Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen

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Der Bürgergeneral

Personen.

Röse

Görge

Märten

Der Edelmann

Schnaps

Der Richter

Bauern

Erster Auftritt

Der Schauplatz ist vor Märtens Hause, wie in den vorigen Stücken.

Röse. Görge.

GÖRGE der zum Hause mit einem Rechen herauskommt, spricht zurück. Hörst du, liebe Röse?

RÖSE die unter die Türe tritt. Recht wohl, lieber Görge!

GÖRGE. Ich gehe auf die Wiese und ziehe Maulwurfshaufen auseinander.

RÖSE. Gut.

GÖRGE. Hernach seh ich, wie es auf dem Acker aussieht.

RÖSE. Schön! Und dann kommst du aufs Krautland und gräbst, und findest mich da mit dem Frühstück.

GÖRGE. Und da setzen wir uns zusammen und lassen es uns schmecken.

RÖSE. Du sollst eine gute Suppe haben.

GÖRGE. Wenn sie noch so gut wäre! Du mußt mitessen, sonst schmeckt sie mir nicht.

RÖSE. Mir geht's ebenso.

GÖRGE. Nun leb wohl, Röse!

RÖSE. Leb wohl, Görge!

GÖRGE geht, bleibt stehen, sieht sich um; sie werfen sich Kußhände zu, er kehrt zurück. Höre, Röse! – die Leute reden kein wahr Wort.

RÖSE. Selten wenigstens. Wieso?

GÖRGE. Sie sagen: als Mann und Frau hätte man sich nicht mehr so lieb wie vorher. Es ist nicht wahr, Röse. Wie lange haben wir uns schon? Wart!

RÖSE. Zwölf Wochen.

GÖRGE. Wahrhaftig! Und da ist immer noch Görge und Röschen, und Röschen und Görge wie vorher. Nun leb wohl!

RÖSE. Leb wohl. Wie oft haben wir das nicht schon gesagt!

GÖRGE entfernt sich. Und wie oft werden wir es noch sagen!

RÖSE. Und uns immer wieder suchen und finden.

GÖRGE stille stehend. Das ist eine Lust!

RÖSE. Ich komme gleich nach. Leb wohl!

GÖRGE gehend. Leb wohl!

RÖSE unter der Türe. Görge!

GÖRGE zurückkommend. Was gibt's?

RÖSE. Du hast was vergessen.

GÖRGE sich ansehend. Was denn?

RÖSE ihm entgegenspringend. Noch einen Kuß!

GÖRGE. Liebe Röse!

RÖSE. Lieber Görge! Küssend.

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Der Edelmann.

EDELMANN. Brav, ihr Kinder! Brav! an euch merkt man nicht, daß die Zeit vergeht.

GÖRGE. Wir merken's auch nicht, gnädiger Herr.

RÖSE bedeutend. Sie werden's auch bald nicht mehr merken.

EDELMANN. Wieso?

RÖSE. Machen Sie nur kein Geheimnis daraus! – Sie ist ja so hübsch.

EDELMANN lächelnd. Wer?

GÖRGE. Hm! Röse, du hast recht. Jawohl, recht hübsch.

RÖSE. Und Sie sind auch so ein schöner junger Herr.

EDELMANN. Görge! Darf sie das sagen?

GÖRGE. Jetzt eher als sonst. Denn ich will's nur gestehen, ich bin oft eifersüchtig auf Sie gewesen.

EDELMANN. Du hast's auch Ursache gehabt. Röse gefiel mir immer.

RÖSE. Sie scherzen, gnädiger Herr.

GÖRGE. Es ist mir nur immer gar zu ernstlich vorgekommen.

RÖSE. Er hat mich oft genug gequält.

GÖRGE. Und sie mich auch.

EDELMANN. Und jetzt?

GÖRGE. Jetzt ist Röse meine Frau und, ich denke, eine recht brave Frau.

EDELMANN. Das ist gewiß.

RÖSE bedeutend. Und Sie? –

EDELMANN. Nun?

GÖRGE mit Bücklingen. Darf man gratulieren?

EDELMANN. Wozu?

RÖSE sich neigend. Wenn Sie's nicht ungnädig nehmen wollen.

GÖRGE. Sie werden bald auch ein allerliebstes Weibchen haben.

EDELMANN. Daß ich nicht wüßte.

RÖSE. In wenig Tagen leugnen Sie es nicht mehr.

GÖRGE. Und sie ist so liebenswürdig.

EDELMANN. Wer denn?

RÖSE. Fräulein Karoline, die neulich mit der alten Tante hier zum Besuche war.

EDELMANN. Daher habt ihr euren Argwohn? Wie ihr fein seid!

GÖRGE. Ich dächte doch, so etwas ließe sich einsehen.

RÖSE. Es ist recht schön, daß Sie sich auch verheiraten.

GÖRGE. Man wird ein ganz anderer Mensch. Sie werden's sehen.

RÖSE. Jetzt gefällt mir's erst zu Hause.

GÖRGE. Und ich meine, ich wäre da drin im Hause geboren.

RÖSE. Und wenn der Vater die Zeitungen liest und sich um die Welthändel bekümmert, da drücken wir einander die Hände.

GÖRGE. Und wenn der Alte sich betrübt, daß es draußen so wild zugeht, dann rücken wir näher zusammen und freuen uns, daß es bei uns so friedlich und ruhig ist.

EDELMANN. Das Beste, was ihr tun könnt.

RÖSE. Und wenn der Vater gar nicht begreifen kann, wie er die französische Nation aus den Schulden retten will, da sag ich: »Görge, wir wollen uns nur hüten, daß wir keine Schulden machen.«

GÖRGE. Und wenn er außer sich ist, daß man allen Leuten dort ihre Güter und ihr Vermögen nimmt, da überlegen wir zusammen, wie wir das Gütchen verbessern wollen, das wir von dem Lottogelde zu kaufen gedenken.

EDELMANN. Ihr seid gescheite junge Leute.

RÖSE. Und glücklich.

EDELMANN. Das hör ich gern.

GÖRGE. Sie werden's auch bald erfahren.

RÖSE. Das wird wieder eine Lust auf dem Schlosse werden!

GÖRGE. Als wie zu Lebzeiten Ihrer seligen Frau Mama.

RÖSE. Zu der man immer lief, wenn jemand krank war.

GÖRGE. Die einem so guten Spiritus auflegte, wenn man sich eine Beule gestoßen hatte.

RÖSE. Die so gute Salben wußte, wenn man sich verbrannt hatte.

EDELMANN. Wenn ich heirate, will ich mich nach einem Frauenzimmer umsehen, die ihr ähnlich ist.

GÖRGE. Die ist schon gefunden.

RÖSE. Ich denk's. Sein Sie nicht böse, gnädiger Herr, daß wir so vorlaut sind.

GÖRGE. Wir können's aber nicht abwarten –

RÖSE. Sie so glücklich zu sehen als uns.

GÖRGE. Sie müssen nicht länger zögern.

RÖSE. Es ist verlorne Zeit.

GÖRGE. Und wir haben schon den Vorsprung.

EDELMANN. Wir wollen sehen.

GÖRGE. Es tut freilich nichts, wenn unser Junge ein bißchen älter ist als der Ihrige; da kann er desto besser auf den Junker achthaben.

RÖSE. Das wird hübsch sein, wenn sie zusammen spielen. Sie dürfen doch?

EDELMANN. Wenn sie nur schon da wären. Ja! – meine Kinder sollen mit den eurigen aufwachsen, wie ich mit euch.

RÖSE. Das wird eine Lust sein!

GÖRGE. Ich sehe sie schon.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Märten am Fenster.

MÄRTEN. Röse! Röse! Wo bleibt das Frühstück?

RÖSE. Gleich! Gleich!

MÄRTEN. Muß ich schon wieder warten! Das Fenster zu.

RÖSE. Den Augenblick!

GÖRGE. Mach nur, Röse.

RÖSE. Da werd ich ausgeschmält.

EDELMANN. Daran ist der Kuß schuld, über dem ich euch ertappte. Ich vergaß auch darüber mein Wildpret.

GÖRGE. Ihre Freundlichkeit ist schuld, gnädiger Herr!

RÖSE. Jawohl. Ich vergaß darüber den Vater.

GÖRGE. Und ich Wiese, Acker und Krautland.

EDELMANN. Nun denn jedes auf seinen Weg.

Unter wechselseitigen Begrüßungen an verschiedenen Seiten ab, und Röse ins Haus.

Vierter Auftritt

Märtens Stube, mit einem Kamin, einigen Schränken, einem Tisch mit Stühlen. An der Seite ein Fenster. Gegenüber eine angelehnte Leiter.

Märten. Röse.

MÄRTEN. Röse, wo bist du?

RÖSE. Hier, Vater.

MÄRTEN. Wo bleibst du?

RÖSE. Der gnädige Herr kam gegangen, und wie er so gut ist, schwatzte er mit uns.

MÄRTEN. Und mein Kaffee?

RÖSE auf den Kamin deutend. Steht hier.

MÄRTEN. Das seh ich. Aber die Milch?

RÖSE. Ist gleich warm. Geht nach dem Schranke, öffnet ihn mit einem Schlüssel des Bundes, das sie anhängen hat, nimmt Rahm heraus und setzt ihn in den Kamin.

MÄRTEN indessen. Röse, das ist nicht hübsch!

RÖSE beschäftigt. Was denn, Vater?

MÄRTEN. Daß du mich ganz und gar über Görgen vergissest.

RÖSE wie oben. Wieso?

MÄRTEN. Mit ihm hast du geplaudert; für ihn hast du gesorgt.

RÖSE. Auch, Vater. Ich hab ihm ein Butterbrot gegeben.

MÄRTEN. Für ihn allein sorgst du.

RÖSE. Nicht doch! Für Euch so gut wie für ihn.

MÄRTEN. Und doch versprachst du mir, wenn ich dich heiraten ließe –

RÖSE. Sollte alles bleiben vor wie nach.

MÄRTEN. Hältst du nun Wort?

RÖSE. Gewiß. Hier ist der Kaffee.

MÄRTEN. Bist du alle Morgen gleich bei der Hand wie sonst?

RÖSE. Hier ist die Milch. Sie läuft wieder nach dem Schranke.

MÄRTEN. Und muß ich nicht auf alles warten?

RÖSE. Hier die Tasse! der Löffel! der Zucker! Wollt Ihr auch ein Butterbrot?

MÄRTEN. Nein, nein. – Du bleibst mir die Antwort schuldig.

RÖSE auf das Frühstück deutend. Hier steht sie.

MÄRTEN. Es mag gut sein. Erzähle mir etwas.

RÖSE. Ich muß fort.

MÄRTEN. Schon wieder?

RÖSE. Görgen die Suppe bringen, der mag den Kaffee nicht.

MÄRTEN. Warum ißt er sie nicht zu Hause?

RÖSE. Er will erst was arbeiten. Auf dem Krautlande hat er eine Laube gebaut, da machen wir ein Feuerchen an, wärmen die Suppe und verzehren sie miteinander.

MÄRTEN. So geh hin! Es ist doch nicht anders.

RÖSE. Wie meint Ihr?

MÄRTEN. Vater und Mutter verlaßt ihr und folgt dem Manne nach.

RÖSE. So soll's ja sein.

MÄRTEN. Geh nur.

RÖSE. Zu Mittag sollt Ihr ein gut Essen haben; ich sage nicht was.

 

MÄRTEN. Schon recht.

RÖSE. Seid nicht verdrießlich.

MÄRTEN. Nein doch!

RÖSE. So lebt wohl.

MÄRTEN. Geh nur! Ich komme auch hinaus.

Fünfter Auftritt

MÄRTEN allein, sitzend und trinkend. Es ist gut, daß sie geht. Schnaps sagte mir gestern im Vorbeigehn: wenn die Kinder im Felde wären, wollte er mich besuchen und mir viel Neues erzählen. – Ein vertrackter Kerl, der Schnaps! Alles weiß er! – Wenn er nur mit Görgen besser stände! Aber der hat geschworen, wenn er ihn wieder im Hause trifft, will er ihn lederweich schlagen. Und Görge hält sein Wort. – Ein guter Bursch! Ein heftiger Bursch! – Ich höre was. An der Türe. Ha! Ha! Schnaps! – Da ist er ja.

Sechster Auftritt

Märten. Schnaps.

SCHNAPS hereinsehend. Seid Ihr allein, Vater Martin?

MÄRTEN. Nur herein!

SCHNAPS einen Fuß hereinsetzend. Görgen sah ich gehen; ist Röse nach?

MÄRTEN. Ja, Gevatter Schnaps. Wie immer.

SCHNAPS. Da bin ich.

MÄRTEN. Ihr seid vorsichtig.

SCHNAPS. Das ist die erste Tugend.

MÄRTEN. Wo kommt Ihr her?

SCHNAPS. Hm! Hm!

MÄRTEN. Seit acht Tagen hat man Euch nicht gesehen.

SCHNAPS. Ich glaub es.

MÄRTEN. Habt Ihr auswärts eine Kur verrichtet?

SCHNAPS. Vater Martin! – Ich habe kurieren gelernt.

MÄRTEN. Gelernt? – Als wenn Ihr noch was zu lernen brauchtet.

SCHNAPS. Man lernt nie aus.

MÄRTEN. Ihr seid bescheiden.

SCHNAPS. Wie alle große Männer.

MÄRTEN. Nun, was die Größe betrifft! – Ihr seid ja kleiner als ich.

SCHNAPS. Vater Martin, davon ist die Rede nicht. Aber hier! hier! Auf die Stirn deutend.

MÄRTEN. Ich verstehe.

SCHNAPS. Und da gibt's Leute in der Welt, die das zu schätzen wissen.

MÄRTEN. Ohne Zweifel.

SCHNAPS. Da findet man Zutrauen –

MÄRTEN. Ich glaub's.

SCHNAPS. Da erfährt man –

MÄRTEN ungeduldig. Was denn? Sagt!

SCHNAPS. Und erhält Aufträge.

MÄRTEN. Geschwind! Was gibt's?

SCHNAPS bedeutend. Man wird ein Mann von Einfluß.

MÄRTEN. Ist's möglich?

SCHNAPS. In wenig Tagen erfahrt Ihr's.

MÄRTEN. Nur gleich! Nur heraus damit!

SCHNAPS. Ich kann nicht. Schon das ist genug gesagt.

MÄRTEN bedenklich. Gevatter Schnaps –

SCHNAPS. Was gibt's?

MÄRTEN. Seht mich an!

SCHNAPS. Nun?

MÄRTEN. Gerad in die Augen!

SCHNAPS. So?

MÄRTEN. Scharf!

SCHNAPS. Zum Henker! Ich seh Euch ja an. Mich wundert's, daß Ihr meinen Blick ertragen könnt.

MÄRTEN. Hört.

SCHNAPS. Was soll's?

MÄRTEN. Wäre das, was Ihr zu erzählen habt –

SCHNAPS. Wie meint Ihr?

MÄRTEN. Nicht etwa wieder so eine Historie?

SCHNAPS. Wie könnt Ihr so denken?

MÄRTEN. Oder –

SCHNAPS. Nicht doch, Vater Martin!

MÄRTEN. Oder von den vielen Schnäpsen, Euren hochansehnlichen Vorfahren?

SCHNAPS. Das war Scherz, lauter Scherz! Nun fängt's an, Ernst zu werden.

MÄRTEN. Überzeugt mich.

SCHNAPS. Nun denn! Weil Ihr's seid.

MÄRTEN. Ich bin äußerst neugierig.

SCHNAPS. So hört! – Sind wir auch sicher?

MÄRTEN. Ganz gewiß! Görge ist aufs Feld, und Röse zu ihm.

SCHNAPS mit Vorbereitung. Sperrt die Ohren auf! Sperrt die Augen auf!

MÄRTEN. So macht denn fort!

SCHNAPS. Ihr habt oft gehört – Es lauscht doch niemand?

MÄRTEN. Niemand.

SCHNAPS. Daß die berühmten Jakobiner – es ist doch niemand versteckt? –

MÄRTEN. Gewiß nicht.

SCHNAPS. Gescheite Leute in allen Ländern aufsuchen, kennen, benutzen.

MÄRTEN. So sagt man.

SCHNAPS. Nun ist mein Ruf – ich höre jemand!

MÄRTEN. Nein doch!

SCHNAPS. Mein Ruf über den Rhein erschollen –

MÄRTEN. Das ist weit.

SCHNAPS. Und man gibt sich schon seit einem halben Jahre alle erdenkliche Mühe –

MÄRTEN. So fahrt nur fort!

SCHNAPS. Mich für die Sache der Freiheit und Gleichheit zu gewinnen.

MÄRTEN. Das wäre!

SCHNAPS. Man kennt in Paris meinen Verstand –

MÄRTEN. Ei! Ei!

SCHNAPS. Meine Geschicklichkeit.

MÄRTEN. Kurios!

SCHNAPS. Genug, die Herren Jakobiner sind seit einem halben Jahre um mich herumgeschlichen, wie die Katze um den heißen Brei!

MÄRTEN. Ich kann mich nicht genug verwundern!

SCHNAPS. Bis man mich vor acht Tagen in die Stadt bestellte.

MÄRTEN. Ihr solltet einen Fremden kurieren, der das Bein gebrochen hatte. So sagtet Ihr.

SCHNAPS. So hatte man mir gesagt.

MÄRTEN. Wir wunderten uns.

SCHNAPS. Ich auch.

MÄRTEN. Ob's denn nicht auch in der Stadt Chirurgen gäbe.

SCHNAPS. Genug, ich wunderte mich – und ging.

MÄRTEN. Da habt Ihr wohlgetan.

SCHNAPS. Ich finde meinen Patienten.

MÄRTEN. Wirklich?

SCHNAPS. Und wie ich den Fuß aufbinde –

MÄRTEN. Nun?

SCHNAPS. Ist er so gesund wie meiner.

MÄRTEN. Was?

SCHNAPS. Ich erstaune!

MÄRTEN. Das glaub ich.

SCHNAPS. Der Herr lacht –

MÄRTEN. Natürlich.

SCHNAPS. Und fällt mir um den Hals.

MÄRTEN. Ist's möglich!

SCHNAPS. »Bürger Schnaps!« ruft er aus.

MÄRTEN. Bürger Schnaps? das ist kurios!

SCHNAPS. »Wertester Bruder!«

MÄRTEN. Und weiter?

SCHNAPS. Genug, er eröffnete mir alles.

MÄRTEN. Was denn?

SCHNAPS. Daß er ein Abgesandter des Jakobinerklubs sei.

MÄRTEN. Wie sah er denn aus?

SCHNAPS. Wie ein andrer Mensch.

MÄRTEN. Habt Ihr Euch nicht vor dem Manne gefürchtet?

SCHNAPS. Ich mich fürchten?

MÄRTEN. Und habt mit ihm gesprochen wie mit Euresgleichen?

SCHNAPS. Natürlich! – Alle Menschen sind gleich.

MÄRTEN. So sagt nur!

SCHNAPS. Was soll ich alles weitläufig erzählen?

MÄRTEN. Ich hör es gern.

SCHNAPS. Er nahm mich in seine Gesellschaft auf.

MÄRTEN. Wie ging das zu?

SCHNAPS. Mit vielen Zeremonien.

MÄRTEN. Die möcht ich wissen.

SCHNAPS. Ihr könnt alles sehn.

MÄRTEN. Wieso?

SCHNAPS. Gebt acht! hier im Barbiersacke trage ich das ganze Geheimnis.

MÄRTEN. Ist's möglich?

SCHNAPS. Schaue her!

MÄRTEN. Laßt sehen!

SCHNAPS. Eins nach dem andern.

MÄRTEN. Nur zu!

SCHNAPS nach einer Pause. Erstlich umarmt er mich nochmals.

MÄRTEN. Ein höflicher Herr!

SCHNAPS. Das dank ihm der Henker!

MÄRTEN. Ich wüßte nicht –

SCHNAPS. Dann bracht er – Er bringt eine rote Mütze hervor.

MÄRTEN. Das rote Käppchen? Ihr seid ja kein Ehemann.

SCHNAPS. Ungeschickt! – Die Freiheitsmütze.

MÄRTEN. Laßt sehen.

SCHNAPS. Und setzte mir sie auf. Er setzt das Käppchen auf.

MÄRTEN. Ihr seht schnakisch aus!

SCHNAPS. Ferner den Rock. Er zieht eine Nationaluniform hervor.

MÄRTEN. Das ist ein schmuckes Kleid.

SCHNAPS. Helft mir, Vater, es ist ein bißchen knapp.

MÄRTEN indem sie sich mit Anziehen plagen. Oh, das ist eine Not! das zwängt!

SCHNAPS. Das ist die Uniform der Freiheit.

MÄRTEN. Da ist mir meine weite Bauerjacke doch lieber.

SCHNAPS. Nun seht her! Was sagt Ihr zu dem Säbel?

MÄRTEN. Gut!

SCHNAPS. Nun die Kokarde!

MÄRTEN. Ist das die Nationalkokarde?

SCHNAPS. Freilich. Steckt sie auf den Hut.

MÄRTEN. Wie sie den alten Hut nicht ziert!

SCHNAPS. Möchtet Ihr nicht auch so eine tragen?

MÄRTEN. Es käme drauf an.

SCHNAPS. Wie mich der Fremde so angezogen hatte –

MÄRTEN. Er selbst?

SCHNAPS. Freilich. Wir bedienen jetzt alle einander.

MÄRTEN. Das ist hübsch.

SCHNAPS. So sagte er –

MÄRTEN. Ich bin neugierig.

SCHNAPS. »Ich habe schon viele hier im Lande angeworben –«

MÄRTEN. So ist das doch wahr.

SCHNAPS. »Aber keinen gefunden, auf den ich mehr Vertrauen setzte als auf Euch.«

MÄRTEN. Das ist schmeichelhaft.

SCHNAPS. »So erfüllt nun meine Hoffnungen –«

MÄRTEN. Und wie?

SCHNAPS. »Geht zu Euren Freunden und macht sie mit unsern Grundsätzen bekannt.«

MÄRTEN. Laßt sie hören.

SCHNAPS. Gleich! – »Und wenn Ihr tausend redliche –«

MÄRTEN. Tausend Redliche? Das ist viel!

SCHNAPS. »Wohldenkende und beherzte Leute beisammen habt –«

MÄRTEN. Nun?

SCHNAPS. »So fangt die Revolution in Eurem Dorfe an.«

MÄRTEN. In unserm Dorfe? Hier, in unserm Dorfe?

SCHNAPS. Freilich!

MÄRTEN. Behüt uns Gott!

SCHNAPS. Ei! wo denn?

MÄRTEN. Eh! was weiß ich? Da und dort! Überall! Nur nicht hier.

SCHNAPS. Hört nur, nun kommt das Wichtigste.

MÄRTEN. Noch was Wichtigers?

SCHNAPS. »Fangt die Revolution an!« sagte er.

MÄRTEN. Gnad uns Gott!

SCHNAPS. »Ich gebe Euch dazu völlige Autorität und mache Euch hiermit –«

MÄRTEN. Wozu?

SCHNAPS. »Zum Bürgergeneral.«

MÄRTEN. Zum General? – Herr Schnaps, Herr Schnaps! das klingt nun fast wieder nach dem ostindischen Generalgouverneur.

SCHNAPS. Stille! Es ist nicht Zeit zu scherzen.

MÄRTEN. Es scheint.

SCHNAPS. »Und zum Zeichen geb ich Euch diesen Schnurrbart –«

MÄRTEN. Einen Schnurrbart?

SCHNAPS. »Den jeder Bürgergeneral tragen muß.«

MÄRTEN. Ist's möglich!

SCHNAPS hat den Schnurrbart angeheftet. »Ihr habt nun ein Ansehn.«

MÄRTEN. Wahrhaftig!

SCHNAPS. »Eine Autorität.«

MÄRTEN. Zum Erstaunen!

SCHNAPS. »Und an der Spitze der Freigesinnten werdet Ihr Wunder tun.«

MÄRTEN. Ohne Zweifel, Herr General.

SCHNAPS. Man sagt nicht: Herr General. Man sagt: mein General! Bürgergeneral! – Es ist kein Mensch ein Herr.

MÄRTEN. Mein General!

SCHNAPS. Was gibt's, Bürger?

MÄRTEN. Ich bin nur ein Bauer.

SCHNAPS. Wir sind alle Bürger.

MÄRTEN. So sagt mir nur, wo das hinauswill?

SCHNAPS. Worauf es hinauswill?

MÄRTEN. Ja.

SCHNAPS. Unsre Grundsätze heißt man das.

MÄRTEN. Ich dächte fast, es ginge auf Schläge hinaus.

SCHNAPS. Nun müßt Ihr hören.

MÄRTEN. Was denn?

SCHNAPS. Die Grundsätze, die ich ausbreiten soll.

MÄRTEN. Die hatt ich ganz und gar vergessen.

SCHNAPS. Hört!

MÄRTEN der zufälligerweise im Aufundabgehen an das Fenster kommt. O weh!

SCHNAPS. Was gibt's?

MÄRTEN. Herr General! Mein General – da kommt Görge den Berg herein.

SCHNAPS. Verflucht!

MÄRTEN. Herr – mein General! Er hat einen großen Prügel.

SCHNAPS nach dem Fenster laufend. Ich bin in großer Verlegenheit.

MÄRTEN. Das glaub ich.

SCHNAPS. Ich fürchte –

MÄRTEN. So kommt mir's vor.

SCHNAPS. Meint Ihr etwa Görgen?

MÄRTEN. Nein doch, den Prügel.

SCHNAPS. Nichts in der Welt, als verraten zu werden.

MÄRTEN. Da habt Ihr recht.

SCHNAPS. Die gute Sache würde leiden, wenn man unsre Absicht zu früh entdeckte.

MÄRTEN. Gewiß.

SCHNAPS. Versteckt mich!

MÄRTEN. Steigt auf den Boden.

SCHNAPS. Ja! Ja!

MÄRTEN. Nur unters Heu.

SCHNAPS. Ganz recht.

MÄRTEN. Nur fort, Herr General! Der Feind ist in der Nähe.

SCHNAPS. Geschwind den Sack her! Er nimmt den Barbiersack auf.

MÄRTEN. Fort! Fort!

SCHNAPS indem er die Leiter hinaufsteigt. Verratet mich ja nicht.

MÄRTEN. Nein, nein.

SCHNAPS. Und denkt nicht, daß ich mich fürchte.

MÄRTEN. Nicht doch!

SCHNAPS. Lauter Klugheit!

MÄRTEN. Die ist zu loben. Nur zu!

SCHNAPS ganz oben, indem er hineinsteigt. Lauter Klugheit!

Siebenter Auftritt

Märten. Görge mit einem Stock.

GÖRGE. Wo ist der Schurke?

MÄRTEN. Wer?

GÖRGE. Ist es wahr, Vater?

 

MÄRTEN. Was denn?

GÖRGE. Röse sagte mir, sie hätte, da sie weggegangen wäre, Schnapsen ins Haus schleichen sehen.

MÄRTEN. Er kam; ich habe ihm aber gleich die Wege gewiesen.

GÖRGE. Da habt Ihr wohlgetan. Ich schlag ihm Arm und Bein entzwei, wenn ich ihn hier antreffe.

MÄRTEN. Du bist gar zu aufgebracht.

GÖRGE. Was? nach allen den Streichen?

MÄRTEN. Das ist vorbei.

GÖRGE. Er hat noch keine Ruhe. Jetzt, da Röse meine Frau ist –

MÄRTEN. Was denn?

GÖRGE. Hört er nicht auf, uns zu necken, uns zu beunruhigen.

MÄRTEN. Und wie denn?

GÖRGE. Da sagt er zu Rösen im Vorbeigehen: »Guten Abend, Röse! Wie Ihr doch allen Leuten in die Augen stecht! Der Offizier, der da durchritt, hat nach Euch gefragt.«

MÄRTEN. Das kann wohl wahr sein.

GÖRGE. Was braucht er's wiederzusagen? Nein, es sind lauter Lügen.

MÄRTEN. Wahrscheinlich.

GÖRGE. Da kommt er einmal und sagt: »Der Fremde, der auf dem Schlosse gewohnt hat, der hat Euch recht gelobt. Wollt Ihr ihn in der Stadt besuchen? Es wird ihm recht lieb sein. Er wohnt in der Langen Straße Numero 636.«

MÄRTEN. Das heißt man ja kuppeln.

GÖRGE. Er ist alles imstande.

MÄRTEN. Ich glaub's wohl.

GÖRGE. Und Röse gibt ihm immer was ab, wie er's verdient, und der böse Kerl trägt's ihr nach. Ich fürchte, er tut uns einen Possen.

MÄRTEN. So böse ist er doch nicht. Er spaßt nur.

GÖRGE. Ein schöner Spaß! Ich will ihn aber treffen.

MÄRTEN. Nimm dich in acht! das kostet Strafe.

GÖRGE. Die bezahl ich gern. Und ich will's ihm gedenken, daß er mich jetzt von Rösen weggesprengt hat. Wenn er nur nicht gar draußen bei ihr ist! Geschwind, geschwind! ich muß fort. Eilig ab.

Achter Auftritt

Märten. Hernach Schnaps.

MÄRTEN. Ein Glück, daß er ihn nicht vermutet! Das hätte schöne Händel gesetzt! Am Fenster. Wie er läuft! Er ist schon am Berge. Nun kann mein General wieder aus dem Hinterhalte hervorkommen. Es ist doch kurios, daß jetzt die schlimmsten Leute immer in die Höhe kommen! Man liest's in allen Zeitungen. Der da oben taugt nun ganz und gar nichts, und kommt zu solchen Ehren! Wer weiß, was noch daraus wird! Es sind gefährliche Zeiten; man weiß gar nicht mehr, wen man um sich hat. Auf alle Fälle will ich ihm schmeicheln. Er nutzt mir wohl wieder. – Mein General!

SCHNAPS an der Bodentüre. Es fällt Heu herunter. Ist er fort?

MÄRTEN. Schon weit weg.

SCHNAPS mit Heu bedeckt. Ich komme schon.

MÄRTEN. Ihr seht verzweifelt aus, General Schnaps.

SCHNAPS auf der Leiter sich reinigend. Das ist im Felde nicht anders; man kann nicht alles sauber haben.

MÄRTEN. Kommt nur herunter.

SCHNAPS. Ist er wirklich fort?

MÄRTEN. Schon weit weg. Er war besorgt, Ihr möchtet indessen zu Rösen schleichen, und lief, als wenn es hinter ihm brennte.

SCHNAPS herunterkommend. Vortrefflich! Nun schließt mir aber die Haustür zu.

MÄRTEN. Das sieht verdächtig aus.

SCHNAPS. Besser verdächtig als ertappt. Schließt zu, Vater Martin. Mit wenig Worten sag ich Euch alles.

MÄRTEN gehend. Nun gut.

SCHNAPS. Wenn jemand pocht, pack ich ein und schleiche mich zur Hintertür hinaus; und Ihr macht, was Ihr wollt.

Neunter Auftritt

Schnaps. Nachher Märten.

SCHNAPS. Wenn ich ihm nur erst ein Frühstück abgewonnen hätte! Eine rechte Schande! ein reicher Mann und immer so knauserig! Er schleicht an den Schränken herum. Alles verschlossen, wie gewöhnlich, und Röse hat wieder die Schlüssel mit. – Hernach brauch ich noch ein paar Laubtaler patriotische Kontribution. Wieder am Schranke. Die Türen klappern, die Schlösser sind schlecht verwahrt. Der Magen knurrt, der Beutel noch ärger. Schnaps! Bürgergeneral! Frisch dran! Mach ein Probestück deines Handwerks!

MÄRTEN zurückkommend. Alles ist verwahrt. Nun seid kurz.

SCHNAPS. Wie es die Sache zuläßt.

MÄRTEN. Ich fürchte, die Kinder kommen zurück.

SCHNAPS. Das hat Zeit. Wenn sie beisammen sind, wissen sie nicht, wenn's Mittag oder Abend ist.

MÄRTEN. Ihr wagt am meisten.

SCHNAPS. So hört mich.

MÄRTEN. So macht fort.

SCHNAPS nach einer Pause. Doch wenn ich bedenke –

MÄRTEN. Noch ein Bedenken?

SCHNAPS. Ihr seid ein gescheiter Mann, das ist wahr.

MÄRTEN. Großen Dank!

SCHNAPS. Doch ohne Studien.

MÄRTEN. Das ist meine Sache nicht.

SCHNAPS wichtig. Den guten unstudierten Leutchen, die man sonst den gemeinen Mann zu nennen pflegte –

MÄRTEN. Nun?

SCHNAPS. Trägt man eine Sache besser durch Exempel, durch Gleichnisse vor.

MÄRTEN. Das läßt sich hören.

SCHNAPS. Also zum Exempel – Er geht heftig auf und nieder und stößt an Märten.

MÄRTEN. Zum Exempel: das ist grob.

SCHNAPS. Verzeiht, ich war in meiner Revolutionslaune.

MÄRTEN. Die gefällt mir ganz und gar nicht.

SCHNAPS. Zum Exempel – Auf Märten losgehend.

MÄRTEN. Bleibt mir vom Leibe!

SCHNAPS. Zum Exempel, wir haben uns vereinigt.

MÄRTEN. Wer?

SCHNAPS. Wir beide und noch neunhundertneunundneunzig.

MÄRTEN. Ehrliche Leute.

SCHNAPS. Das macht tausend.

MÄRTEN. Richtig.

SCHNAPS. Gehen wir gewaffnet auf den Edelhof, mit Flinten und Pistolen.

MÄRTEN. Wo sollen die Flinten und Pistolen herkommen?

SCHNAPS. Das findet sich alles. Seht Ihr nicht, daß ich schon einen Säbel habe? Er nimmt Märten an die eine Seite des Theaters.

MÄRTEN. Ei wohl!

SCHNAPS. Wir ziehen auf den Edelhof und stellen den Edelmann zur Rede. Da kommen wir nun hinein. Er agiert das Hereinkommen.

MÄRTEN macht sich los. Hört nur, ich muß Euch sagen, ich mag nicht mitgehen. Wir sind dem Edelmanne viel Dank schuldig.

SCHNAPS. Narrenspossen! Dankbarkeit ist das, was Ihr zum voraus abschaffen müßt.

MÄRTEN. Wie ist das möglich?

SCHNAPS. Es ist ganz natürlich. Schafft sie nur ab! Ihr werdet finden, der Undank ist die bequemste Sache von der Welt.

MÄRTEN. Hätt ich nicht gedacht!

SCHNAPS. Probiert's und kommt! Macht keine Umstände, es ist ja nur ein Gleichnis.

MÄRTEN. Ja so! ein Gleichnis.

SCHNAPS nimmt ihn wieder an der Seite. Nun kommen wir herein. – Aber wißt Ihr was!

MÄRTEN. Nun?

SCHNAPS. Es ist besser, daß Ihr den Edelmann macht. Er führt ihn hinüber. Stellt Euch hierher.

MÄRTEN. Meinetwegen.

SCHNAPS. Ich komme mit dem Bürgerausschuß.

MÄRTEN. Mit den neunhundertneunundneunzig?

SCHNAPS. Drüber oder drunter.

MÄRTEN. Gut.

SCHNAPS. Herr! sag ich –

MÄRTEN. Nur gemach!

SCHNAPS. Nein! das war nicht recht; es soll niemand ein Herr sein.

MÄRTEN. Nun, wie sagt Ihr denn?

SCHNAPS. Warte – Kurz und gut: im Namen der Freiheit und Gleichheit macht Eure Keller auf und Eure Vorratskammern; wir wollen essen, und Ihr seid satt.

MÄRTEN. Wenn's nach Tische ist, mag's angehn.

SCHNAPS. Tut Eure Garderoben auf! Wir sind entblößt.

MÄRTEN. Pfui! Ihr werdet doch nicht –

SCHNAPS. Nicht anders. – Tut Eure Beutel auf! Wir sind nicht bei Gelde.

MÄRTEN. Das glaubt Euch jedermann.

SCHNAPS. Nun antwortet.

MÄRTEN. Ja, was soll ich sagen?

SCHNAPS auffahrend und trotzig. Was wollt Ihr sagen?

MÄRTEN. Nur gemach!

SCHNAPS. Was könnt Ihr sagen? Ihr seid ein Verwegner! Auf den Schrank losgehend. Ihr habt verschloßne Gewölbe!

MÄRTEN. Das ist Rösens Milchschrank.

SCHNAPS natürlich. Pfui! Ihr müßt im Gleichnisse bleiben.

MÄRTEN. Ja so!

SCHNAPS wie oben. Und versperrte Kasten!

MÄRTEN. Da sind Kleider drin.

SCHNAPS. Wo sind die Schlüssel?

MÄRTEN. Röse hat sie mitgenommen. Sie ist sehr häuslich, sehr sorgfältig; sie verschließt alles und trägt die Schlüssel bei sich.

SCHNAPS. Ausflüchte! Weitläufigkeiten! Wo sind die Schlüssel?

MÄRTEN. Ich habe sie nicht.

SCHNAPS. So werd ich aufbrechen müssen. Er zieht den Säbel und macht sich an den Schrank.

MÄRTEN. Reitet Euch der Henker?

SCHNAPS. Das ist nur zum Exempel.

MÄRTEN. Laßt das bleiben.

SCHNAPS. Was! Ihr wollt Euch widersetzen? Er bricht an den Leisten.

MÄRTEN. Seid Ihr denn vom Teufel besessen?

SCHNAPS. Das muß auf! Er bricht. Krick! Krack!

MÄRTEN herumlaufend. Röse! Röse! Wo bist du?

SCHNAPS bricht. Es geht! Krick! Krack!

MÄRTEN. Görge! Görge!

SCHNAPS. So haltet Euer Maul und bedenkt, daß ich es Euch nur erzählungsweise vorbringe.

MÄRTEN. Nur erzählungsweise? Ich dächte, es wäre handgreiflich genug.

SCHNAPS. Bedenkt doch! Ihr seid jetzt der Edelmann.

Der Schrank geht indessen auf.

MÄRTEN. Gott bewahre mich! Da steht der Schrank auf. Die Leisten sind weggebrochen, das Schloß verdorben. Was wird Röse sagen? Packt Euch zum Henker! Wißt Ihr, daß ich das nicht leide! daß das Grobheiten sind! Ungezogenheiten! daß ich die Nachbarn rufen werde, daß ich zum Richter gehen werde!

SCHNAPS der sich indessen im Schranke umgesehen und die Töpfe visitiert hat. Zum Richter? Eurem Todfeind? Zu dem stolzen Kerl?

MÄRTEN. Pest!

SCHNAPS. Wißt nur, daß Ihr Richter werden müßt, wenn wir nur hier erst den Freiheitsbaum errichtet haben.

MÄRTEN. Richter? Ich weiß wohl noch, wie ich geheimer Landrichter werden sollte.

SCHNAPS. Das sind jetzt andere Zeiten; man betrügt niemand mehr.

MÄRTEN. Das wäre mir lieb.

SCHNAPS. Man hat niemand zum besten.

MÄRTEN. Das ist mir angenehm.

SCHNAPS. Nun, vor allen Dingen –

MÄRTEN. Macht, daß ich Richter werde!

SCHNAPS. Ohne Zweifel. – Vor allen Dingen aber hört, wovon die Rede ist.

MÄRTEN. Die Rede ist, daß wir die Schränke wieder zumachen.

SCHNAPS. Mitnichten.

MÄRTEN. Daß wir die Leisten wieder annageln.

SCHNAPS. Keinesweges. Die Rede ist, daß Ihr begreift, warum man mich zum General gemacht hat.

MÄRTEN. Das seh ich freilich nicht so deutlich ein.

SCHNAPS. Also exempli gratia.

MÄRTEN. Noch ein Exempel?

SCHNAPS. Wir haben ja noch keins gehabt.

MÄRTEN. Nur zu viel.

SCHNAPS. Ich sage also – Er holt einen großen Milchtopf und setzt ihn auf den Tisch.

MÄRTEN. Um Gottes willen rührt mir den Topf nicht an! Röse sagt, das wäre jetzt ihr bester.