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Reden an die deutsche Nation

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Läßt der Staat die ihm angetragene Aufgabe liegen, so ist es für die Privatpersonen, welche dieselbe aufnehmen, ein desto größerer Ruhm. Fern sei es von uns, der Zukunft durch Mutmaßungen vorzugreifen, oder den Ton des Zweifels und des Mangels an Vertrauen selber anzuheben; worauf unsre Wünsche zunächst gehen, haben wir deutlich ausgesprochen; nur dies sei uns erlaubt anzumerken: daß, wenn es wirklich also kommen sollte, daß der Staat und die Fürsten die Sache Privatpersonen überließen, dies dem bisherigen schon oben angemerkten und mit Beispielen belegten Gange der deutschen Entwicklung und Bildung gemäß sein, und dieser bis ans Ende sich gleich bleiben würde. Auch in diesem Falle würde der Staat zu seiner Zeit nachfolgen fürs erste wie ein einzelner, der den auf seinen Teil fallenden Beitrag eben auch leisten will, bis er sich etwa später besinnt, daß er kein Teil, sondern das Ganze sei, und daß das Ganze zu besorgen er so Pflicht als Recht habe. Von Stund an fallen alle selbständige Bemühungen der Privatpersonen weg und unterordnen sich dem allgemeinen Plane des Staates.

Sollte die Angelegenheit diesen Gang nehmen, so wird es mit der beabsichtigten Verbesserung unsers Geschlechts freilich nur langsam, und ohne eine sichere und feste Uebersicht und mögliche Berechnung des Ganzen, vorwärts schreiten. Aber lasse man sich ja dadurch nicht abhalten, einen Anfang zu machen! Es liegt in der Natur der Sache selbst, daß sie niemals untergehen könne, sondern, nur einmal ins Werk gesetzt, durch sich selbst fortlebe, und immer weiter um sich greifend sich verbreite. Jeder, der durch diese Bildung hindurchgegangen ist, wird ein Zeuge für sie und ein eifriger Verbreiter; jeder wird den Lohn der erhaltenen Lehre dadurch abtragen, daß er selbst wieder Lehrer wird, und so viele Schüler, die einst auch wieder Lehrer werden, macht, als er kann; und dies geht notwendig so lange fort, bis das Ganze ohne alle Ausnahme ergriffen sei.

Im Falle der Staat sich mit der Sache nicht befassen sollte, so haben Privatunternehmungen zu befürchten, daß alle nur irgend vermögende Eltern ihre Kinder dieser Erziehung nicht überlassen werden. Wende man sich sodann in Gottes Namen und mit voller Zuversicht an die armen Verwaisten, an die im Elende auf den Straßen Herumliegenden, an alles, was die erwachsene Menschheit ausgestoßen und weggeworfen hat! So wie bisher, besonders in denjenigen deutschen Staaten, in denen die Frömmigkeit der Vorfahren die öffentlichen Erziehungsanstalten sehr vermehrt und reichlich ausgestattet hatte, eine Menge von Eltern den Ihrigen den Unterricht angedeihen ließen, weil sie dabei zugleich, wie bei keinem andern Gewerbe, den Unterhalt fanden: so laßt es uns notgedrungen umkehren und Brot geben denen, denen kein andrer es gibt, damit sie mit dem Brote zugleich auch Geistesbildung annehmen. Befürchten wir nicht, daß die Armseligkeit und die Verwilderung ihres vorigen Zustandes unsrer Absicht hinderlich sein werde! Reißen wir sie nur plötzlich und gänzlich heraus aus demselben und bringen sie in eine durchaus neue Welt; lassen wir nichts an ihnen, das sie an das Alte erinnern könnte, so werden sie ihrer selbst vergessen und dastehen als neue soeben erst erschaffene Wesen. Daß in diese frische und reine Tafel nur das Gute eingegraben werde, dafür muß unser Unterrichtsgang bürgen und unsre Hausordnung. Es wird ein für alle Nachwelt warnendes Zeugnis sein über unsre Zeit, wenn gerade diejenigen, die sie ausgestoßen hat, durch diese Ausstoßung allein das Vorrecht erhalten, ein besseres Geschlecht anzuheben; wenn diese den Kindern derer, die mit ihnen nicht zusammen sein mochten, die beseligende Bildung bringen, und wenn sie die Stammväter werden unsrer künftigen Helden, Weisen, Gesetzgeber, Heilande der Menschheit.

Für die erste Errichtung bedarf es zuvörderst tauglicher Lehrer und Erzieher. Dergleichen hat die Pestalozzische Schule gebildet und ist stets erbötig, mehrere zu bilden. Ein Hauptaugenmerk wird anfangs sein, daß jede Anstalt der Art sich zugleich betrachte als eine Pflanzschule für Lehrer, und daß außer den schon fertigen Lehrern um diese herum sich eine Menge junger Männer versammle, die das Lehren lernen und ausüben zu gleicher Zeit, und in der Ausübung es immer besser lernen. Dies wird auch, falls diese Anstalten anfangs mit der Dürftigkeit zu ringen haben sollten, die Erhaltung der Lehrer sehr erleichtern. Die meisten sind doch in der Absicht gegenwärtig, um selbst zu lernen; dafür mögen sie denn auch ohne anderweitige Entschädigung das Gelernte eine Zeitlang zum Vorteil der Anstalt, wo sie es lernten, anwenden.

Ferner bedarf eine solche Anstalt Dach und Fach, die erste Ausstattung und ein hinlängliches Stück Land. Daß im weitern Fortgange dieser Einrichtungen, wenn die verhältnismäßige Menge von schon herangewachsener Jugend in den Jahren, wo sie nach der bisherigen Einrichtung als Dienstboten nicht bloß ihren Unterhalt, sondern zugleich auch ein Jahrlohn erwerben, sich in diesen Anstalten befinden wird, diese die schwächere Jugend übertragen, und bei der ohnedies notwendigen Arbeitsamkeit und weisen Wirtschaft, diese Anstalten sich größtenteils selbst werden erhalten können, scheint einzuleuchten. Fürs erste, solange die erstgenannte Art der Zöglinge noch nicht vorhanden ist, dürften dieselben größerer Zuschüsse bedürfen. Es ist zu hoffen, daß man sich zu Beiträgen, deren Ende man absieht, williger finden werde. Sparsamkeit, die dem Zwecke Eintrag tut, bleibe fern von uns; und ehe wir diese uns erlauben, ist es weit besser, daß wir gar nichts tun.

Und so halte ich denn dafür, daß, bloß guten Willen vorausgesetzt, bei der Ausführung dieses Plans keine Schwierigkeit ist, die nicht durch die Vereinigung mehrerer und durch die Richtung aller ihrer Kräfte auf diesen einigen Zweck leichtlich sollte überwunden werden können.

Zwölfte Rede
Ueber die Mittel, uns bis zur Erreichung unsers Hauptzwecks aufrecht zu erhalten

Diejenige Erziehung, die wir den Deutschen zu ihrer künftigen Nationalerziehung vorschlagen, ist nun sattsam beschrieben. Wird das Geschlecht, das durch dieselbe gebildet ist, nur einmal dastehen, dieses lediglich durch seinen Geschmack am Rechten und Guten, und schlechthin durch nichts andres getriebene, dieses mit einem Verstande, der für seinen Standpunkt ausreichend das Rechte allemal sicher erkennt, versehene, dieses mit jeder geistigen und körperlichen Kraft, das Gewollte allemal durchzusetzen, ausgerüstete Geschlecht: so wird alles, was wir mit unsern kühnsten Wünschen begehren können, aus dem Dasein desselben von selbst sich ergeben, und aus ihm natürlich hervorwachsen. Diese Zeit bedarf unsrer Vorschriften so wenig, daß wir vielmehr von derselben zu lernen haben würden.

Da inzwischen dieses Geschlecht noch nicht gegenwärtig ist, sondern erst heraufgezogen werden soll, und, wenn auch alles über unser Erwarten trefflich gehen sollte, wir dennoch eines beträchtlichen Zwischenraums bedürfen werden, um in jene Zeit hinüber zu kommen, so entsteht die näherliegende Frage: Wie sollen wir uns auch nur durch diesen Zwischenraum hindurch bringen? Wie sollen wir, da wir nichts Besseres können, uns erhalten, wenigstens als den Boden, auf dem die Verbesserung vorgehen, und als den Ausgangspunkt, an welchen dieselbe sich anknüpfen könne? Wie sollten wir verhindern, daß, wenn einst das also gebildete Geschlecht aus seiner Absonderung hervor unter uns träte, es nicht an uns eine Wirklichkeit vor sich finde, die nicht die mindeste Verwandtschaft habe zu der Ordnung der Dinge, welche es als das Rechte begriffen, und in welcher niemand dasselbe verstehe, oder den mindesten Wunsch und Bedürfnis einer solchen Ordnung der Dinge hege, sondern das Vorhandene als das ganz Natürliche und das einzig Mögliche ansehe? Würden nicht diese eine andre Welt im Busen Tragenden gar bald irrewerden, und würde so nicht die neue Bildung ebenso unnütz für die Verbesserung des wirklichen Lebens verhallen, wie die bisherige Bildung verhallt ist?

Geht die Mehrheit in ihrer bisherigen Unachtsamkeit, Gedankenlosigkeit und Zerstreutheit so ferner hin, so ist gerade dieses, als das notwendig sich Ergebende, zu erwarten. Wer sich ohne Aufmerksamkeit auf sich selbst gehen läßt, und von den Umständen sich gestalten, wie sie wollen, der gewöhnt sich bald an jede mögliche Ordnung der Dinge. So sehr auch sein Auge durch etwas beleidigt werden mochte, als er es das erstemal erblickte, laßt es nur täglich auf dieselbe Weise wiederkehren, so gewöhnt er sich daran und findet es späterhin natürlich und als ebenso sein müssend, gewinnt es zuletzt gar lieb, und es würde ihm mit der Herstellung des erstern bessern Zustandes wenig gedient sein, weil dieser ihn aus seiner nun einmal gewohnten Weise zu sein herausrisse. Auf diese Weise gewöhnt man sich sogar an Sklaverei, wenn nur unsre sinnliche Fortdauer dabei ungekränkt bleibt, und gewinnt sie mit der Zeit lieb; und dies ist eben das Gefährlichste an der Unterworfenheit, daß sie für alle wahre Ehre abstumpft und sodann ihre sehr erfreuliche Seite hat für den Trägen, indem sie ihn mancher Sorge und manches Selbstdenkens überhebt.

Laßt uns auf der Hut sein gegen diese Ueberraschung der Süßigkeit des Dienens, denn diese raubt sogar unsern Nachkommen die Hoffnung künftiger Befreiung. Wird unser äußeres Wirken in hemmende Fesseln geschlagen, laßt uns desto kühner unsern Geist erheben zum Gedanken der Freiheit, zum Leben in diesem Gedanken, zum Wünschen und Begehren nur dieses einigen. Laßt die Freiheit auf einige Zeit verschwinden aus der sichtbaren Welt; geben wir ihr eine Zuflucht im innersten unsrer Gedanken, so lange, bis um uns herum die neue Welt emporwachse, die da Kraft habe, diese Gedanken auch äußerlich darzustellen. Machen wir uns mit demjenigen, was ohne Zweifel unserm Ermessen frei bleiben muß, mit unserm Gemüte zum Vorbilde, zur Weissagung, zum Bürgen desjenigen, was nach uns Wirklichkeit werden wird. Lassen wir nur nicht mit unserm Körper zugleich auch unsern Geist niedergebeugt und unterworfen und in die Gefangenschaft gebracht werden!

 

Fragt man mich, wie dies zu erreichen sei, so ist darauf die einzige, alles in sich fassende Antwort diese: wir müssen eben zur Stelle werden, was wir ohnedies sein sollten, Deutsche. Wir sollen unsern Geist nicht unterwerfen: so müssen wir eben vor allen Dingen einen Geist uns anschaffen, und einen festen und gewissen Geist; wir müssen ernst werden in allen Dingen, und nicht fortfahren bloß leichtsinnigerweise und nur zum Scherze dazusein; wir müssen uns haltbare und unerschütterliche Grundsätze bilden, die allem unserm übrigen Denken und unserm Handeln zur festen Richtschnur dienen, Leben und Denken muß bei uns aus einem Stücke sein, und ein sich durchdringendes und gediegenes Ganzes; wir müssen in beiden der Natur und der Wahrheit gemäß werden, und die fremden Kunststücke von uns werfen; wir müssen, um es mit einem Worte zu sagen, uns Charakter anschaffen; denn Charakter haben und deutsch sein, ist ohne Zweifel gleichbedeutend, und die Sache hat in unsrer Sprache keinen besondern Namen, weil sie eben ohne alles unser Wissen und Besinnung aus unserm Sein unmittelbar hervorgehen soll.

Wir müssen zuvörderst über die großen Ereignisse unsrer Tage, ihre Beziehung auf uns, und das, was wir von ihnen zu erwarten haben, mit eigner Bewegung unsrer Gedanken nachdenken, und uns eine klare und feste Ansicht von allen diesen Gegenständen, und ein entschiedenes und unwandelbares Ja oder Nein über die hierher fallenden Fragen verschaffen; jeder, der den mindesten Anspruch auf Bildung macht, soll das. Das tierische Leben des Menschen läuft in allen Zeitaltern ab nach denselben Gesetzen, und hierin ist alle Zeit sich gleich. Verschiedene Zeiten sind da nur für den Verstand, und nur derjenige, der sie mit dem Begriffe durchdringt, lebt sie mit, und ist da zu dieser seiner Zeit; ein andres Leben ist nur ein Tier- und Pflanzenleben. Alles, was da geschieht, unvernommen an sich vorübergehen zu lassen, gegen dessen Andrang wohl gar geflissentlich Auge und Ohr zu verstopfen, sich dieser Gedankenlosigkeit wohl gar noch als großer Weisheit zu rühmen, mag anständig sein einem Felsen, an den die Meereswellen schlagen, ohne daß er es fühlt, oder einem Baumstamme, den Stürme hin und her reißen, ohne daß er es bemerkt, keineswegs aber einem denkenden Wesen. – Selbst das Schweben in höhern Kreisen des Denkens spricht nicht los von dieser allgemeinen Verbindlichkeit, seine Zeit zu verstehen. Alles Höhere muß eingreifen wollen auf seine Weise in die unmittelbare Gegenwart, und wer wahrhaftig in jenem lebt, lebt zugleich auch in der letztern; lebte er nicht auch in dieser, so wäre dies der Beweis, daß er auch in jenem nicht lebte, sondern in ihm nur träumte. Jene Achtlosigkeit auf das, was unter unsern Augen vorgeht, und die künstliche Ableitung der allenfalls entstandenen Aufmerksamkeit auf andre Gegenstände, wäre das Erwünschteste, was einem Feinde unsrer Selbständigkeit begegnen könnte. Ist er sicher, daß wir uns bei keinem Dinge etwas denken, so kann er eben, wie mit leblosen Werkzeugen, alles mit uns vornehmen, was er will; die Gedankenlosigkeit eben ist es, die sich an alles gewöhnt: wo aber der klare und umfassende Gedanke, und in diesem das Bild dessen, was da sein sollte, immerfort wachsam bleibt, da kommt es zu keiner Gewöhnung.

Diese Reden haben zunächst Sie eingeladen, und sie werden einladen die ganze deutsche Nation, inwieweit es dermalen möglich ist, dieselbe durch den Bücherdruck um sich zu versammeln, bei sich selbst eine feste Entscheidung zu fassen, und innerlich mit sich einig zu werden über folgende Fragen: 1. ob es wahr sei, oder nicht wahr, daß es eine deutsche Nation gebe, und daß deren Fortdauer in ihrem eigentümlichen und selbständigen Wesen dermalen in Gefahr sei? 2. Ob es der Mühe wert sei, oder nicht wert sei, dieselbe zu erhalten? 3. Ob es irgendein sicheres und durchgreifendes Mittel dieser Erhaltung gebe, und welches dieses Mittel sei?

Vorher war die hergebrachte Sitte unter uns diese, daß, wenn irgendein ernsthaftes Wort, mündlich oder im Drucke, sich vernehmen ließ, das tägliche Geschwätz sich desselben bemächtigte, und es in einen spaßhaften Unterhaltungsstoff seiner drückenden Langeweile verwandelte. Zunächst um mich herum habe ich dermalen, nicht so wie ehemals, bemerkt, daß man von meinen gegenwärtigen Vorträgen denselben Gebrauch gemacht hätte; von dem zeitigen Tone aber der geselligen Zusammenkünfte auf dem Boden des Bücherdrucks, ich meine die Literaturzeitungen und andres Journalwesen, habe ich keine Kunde genommen, und weiß nicht, ob von diesem sich Scherz oder Ernst erwarten lassen. Wie dies sich verhalten möge, meine Absicht wenigstens ist es nicht gewesen, zu scherzen, und den bekannten Witz, den unser Zeitalter besitzt, wieder in den Gang zu bringen.

Tiefer unter uns eingewurzelt, fast zur andern Natur geworden, und das Gegenteil, beinahe unerhört, war unter den Deutschen die Sitte, daß man alles, was auf die Bahn gebracht wurde, betrachtete als eine Aufforderung an jeden, der einen Mund hätte, nur geschwind und auf der Stelle sein Wort auch dazu zu geben und uns zu berichten, ob er auch derselben Meinung sei, oder nicht; nach welcher Abstimmung denn die ganze Sache vorbei sei, und das öffentliche Gespräch zu einem neuen Gegenstande eilen müsse. Auf diese Weise hatte sich aller literarischer Verkehr unter den Deutschen verwandelt, so wie die Echo der alten Fabel, in einen bloßen reinen Laut, ohne allen Leib und körperlichen Gehalt. Wie in den bekannten schlechten Gesellschaften des persönlichen Verkehrs, so kam es auch in dieser nur darauf an, daß die Menschenstimme forthalle, und daß jeder ohne Stocken sie aufnehme, und sie dem Nachbar zuwerfe, keineswegs aber darauf, was da ertönte. Was ist Charakterlosigkeit und Undeutschheit, wenn es das nicht ist? Auch dies ist nicht meine Absicht gewesen, dieser Sitte zu huldigen, und nur das öffentliche Gespräch rege zu erhalten. Ich habe, eben auch, indem ich etwas andres wollte, meinen persönlichen Anteil zu dieser öffentlichen Unterhaltung schon vorlängst hinlänglich abgetragen, und man könnte mich endlich davon lossprechen. Ich will nicht gerade auf der Stelle wissen, wie dieser oder jener über die in Anregung gebrachten Fragen denke, d. h. wie er bisher darüber gedacht, oder auch nicht gedacht habe. Er soll es bei sich selbst überlegen und durchdenken, so lange bis sein Urteil fertig ist und vollkommen klar, und soll sich die nötige Zeit dazu nehmen; und gehen ihm etwa die gehörigen Vorkenntnisse und der ganze Grad der Bildung, der zu einem Urteile in diesen Angelegenheiten erfordert wird, noch ab, so soll er sich auch dazu die Zeit nehmen, sich dieselben zu erwerben. Hat nun einer auf diese Weise sein Urteil fertig und klar, so wird nicht gerade verlangt, daß er es auch öffentlich abgebe; sollte dasselbe mit dem hier Gesagten übereinstimmen, so ist dieses eben schon gesagt, und es bedarf nicht eines zweiten Sagens, nur wer etwas andres und besseres sagen kann, ist aufgefordert zu reden; dagegen aber soll es jeder in jedem Falle nach seiner Weise und Lage wirklich leben und treiben.

Am allerwenigsten endlich ist es meine Absicht gewesen, an diesen Reden unsern deutschen Meistern in Lehre und Schrift eine Schreibeübung vorzulegen, damit sie dieselbe verbessern, und ich bei dieser Gelegenheit erfahre, was sich etwa von mir hoffen läßt. Auch in dieser Rücksicht ist guter Lehre und Rates schon sattsam an mich gewendet worden, und es müßte sich schon jetzt gezeigt haben, wenn Besserung zu erwarten wäre.

Nein, das war zunächst meine Absicht, aus dem Schwarme von Fragen und Untersuchungen und aus dem Heere widersprechender Meinungen über dieselben, in welchem die Gebildeten unter uns bisher herumgeworfen worden sind, so viele derselben ich könnte auf einen Punkt zu führen, bei welchem sie sich selbst standhielten, und zwar auf denjenigen, der uns am allernächsten liegt, den unsrer eignen gemeinschaftlichen Angelegenheiten; in diesem einigen Punkte sie zu einer festen Meinung, bei der es nun unverrückt bleibe, und zu einer Klarheit, in der sie wirklich sich zurecht finden, zu bringen; so viel andres auch zwischen ihnen streitig sein möge, wenigstens über dieses eine sie zur Einmütigkeit des Sinnes zu verbinden; auf diese Weise endlich einen festen Grundzug des Deutschen hervorzubringen, den, daß er es gewürdigt habe, sich über die Angelegenheit der Deutschen eine Meinung zu bilden; dagegen derjenige, der über diesen Gegenstand nichts hören und nichts denken möchte, von nun an mit Recht angesehen werden könnte als nicht zu uns gehörend.

Die Erzeugung einer solchen festen Meinung, und die Vereinigung und das gegenseitige Sichverstehen mehrerer über diesen Gegenstand, wird, so wie es unmittelbar die Rettung ist unsers Charakters aus der unsrer unwürdigen Zerflossenheit, zugleich auch ein kräftiges Mittel werden, unsern Hauptzweck, die Einführung der neuen Nationalerziehung zu erreichen. Besonders darum, weil wir selber, sowohl jeder mit sich, als alle untereinander, niemals einig waren, heute dieses und morgen etwas andres wollten, und jeder anders hineinschrie in das dumpfe Geräusch, sind auch unsre Regierungen, die allerdings, und oft mehr als ratsam war, auf uns hörten, irregemacht worden, und haben hin und her geschwankt, ebenso wie unsre Meinung. Soll endlich einmal ein fester und gewisser Gang in die gemeinsamen Angelegenheiten kommen: was verhindert, daß wir zunächst bei uns selbst anfangen, und das Beispiel der Entschiedenheit und Festigkeit geben? Lasse sich nur einmal eine übereinstimmende und sich gleichbleibende Meinung hören, lasse ein entschiedenes und als allgemein sich ankündigendes Bedürfnis sich vernehmen, das der Nationalerziehung, wie wir voraussetzen; ich halte dafür, unsre Regierungen werden uns hören, sie werden uns helfen, wenn wir die Neigung zeigen, uns helfen zu lassen. Wenigstens würden wir im entgegengesetzten Falle sodann erst das Recht haben, uns über sie zu beklagen; dermalen, da unsre Regierungen ungefähr also sind, wie wir sie wollen, steht uns das Klagen übel an.

Ob es ein sicheres und durchgreifendes Mittel gebe zur Erhaltung der deutschen Nation, und welches dieses Mittel sei, ist die bedeutendste unter den Fragen, die ich dieser Nation zur Entscheidung vorgelegt habe. Ich habe diese Frage beantwortet, und die Gründe meiner Art der Beantwortung dargelegt, keineswegs um das Endurteil vorzuschreiben, was zu nichts helfen könnte, indem jeder, der in dieser Sache Hand anlegen soll, in seinem eignen Innern durch eigne Tätigkeit sich überzeugt haben muß, sondern nur, um zum eignen Nachdenken und Urteilen anzuregen. Ich muß von nun an jeden sich selbst überlassen. Nur warnen kann ich noch, daß man durch seichte und oberflächliche Gedanken, die auch über diesen Gegenstand sich im Umlaufe befinden, sich nicht täuschen, vom tiefern Nachdenken sich nicht abhalten und durch nichtige Vertröstungen sich nicht abfinden lasse.

Wir haben zum Beispiel schon lange vor den letzten Ereignissen, gleichsam auf den Vorrat, hören müssen, und es ist uns seitdem häufig wiederholt worden, daß, wenn auch unsre politische Selbständigkeit verloren sei, wir dennoch unsre Sprache behielten, und unsre Literatur, und in diesen immer eine Nation blieben, und damit über alles andre uns leichtlich trösten könnten.

Worauf gründet sich denn zuvörderst die Hoffnung, daß wir auch ohne politische Selbständigkeit dennoch unsre Sprache behalten werden? Jene, die also sagen, schreiben doch wohl nicht ihrem Zureden und ihren Ermahnungen auf Kind und Kindeskind hinaus und auf alle künftigen Jahrhunderte, diese wunderwirkende Kraft zu? Was von den jetztlebenden und gemachten Männern sich gewöhnt hat, in deutscher Sprache zu reden, zu schreiben, zu lesen, wird ohne Zweifel also fortfahren; aber was wird das nächstkünftige Geschlecht tun, und was erst das dritte? Welches Gegengewicht gedenken wir denn in diese Geschlechter hineinzulegen, das ihrer Begierde, demjenigen, bei welchem aller Glanz ist, und das alle Begünstigungen austeilt, auch durch Sprache und Schrift zu gefallen, die Wage halte? Haben wir denn niemals von einer Sprache gehört, welche die erste der Welt ist, unerachtet bekannt wird, daß die ersten Werke in derselben noch zu schreiben sind, und sehen wir nicht schon jetzt unter unsern Augen, daß Schriften, durch deren Inhalt man zu gefallen hofft, in ihr erscheinen? Man beruft sich auf das Beispiel zweier andern Sprachen, eine der alten, eine der neuen Welt, welche, unerachtet des politischen Unterganges der Völker, die sie redeten, dennoch als lebendige Sprachen fortgedauert. Ich will in die Weise dieser Fortdauer nicht einmal hineingehen; so viel aber ist auf den ersten Blick klar, daß beide Sprachen etwas in sich hatten, das die unsrige nicht hat, wodurch sie vor den Ueberwindern Gnade fanden, welche die unsrige niemals finden kann. Hätten diese Vertröster besser um sich geschaut, so würden sie ein andres, unsres Erachtens hier durchaus passendes Beispiel gefunden haben, das der wendischen Sprache. Auch diese dauert seit der Reihe von Jahrhunderten, daß das Volk derselben seine Freiheit verloren hat, noch immer fort, in den ärmlichen Hütten des an die Scholle gebundenen Leibeigenen nämlich, damit er in ihr, unverstanden von seinem Bedrücker, sein Schicksal beklagen könne.

 

Oder setze man den Fall, daß unsre Sprache lebendig und eine Schriftstellersprache bleibe, und so ihre Literatur behalte; was kann denn das für eine Literatur sein, die Literatur eines Volkes ohne politische Selbständigkeit? Was will denn der vernünftige Schriftsteller, und was kann er wollen? Nichts andres, denn eingreifen in das allgemeine und öffentliche Leben, und dasselbe nach seinem Bilde gestalten und umschaffen; und wenn er dies nicht will, so ist alles sein Reden leerer Laut zum Kitzel müßiger Ohren. Er will ursprünglich und aus der Wurzel des geistigen Lebens heraus denken für diejenigen, die ebenso ursprünglich wirken, d. i. regieren. Er kann deswegen nur in einer solchen Sprache schreiben, in der auch die Regierenden denken, in einer Sprache, in der regiert wird, in der eines Volkes, das einen selbständigen Staat ausmacht. Was wollen denn zuletzt alle unsre Bemühungen selbst um die abgezogensten Wissenschaften? Lasset sein, der nächste Zweck dieser Bemühungen sei der, die Wissenschaft fortzupflanzen von Geschlecht zu Geschlecht, und in der Welt zu erhalten; warum soll sie denn auch erhalten werden? Offenbar nur, um zu rechter Zeit das allgemeine Leben und die ganze menschliche Ordnung der Dinge zu gestalten. Dies ist ihr letzter Zweck; mittelbar dient sonach, sei es auch erst in einer spätern Zukunft, jede wissenschaftliche Bestrebung dem Staate. Gibt sie diesen Zweck auf, so ist auch ihre Würde und ihre Selbständigkeit verloren. Wer aber diesen Zweck hat, der muß schreiben in der Sprache des herrschenden Volkes.

Wie es ohne Zweifel wahr ist, daß allenthalben, wo eine besondere Sprache angetroffen wird, auch eine besondere Nation vorhanden ist, die das Recht hat, selbständig ihre Angelegenheiten zu besorgen und sich selber zu regieren; so kann man umgekehrt sagen, daß, wie ein Volk aufgehört hat, sich selbst zu regieren, es eben auch schuldig sei, seine Sprache aufzugeben und mit den Ueberwindern zusammenzufließen, damit Einheit, innerer Friede und die gänzliche Vergessenheit der Verhältnisse, die nicht mehr sind, entstehe. Ein nur halbverständiger Anführer einer solchen Mischung muß hierauf dringen, und wir können uns sicher darauf verlassen, daß in unserm Falle darauf gedrungen werden wird. Bis diese Verschmelzung erfolgt sei, wird es Uebersetzungen der verstatteten Schulbücher in die Sprache der Barbaren geben, d. i. derjenigen, die zu ungeschickt sind, die Sprache des herrschenden Volkes zu lernen, und die eben dadurch von allem Einflusse auf die öffentlichen Angelegenheiten sich ausschließen und sich zur lebenslänglichen Unterwürfigkeit verdammen; auch wird es diesen, die zur Stummheit über die wirklichen Begebenheiten sich selbst verurteilt haben, verstattet werden, an erdichteten Welthändeln ihre Redefertigkeit zu üben, oder ehemalige und alte Formen sich selber nachzuahmen, wo man für das erste an der zum Beispiel angeführten alten, für das letztere an der neuen Sprache die Belege aufsuchen mag. Eine solche Literatur möchten wir vielleicht noch auf einige Zeit behalten, und mit derselben mag sich trösten der, der keinen bessern Trost hat; daß aber auch solche, die wohl fähig wären, sich zu ermannen, die Wahrheit zu sehen und aufgeschreckt zu werden durch ihren Anblick zu Entschluß und Tat, durch solchen nichtigen Trost, mit welchem einem Feinde unsrer Selbständigkeit recht eigentlich gedient sein würde, in dem trägen Schlummer erhalten werden: dieses möchte ich verhindern, wenn ich es könnte.

Man verheißt uns also die Fortdauer einer deutschen Literatur auf die künftigen Geschlechter. Um die Hoffnungen, die wir hierüber fassen können, näher zu beurteilen, würde es sehr zuträglich sein, sich umzusehen, ob wir denn auch nur bis auf diesen Augenblick eine deutsche Literatur im wahren Sinne des Wortes noch haben. Das edelste Vorrecht und das heiligste Amt des Schriftstellers ist dies, seine Nation zu versammeln und mit ihr über ihre wichtigsten Angelegenheiten zu beratschlagen; ganz besonders aber ist dies von jeher das ausschließende Amt des Schriftstellers gewesen in Deutschland, indem dieses in mehrere abgesonderte Staaten zertrennt war, und als gemeinsames Ganzes fast nur durch das Werkzeug des Schriftstellers, durch Sprache und Schrift, zusammengehalten wurde; am eigentlichsten und dringendsten wird es sein Amt in dieser Zeit, nachdem das letzte äußere Band, das die Deutschen vereinigte, die Reichsverfassung, auch zerrissen ist. Sollte es sich nun etwa zeigen – wir sprechen hieran nicht etwa aus, was wir wüßten oder befürchteten, sondern nur einen möglichen Fall, auf den wir jedoch ebenfalls im voraus Bedacht nehmen müssen – sollte es sich, sage ich, etwa zeigen, daß schon jetzt Diener besonderer Staaten von Angst, Furcht und Schrecken so eingenommen wären, daß sie solchen, eine Nation eben noch als daseiend voraussetzenden, und an dieselbe sich wendenden Stimmen, zuerst das Lautwerden, oder durch Verbote die Verbreitung versagten: so wäre dies ein Beweis, daß wir schon jetzt keine deutsche Schriftstellerei mehr hätten, und wir wüßten, wie wir mit den Aussichten auf eine künftige Literatur daran wären.

Was könnte es doch sein, das diese fürchteten? Etwa, daß dieser und jener dergleichen Stimmen nicht gern hören werde? Sie würden für ihre zarte Besorgtheit wenigstens die Zeit übel gewählt haben. Schmähungen und Herabwürdigungen des Vaterländischen, abgeschmackte Lobpreisungen des Ausländischen können sie ja doch nicht verhindern; seien sie doch nicht so strenge gegen ein dazwischen tönendes vaterländisches Wort! Es ist wohl möglich, daß nicht alle alles gleich gern hören; aber dafür können wir zurzeit nicht sorgen, uns treibt die Not, und wir müssen eben sagen, was diese zu sagen gebietet. Wir ringen ums Leben; wollen sie, daß wir unsre Schritte abmessen, damit nicht etwa durch den erregten Staub irgendein Staatskleid bestäubt werde? Wir gehen unter in den Fluten; sollen wir nicht um Hilfe rufen, damit nicht irgendein schwachnerviger Nachbar erschreckt werde?

Wer sind denn diejenigen, die es nicht gern hören könnten, und unter welcher Bedingung könnten sie es denn nicht gern hören? Allenthalben ist es nur die Unklarheit und die Finsternis, die da schreckt. Jedes Schreckbild verschwindet, wenn man es fest ins Auge faßt. Lasset uns mit derselben Unbefangenheit und Unumwundenheit, mit der wir bisher jeden in diese Vorträge fallenden Gegenstand zerlegt haben, auch diesem Schrecknisse unter die Augen treten.

Man nimmt an, entweder, daß das Wesen, dem dermalen die Leitung eines großen Teils der Weltangelegenheiten anheimgefallen ist, ein wahrhaft großes Gemüt sei, oder man nimmt das Gegenteil an, und ein drittes ist nicht möglich. Im ersten Falle: worauf beruht denn alle menschliche Größe, außer auf der Selbständigkeit und Ursprünglichkeit der Person, und daß sie nicht sei ein erkünsteltes Gemächte ihres Zeitalters, sondern ein Gewächs aus der ewigen und ursprünglichen Geisterwelt, ganz so wie es ist hervorgewachsen, daß ihr eine neue und eigentümliche Ansicht des Weltganzen aufgegangen sei, und daß sie festen Willen habe und eiserne Kraft, diese ihre Ansicht einzuführen in die Wirklichkeit? Aber es ist schlechthin unmöglich, daß ein solches Gemüt nicht auch außer sich, an Völkern und einzelnen, ehre, was in seinem Innern seine eigne Größe ausmacht, die Selbständigkeit, die Festigkeit, die Eigentümlichkeit des Daseins. So gewiß es sich in seiner Größe fühlt und derselben vertraut, verschmäht es über armseligen Knechtssinn zu herrschen und groß zu sein unter Zwergen; es verschmäht den Gedanken, daß es die Menschen erst herabwürdigen müsse, um über sie zu gebieten; es ist gedrückt durch den Anblick des dasselbe umgebenden Verderbens, es tut ihm weh, die Menschen nicht achten zu können; alles aber, was sein verbrüdertes Geschlecht erhebt, veredelt, in ein würdigeres Licht setzt, tut wohl seinem selbst edlen Geiste, und ist sein höchster Genuß. Ein solches Gemüt sollte ungern vernehmen, daß die Erschütterungen, die die Zeiten herbeigeführt haben, benutzt werden, um eine alte ehrwürdige Nation, den Stamm der mehrsten Völker des neuen Europa, und die Bildnerin aller, aus dem tiefen Schlummer aufzuregen und dieselbe zu bewegen, daß sie ein sicheres Verwahrungsmittel ergreifen, um sich zu erheben aus dem Verderben, welches dieselbe zugleich sichert, nie wieder herabzusinken, und mit sich selbst zugleich alle übrigen Völker zu erheben? Es wird hier nicht angeregt zu ruhestörenden Auftritten; es wird vielmehr vor diesen, als sicher zum Verderben führend, gewarnt, es wird eine feste unwandelbare Grundlage angegeben, worauf endlich in einem Volke der Welt die höchste, reinste und noch niemals also unter den Menschen gewesene Sittlichkeit aufgebaut, für alle folgende Zeiten gesichert, und von da aus über andre Völker verbreitet werde; es wird eine Umschaffung des Menschengeschlechts angegeben aus irdischen und sinnlichen Geschöpfen, zu reinen und edlen Geistern. Durch einen solchen Vorschlag, meint man, könne ein Geist, der selbst rein ist und edel und groß, oder irgend jemand, der nach ihm sich bildet, beleidigt werden?