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Achtundvierzig Briefe von Johann Gottlieb Fichte und seinen Verwandten

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43

Berlin d: 10: August 1812

Wollte Gott, theurer, innigst geliebter Grosvater, wir könnten etwas zur Erleichterung Ihrer vielen Leiden beytragen; ach laßen Sie uns doch schreiben wie es Ihnen geht; die weite Entfernung von Ihnen, ist uns izt besonders drükkend, da wir so gerne zu Ihnen eilten, und wenns möglich wäre Ihnen hälfen; die Hülfe steht allein bey Gott, mög er sich doch erbarmen und Ihnen helfen; das ist unser innigstes Gebeth. Mein Mann grüßt Sie auch von ganzem Herzen, er ist Gott sey Dank gesund, so wie auch Hermann und Hannchen; alle verlangen auf glükliche Nachricht von Ihnen.

Diesen Brief überbringt Ihnen Herr Eysener, den ich bitten werde uns zu schreiben, wie es Ihnen geht.

Gottes Güte ist groß, vielleicht hilft er Ihnen bald, und denn sehn wir uns in diesem Leben noch wieder, wo nicht, in einer beßern Welt, wo kein Leiden, kein Schmerz mehr trennt, wo wir Gott inniger anbethen können.

Leben Sie wohl, theurer geliebter Greis; Gottes Gnade sey mit Ihnen.

Von ganzen Herzen
Ihre Johanna Fichte:
g: Rahn

Aufschrift:

Herrn Fichte
durch Güte

Den am 13. September erfolgten Tod des am 7. August 1737 gebornen, also über 75 Jahre alten Vaters meldet ein Brief Gottlob's, dessen Schluß fehlt. –

44

Elstra, d. 14. Sept. 12.

Lieber Bruder

Unser guter Vater hat nun alle seine Leiden überstanden, er beschloß sein Leben gestern Abends halb 7 Uhr. Seine Krankheit war sehr hart, die Angst und Schmertz Gefühle verfolgten ihn bis an die letzte Minute des Todtes, er mußte alle schmertzhafte Zufälle empfinden, welche der Gewöhnliche Gang der Geschwulst mit sich bringt; noch 4 Tage vor seinem Ende zeigte sich durch Blut und Materie Auswurf, daß er ein LungenGeschwüre gehabt hatte, welche den sehr schweren und kurtzen Athem (von welchen ich Dir schon geschrieben) verursacht hatte; denn außer diesen würde er diese Angst nicht empfunden haben. Zu Deiner und der Deinigen Beruhigung muß ich Dich damit trösten, daß wir zu seiner Erquikung und Erleichterung alle nur mögliche Mühe angewendet und keine Kosten gesparet haben, wir haben D. Bentsche in Bischofswerda, den in unserer Gegend berühmtesten Arzt gebraucht, der hat ihn von Zeit zu Zeit selbst besuchet und ihn unter der Menge seiner übrigen Patienten am vorzüglichsten behandelt. Ich habe seit 6 Wochen, anfänglich die mehresten Nächte, späterhin die mehresten Tage und Nächte und seit 8 Tagen alle Tage und Nächte bei ihm zugebracht, und Verrichtungen wo nur Liebe und Pflicht Gefühl allen Ekel unterdrücken müssen welches man umsonst von fremden Leuten verlangen würde (das heißt bey uns zu Lande) selbst übernommen.

Auch Schwester Hanne hat sich seiner die letzten 8 Tage und Nächte treulich angenommen, sie hat ihn helfen pflegen, tragen, heben bey seinen sehr starken Durchfall ihn zu jeder Minute Reinlichkeit verschaffen helfen, die Aufgesprungenen geschwollenen Glieder geschmiert und Umschläge gemacht, dem Waßer welches durch den geschwollenen Weg von selbst nicht mehr ging geholfen, und alle mögliche Verrichtungen zu seiner Linderung übernommen.

Verzeihe mir diese Gründliche Erzählung, es geschieht aus keiner neben Absicht, es fühle bloß an mir selbst, daß einen Kinde Deiner Art mit dieser Ausführlichkeit gedienet seyn muß.

Den 16. d. zu Mittage in der 2 Stunde wird sein erblaßter Körper zur Ruhe befördert, nach hiesiger Landessitte mit Predigt und Paredation, zum Leichentext habe ich gewählet: Mache dich auf, werde Licht, den dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn ist über Dir, Dieser scheint mir auf des seel. Vaters denkenten forschenten Geist mehr zu paßen alle sonst gewöhnliche, und ich glaube den H. Pfarre damit volle Arbeit zu geben.

Der H. Pfarr hat sich des seel. Vaters treulich angenommen, ihn fleißig besuchet und mit Trostgründen aus der Religion welche vernünftig und den Kenntnißen des Vaters angemeßen waren, unterstüzt. Wer durch diese Veränderung am meisten verlohren hat, ist = die gute alte Mutter, sie hatt ihren besten Freund, ihren Begleiter im Alter verlohren, das tröstet und richtet sie noch etwas auf, daß Du und Deine liebe Frau ihr kräftigen Beystand versprochen habet, was meine Lage und Kräffte thun können, werde ich auch thun, daran zweifelst Du gewiß nicht.

Nur ist heute mein Kopf zu sehr voll, und kan vor heute nicht die vernünftigsten und tauglichsten Pläne, was mit den Hauße werden soll, und wie die Ernährung der Mutter am zwekmäßigsten bestimmt werden kann, in Vorschlag bringen. Die bisherige Einrichtung kan nicht fortgesezt werden, die Mutter würde, ohne daß sie Ruhe und Glük genießen könte, dabey sehr viel zusetzen. Kosten vor Holtz und Licht, allerhand Abgaben, Zechen und Dienste, Einquartirung und dergl. sind Dinge welche jährlich eine sehr große Summe erfordern, und welche die Mutter mit ihren KramLaden, zu welchen sie ohnedies ihr Alter und schweres Gehör von Zeit zu Zeit immer unfähiger macht nicht erwerben kan. Ich spüre das C… glaubet, oder wenn ich mich in sein Selbst denken will, träumet Besitzer zu werden, den KramLaden zu übernehmen, und freilich auf solche Art der Mutter die gleich erzählten Beschwerden abnehmen will, mit den grösten Leidwesen sehe ich aber, das C… einen siechen Körper und einen schwachen Geist besizt, und auch die Frau unthätig und ungeschikt ist, er besizt ein kleines Vermögen, und wir wollen doch seine Pläne, da er doch unser Bruder ist anhören, doch versteht sich, das wir zu seinen (weil er sich selbst nicht kennt oder kennen will) oder unsern Schaden nicht übereilt zu Werke gehen können, Doch können wir diese Veränderung auch nicht gantz in die Länge hinaus verschieben. Ich werde Dir mit Hr. Eißnern wieder schreiben und Deinen Herrmann und Hannen etliche Stük alte Silber Müntzen welche der seel. Vater ihnen als ein Andenken zu schiken befohlen hat einsiegeln.

Der hier erwähnte Pfarrer war M. Christian Gottlieb Köthe. –

Nun war's an unserem Fichte, für seine Mutter zu sorgen und sie vor etwaigen Benachtheiligungen zu schützen; und er erfüllte im Sinne eines treuen Sohnes diese Pflicht mit seiner gewohnten Nachdrücklichkeit. Vergl. oben die Auseinandersetzung zum 12. Briefe.

45

Berlin, d. 19. 8br. 12.

Lieber Bruder,

Weit entfernt, daß Dein so eben erhaltener Brief v. 6. Oktober mich befremden sollte, hebt er vielmehr einen Anstoß, den ich an Deinem frühern genommen, wo Du die Schwierigkeiten für die Mutter, die Wirthschaft zu behaupten, aus einander setzest, und dafür hältst, dieser C… könne doch etwa Vorschläge machen, auf die zu hören sey. Es ist mir sehr lieb, daß ich mit der Beantwortung dieses Punctes gewartet, bis Dein heutiger Brief zeigt, daß Du über dieses Subjekt – es ist mir schon früher vorgekommen, als ob Du ihn ungerechter Weise in Schutz nähmest – ganz so denkst, wie ich seit der Zeit von ihm gedacht habe, da ich schon an ihm als kleinen Knaben Proben einer unbegreiflichen Bosheit gefunden habe.

Weiß denn der thörigte nicht, daß, wenn alles andere wegfällt, ich 1.) das Kaufgeld, womit der seel. Gotthelf das Haus vom Vater erkauft, hergegeben, und daß mir dasselbe, nachdem durch des Bruders Tod der Vater wieder Eigenthümer geworden, nie zurückgezahlt worden, 2.) daß, als die Schwägerin sich zu Rammenau aufhielt, von meinem in der Gotthelfischen Verlassenschaft befindlichen Gelde in dem Hause gebauet worden, worüber ich noch eigenhändige Rechnung des Vaters besitze 3.) daß mehreres unter den Mobilien mein ist 4.) daß ich in den lezten 2 Jahren den Eltern über 200 Rthr. geschikt, welche ich, sobald man mich reizt, als ein Darlehn betrachten werde. Begreift er nicht, daß alle diese Summen aus der Verlassenschaft erst an mich zurükgezahlt werden müssen, ehe eine Erbschaft da ist: und kann er nicht berechnen, was in diesem Falle übrig bleiben werde? – Verstehe mich wohl Bruder. Es fällt mir nicht ein, diese Umstände gegen meine übrigen Geschwister geltend zu machen, wenn sie sich ordentlich und vernünftig betragen, und durch Unvernunft meinen Unwillen nicht reizen. Es ist wohl klar, daß ich mit einem Häuschen in Rammenau nichts anzufangen weiß, und daß alle die Gegenstände, die etwa in dieser Erbschaft vorkommen könnten, mir nicht des Holens werth sind. Aber das will ich, daß man die Mutter bis an ihr Ende ruhig genießen laße, was entweder das ihrige ist, oder das meinige. Nach ihrem, Gott gebe noch lang entfernten Tode, wird sich schon alles finden.

Um der Sache kurz und gut ein Ende zu machen, geht zugleich mit diesem Briefe an Dich ein Schreiben an den Herrn Rittmeister von Kleist, in welchem ich ihm die Sache vorlege, und ihn um Schutz für meine Mutter, und um Bezähmung des schlechten Burschen bitte.

Die Mutter wird sich meiner oben erwähnten Ansprüche wohl erinnern. Ich berufe in diesem Schreiben an Kleist mich um der Kürze willen auf ihr Zeugniß, ohnerachtet ich alle diese Umstände auch durch schriftliche Documente erweisen kann. Ich bitte sie, daß sie befragt dieses Zeugniß, das zu ihrem eignen Besten dient, ablege.

Es ist mir noch ein andrer Gedanke gekommen, wie für die Mutter am besten gesorgt werden könnte. Es muß aber erst in dieser Sache Ordnung seyn, ehe ich darüber eine Aeußerung machen kann. Ich ersuche Dich darum, mir nach Endigung der Sache wieder zu schreiben.

… ... …

So viel über diese unangenehmen Dinge. Jezt zu etwas das Herz näher angehenden. Schreibe mir doch, so viel Du kannst, von den lezten Stunden unsres verehrten treflichen Vaters; auch von dem Leichenbegängnisse, von der Predigt, deren sehr gut gewählten Text Du mir überschriebest.

 

Lebe recht wohl. Die meinigen grüßen (die meinigen, sage ich; und dazu zähle ich auch recht sehr Hannchen, als ein Vermächtniß des herrlichen Vaters.)

Grüße herzlich die Deinigen von uns.

Dein treuer Bruder
J. G. Fichte.

Aufschrift:

Herrn Gottlob Fichte,
Bürger
zu
Elstra

d. Einschluß.

In diesem und in dem 48. Briefe wird Rittmeister von Kleist, (vgl. den 9. Brief) als Gutsherr von Rammenau erwähnt. Die Sache hängt so zusammen: Des oben, zum 2. Briefe, erwähnten Johann Albericus Sohn Johann Centurius Reichsgraf von Hoffmannsegg verkaufte das Gut an seinen Schwager Friedrich von Kleist, königl. sächs. Kreisdirector in Querfurth und Dahme, so wie königl. preuß. Rittmeister und Ritter des Malteser- oder St. Johannisorden, welcher es von 1795 an bis zu seinem am 9. Febr. 1820 erfolgten Tode besaß. Sodann fiel es wieder an den früheren Besitzer Johann Centurius v. H. zurück, dessen Sohn Conradin Centurius Graf von Hoffmannsegg der jetzige Besitzer ist.

Die Drangsale des nun ausbrechenden großen Krieges spiegeln sich auch in dem engen Rahmen der Leiden, die er Fichte's Mutter brachte.

46

Elstra, d. 30. Octbr. 1813.

Mein lieber Bruder,

Unsere liebe Mutter wollte schon längst Dir und den Deinigen ihr Befinden zu wißen thun leider aber gehen die Posten noch nicht dahin; ich bediene mich der Gelegenheit diesen Brief mit einen Bekanten welcher nach Frankfurth zur Meße reiset zu geben. Ich hoffe daß unser Bruder in Finsterwalde doch endlich wird Gelegenheit gefunden haben meinen Brief, vom 19. July, (worinnen Dir unsere Mutter den Empfang von 20 Rthr. von den Studenten Ritschel bescheinigte) zu übersenden.

Unsere gute Mutter hat durch den Krieg diesen Sommer durch wieder viel gelitten so wohl an ihrer Gesundheit als an ihren Vermögen, sie hatt viel Einquartirung gehabt und durch Plünderung ist ihr vieles entwendet worden.

Den 14 Sept. befürchteten die Rammenauer ihren Untergang durch Kanonenfeuer, die Mutter wurde mit im Busch zu gehen veranlaßte, wo sie bey kalter und naßer Witterung bis zum 17. aushalten muste, doch wurde ihr noch nicht gerathen ihr Hauß zu bewohnen, sondern sie muste sich in einem Hauße nicht weit vom Walde aufhalten. Diese Zeit über war alle Communication unterbrochen, den 21., da die Franzosen Rammenau räumten, und unsere gantze Gegend von Rußen überschwemmet war, nahm ich mir vor sie aufzusuchen, und fand sie in diesen Hause; da ich urtheilen konnte daß sie von Marodörs in Rammenau weit mehr beunruhigt würde als in Elstra, (den sie hatte sogar im Busche und auch in diesem Hauße keine Lebensmittel vorm Plündern erhalten können) so that ich ihr den Vorschlag sie zu mir zu nehmen, allein zum Transport waren weder Menschen noch Vieh zu haben, ich bediente mich also des Schubkarrens. Ihre Gesundheit war durch Furcht, Unordnung, entbehrung ihrer gewohnten Lebensmittel zerrüttet, ich glaubte gewiß daß sie sich beßern würde, doch hatt sich ihre Gesundheit bis jezt noch nicht wieder eingefunden, sie ist schwach und matt, und was der Hauptfehler ist, sie kan fast gar nichts genießen, der Magen nimmt nichts an keine Poteille Wein ist in unsrer gantzen Gegend nicht mehr zu haben, alle Vorräthe sind ruinirt und verwüstet, keine Zufuhre ist nicht möglich.

Den 24. Octbr ist sie, mit einer Gelegenheitsfuhre zu Hauße gefahren, denn es ist etwas ruhiger geworden, die Salvegarden halten die herumstreifeten Kosaken im Zaume. Das Hauß unserer Mutter ist zum Glük nicht so total runirt als sehr viele andere, (zwei oder 3 Fenster sind eingeschlagen,) viele Häuser in Rammenau sind gantz unbewohnbar gemacht geworden; viele Ortschaften sind, ohne das sie weg gebrannt sind, ganz runirt, da giebt es Bauern, besonders an der Straße von Bautzen nach Dresden, die kein Brodt, keinen Saamen, kein Vieh, kein Geschirre gar nichts, alle kranke Körper haben, z. B. vom 16. bis 28 May, sind bloß im Bauzner und Görlitzer Kreyse 71 Dörfer in Asche gelegt wurden, das Unglük hatt aber seit dieser Zeit täglich continuirt

Unsere liebe Mutter läßet Dich, Deine liebe Frau Deinen lieben Herrmann und Hannen von Hertzen grüßen und wünschet daß diese Krieges Uebel von Euch entfernt bleiben mögen, auch grüße Diese alle von mir und den Meinigen hertzlich.

Lebe gesund mit den Deinigen. Ich bin

Dein treuer Bruder.
J. G. F.

Auch von der alternden Mutter ist uns ein Brief aufbehalten, mit sicherer Hand in regelmäßigen Zügen geschrieben.

47

d. 2. Decbr. 1813.

Innig geliebte Tochter,

Ich habe sogleich Ihr werthes Schreiben vom 20 Nov. mit inl. zwey Stük Louisdor richtig erhalten, ich danke Ihnen von Hertzen; nicht mit Gleichgültigkeit, sondern mit inniger Rührung, mit Gebeth und Dank zu Gott erkenne ich die göttliche Wohlthat daß mir die Vorsehung so eine gute Seele zur Tochter gegeben hat. Ich fühle und bedaure, daß Sie mich nicht blos mit Entbehrlichkeit unterstützen, sondern, da ich den Druk der Zeit, und die vielen Aufopferungen kenne, und den sichern Schluß machen kan, daß auch mein lieber Sohn in seinem Erwerb beträchtlich zurük gesezt ist, so kan ich einsehen, daß Sie, aus Liebe zu mir, manches entbehren werden.

Ihre guten Nachrichten, daß Sie Gott, bey den überhandnehmenden Krankheiten gesund erhalten, und daß Sie ihren lieben Sohn bey sich haben, freuet und tröstet mich.

Meine Gesundheitsumstände haben sich nicht gebeßert, meine Kräffte nehmen allmählich ab, ich spüre daß ich seit etlichen Wochen viel schwächer geworden, auch finden sich von Zeit zu Zeit, immer mehr unangenehme körperliche Empfindungen, ich liege nicht beständig ich mache mir Bewegung, ich habe einen Stuhl im Gange vor welchen ich zubereite, bey dieser Lebensart bleiben meine Glieder und mein Blut in wohlthätigerer Bewegung, den Kram habe ich abgegeben, indem mein Körper darzu nicht mehr fähig ist (und daß besonders bey kalter Jahreszeit.) Nur bedaure ich, wenn ich nach Gottes Willen noch eine Zeit lang leben soll, daß mein Magen so sehr schwach ist, ich kan fast gar nichts genießen, mich damit zu stärken und zu erquiken. Die gewaltthätigen kriegerischen Eräugniße, welche sehr schädlich auf meine schwachen Geisteskräfte wirkten, haben sich, (Gott sey es Dank) vermindert, ich habe just heute, einen Rußen, zum Glük einen gesitteten, zur Einquartirung.

Bei allen Unangenehmen was mich dieses Jahr betroffen hat ist mir immer sehr bange um Sie und die Ihrigen gewesen, und habe zu Gott um Ihre Erhaltung geseufzet. Ich freue mich, und danke es Gott von Hertzen, daß er größeres Unglük in Gnaden von uns abgewendet hat.

Da es die Zeit nicht gestattet daß Harrtmanns ihrer Tochter Nachricht mit beylegen könnten, so sagen Sie Hannchen zu ihrem Troste folgendes:

1) Ihre Wohnung stehet noch unversehrt, ob es schon in Pulßnitz fürchterlich zugieng (die Stadt wurde sieben mahl genommen und wiedergenommen) so brach doch kein Feuer aus.

2) Wegen der Plünderungen hatten sie Schuz, sie musten vor Militair baken und hatten Salvegarden im Hause, dabey gieng es drum nicht so genau ab, es ward ihnen noch manches genommen und die Umzäunung des Gartens ward im Biviak verbrandt.

3) Ihr Bruder ist in seinen Lernen sehr gestört worden, er hat in Dresden bei der Blokade müßen Hunger leiden, ist alsdenn eine Zeit bey seinen Aeltern gewesen, und ist jetzo wieder in Dresden.

4) Die Epidemie hatt sie noch nicht ergriffen, vor wenigen Tagen war die gantze Familie noch gesund.

5) Dore bey ihren Aeltern.

Gott nehme Sie alle in seinen Schuz, vielleicht erlebe ich noch die Freude daß Sie mich vor meinem Ende künftiges Früjahr noch einmal besuchen

Ihre treue liebende Mutter

Maria Dorothea verwittwete Fichte

Die ganze Reihenfolge der Briefe schließt, nach dem Hinscheiden der greisen Mutter und dem bald darauf, am 27. Januar 1814, erfolgten Tode des rüstigen Sohnes, mit einem Briefe des Bruders an die hinterlassene Wittwe.

48

Elstra, d. 11 Febr. 1814.

Theuerste Frau Schwägerin

Ich kan Ihnen das, was ich und die Meinigen über den Todt meines lieben Bruders, (der nicht blos ein Großer, sondern auch ein Nachahmungswürdiger guter Mann war,) empfinde, mit Worten nicht schildern, und Niemand wird wohl die unheilbaren Wunden, welche Ihnen die Vorsehung geschlagen hat, mehr fühlen als ich, doch der Trostspruch eines Hiobs im Unglük kan mich und Sie aufrichten und erhalten. Gott wird Ihnen beistehen; Ihr Verlust ist zwar auf dieser Welt nicht zu ersetzen, doch wird Sie und Ihren Sohn die gerechte Preusische Regierung, welche unsern Verewigten Freund schäzte, nicht verlaßen.

Ihren gerechten Anspruch, welchen Sie an der Maße der Verlaßenschaft unserer seel. Eltern machen, und welcher sich laut Ihres werthen Schreibens vom 1 Febr. auf Einhundert Thaler beläuft wird Ihnen von meinem Geschwister nicht erschwert oder verkürzet werden.

Gerichtskosten wird die Herrschaft viel machen, sie hat vorjetzo alles im Beschlag genommen, und wird uns die Freiheit nicht wieder geben, daß wir vor uns verkaufen und unter einander theilen können; dieses Recht kam der Herrschaft zu, und sie hat dieses vor ganz nothwendig glauben mußen, weil wir Geschwister in aller Welt zerstreut sind, und über dieses wird sie Ansprüche an zwei Brüdern machen, welche Kraft ihrer Lehr Briefe und Kundschaften ihr Unterkommen finden konnten, ohne sich von der Erbunterthänigkeit los zu kaufen; und wenn die Herrschaft alle nur möglich zu machende Kosten abgezogen hat so macht sie noch 5 pr. C. Abzug von der Maße. Häuser zu verkaufen ist jezt ein sehr ungünstiger Zeitpunkt, und das Haus auf beßere Zeiten aufzubehalten ist nicht rathsam, die gar nicht zu berechneten Kriegsunkosten, und die Reparaturen, welche der Krieg verursacht hat, (die Gartenzäumung ist gantz verbrannt worden, und eine bedeutente Haußrepratur giebt es auch) würden, uns in diesen Falle einen beträchtlichen Theil von den daraus gelößten Gelde rauben.

In Rücksicht Ihrer Anforderung glaube ich bestimmt daß dieses das beste Mittel wäre, wenn Sie Ihre Forderung von der Obrigkeit unter welcher sie stehen authorisiren liesen, und an den H. v. Kleist, als Erb-Lehn- und Gerichts-Herr auf Rammenau übersendeten, nur wünschte ich wenn Sie mir eine Abschrift davon übersendeten, ich werde mir es zur heiligsten Pflicht machen diese Ansprüche zu unterstützen und sollte, wie ich nicht glauben will, der H. v. Kleist auch pr. C. von den Ihrigen abziehen, so würde ich wenn ich es nicht hintertreiben könnte, solches auf die Maße wenden.

Ich empfehle Sie mit Ihren lieben Sohne den Schutze Gottes und bethe daß Gott ferneres Unglük in Gnaden von Ihnen abwenden möge und Sie gesund und bei dem Leben erhalten, damit Sie vorjetzo eine Stütze Ihres lieben Sohne seyn mögen, welcher in etlichen Jahren zuverläßig Ihre Stütze werden wird.

Meine Frau und Tochter welche äuserst betrübt über Ihr Unglük sind, laßen Sie von Hertzen grüßen.

Ihr getreuer Freund
J. Gottl. F.

So scheiden wir denn von dem großen Manne, den wir von dem Anfange seiner Laufbahn bis zu seinem Ende in den verschiedenartigen Beziehungen zu seiner Familie begleitet und auch von dieser Seite neu lieben gelernt haben, wir scheiden von seinem guten, milden Vater, von seiner wackeren Mutter – den Vollendeten; wir scheiden auch von Denen, deren Lebensgang wir nur zum Theil in die Sonnenbahn jenes leuchtenden Genius hereintreten sehen, von seinen ihm theils ähnlichen, theils unähnlichen Geschwistern; wir scheiden endlich auch von dem Charakter, der nach ihm selbst uns am innigsten anzieht, von seiner edlen Gattin, die ihn um fünf Jahre überlebte, aufgehend in der Liebe zu ihrem Sohne, dem würdigen Erben seines Namens, in dem Geist und Seele des Vaters und der Mutter sich verschmolzen haben.

 
Druck von C. E. Elbert in Leipzig