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Reden an die deutsche Nation

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Unter den Augen der Zeitgenossen hat das Ausland eine andre Aufgabe der Vernunft und der Philosophie an die neue Welt, die Errichtung des vollkommenen Staats, leicht und mit feuriger Kühnheit ergriffen und kurz darauf dieselbe also fallen lassen, daß es durch seinen jetzigen Zustand genötigt ist, den bloßen Gedanken der Aufgabe als ein Verbrechen zu verdammen und alles anwenden mußte, um, wenn es könnte, jene Bestrebungen aus den Jahrbüchern seiner Geschichte auszutilgen. Der Grund dieses Erfolgs liegt am Tage: Der vernunftgemäße Staat läßt sich nicht durch künstliche Vorkehrungen aus jedem vorhandenen Stoffe aufbauen, sondern die Nation muß zu demselben erst gebildet und herausgezogen werden. Nur diejenige Nation, welche zuvörderst die Aufgabe der Erziehung zum vollkommenen Menschen, durch die wirkliche Ausübung, gelöst haben wird, wird sodann auch jene des vollkommenen Staates lösen.

Auch die zuletztgenannte Aufgabe der Erziehung ist seit unsrer Kirchenverbesserung vom Auslande geistvoll, aber im Sinne seiner Philosophie mehrmals in Anregung gebracht worden, und diese Anregungen haben unter uns fürs erste Nachtreter und Uebertreiber gefunden. Bis zu welchem Punkte endlich in unsern Tagen abermals deutsches Gemüt diese Sache gebracht, werden wir zu seiner Zeit ausführlicher berichten.

Sie haben an dem Gesagten eine klare Uebersicht der gesamten Bildungsgeschichte der neuen Welt, und des sich immer gleichbleibenden Verhältnisses der verschiedenen Bestandteile der letzten zur ersten. Wahre Religion, in der Form des Christentums, war der Keim der neuen Welt und ihre Gesamtaufgabe die, diese Religion in die vorhandene Bildung des Altertums zu verflößen und die letzte dadurch zu vergeistigen und zu heiligen. Der erste Schritt auf diesem Wege war, das die Freiheit raubende äußere Ansehen der Form dieser Religion von ihr abzuscheiden, und auch in sie das freie Denken des Altertums einzuführen. Es regte an zu diesem Schritte das Ausland, der Deutsche tat ihn. Der zweite, der eigentlich die Fortsetzung und Vollendung des ersten ist, der, diese Religion und mit ihr alle Weisheit in uns selber aufzufinden. Auch ihn vorbereitete das Ausland, und vollzog der Deutsche. Der dermalen in der ewigen Zeit an der Tagesordnung sich befindende Fortschritt ist die vollkommene Erziehung der Nation zum Menschen. Ohne dies wird die gewonnene Philosophie nie ausgedehnte Verständlichkeit, vielweniger noch allgemeine Anwendbarkeit im Leben finden; so wie hinwiederum ohne Philosophie die Erziehungskunst niemals zu vollständiger Klarheit in sich selbst gelangen wird. Beide greifen daher ineinander und sind eins ohne das andre unvollständig und unbrauchbar. Schon allein darum, weil der Deutsche bisher alle Schritte der Bildung zur Vollendung gebracht und er eigentlich dazu aufbewahrt worden ist in der neuen Welt, kommt ihm dasselbe auch mit der Erziehung zu; wie aber diese einmal in Ordnung gebracht ist, wird es sich mit den übrigen Angelegenheiten der Menschheit leicht ergeben.

In diesem Verhältnisse also hat wirklich die deutsche Nation zur Fortbildung des menschlichen Geschlechts in der neuen Zeit bisher gestanden. Noch ist über eine schon zweimal fallen gelassene Bemerkung über den naturgemäßen Hergang, den diese Nation hierbei genommen, daß nämlich in Deutschland alle Bildung vom Volke ausgegangen, mehr Licht zu verbreiten. Daß die Angelegenheit der Kirchenverbesserung zuerst an das Volk gebracht worden, und allein dadurch, daß es desselben Angelegenheit geworden, gelungen sei, haben wir schon ersehen. Aber es ist ferner darzutun, daß dieser einzelne Fall nicht Ausnahme, sondern daß er die Regel gewesen.

Die im Mutterlande zurückgebliebenen Deutschen hatten alle Tugenden, die ehemals auf ihrem Boden zu Hause waren, beibehalten: Treue, Biederkeit, Ehre, Einfalt; aber sie hatten von Bildung zu einem höhern und geistigen Leben nicht mehr erhalten, als das damalige Christentum und seine Lehrer an zerstreut wohnende Menschen bringen konnten. Dies war wenig, und sie standen so gegen ihre ausgewanderten Stammverwandten zurück, und waren in der Tat zwar brav und bieder, aber dennoch halb Barbaren. Es entstanden unter ihnen indessen Städte, die durch Glieder aus dem Volke errichtet wurden. In diesen entwickelte sich schnell jeder Zweig des gebildeten Lebens zur schönsten Blüte. In ihnen entstanden, zwar auf Kleines berechnete, dennoch aber treffliche bürgerliche Verfassungen und Einrichtungen, und von ihnen aus verbreitete sich ein Bild von Ordnung und eine Liebe derselben erst über das übrige Land. Ihr ausgebreiteter Handel half die Welt entdecken. Ihren Bund fürchteten Könige. Die Denkmäler ihrer Baukunst dauern noch, haben der Zerstörung von Jahrhunderten getrotzt, die Nachwelt steht bewundernd vor ihnen und bekennt ihre eigne Unmacht.

Ich will diese Bürger der deutschen Reichsstädte des Mittelalters nicht vergleichen mit den andern ihnen gleichzeitigen Ständen und nicht fragen, was indessen der Adel tat und die Fürsten; aber in Vergleich mit den übrigen germanischen Nationen, einige Striche Italiens abgerechnet, hinter welchen selbst jedoch in den schönen Künsten die Deutschen nicht zurückblieben, in den nützlichen sie übertrafen und ihre Lehrer wurden – diese abgerechnet waren nun diese deutschen Bürger die gebildeten und jene die Barbaren. Die Geschichte Deutschlands, deutscher Macht, deutscher Unternehmungen, Erfindungen, Denkmale, Geistes, ist in diesem Zeitraume lediglich die Geschichte dieser Städte, und alles übrige, als da sind Länderverpfändungen und Wiedereinlösungen und dergleichen, ist nicht des Erwähnens wert. Auch ist dieser Zeitpunkt der einzige in der deutschen Geschichte, in der diese Nation glänzend und ruhmvoll und mit dem Range der ihr als Stammvolk gebührt, dasteht; so wie ihre Blüte durch die Habsucht und Herrschsucht der Fürsten zerstört und ihre Freiheit zertreten wird, sinkt das Ganze allmählich immer tiefer herab und geht entgegen dem gegenwärtigen Zustand; wie aber Deutschland herabsinkt, sieht man das übrige Europa eben also sinken, in Rücksicht dessen, was das Wesen betrifft und nicht den bloßen äußern Schein.

Der entscheidende Einfluß dieses in der Tat herrschenden Standes auf die Entwicklung der deutschen Reichsverfassung, auf die Kirchenverbesserung und auf alles, was jemals die deutsche Nation bezeichnete und von ihr ausging in das Ausland, ist allenthalben unverkennbar, und es läßt sich nachweisen, daß alles, was noch jetzt Ehrwürdiges ist unter den Deutschen, in seiner Mitte entstanden ist.

Und mit welchem Geiste brachte hervor und genoß dieser deutsche Stand diese Blüten? Mit dem Geiste der Frömmigkeit, der Ehrbarkeit, der Bescheidenheit, des Gemeinsinnes. Für sich selbst bedurften sie wenig, für öffentliche Unternehmungen machten sie unermeßlichen Aufwand. Selten steht irgendwo ein einzelner Name hervor und zeichnet sich aus, weil alle gleichen Sinnes waren und gleicher Aufopferung für das Gemeinsame. Ganz unter denselben äußern Bedingungen, wie in Deutschland, waren auch in Italien freie Städte entstanden. Man vergleiche die Geschichten beider; man halte die fortwährenden Unruhen, die innern Zwiste, ja Kriege, den beständigen Wechsel der Verfassungen und der Herrscher, in den ersten, gegen die friedliche Ruhe und Eintracht in den letztern. Wie konnte klarer sich aussprechen, daß ein innerlicher Unterschied in den Gemütern der beiden Nationen gewesen sein müsse? Die deutsche Nation ist die einzige unter den neueuropäischen Nationen, die es an ihrem Bürgerstande schon seit Jahrhunderten durch die Tat gezeigt hat, daß sie die republikanische Verfassung zu ertragen vermöge.

Unter den einzelnen und besondern Mitteln, den deutschen Geist wieder zu heben, würde es ein sehr kräftiges sein, wenn wir eine begeisternde Geschichte der Deutschen aus diesem Zeitraume hätten, die da National- und Volksbuch würde, so wie Bibel oder Gesangbuch es sind, so lange, bis wir selbst wiederum etwas des Aufzeichnens Wertes hervorbrächten. Nur müßte eine solche Geschichte nicht etwa chronikenmäßig die Taten und Ereignisse aufzählen, sondern sie müßte uns, wunderbar ergreifend und ohne unser eignes Zutun oder klares Bewußtsein, mitten hinein versetzen in das Leben jener Zeit, so daß wir selbst mit ihnen zu gehen, zu stehen, zu beschließen, zu handeln schienen, und dies nicht durch kindische und tändelnde Erdichtung, wie es so viele historische Romane getan haben, sondern durch Wahrheit; und aus diesem ihrem Leben müßte sie die Taten und Ereignisse, als Belege desselben, hervorblicken lassen. Ein solches Werk könnte zwar nur die Frucht von ausgebreiteten Kenntnissen sein, und von Forschungen, die vielleicht noch niemals angestellt sind, aber die Ausstellung dieser Kenntnisse und Forschungen müßte uns der Verfasser ersparen und nur lediglich die gereifte Frucht uns vorlegen in der gegenwärtigen Sprache, auf eine jedwedem Deutschen ohne Ausnahme verständliche Weise. Außer jenen historischen Kenntnissen würde ein solches Werk auch noch ein hohes Maß philosophischen Geistes erfordern, der ebensowenig sich zur Schau ausstellte; und vor allem ein treues und liebendes Gemüt.

Jene Zeit war der jugendliche Traum der Nation in beschränkten Kreisen von künftigen Taten, Kämpfen und Siegen, und die Weissagung, was sie einst bei vollendeter Kraft sein würde. Verführerische Gesellschaft und die Lockung der Eitelkeit hat die heranwachsende fortgerissen in Kreise, die nicht die ihrigen sind, und indem sie auch da glänzen wollte, steht sie da mit Schmach bedeckt und ringend sogar um ihre Fortdauer. Aber ist sie denn wirklich veraltet und entkräftet? Hat ihr nicht auch seitdem immerfort und bis auf diesen Tag die Quelle des ursprünglichen Lebens fortgequollen, wie keiner andern Nation? Können jene Weissagungen ihres jugendlichen Lebens, die durch die Beschaffenheit der übrigen Völker und durch den Bildungsplan der ganzen Menschheit bestätigt werden – können sie unerfüllt bleiben? Nimmermehr. Bringe man diese Nation nur zuvörderst zurück von der falschen Richtung, die sie ergriffen, zeige man ihr in dem Spiegel jener ihrer Jugendträume ihren wahren Hang und ihre wahre Bestimmung, bis unter diesen Betrachtungen sich ihr die Kraft entfalte, diese ihre Bestimmung mächtig zu ergreifen. Möchte diese Aufforderung etwas dazu beitragen, daß recht bald ein dazu ausgerüsteter deutscher Mann diese vorläufige Aufgabe löse!

 

Siebente Rede
Noch tiefere Erfassung der Ursprünglichkeit und Deutschheit eines Volkes

Es sind in den vorigen Reden angegeben und in der Geschichte nachgewiesen die Grundzüge der Deutschen, als eines Urvolks, und als eines solchen, das das Recht hat, sich das Volk schlechtweg, im Gegensatze mit andern von ihm abgerissenen Stämmen, zu nennen, wie denn auch das Wort »Deutsch« in seiner eigentlichen Wortbedeutung das soeben Gesagte bezeichnet. Es ist zweckmäßig, daß wir bei diesem Gegenstande noch eine Stunde verweilen und uns auf den möglichen Einwurf einlassen, daß, wenn dies deutsche Eigentümlichkeit sei, man werde bekennen müssen, daß dermalen unter den Deutschen selber wenig Deutsches mehr übrig sei. Indem auch wir diese Erscheinung keineswegs leugnen können, sondern sie vielmehr anzuerkennen und in ihren einzelnen Teilen sie zu übersehen gedenken, wollen wir mit einer Erklärung derselben anheben.

Das war im ganzen das Verhältnis des Urvolks der neuen Welt zum Fortgange der Bildung dieser Welt, daß das erstere durch unvollständige und auf der Oberfläche verbleibende Bestrebungen des Auslandes erst angeregt werde zu tiefern aus seiner eignen Mitte heraus zu entwickelnden Schöpfungen. Da von der Anregung bis zur Schöpfung es ohne Zweifel seine Zeit dauert, so ist klar, daß ein solches Verhältnis Zeiträume herbeiführen werde, in welchem das Urvolk fast ganz mit dem Auslande verflossen, und demselben gleich erscheinen müsse, weil es nämlich gerade im Zustande des bloßen Angeregtseins sich befindet, und die dabei beabsichtigte Schöpfung noch nicht zum Durchbruche gekommen ist. In einem solchen Zeitraume befindet sich nun gerade jetzt Deutschland in Absicht der großen Mehrzahl seiner gebildeten Bewohner, und daher rühren die durch das ganze innere Wesen und Leben dieser Mehrzahl verflossenen Erscheinungen der Ausländerei. Die Philosophie als freies von allen Fesseln des Glaubens an fremdes Ansehen erledigtes Denken, sei es, wodurch dermalen das Ausland sein Mutterland anrege, haben wir in der vorigen Rede ersehen. Wo es nun von dieser Anregung aus nicht zur neuen Schöpfung gekommen, welches, da die letzte von der großen Mehrzahl unvernommen geblieben, bei äußerst wenigen der Fall ist: da gestaltet sich teils noch jene schon früher bezeichnete Philosophie des Auslandes selber zu andern und andern Formen; teils bemächtigt sich der Geist derselben auch der übrigen an die Philosophie zunächst grenzenden Wissenschaften, und sieht dieselben an aus seinem Gesichtspunkte; endlich da der Deutsche seinen Ernst und sein unmittelbares Eingreifen in das Leben doch niemals ablegen kann, so fließt diese Philosophie ein auf die öffentliche Lebensweise und auf die Grundsätze und Regeln derselben. Wir werden dies Stück um Stück dartun.

Zuvörderst und vor allen Dingen: der Mensch bildet seine wissenschaftliche Ansicht nicht etwa mit Freiheit und Willkür, so oder so, sondern sie wird ihm gebildet durch sein Leben und ist eigentlich die zur Anschauung gewordene innere, und übrigens ihm unbekannte Wurzel seines Lebens selbst. Was du so recht innerlich eigentlich bist, das tritt heraus vor dein äußeres Auge, und du vermöchtest niemals etwas andres zu sehen. Solltest du anders sehen, so müßtest du erst anders werden. Nun ist das innere Wesen des Auslandes oder der Nichtursprünglichkeit, der Glaube an irgendein Letztes, Festes, unveränderlich Stehendes, an eine Grenze, diesseit welcher zwar das freie Leben sein Spiel treibe, welche selbst aber es niemals zu durchbrechen, und durch sich flüssig zu machen und sich in dieselbe zu verflößen vermöge. Diese undurchdringliche Grenze tritt ihm darum irgendwo notwendig auch vor die Augen, und es kann nicht anders denken oder glauben, außer unter Voraussetzung einer solchen, wenn nicht sein ganzes Wesen umgewandelt, und sein Herz ihm aus dem Leibe gerissen werden soll. Es glaubt notwendig an den Tod, als das Ursprüngliche und Letzte, den Grundquell aller Dinge, und mit ihnen des Lebens.

Wir haben hier nur zunächst anzugeben, wie dieser Grundglaube des Auslandes unter den Deutschen dermalen sich ausspreche.

Er spricht sich aus zuvörderst in der eigentlichen Philosophie. Die dermalige deutsche Philosophie, inwiefern dieselbe hier der Erwähnung wert ist, will Gründlichkeit und wissenschaftliche Form, unerachtet sie dieselbe nicht zu erschwingen vermag, sie will Einheit, auch nicht ohne frühern Vorgang des Auslandes, sie will Realität und Wesen – nicht bloße Erscheinung, sondern eine in der Erscheinung erscheinende Grundlage dieser Erscheinung, und hat in allen diesen Stücken recht und übertrifft sehr weit die herrschenden Philosophien des dermaligen auswärtigen Auslandes, indem sie in der Ausländerei weit gründlicher und folgebeständiger ist, denn jenes. Diese der bloßen Erscheinung unterzulegende Grundlage ist ihnen nun, wie sie sie auch etwa noch fehlerhafter weiterbestimmen mögen, immer ein festes Sein, das da ist, was es eben ist, und nichts weiter, in sich gefesselt und an sein eignes Wesen gebunden; und so tritt denn der Tod und die Entfremdung von der Ursprünglichkeit, die in ihnen selbst sind, auch heraus vor ihre Augen. Weil sie selbst nicht zum Leben schlechtweg aus sich selber heraus sich aufzuschwingen vermögen, sondern für freien Aufflug stets eines Trägers und einer Stütze bedürfen, darum kommen sie auch mit ihrem Denken, als dem Abbilde ihres Lebens, nicht über diesen Träger hinaus: das, was nicht etwas ist, ist ihnen notwendig nichts, weil, zwischen jenem in sich verwachsenen Sein und dem Nichts, ihr Auge nichts weiter sieht, da ihr Leben da nichts weiter hat. Ihr Gefühl, worauf auch allein sie sich berufen können, erscheint ihnen als untrüglich; und so jemand diesen Träger nicht zugibt, so sind sie weit entfernt von der Voraussetzung, daß er mit dem Leben allein sich begnüge, sondern sie glauben, daß es ihm nur an Scharfsinn fehle, den Träger, der ohne Zweifel auch ihn trage, zu bemerken, und daß er der Fähigkeit, sich zu ihren hohen Ansichten aufzuschwingen, ermangle. Es ist darum vergeblich und unmöglich, sie zu belehren; machen müßte man sie, und anders machen, wenn man könnte. In diesem Teile ist nun die dermalige deutsche Philosophie nicht deutsch, sondern Ausländerei.

Die wahre in sich selbst zu Ende gekommene und über die Erscheinung hinweg wahrhaft zum Kerne derselben durchgedrungene Philosophie hingegen geht aus von dem einen, reinen, göttlichen Leben – als Leben schlechtweg, welches es auch in alle Ewigkeit, und darin immer eines bleibt, nicht aber als von diesem oder jenem Leben; und sie sieht, wie lediglich in der Erscheinung dieses Leben unendlich fort sich schließe und wiederum öffne, und erst diesem Gesetze zufolge es zu einem Sein, und zu einem Etwas überhaupt komme. Ihr entsteht das Sein, was jene sich vorausgeben läßt. Und so ist denn diese Philosophie recht eigentlich nur deutsch, d. i. ursprünglich; und umgekehrt, so jemand nur ein wahrer Deutscher würde, so würde er nicht anders denn also philosophieren können.

Jenes, obwohl bei der Mehrzahl der deutsch Philosophierenden herrschende, dennoch nicht eigentlich deutsche Denksystem greift, ob es nun mit Bewußtsein als eigentliches philosophisches Lehrgebäude aufgestellt sei, oder ob es nur unbewußt unserm übrigen Denken zum Grunde liege – es greift, sage ich, ein in die übrigen wissenschaftlichen Ansichten der Zeit; wie denn dies ein Hauptbestreben unsrer durch das Ausland angeregten Zeit ist, den wissenschaftlichen Stoff nicht mehr bloß, wie wohl unsre Vorfahren taten, in das Gedächtnis zu fassen, sondern denselben auch selbstdenkend und philosophierend zu bearbeiten. An Absicht des Bestrebens überhaupt hat die Zeit recht; wenn sie aber, wie dies zu erwarten ist, in der Ausführung dieses Philosophierens von der totgläubigen Philosophie des Auslandes ausgeht, wird sie unrecht haben. Wir wollen hier nur auf die unserm ganzen Vorhaben am nächsten liegenden Wissenschaften einen Blick werfen, und die in ihnen verbreiteten ausländischen Begriffe und Ansichten aufsuchen.

Daß die Errichtung und Regierung der Staaten als eine freie Kunst angesehen werde, die ihre festen Regeln habe, darin hat ohne Zweifel das Ausland, es selbst nach dem Muster des Altertums, uns zum Vorgänger gedient. Worein wird nun ein solches Ausland, das schon an dem Elemente seines Denkens und Wollens, seiner Sprache, einen festen geschlossenen und toten Träger hat, und alle, die ihm hierin folgen, diese Staatskunst setzen? Ohne Zweifel in die Kunst, eine gleichfalls feste und tote Ordnung der Dinge zu finden, aus welchem Toten das lebendige Regen der Gesellschaft hervorgehe, und also hervorgehe, wie sie es beabsichtigt; alles Leben in der Gesellschaft zu einem großen und künstlichen Druck- und Räderwerke zusammenzufügen, in welchem jedes Einzelne durch das Ganze immerfort genötigt werde, dem Ganzen zu dienen; ein Rechenexempel zu lösen aus endlichen und benannten Größen zu einer nennbaren Summe, aus der Voraussetzung, jeder wolle sein Wohl, zu dem Zwecke, eben dadurch jeden wider seinen Dank und Willen zu zwingen das allgemeine Wohl zu befördern. Das Ausland hat vielfältig diesen Grundsatz ausgesprochen und Kunstwerke jener gesellschaftlichen Maschinenkunst geliefert; das Mutterland hat die Lehre angenommen, und die Anwendung derselben zu Hervorbringung gesellschaftlicher Maschinen weiter bearbeitet, auch hier, wie immer, umfassender, tiefer, wahrer, seine Muster bei weitem übertreffend. Solche Staatskünstler wissen, falls es etwa mit dem bisherigen Gange der Gesellschaft stockt, dies nicht anders zu erklären, als daß etwa eines der Räder derselben ausgelaufen sein möge, und kennen kein andres Heilungsmittel, denn dies, die schadhaften Räder herauszuheben und neue einzusetzen. Je eingewurzelter jemand in diese mechanische Ansicht der Gesellschaft ist, je mehr er es versteht, diesen Mechanismus zu vereinfachen, indem er alle Teile der Maschine so gleich als möglich macht, und alle als gleichmäßigen Stoff behandelt, für einen desto größern Staatskünstler gilt er mit Recht in dieser unsrer Zeit; – denn mit den unentschieden schwankenden, und gar keiner festen Ansicht fähigen ist man noch übler daran.

Diese Ansicht der Staatskunst prägt durch ihre eiserne Folgegemäßheit und durch einen Anschein von Erhabenheit, der auf sie fällt, Achtung ein; auch leistet sie, besonders wo alles nach monarchischer und immer reiner werdender monarchischer Verfassung drängt, bis auf einen gewissen Punkt gute Dienste. Angekommen aber bei diesem Punkte springt ihre Unmacht in die Augen. Ich will nämlich annehmen, daß ihr eurer Maschine die von euch beabsichtigte Vollkommenheit durchaus verschafft hättet, und daß in ihr jedwedes niedere Glied unausbleiblich und unwiderstehlich gezwungen werde durch ein höheres, zum Zwingen gezwungenes Glied, und so fort bis an den Gipfel; wodurch wird denn nun euer letztes Glied, von dem aller in der Maschine vorhandene Zwang ausgeht, zu seinem Zwingen gezwungen? Ihr sollt schlechthin allen Widerstand, der aus der Reibung der Stoffe gegen jene letzte Triebfeder entstehen könnte, überwunden, und ihr eine Kraft gegeben haben, gegen welche alle andre Kraft in Nichts verschwinde, was allein ihr auch durch Mechanismus könnt, und sollt also die allerkräftigste monarchische Verfassung erschaffen haben; wie wollt ihr denn nun diese Triebfeder selbst in Bewegung bringen, und sie zwingen, ohne Ausnahme das Rechte zu sehen und zu wollen? Wie wollt ihr denn in euer zwar richtig berechnetes und gefügtes, aber stillstehendes Räderwerk das ewig Bewegliche einsetzen? Soll etwa, wie ihr dies auch zuweilen in eurer Verlegenheit äußert, das ganze Werk selbst zurückwirken und seine erste Triebfeder anregen? Entweder geschieht dies durch eine selbst aus der Anregung der Triebfeder stammende Kraft, oder es geschieht durch eine solche Kraft, die nicht aus ihr stammt, sondern die in dem Ganzen selbst, unabhängig von der Triebfeder, stattfindet; und ein drittes ist nicht möglich. Nehmt ihr das erste an, so befindet ihr euch in einem alles Denken und allen Mechanismus aufhebenden Zirkel; das ganze Werk kann die Triebfeder zwingen, nur, inwiefern es selbst von jener gezwungen ist, sie zu zwingen, also inwiefern die Triebfeder, nur mittelbar, sich selbst zwingt; zwingt sie aber sich selbst nicht, welchem Mangel wir ja eben abhelfen wollten, so erfolgt überhaupt keine Bewegung. Nehmt ihr das zweite an, so bekennt ihr, daß der Ursprung aller Bewegung in eurem Werke von einer in eure Berechnung und Anordnung gar nicht eingetretenen und durch euren Mechanismus gar nicht gebundenen Kraft ausgehe, die ohne Zweifel ohne euer Zutun nach ihren eignen euch unbekannten Gesetzen wirkt, wie sie kann. In jedem der beiden Fälle müßt ihr euch als Stümper und unmächtige Prahler bekennen.

 

Dies hat man denn auch gefühlt, und in diesem Lehrgebäude, das, auf seinen Zwang rechnend, um die übrigen Bürger unbesorgt sein kann, wenigstens den Fürsten, von welchem alle gesellschaftliche Bewegung ausgeht, durch allerlei gute Lehre und Unterweisung erziehen wollen. Aber wie will man sich denn versichern, daß man auf eine der Erziehung zum Fürsten überhaupt fähige Natur treffen werde; oder falls man auch dieses Glück hätte, daß dieser, den kein Mensch nötigen kann, gefällig und geneigt sein werde, Zucht annehmen zu wollen? Eine solche Ansicht der Staatskunst ist nun, ob sie auf ausländischem oder deutschem Boden angetroffen werde, immer Ausländerei. Es ist jedoch hierbei zur Ehre deutschen Geblüts und Gemüts anzumerken, daß, so gute Künstler wir auch in der bloßen Lehre dieser Zwangsberechnungen sein mochten, wir dennoch, wenn es zur Ausübung kam, durch das dunkle Gefühl, es müsse nicht also sein, gar sehr gehemmt wurden, und in diesem Stücke gegen das Ausland zurückblieben. Sollten wir also auch genötigt werden, die uns zugedachte Wohltat fremder Formen und Gesetze anzunehmen, so wollen wir uns dabei wenigstens nicht über die Gebühr schämen, als ob unser Witz unfähig gewesen wäre, die Höhen der Gesetzgebung auch zu erschwingen. Da, wenn wir bloß die Feder in der Hand haben, wir auch hierin keiner Nation nachstehen, so möchten für das Leben wir wohl gefühlt haben, daß auch dies noch nicht das rechte sei, und so lieber das Alte haben stehen lassen wollen, bis das Vollkommne an uns käme, anstatt bloß die alte Mode mit einer neuen ebenso hinfälligen Mode zu vertauschen.

Anders die echt deutsche Staatskunst. Auch sie will Festigkeit, Sicherheit und Unabhängigkeit von der blinden und schwankenden Natur, und ist hierin mit dem Auslande ganz einverstanden. Nur will sie nicht, wie diese, ein festes und gewisses Ding, als das erste, durch welches der Geist als das zweite Glied, erst gewiß gemacht werde, sondern sie will gleich von vornherein, und als das allererste und einige Glied, einen festen und gewissen Geist. Dieser ist für sie die aus sich selbst lebende und ewig bewegliche Triebfeder, die das Leben der Gesellschaft ordnen und fortbewegen wird. Sie begreift, daß sie diesen Geist nicht durch Strafreden an die schon verwahrloste Erwachsenheit, sondern nur durch Erziehung des noch unverdorbenen Jugendalters hervorbringen könne; und zwar will sie mit dieser Erziehung sich nicht, wie das Ausland, an die schroffe Spitze, den Fürsten, sondern sie will sich mit derselben an die breite Fläche, an die Nation wenden, indem ja ohne Zweifel auch der Fürst zu dieser gehören wird. So wie der Staat an den Personen seiner erwachsenen Bürger die fortgesetzte Erziehung des Menschengeschlechts ist, so müsse, meint diese Staatskunst, der künftige Bürger selbst erst zur Empfänglichkeit jener höheren Erziehung herauferzogen werden. Hierdurch wird nun diese deutsche und allerneueste Staatskunst wiederum die allerälteste; denn auch diese bei den Griechen gründete das Bürgertum auf die Erziehung, und bildete Bürger, wie die folgenden Zeitalter sie nicht wieder gesehen haben. In der Form dasselbe, in dem Gehalte mit nicht engherzigem und ausschließendem, sondern allgemeinem und weltbürgerlichem Geiste, wird hinfür der Deutsche tun.

Derselbe Geist des Auslandes herrscht bei der großen Mehrzahl der unsrigen auch in ihrer Ansicht des gesamten Lebens eines Menschengeschlechts und der Geschichte, als dem Bilde jenes Lebens. Eine Nation, die eine geschlossene und erstorbene Grundlage ihrer Sprache hat, kann es, wie wir zu einer andern Zeit gezeigt haben, in allen Redekünsten nur bis zu einer gewissen von jener Grundlage verstatteten Stufe der Ausbildung bringen, und sie wird ein goldenes Zeitalter erleben. Ohne die größte Bescheidenheit und Selbstverleugnung kann eine solche Nation von dem ganzen Geschlechte nicht füglich höher denken, denn sie selbst sich kennt; sie muß daher voraussetzen, daß es auch für dieses ein letztes, höchstes und niemals zu übertreffendes Ziel der Ausbildung geben werde. So wie das Tiergeschlecht der Biber oder Bienen noch jetzt also baut, wie es vor Jahrtausenden gebaut hat, und in diesem langen Zeitraume in der Kunst keine Fortschritte gemacht hat, ebenso wird es nach diesen sich mit dem Tiergeschlechte, Mensch genannt, in allen Zweigen seiner Ausbildung verhalten. Diese Zweige, Triebe und Fähigkeiten werden sich erschöpfend übersehen, ja vielleicht an ein paar Gliedmaßen sogar dem Auge darlegen lassen, und die höchste Entwicklung einer jeden wird angegeben werden können. Vielleicht wird das Menschengeschlecht darin noch weit übler daran sein, als das Biber- oder Bienengeschlecht, daß das letztere, wie es zwar nichts zulernt, dennoch auch in seiner Kunst nicht zurückkommt, der Mensch aber, wenn er auch einmal den Gipfel erreichte, wiederum zurückgeschleudert wird, und nun Jahrhunderte oder Tausende sich anstrengen mag, um wiederum in den Punkt hinein zu geraten, in welchem man ihn lieber gleich hätte lassen sollen. Dergleichen Scheitelpunkte seiner Bildung und goldene Zeitalter wird, diesen zufolge das Menschengeschlecht ohne Zweifel auch schon erreicht haben; diese in der Geschichte aufzusuchen, und nach ihnen alle Bestrebungen der Menschheit zu beurteilen und auf sie zurückführen, wird ihr eifrigstes Bestreben sein. Nach ihnen ist die Geschichte längst fertig, und ist schon mehrmals fertig gewesen; nach ihnen geschieht nichts Neues unter der Sonne, denn sie haben unter und über der Sonne den Quell des ewigen Fortlebens ausgetilgt, und lassen nur den immer wiederkehrenden Tod sich wiederholen und mehrere Male setzen.

Es ist bekannt, daß diese Philosophie der Geschichte vom Auslande aus an uns gekommen ist, wiewohl sie dermalen auch in diesem verhallet, und fast ausschließend deutsches Eigentum geworden ist. Aus dieser tiefern Verwandtschaft erfolgt es denn auch, daß diese unsre Geschichtsphilosophie die Bestrebungen des Auslandes, welches, wenn es auch diese Ansicht der Geschichte nicht mehr häufig ausspricht, noch mehr tut, indem es in derselben handelt, und abermals ein goldnes Zeitalter verfertigt, so durch und durch zu verstehen, und ihnen sogar weissagend den fernern Weg vorzuzeichnen, und sie so aufrichtig zu bewundern vermag, wie es der deutsch Denkende nicht eben also von sich rühmen kann. Wie könnte er auch? Goldene Zeitalter in jeder Rücksicht sind ihm eine Beschränktheit der Erstorbenheit. Das Gold möge zwar das Edelste sein im Schoße der erstorbenen Erde, meint er, aber des lebendigen Geistes Stoff sei jenseit der Sonne und jenseit aller Sonnen, und sei ihre Quelle. Ihm wickelt sich die Geschichte, und mit ihr das Menschengeschlecht, nicht ab nach dem verborgenen und wunderlichen Gesetze eines Kreistanzes, sondern nach ihm macht der eigentliche und rechte Mensch sie selbst, nicht etwa nur wiederholend das schon Dagewesene, sondern in die Zeit hinein erschaffend das durchaus Neue. Er erwartet darum niemals bloße Wiederholung, und wenn sie doch erfolgen sollte, Wort für Wort, wie es im alten Buche steht, so bewundert er wenigstens nicht.