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Reden an die deutsche Nation

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Außer diesen beiden aus dem Grundunterschiede erfolgenden Erscheinungen, daß geistige Bildung ins Leben eingreife, oder nicht, und daß zwischen den gebildeten Ständen und dem Volke eine Scheidewand bestehe, oder nicht, führte ich noch die folgende an, daß das Volk der lebendigen Sprache Fleiß und Ernst haben und Mühe anwenden werde in allen Dingen, dagegen das der toten Sprache die geistige Beschäftigung mehr für ein genialisches Spiel halte, und im Geleite seiner glücklichen Natur sich gehen lasse. Dieser Umstand ergibt aus dem oben Gesagten sich von selbst. Beim Volke der lebendigen Sprache geht die Untersuchung aus von einem Bedürfnisse des Lebens, welches durch sie befriedigt werden soll, und erhält so alle die nötigenden Antriebe, die das Leben selbst bei sich führt. Bei dem der toten will sie weiter nichts, denn die Zeit auf eine angenehme und dem Sinne fürs Schöne angemessene Weise hinbringen, und sie hat ihren Zweck vollständig erreicht, wenn sie dies getan hat. Bei den Ausländern ist das letzte fast notwendig; beim Deutschen, wo diese Erscheinung sich einstellt, ist das Pochen auf Genie und glückliche Natur eine seiner unwürdige Ausländerei, die, so wie alle Ausländerei aus der Sucht, vornehm zu tun, entsteht. Zwar wird in keinem Volke der Welt ohne einen ursprünglichen Antrieb im Menschen, der, als ein Uebersinnliches, mit dem ausländischen Namen mit Recht Genius genannt wird, irgend etwas Treffliches entstehen. Aber dieser Antrieb für sich allein regt nur die Einbildungskraft an, und entwirft in ihr über dem Boden schwebende, niemals vollkommen bestimmte Gestalten. Daß diese bis auf den Boden des wirklichen Lebens herab vollendet, und bis zur Haltbarkeit in diesem bestimmt werden, dazu bedarf es des fleißigen, besonnenen und nach einer festen Regel einhergehenden Denkens. Genialität liefert dem Fleiße den Stoff zur Bearbeitung, und der letzte würde ohne die erste entweder nur das schon bearbeitete, oder nichts zu bearbeiten haben. Der Fleiß aber führt diesen Stoff, der ohne ihn ein leeres Spiel bleiben würde, ins Leben ein; und so vermögen beide nur in ihrer Vereinigung etwas, getrennt aber sind sie nichtig. Nun kann überdies im Volke einer toten Sprache gar keine wahrhaft erschaffende Genialität zum Ausbruche kommen, weil es ihnen am ursprünglichen Bezeichnungsvermögen fehlt, sondern sie können nur schon Angehobenes fortbilden, und in die ganze schon vorhandene und vollendete Bezeichnung verflößen.

Was insbesondere die größere Mühe anbelangt, so ist natürlich, daß diese auf das Volk der lebendigen Sprache falle. Eine lebendige Sprache kann in Vergleichung mit einer andern auf einer hohen Stufe der Bildung stehen, aber sie kann niemals in sich selber diejenige Vollendung und Ausbildung erhalten, die eine tote Sprache gar leichtlich erhält. In der letzten ist der Umfang der Wörter geschlossen, die möglichen schicklichen Zusammenstellungen derselben werden allmählich auch erschöpft, und so muß der, der diese Sprache reden will, sie eben reden, so wie sie ist; nachdem er dieses aber einmal gelernt hat, redet die Sprache in seinem Munde sich selbst, und denkt und dichtet für ihn. In einer lebendigen Sprache aber, wenn nur in ihr wirklich gelebt wird, vermehren und verändern die Worte und ihre Bedeutungen sich immerfort, und eben dadurch werden neue Zusammenstellungen möglich und die Sprache, die niemals ist, sondern ewig fort wird, redet sich nicht selbst, sondern wer sie gebrauchen will, muß eben selber nach seiner Weise und schöpferisch für sein Bedürfnis sie reden. Ohne Zweifel erfordert das letzte weit mehr Fleiß und Uebungen, denn das erste. Ebenso gehen, wie schon oben gesagt, die Untersuchungen des Volks einer lebendigen Sprache bis auf die Wurzel der Ausströmung der Begriffe aus der geistigen Natur selbst; dagegen die einer toten Sprache nur einen fremden Begriff zu durchdringen und sich begreiflich zu machen suchen, und so in der Tat nur geschichtlich und auslegend, jene ersten aber wahrhaft philosophisch sind. Es begreift sich, daß seine Untersuchung von der letzten Art eher und leichter abgeschlossen werden möge, denn eine von der ersten.

Nach allem wird der ausländische Genius die betretenen Heerbahnen des Altertums mit Blumen bestreuen, und der Lebensweisheit, die leicht ihm für Philosophie gelten wird, ein zierliches Gewand weben; dagegen wird der deutsche Geist neue Schachte eröffnen, und Licht und Tag einführen in ihre Abgründe und Felsmassen von Gedanken schleudern, aus denen die künftigen Zeitalter sich Wohnungen erbauen. Der ausländische Genius wird sein ein lieblicher Sylphe, der mit leichtem Fluge über den seinem Boden von selbst entkeimten Blumen hinschwebt, und sich niederläßt auf dieselben, ohne sie zu beugen, und ihren erquickenden Tau in sich zieht; oder eine Biene, die aus denselben Blumen mit geschäftiger Kunst den Honig sammelt, und ihn in regelmäßig gebauten Zellen zierlich geordnet niederlegt; der deutsche Geist ein Adler, der mit Gewalt seinen gewichtigen Leib emporreißt, und mit starkem und vielgeübtem Flügel viel Luft unter sich bringt, um sich näher zu heben der Sonne, deren Anschauung ihn entzückt.

Um alles bisher Gesagte in einen Hauptgesichtspunkt zusammenzufassen. In Beziehung auf die Bildungsgeschichte überhaupt eines Menschengeschlechts, das historisch in ein Altertum und in eine neue Welt zerfallen ist, werden zur ursprünglichen Fortbildung dieser neuen Welt im großen und ganzen die beiden beschriebenen Hauptstämme sich also verhalten. Der ausländisch gewordene Teil der frischen Nation hat durch seine Annahme der Sprache des Altertums eine weit größere Verwandtschaft zu diesem erhalten. Es wird diesem Teile anfangs weit leichter werden, die Sprache desselben auch in ihrer ersten und unveränderten Gestalt zu erfassen, in die Denkmale ihrer Bildung einzudringen, und in dieselben ungefähr so viel frisches Leben zu bringen, daß sie sich an das entstandene neue Leben anfügen können. Kurz es wird von ihnen das Studium des klassischen Altertums über das neuere Europa ausgegangen sein. Von den ungelöst gebliebenen Aufgaben desselben begeistert wird es dieselben fortbearbeiten, aber freilich nur also, wie man eine, keineswegs durch ein Bedürfnis des Lebens, sondern durch bloße Wißbegier gegebene Aufgabe bearbeitet, leicht sie nehmend, nicht mit ganzem Gemüte, sondern nur mit der Einbildungskraft sie erfassend, und lediglich in dieser zu einem luftigen Leibe sie gestaltend. Bei dem Reichtume des Stoffs, den das Altertum hinterlassen, bei der Leichtigkeit, mit der in dieser Weise sich arbeiten läßt, werden sie eine Fülle solcher Bilder in den Gesichtskreis der neuen Welt einführen. Diese schon in die neue Form gestalteten Bilder der Alten Welt, angekommen bei demjenigen Teile des Urstamms, der durch beibehaltene Sprache im Flusse ursprünglicher Bildung blieb, werden auch dessen Aufmerksamkeit und Selbsttätigkeit reizen, sie, welche vielleicht, wenn sie in der alten Form geblieben wären, unbeachtet und unvernommen vor ihm vorübergegangen wären. Aber er wird, so gewiß er sie nur wirklich erfaßt und nicht etwa nur sie weitergibt von Hand in Hand, dieselben erfassen gemäß seiner Natur, nicht im bloßen Wissen eines fremden, sondern als Bestandteil seines Lebens; und so sie aus dem Leben der neuen Welt nicht nur ableiten, sondern sie auch in dasselbe wiederum einführen, verkörpernd die vorher bloß luftigen Gestalten zu gediegenen, und im wirklichen Lebenselemente haltbaren Leibern.

In dieser Verwandlung, die das Ausland selbst ihm zu geben niemals vermocht hätte, erhält nun dieses es von ihnen zurück, und vermittelst dieses Durchgangs allein wird eine Fortbildung des Menschengeschlechts auf der Bahn des Altertums, eine Vereinigung der beiden Haupthälften und ein regelmäßiger Fortfluß der menschlichen Entwicklung möglich. In dieser neuen Ordnung der Dinge wird das Mutterland nicht eigentlich erfinden, sondern im Kleinsten wie im Größten wird es immer bekennen müssen, daß es durch irgendeinen Wink des Auslandes angeregt worden, welches Ausland selbst wieder angeregt wurde durch die Alten; aber das Mutterland wird ernsthaft nehmen und ins Leben einführen, was dort nur obenhin und flüchtig entworfen wurde. An treffenden und tiefgreifenden Beispielen dieses Verhältnis darzulegen, ist, wie schon oben gesagt, hier nicht der Ort, und wir behalten es uns vor auf die künftige Rede.

Beide Teile der gemeinsamen Nation blieben auf diese Weise eins, und nur in dieser Trennung und Einheit zugleich sind sie ein Pfropfreis auf dem Stamme der altertümlichen Bildung, welche letztere außerdem durch die neue Zeit abgebrochen sein und die Menschheit ihren Wert von vorn wieder angefangen haben würde. In diesen ihren beim Ausgangspunkte verschiedenen am Ziele zusammenlaufenden Bestimmungen müssen nun beide Teile, jeder sich selbst und den andern, erkennen, und denselben gemäß einander benutzen; besonders aber jeder den andern zu erhalten und in seiner Eigentümlichkeit unverfälscht zu lassen sich bequemen; wenn es mit allseitiger und vollständiger Bildung des Ganzen einen guten Fortgang haben soll. Was diese Erkenntnis anbelangt, so dürfte dieselbe wohl vom Mutterlande, als welchem zunächst der Sinn für die Tiefe verliehen ist, ausgehen müssen. Wenn aber in seiner Blindheit für solche Verhältnisse und fortgerissen von oberflächlichem Scheine, das Ausland jemals darauf ausgehen sollte, sein Mutterland der Selbständigkeit zu berauben, und es dadurch zu vernichten und aufzunehmen in sich: so würde dasselbe, wenn ihm dieser Vorsatz gelänge, dadurch für sich selbst die letzte Ader zerschneiden, durch die es bisher noch zusammenhing mit der Natur und dem Leben, und es würde gänzlich anheimfallen dem geistigen Tode, der ohnedies im Fortgange der Zeiten immer sichtbarer als sein Wesen sich offenbart hat; sodann wäre der bisher noch stetig fortgegangene Fluß der Bildung unsers Geschlechts in der Tat beschlossen, und die Barbarei müßte wieder beginnen und ohne Rettung fortschreiten, so lange, bis wir insgesamt wieder in Höhlen lebten, wie die wilden Tiere, und gleich ihnen uns untereinander aufzehrten. Daß dies wirklich also sei, und notwendig also erfolgen müsse, kann freilich nur der Deutsche einsehen, und er allein soll es auch; dem Ausländer, der, da er keine fremde Bildung kennt, unbegrenztes Feld hat, sich in der seinigen zu bewundern, muß es, und mag es immer erscheinen als eine abgeschmackte Lästerung der schlecht unterrichteten Unwissenheit.

 

Das Ausland ist die Erde, aus welcher fruchtbare Dünste sich absondern und sich emporheben zu den Wolken und durch welche auch noch die in den Tartarus verwiesenen alten Götter zusammenhängen mit dem Umkreise des Lebens. Das Mutterland ist der jene umgebende ewige Himmel, an welchem die leichten Dünste sich verdichten zu Wolken, die, durch des Donnerers aus andrer Welt stammenden Blitzstrahl geschwängert, herabfallen, als befeuchtender Regen, der Himmel und Erde vereinigt, und die im ersten einheimischen Gaben auch dem Schoße der letztern entkeimen läßt. Wollen neue Titanen abermals den Himmel erstürmen? Er wird für sie nicht Himmel sein, denn sie sind Erdgeborne; es wird ihnen bloß der Anblick und die Einwirkung des Himmels entrückt werden, und nur ihre Erde als eine kalte finstere und unfruchtbare Behausung ihnen zurückbleiben. Aber was vermöchte, sagt ein römischer Dichter, was vermöchte ein Typhoeus, oder der gewaltige Mimas, oder Porphyrion in drohender Stellung, oder Rhötus, oder der kühne Schleuderer ausgerissener Baumstämme, Enceladus, wenn sie sich stürzen gegen Pallas' tönenden Schild. Dieser selbige Schild ist es, der ohne Zweifel auch uns decken wird, wenn wir es verstehen, uns unter seinen Schutz zu begeben.

Sechste Rede
Darlegung der deutschen Grundzüge in der Geschichte

Welche Hauptunterschiede sein würden zwischen einem Volke, das in seiner ursprünglichen Sprache sich fortbildet, und einem solchen, das eine fremde Sprache angenommen, ist in der vorigen Rede auseinandergesetzt. Wir sagten bei dieser Gelegenheit: was das Ausland betreffe, so wollten wir dem eignen Urteile jedweden Beobachters die Entscheidung überlassen, ob in demselben diejenigen Erscheinungen wirklich einträten, die zufolge unsrer Behauptungen darin eintreten müßten; was aber die Deutschen betrifft, machten wir uns anheischig darzulegen, daß diese sich wirklich also geäußert, wie unsern Behauptungen zufolge das Volk einer Ursprache sich äußern müsse. Wir gehen heute an die Erfüllung unsres Versprechens, und zwar legen wir das zu Erweisende zunächst dar an der letzten großen und in gewissem Sinne vollendeten Welttat des deutschen Volkes, an der kirchlichen Reformation.

Das aus Asien stammende und durch seine Verderbung erst recht asiatisch gewordene, nur stumme Ergebung und blinden Glauben predigende Christentum war schon für die Römer etwas Fremdartiges und Ausländisches; es wurde niemals von ihnen wahrhaft durchdrungen und angeeignet, und teilte ihr Wesen in zwei nicht aneinander passende Hälften; wobei jedoch die Anfügung des fremden Teils durch den angestammten schwermütigen Aberglauben vermittelt wurde. An den eingewanderten Germaniern erhielt diese Religion Zöglinge, in denen keine frühere Verstandesbildung ihr hinderlich war, aber auch kein angestammter Aberglaube sie begünstigte und so wurde sie denn an dieselben gebracht, als ein zum Römer, das sie nun einmal sein wollten, eben auch gehöriges Stück, ohne sonderlichen Einfluß auf ihr Leben. Daß diese christlichen Erzieher von der altrömischen Bildung und dem Sprachverständnisse, als dem Behälter derselben, nicht mehr an diese Neubekehrten kommen ließen, als mit ihren Absichten sich vertrug, versteht sich von selbst; und auch hierin liegt ein Grund des Verfalls und der Ertötung der römischen Sprache in ihrem Munde. Als späterhin die echten und unverfälschten Denkmale der alten Bildung in die Hände dieser Völker fielen und dadurch der Trieb, selbsttätig zu denken und zu begreifen, in ihnen angeregt wurde: so mußte, da ihnen teils dieser Trieb neu und frisch war, teils kein angestammtes Erschrecken vor den Göttern ihm das Gegengewicht hielt, der Widerspruch eines blinden Glaubens und der sonderbaren Dinge, welche im Verlaufe der Zeiten zu Gegenständen desselben geworden waren, dieselben weit härter treffen, denn sogar die Römer, als an diese zuerst das Christentum kam. Einleuchten des vollkommenen Widerspruchs aus demjenigen, woran man bisher treuherzig geglaubt hat, erregt Lachen; die, welche das Rätsel gelöst hatten, lachten und spotteten, und die Priester selbst, die es ebenfalls gelöst hatten, lachten mit, gesichert dadurch, daß nur sehr wenigen der Zugang zur altertümlichen Bildung, als dem Lösungsmittel des Zaubers, offen stehe. Ich deute hiermit vorzüglich auf Italien, als den damaligen Hauptsitz der neurömischen Bildung, hinter welchem die übrigen neurömischen Stämme in jeder Rücksicht noch sehr weit zurück waren.

Sie lachten des Truges, denn es war kein Ernst in ihnen, den er erbittert hätte; sie wurden durch diesen ausschließenden Besitz einer ungemeinen Erkenntnis um so sicherer ein vornehmer und gebildeter Stand, und mochten es wohl leiden, daß der große Haufe, für den sie kein Gemüt hatten, dem Truge ferner preisgegeben und so auch für ihre Zwecke folgsamer erhalten bliebe. Also nur, daß das Volk betrogen werde, der Vornehmere den Betrug nütze und sein lache, konnte es fortbestehen; und es würde wahrscheinlich, wenn in der neuen Zeit nichts vorhanden gewesen wäre, außer Neurömern, also fortbestanden haben bis ans Ende der Tage.

Sie sehen hier einen klaren Beleg zu dem, was früher über die Fortsetzung der alten Bildung durch die neue und über den Anteil, den die Neurömer daran zu haben vermögen, gesagt wurde. Die neue Klarheit ging aus von den Alten, sie fiel zuerst in den Mittelpunkt der neurömischen Bildung, sie wurde daselbst nur zu einer Verstandeseinsicht ausgebildet, ohne das Leben zu ergreifen und anders zu gestalten.

Nicht länger aber konnte der bisherige Zustand der Dinge bestehen, sobald dieses Licht in ein in wahrem Ernste und bis auf das Leben herab religiöses Gemüt fiel, und, wenn dieses Gemüt von einem Volke umgeben war, dem es seine ernstere Ansicht der Sache leicht mitteilen konnte, und dieses Volk Häupter fand, welche auf sein entschiedenes Bedürfnis etwas gaben. So tief auch das Christentum herabsinken mochte, so bleibt doch immer in ihm ein Grundbestandteil, in dem Wahrheit ist und der ein Leben, das nur wirkliches und selbständiges Leben ist, sicher anregt; die Frage: was sollen wir tun, damit wir selig werden? War diese Frage auf einen erstorbenen Boden gefallen, wo es entweder überhaupt an seinen Ort gestellt blieb, ob wohl so etwas wie Seligkeit im Ernste möglich sei, oder, wenn auch das erste angenommen worden wäre, dennoch gar kein fester und entschiedener Wille, selbst auch selig zu werden, vorhanden war, so hatte auf diesem Boden die Religion gleich anfangs nicht eingegriffen in Leben und Willen, sondern sie war nur als ein schwankender und blasser Schatten im Gedächtnisse und in der Einbildungskraft behangen geblieben; und so mußten natürlich auch alle ferneren Aufklärungen über den Zustand der vorhandenen Religionsbegriffe gleichfalls ohne Einfluß auf das Leben bleiben. War hingegen jene Frage in einen ursprünglich lebendigen Boden gefallen, so daß im Ernste geglaubt wurde, es gebe eine Seligkeit und der feste Wille da war, selig zu werden und die von der bisherigen Religion angegebenen Mittel zur Seligkeit mit innigem Glauben und redlichem Ernste in dieser Absicht gebraucht worden waren, so mußte, wenn in diesen Boden, der gerade durch sein Ernstnehmen dem Lichte über die Beschaffenheit dieser Mittel sich länger verschloß, dieses Licht zuletzt dennoch fiel, ein gräßliches Entsetzen sich erzeugen vor dem Betruge um das Heil der Seele und die treibende Unruhe, dieses Heil auf andre Weise zu retten und was als in ewiges Verderben stürzend erschien, konnte nicht scherzhaft genommen werden. Ferner konnte der einzelne, den zuerst diese Ansicht ergriffen, keineswegs zufrieden sein, etwa nur seine eigne Seele zu retten, gleichgültig über das Wohl aller übrigen unsterblichen Seelen, indem er, seiner tiefern Religion zufolge, dadurch auch nicht einmal die eigne Seele gerettet hätte: sondern mit der gleichen Angst, die er um diese fühlte, mußte er ringen, schlechthin allen Menschen in der Welt das Auge zu öffnen über die verdammliche Täuschung.

Auf diese Weise nun fiel die Einsicht, die lange vor ihm sehr viele Ausländer wohl in größerer Verstandesklarheit gehabt hatten, in das Gemüt des deutschen Mannes, Luther. An altertümlicher und feiner Bildung, an Gelehrsamkeit, an andern Vorzügen übertrafen ihn nicht nur Ausländer, sondern sogar viele in seiner Nation. Aber ihn ergriff ein allmächtiger Antrieb, die Angst um das ewige Heil und dieser ward das Leben in seinem Leben und setzte immerfort das letzte in die Wage und gab ihm die Kraft und die Gaben, die die Nachwelt bewundert. Mögen andre bei der Reformation irdische Zwecke gehabt haben, sie hätten nie gesiegt, hätte nicht an ihrer Spitze ein Anführer gestanden, der durch das Ewige begeistert wurde; daß dieser, der immerfort das Heil aller unsterblichen Seelen auf dem Spiel stehen sah, allen Ernstes allen Teufeln in der Hölle furchtlos entgegenging, ist natürlich und durchaus kein Wunder. Dies nun ist ein Beleg von deutschem Ernst und Gemüt.

Daß Luther mit diesem rein menschlichen, und nur durch jeden selbst zu besorgenden Anliegen an alle und zunächst an die Gesamtheit seiner Nation sich wendete, lag, wie gesagt, in der Sache. Wie nahm nun sein Volk diesen Antrag auf? Blieb es in seiner dumpfen Ruhe, gefesselt an den Boden durch irdische Geschäfte und ungestört fortgehend den gewohnten Gang, oder erregte die nicht alltägliche Erscheinung gewaltiger Begeisterung bloß sein Gelächter? Keineswegs, sondern es wurde wie durch ein fortlaufendes Feuer ergriffen von derselben Sorge für das Heil der Seele und diese Sorge eröffnete schnell auch ihr Auge der vollkommenen Klarheit und sie nahmen auf im Fluge das ihnen Dargebotene. War diese Begeisterung nur eine augenblickliche Erhebung der Einbildungskraft, die im Leben und gegen dessen ernsthafte Kämpfe und Gefahren nicht standhielt? Keineswegs, sie entbehrten alles, und trugen alle Martern und kämpften in blutigen zweifelhaften Kriegen, lediglich damit sie nicht wieder unter die Gewalt des verdammlichen Papsttums gerieten, sondern ihnen und ihren Kindern fort das allein seligmachende Licht des Evangeliums schiene; und es erneuten sich an ihnen in später Zeit alle Wunder, die das Christentum bei seinem Beginnen an seinen Bekennern darlegte. Alle Aeußerungen jener Zeit sind erfüllt von dieser allgemein verbreiteten Besorgtheit um die Seligkeit. Sehen Sie hier einen Beleg von der Eigentümlichkeit des deutschen Volkes. Es ist durch Begeisterung zu jedweder Begeisterung und jedweder Klarheit leicht zu erheben und seine Begeisterung hält aus für das Leben und gestaltet dasselbe um.

Auch früher und anderwärts hatten Reformatoren Haufen des Volks begeistert und sie zu Gemeinden versammelt und gebildet; dennoch erhielten diese Gemeinden keinen festen und auf dem Boden der bisherigen Verfassung begründeten Bestand, weil die Volkshäupter und Fürsten der bisherigen Verfassung nicht auf ihre Seite traten. Auch der Reformation durch Luther schien anfangs kein günstigeres Schicksal bestimmt. Der weise Kurfürst, unter dessen Augen sie begann, schien mehr im Sinne des Auslandes als in dem deutschen weise zu sein; er schien die eigentliche Streitfrage nicht sonderlich gefaßt zu haben, einem Streite zwischen zwei Mönchsorden, wie ihm es schien, nicht viel Gewicht beizulegen und höchstens bloß um den guten Ruf seiner neu errichteten Universität besorgt zu sein. Aber er hatte Nachfolger, die weit weniger weise, denn er, von derselben ernstlichen Sorge für ihre Seligkeit ergriffen wurden, die in ihren Völkern lebte, und vermittelst dieser Gleichheit mit ihnen verschmolzen bis zu gemeinsamem Leben oder Tod, Sieg oder Untergang.

Sehen Sie hieran einen Beleg zu dem oben angegebenen Grundzuge der Deutschen, als einer Gesamtheit und zu ihrer durch die Natur begründeten Verfassung. Die großen National- und Weltangelegenheiten sind bisher durch freiwillig auftretende Redner an das Volk gebracht worden und bei diesem durchgegangen. Mochten doch ihre Fürsten anfangs aus Ausländerei und aus Sucht vornehm zu tun und zu glänzen, wie jene, sich absondern von der Nation und diese verlassen oder verraten, so wurden sie auch später leicht wieder fortgerissen zur Einstimmigkeit mit derselben und erbarmten sich ihrer Völker. Daß das erste stets der Fall gewesen sei, werden wir tiefer unten noch an andern Belegen dartun; daß das letztere fortdauernd der Fall bleiben möge, können wir nur mit heißer Sehnsucht wünschen.

 

Ohnerachtet man nun bekennen muß, daß in der Angst jenes Zeitalters um das Heil der Seelen, eine Dunkelheit und Unklarheit blieb, indem es nicht darum zu tun war, den äußeren Vermittler zwischen Gott und den Menschen nur zu verändern, sondern gar keines äußern Mittlers zu bedürfen, und das Band des Zusammenhanges in sich selber zu finden; so war es doch vielleicht notwendig, daß die religiöse Ausbildung der Menschen im ganzen durch diesen Mittelzustand hindurchginge. Luthern selbst hat sein redlicher Eifer noch mehr gegeben, denn er suchte, und ihn weit hinausgeführt über sein Lehrgebäude. Nachdem er nur die ersten Kämpfe der Gewissensangst, die ihm sein kühnes Losreißen von dem ganzen bisherigen Glauben verursachte, bestanden hatte, sind alle seine Aeußerungen voll eines Jubels und Triumphs über die erlangte Freiheit der Kinder Gottes, welche die Seligkeit gewiß nicht mehr außer sich und jenseit des Grabes suchten, sondern der Ausbruch des unmittelbaren Gefühls derselben waren. Er ist hierin das Vorbild aller künftigen Zeitalter geworden und hat für uns alle vollendet. – Sehen Sie auch hier einen Grundzug des deutschen Geistes. Wenn er nur sucht, so findet er mehr, als er suchte; denn er gerät hinein in den Strom lebendigen Lebens, das durch sich selbst fortrinnt und ihn mit sich fortreißt.

Dem Papsttume, dieses nach seiner eignen Gesinnung genommen und beurteilt, geschah durch die Weise, wie die Reformation dasselbe nahm, ohne Zweifel unrecht. Die Aeußerungen desselben waren wohl größtenteils aus der vorliegenden Sprache blind herausgerissen, asiatisch rednerisch übertreibend, gelten sollend, was sie könnten, und rechnend, daß mehr als der gebührende Abzug wohl ohnedies werde gemacht werden, niemals aber ernstlich ermessen, erwogen oder gemeint. Die Reformation nahm mit deutschem Ernste sie nach ihrem vollen Gewichte; und sie hatte recht, daß man alles also nehmen solle, unrecht, wenn sie glaubte, jene hätten es also genommen und sie noch andrer Dinge, denn ihrer natürlichen Flachheit und Ungründlichkeit, bezichtigte. Ueberhaupt ist dies die stets sich gleichbleibende Erscheinung in jedem Streit des deutschen Ernstes gegen das Ausland, ob dieses sich nun außer Landes oder im Lande befinde, daß das letztere gar nicht begreifen kann, wie man über so gleichgültige Dinge, als Worte und Redensarten sind, ein so großes Wesen erheben möge und daß sie, aus deutschem Munde es wieder hörend, nicht gesagt haben wollen, was sie doch gesagt haben und sagen, und immerfort sagen werden, und über Verleumdung, die sie Konsequenzmacherei nennen, klagen, wenn man ihre Aeußerungen in ihrem buchstäblichen Sinne und als ernstlich gemeint, nimmt, und dieselben betrachtet als Bestandteile einer folgebeständigen Denkreihe, die man nun rückwärts nach ihren Grundsätzen, und vorwärts nach ihren Folgen herstellt; indes man doch vielleicht sehr entfernt ist, ihnen für die Person klares Bewußtsein dessen, was sie reden, und Folgebeständigkeit, beizumessen. In jener Anmutung, man müsse eben jedwedes Ding nehmen wie es gemeint sei, nicht aber etwa noch darüber hinaus das Recht zu meinen und laut zu meinen, in Frage ziehen, verrät sich immer die noch so tief versteckte Ausländerei.

Dieser Ernst, mit welchem das alte Religionslehrgebäude genommen wurde, nötigte dieses selbst zu einem größeren Ernste, als es bisher gehabt hatte, und zu neuer Prüfung, Umdeutung, Befestigung der alten Lehre, sowie zu größerer Behutsamkeit in Lehre und Leben für die Zukunft: und dieses, sowie das zunächstfolgende, sei Ihnen ein Beleg von der Weise, wie Deutschland auf das übrige Europa immer zurückgewirkt hat. Hierdurch erhielt für das Allgemeine die alte Lehre wenigstens diejenige unschädliche Wirksamkeit, die sie, nachdem sie nun einmal nicht aufgegeben werden sollte, haben konnte; insbesondere aber ward sie für die Verteidiger derselben Gelegenheit und Aufforderung zu einem gründlicheren und folgegemäßeren Nachdenken, als bisher stattgehabt hatte. Davon, daß die in Deutschland verbesserte Lehre auch in das neulateinische Ausland sich verbreitet und daselbst denselben Erfolg höherer Begeisterung hervorgebracht, wollen wir hier, als von einer vorübergehenden Erscheinung schweigen: wiewohl es immer merkwürdig ist, daß die neue Lehre in keinem eigentlich neulateinischen Lande zu einem vom Staate anerkannten Bestande gekommen; indem es scheint, daß es deutscher Gründlichkeit bei den Regierenden und deutscher Gutmütigkeit beim Volke bedurft habe, um diese Lehre verträglich mit der Obergewalt zu finden, und sie also zu machen.

In einer andern Rücksicht aber, und zwar nicht auf das Volk, sondern auf die gebildeten Stände, hat Deutschland durch seine Kirchenverbesserung einen allgemeinen und dauernden Einfluß auf das Ausland gehabt; und durch diesen Einfluß das Ausland wieder zum Vorgänger für sich selbst, und zu seinem eignen Anreger zu neuen Schöpfungen sich zubereitet. Das freie und selbsttätige Denken, oder die Philosophie, war schon in den vorhergehenden Jahrhunderten unter der Herrschaft der alten Lehre häufig angeregt und geübt worden, keineswegs aber, um aus sich selbst Wahrheit hervorzubringen, sondern nur, um zu zeigen, daß und auf welche Weise die Lehre der Kirche wahr sei. Dasselbe Geschäft in Beziehung auf ihre Lehre erhielt zunächst die Philosophie auch bei den deutschen Protestanten und ward bei diesen Dienerin des Evangeliums, so wie sie bei den Scholastikern die der Kirche gewesen war. Im Auslande, das entweder kein Evangelium hatte, oder das dasselbe nicht mit unvermischt deutscher Andacht und Tiefe des Gemüts gefaßt hatte, erhob das durch den erhaltenen glänzenden Triumph angefeuerte freie Denken sich leichter und höher, ohne die Fessel eines Glaubens an Uebersinnliches; aber es blieb in der sinnlichen Fessel des Glaubens an den natürlichen, ohne Bildung und Sitte aufgewachsenen Verstand; und weit entfernt, daß es in der Vernunft die Quelle auf sich selbst beruhender Wahrheit entdeckt hätte, wurden für dasselbe die Aussprüche dieses rohen Verstandes dasjenige, was für die Scholastiker die Kirche, für die ersten protestantischen Theologen das Evangelium war; ob sie wahr seien, darüber regte sich kein Zweifel, die Frage war bloß, wie sie diese Wahrheit gegen bestreitende Ansprüche behaupten könnten.

Indem nun dieses Denken in das Gebiet der Vernunft, deren Gegenstreit bedeutender gewesen sein würde, gar nicht hineinkam, so fand es keinen Gegner, außer der historisch vorhandenen Religion und wurde mit dieser leicht fertig, indem es sie an den Maßstab des vorausgesetzten gesunden Verstandes hielt und sich dabei klar zeigte, daß sie demselben eben widerspräche, und so kam es denn, daß, so wie dieses alles ins reine gebracht wurde, im Auslande die Benennung des Philosophen und die des Irreligiösen und Gottesleugners, gleichbedeutend wurden, und zu gleicher ehrenvoller Auszeichnung gereichten.

Die versuchte gänzliche Erhebung über allen Glauben an fremdes Ansehen, welche in diesen Bestrebungen des Auslandes das richtige war, wurde den Deutschen, von denen sie vermittelst der Kirchenverbesserung erst ausgegangen war, zu neuer Anregung. Zwar sagten untergeordnete und unselbständige Köpfe unter uns diese Lehre des Auslandes eben nach – lieber die des Auslandes, wie es scheint, als die ebenso leicht zu habende ihrer Landsleute, darum, weil ihnen das erste vornehmer dünkte – und diese Köpfe suchten, so gut es gehen wollte, sich selber davon zu überzeugen; wo aber selbständiger deutscher Geist sich regte, da genügte das Sinnliche nicht, sondern es entstand die Aufgabe, das freilich nicht auf fremdes Ansehen zu glaubende, Uebersinnliche in der Vernunft selbst aufzusuchen und so erst eigentliche Philosophie zu erschaffen, indem man, wie es sein sollte, das freie Denken zur Quelle unabhängiger Wahrheit machte. Dahin strebte Leibniz im Kampfe mit jener ausländischen Philosophie; dies erreichte der eigentliche Stifter der neuen deutschen Philosophie, nicht ohne das Geständnis durch eine Aeußerung des Auslandes, die inzwischen tiefer genommen worden, als sie gemeint gewesen, angeregt worden zu sein. Seitdem ist unter uns die Aufgabe vollständig gelöst und die Philosophie vollendet worden, welches man indessen sich begnügen muß, zu sagen, bis ein Zeitalter kommt, das es begreift. Dies vorausgesetzt, so wäre abermals durch Anregung des durch das neurömische Ausland hindurchgegangenen Altertums im deutschen Mutterlande die Schöpfung eines vorher durchaus nicht dagewesenen Neuen erfolgt.