geld
Und Arzt und Zauberey, zu haben:
Begib dich gleich hinaus aufs Feld,
Fang’ an zu hacken und zu graben,
Erhalte dich und deinen Sinn
In einem ganz beschränkten Kreise,
Ernähre dich mit ungemischter Speise,
Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht’ es nicht für Raub,
Den Acker, den du ärndest, selbst zu düngen;
Das ist das beste Mittel, glaub’,
Auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!
 
Faust
 
Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen
Den Spaten in die Hand zu nehmen,
Das enge Leben steht mir gar nicht an.
 
Mephistopheles
 
So muß denn doch die Hexe dran.
 
Faust
 
Warum denn just das alte Weib?
Kannst du den Trank nicht selber brauen?
 
Mephistopheles
 
Das wär’ ein schöner Zeitvertreib!
Ich wollt’ indeß wohl tausend Brücken bauen.
Nicht Kunst und Wissenschaft allein,
Geduld will bey dem Werke seyn.
Ein stiller Geist ist Jahre lang geschäftig,
Die Zeit nur macht die feine Gährung kräftig.
Und alles was dazu gehört
Es sind gar wunderbare Sachen!
Der Teufel hat sie’s zwar gelehrt;
Allein der Teufel kann’s nicht machen.
 
Die Thiere erblickend.
 
Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!
Das ist die Magd! das ist der Knecht!
 
Zu den Thieren.
 
Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?
 
Die Thiere
 
Beym Schmause,
Aus dem Haus
Zum Schornstein hinaus!
 
Mephistopheles
 
Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?
 
Die Thiere
 
So lange wir uns die Pfoten wärmen.
 
Mephistopheles zu Faust
 
Wie findest du die zarten Thiere?
 
Faust
 
So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!
 
Mephistopheles
 
Nein, ein Discours wie dieser da,
Ist g’rade der, den ich am liebsten führe!
 
Zu den Thieren.
 
So sagt mir doch, verfluchte Puppen!
Was quirlt ihr in dem Brey herum?
 
Thiere
 
Wir kochen breite Bettelsuppen.
 
Mephistopheles
 
Da habt ihr ein groß Publicum.
 
Der Kater

macht sich herbey und schmeichelt dem Mephistopheles.

 
O würfle nur gleich,
Und mache mich reich,
Und laß mich gewinnen!
Gar schlecht ist’s bestellt,
Und wär’ ich bey Geld,
So wär’ ich bey Sinnen.
 
Mephistopheles
 
Wie glücklich würde sich der Affe schätzen,
Könnt’ er nur auch in’s Lotto setzen!
 

Indessen haben die jungen Meerkätzchen mit einer großen Kugel gespielt und rollen sie hervor.

Der Kater
 
Das ist die Welt;
Sie steigt und fällt
Und rollt beständig;
Sie klingt wie Glas;
Wie bald bricht das?
Ist hohl inwendig,
Hier glänzt sie sehr,
Und hier noch mehr,
Ich bin lebendig!
Mein lieber Sohn,
Halt dich davon!
Du mußt sterben!
Sie ist von Thon,
Es giebt Scherben.
 
Mephistopheles
 
Was soll das Sieb?
 
Der Kater

holt es herunter.

 
Wärst du ein Dieb,
Wollt’ ich dich gleich erkennen.
 

Er läuft zur Kätzinn und läßt sie durchsehen.

 
Sieh durch das Sieb!
Erkennst du den Dieb,
Und darfst ihn nicht nennen?
 
Mephistopheles sich dem Feuer nähernd
 
Und dieser Topf?
 
Kater und Kätzinn
 
Der alberne Tropf!
Er kennt nicht den Topf,
Er kennt nicht den Kessel!
 
Mephistopheles
 
Unhöfliches Thier!
 
Der Kater
 
Den Wedel nimm hier,
Und setz’ dich in Sessel!
 

Er nöthigt den Mephistopheles zu sitzen.

Faust

welcher diese Zeit über vor einem Spiegel gestanden, sich ihm bald genähert, bald sich von ihm entfernt hat.

 
Was seh’ ich? Welch ein himmlisch Bild
Zeigt sich in diesem Zauberspiegel!
O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel,
Und führe mich in ihr Gefild!
Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe,
Wenn ich es wage nah’ zu gehn,
Kann ich sie nur als wie im Nebel sehn! —
Das schönste Bild von einem Weibe!
Ist’s möglich, ist das Weib so schön?
Muß’ ich an diesem hingestreckten Leibe
Den Inbegriff von allen Himmeln sehn?
So etwas findet sich auf Erden?
 
Mephistopheles
 
Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt,
Und selbst am Ende Bravo sagt,
Da muß es was gescheidtes werden.
Für dießmal sieh dich immer satt;
Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren,
Und selig wer das gute Schicksal hat,
Als Bräutigam sie heim zu führen!
 

Faust sieht immerfort in den Spiegel. Mephistopheles, sich in dem Sessel dehnend und mit dem Wedel spielend, fährt fort zu sprechen.

 
Hier sitz’ ich wie der König auf dem Throne,
Den Zepter halt’ ich hier, es fehlt nur noch die Krone.
 
Die Thiere

welche bisher allerley wunderliche Bewegungen durch einander gemacht haben, bringen dem Mephistopheles eine Krone mit großem Geschrey.

 
O sey doch so gut,
Mit Schweiß und mit Blut
Die Krone zu leimen!
 

Sie gehn ungeschickt mit der Krone um und zerbrechen sie in zwey

 
Stücke, mit welchen sie herumspringen.
Nun ist es geschehn!
Wir reden und sehn,
Wir hören und reimen;
 
Faust gegen den Spiegel
 
Weh mir! ich werde schier verrückt.
 
Mephistopheles auf die Thiere deutend
 
Nun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken.
 
Die Thiere
 
Und wenn es uns glückt,
Und wenn es sich schickt,
So sind es Gedanken!
 
Faust wie oben
 
Mein Busen fängt mir an zu brennen!
Entfernen wir uns nur geschwind!
 
Mephistopheles in obiger Stellung
 
Nun, wenigstens muß man bekennen,
Daß es aufrichtige Poeten sind.
 

Der Kessel, welchen die Kätzinn bisher ausser Acht gelassen, fängt an überzulaufen; es entsteht eine grosse Flamme, welche zum Schornstein hinaus schlägt. Die Hexe kommt durch die Flamme mit entsetzlichem Geschrey herunter gefahren.

Die Hexe
 
Au! Au! Au! Au!
Verdammtes Thier! verfluchte Sau!
Versäumst den Kessel, versengst die Frau!
Verfluchtes Thier!
 

Faust und Mephistopheles erblickend.

 
Was ist das hier?
Wer seyd ihr hier?
Was wollt ihr da?
Wer schlich sich ein?
Die Feuerpein
Euch in’s Gebein!
 

Sie fährt mit dem Schaumlöffel in den Kessel, und spritzt Flammen nach Faust, Mephistopheles und den Thieren. Die Thiere winseln.

Mephistopheles

welcher den Wedel, den er in der Hand hält, umkehrt, und unter die Gläser und Töpfe schlägt.

 
Entzwey! entzwey!
Da liegt der Brey!
Da liegt das Glas!
Es ist nur Spaß,
Der Tact, du Aas,
Zu deiner Melodey.
 

Indem die Hexe voll Grimm und Entsetzen zurücktritt.

 
Erkennst du mich? Gerippe! Scheusal du!
Erkennst du deinen Herrn und Meister?
Was hält mich ab, so schlag’ ich zu,
Zerschmettre dich und deine Katzen-Geister!
Hast du vor’m rothen Wamms nicht mehr Respect?
Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?
Hab’ ich dieß Angesicht versteckt?
Soll ich mich etwa selber nennen?
 
Die Hexe
 
O Herr, verzeiht den rohen Gruß!
Sah’ ich doch keinen Pferdefuß.
Wo sind denn eure beyden Raben?
 
Mephistopheles
 
Für dießmal kamst du so davon;
Denn freylich ist es eine Weile schon,
Daß wir uns nicht gesehen haben.
Auch die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auf den Teufel sich erstreckt;
Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen,
Wo siehst du Hörner, Schweif und Klauen?
Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann,
Der würde mir bey Leuten schaden;
Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge Mann,
Seit vielen Jahren falscher Waden.
 
Die Hexe tanzend
 
Sinn und Verstand verlier’ ich schier,
Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!
 
Mephistopheles
 
Den Nahmen, Weib, verbitt’ ich mir!
 
Die Hexe
 
Warum? Was hat er euch gethan?
 
Mephistopheles
 
Er ist schon lang’ in’s Fabelbuch geschrieben;
Allein die Menschen sind nichts besser dran,
Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.
Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;
Ich bin ein Cavalier, wie andre Cavaliere.
Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;
Sieh her, das ist das Wapen, das ich führe!
 

Er macht eine unanständige Gebärde.

Die Hexe lacht unmäßig
 
Ha! Ha! Das ist in eurer Art!
Ihr seyd ein Schelm, wie ihr nur immer war’t!
 
Mephistopheles zu Faust
 
Mein Freund, das lerne wohl verstehn!
Dieß ist die Art mit Hexen umzugehn.
 
Die Hexe
 
Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft.
 
Mephistopheles
 
Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!
Doch muß ich euch um’s ält’ste bitten;
Die Jahre doppeln seine Kraft.
 
Die Hexe
 
Gar gern! Hier hab’ ich eine Flasche,
Aus der ich selbst zuweilen nasche,
Die auch nicht mehr im mind’sten stinkt;
Ich will euch gern ein Gläschen geben.
 

Leise.

 
Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt,
So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben.
 
Mephistopheles
 
Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;
Ich gönn’ ihm gern das beste deiner Küche.
Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche,
Und gieb ihm eine Tasse voll!
 

Die Hexe mit seltsamen Geberden, zieht einen Kreis und stellt wunderbare Sachen hinein; indessen fangen die Gläser an zu klingen, die Kessel zu tönen, und machen Musik. Zuletzt bringt sie ein großes Buch, stellt die Meerkatzen in den Kreis, die ihr zum Pult dienen und die Fackel halten müssen. Sie winkt Fausten, zu ihr zu treten.

Faust zu Mephistopheles
 
Nein, sage mir, was soll das werden?
Das tolle Zeug, die rasenden Geberden,
Der abgeschmackteste Betrug
Sind mir bekannt, verhaßt genug.
 
Mephistopheles
 
Ey Possen! Das ist nur zum Lachen;
Sey nur nicht ein so strenger Mann!
Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen,
Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.
 

Er nöthigt Fausten in den Kreis zu treten.

Die Hexe

mit großer Emphase fängt an aus dem Buche zu declamiren.

 
Du mußt verstehn!
Aus Eins mach’ Zehn,
Und Zwey laß gehn,
Und Drey mach’ gleich,
So bist du reich.
Verlier’ die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex’,
Mach’ Sieben und Acht,
So ist’s vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmal-Eins!
 
Faust
 
Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber.
 
Mephistopheles
 
Das ist noch lange nicht vorüber,
Ich kenn’ es wohl, so klingt das ganze Buch;
Ich habe manche Zeit damit verloren,
Denn ein vollkommner Widerspruch
Bleibt gleich geheimnißvoll für Kluge wie für Thoren.
Mein Freund, die Kunst ist alt und neu.
Es war die Art zu allen Zeiten,
Durch Drey und Eins, und Eins und Drey
Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten.
So schwätzt und lehrt man ungestört;
Wer will sich mit den Narr’n befassen?
Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört,
Es müsse sich dabey doch auch was denken lassen.
 
Die Hexe fährt fort
 
Die hohe Kraft
Der Wissenschaft,
Der ganzen Welt verborgen!
Und wer nicht denkt,
Dem wird sie geschenkt,
Er hat sie ohne Sorgen.
 
Faust
 
Was sagt sie uns für Unsinn vor?
Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.
Mich dünkt, ich hör’ ein ganzes Chor
Von hundert tausend Narren sprechen.
 
Mephistopheles
 
Genug, genug, o treffliche Sibylle!
Gib deinen Trank herbey, und fülle
Die Schale rasch bis an den Rand hinan;
Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:
Er ist ein Mann von vielen Graden,
Der manchen guten Schluck gethan.
 

Die Hexe mit vielen Ceremonien, schenkt den Trank in eine Schale; wie sie Faust an den Mund bringt, entsteht eine leichte Flamme.

Mephistopheles
 
Nur frisch hinunter! Immer zu!
Es wird dir gleich das Herz erfreuen.
Bist mit dem Teufel du und du,
Und willst dich vor der Flamme scheuen?
 

Die Hexe lös’t den Kreis. Faust tritt heraus.

Mephistopheles
 
Nun frisch hinaus! Du darfst nicht ruhn.
 
Die Hexe
 
Mög’ euch das Schlückchen wohl behagen!
 
Mephistopheles zur Hexe
 
Und kann ich dir was zu Gefallen thun;
So darfst du mir’s nur auf Walpurgis sagen.
 
Die Hexe
 
Hier ist ein Lied! wenn ihr’s zuweilen singt,
So werdet ihr besondre Würkung spüren.
 
Mephistopheles zu Faust
 
Komm nur geschwind und laß dich führen;
Du mußt nothwendig transpiriren,
Damit die Kraft durch inn- und äußres dringt.
Den edlen Müßiggang lehr’ ich hernach dich schätzen,
Und bald empfindest du mit innigem Ergetzen,
Wie sich Cupido regt und hin und wieder springt.
 
Faust
 
Laß mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!
Das Frauenbild war gar zu schön!
 
Mephistopheles
 
Nein! Nein! Du sollst das Muster aller Frauen
Nun bald leibhaftig vor dir seh’n.
 

Leise.

 
Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
Bald Helenen in jedem Weibe.