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Achtundvierzig Briefe von Johann Gottlieb Fichte und seinen Verwandten

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14

Lieber theurer Bruder! Ich kann meines Mannes Brief nicht vortgehn laßen ohne Ihnen auch ein paar Zeihlen zu schreiben, ohne Ihnen zu sagen daß mein theurer Vatter Sie innig liebt, und herzlich grüßt, daß Er und ich aufrichtig wünschen daß Sie bald bei uns sein mögen; faßen Sie Muth Theurer, die Zeit daß Sie bei uns Leben, wird ja auch nicht mehr so lange dauern, und denn werden Sie Sich das überstanden zu [hier steht, durchstrichen, »haben«] freuen haben.

Daß wir Ihnen so wenig schreiben, ist gewis nicht mangel Liebe, sondern mangel an Zeit, das ist im ganzen ein wirwarvolles Leben hier, daß wenig wahren Genuß schaft, und viel Zeit raubt; Sie werd einmahl selber sehn; ich wünsche nur daß Sie bald kommen, und kann nicht so ganz einsehn warum mein Mann es so aufschiebt, die Lebensart ist hier nicht gar fein, so daß gewis ein jeder sich bald hineinfindt; ich wünschte nur auch Sie einmahl zu sehn Lieber Bruder! Warum können, und sollen Sie uns denn nie besuchen? Sie und ich, wir wollten, unsern Fichte denn schon bekehren, ich glaube immer Er nimt die Sache viel zu strenge. Leben Sie wohl! Guter theurer Bruder, von ganzem Herzen

Ihre Fichtin.

In dem nächsten Briefe klingt in bemerkenswerther Weise aus Johanna's durch und durch christlichem Gemüthe eine ergebungsvolle Stimmung heraus, das Gefühl, daß wir auf Erden schon Bürger des Himmels seien, in welchem erst unsere wahre und ewige Heimath sei. So schreibt auch später, gegen Ende des Jahres 1806, Fichte aus Königsberg an seine Gattin: »Ich habe meine Entschiedenheit für das Leben, die in meinem Innern nie zweideutig war, nun auch äußerlich realisirt. Du bist der Erde ohnedies abgestorben, wie das Weib mag, der Mann nie darf noch soll. Du wirst mit dem bescheidenen Platze, den ich mir behalten habe in der letztern, vergnügt sein« (I, 371). Als äußerliche Veranlassung zur Offenbarung dieser Denkart in diesem Briefe müssen wohl die bis zu gewaltsamen Angriffen gehenden Anfeindungen und Beleidigungen betrachtet werden, mit denen Fichte von den Ordensverbindungen der Studenten verfolgt wurde, die er als die Quellen vielfacher Unsittlichkeit erkannt und darum veranlassen wollte sich aufzulösen.

15

Jena d. 8. Aprill 1795.

Theurer Bruder!

Schon lange wollt ich Ihnen schreiben, schon lange einliegendes schiken; und immer, und immer gabs Hindernisse: Sie sind eine gar zu gute Seele, da Ihnen mein Geschreibsel angenehm sein kann; freuen thut's mich freylich; da ich mich nun ganz treuherzig hinsezen kann, wenn ich Ihnen schreibe; da ich denken darf, der gute Bruder versteht Dich schon, wie du es meinst, daß ichs gut mit Ihnen meine, das weiß ich, das sagt mir mein Herz, daß Sies aber auch gleich so einsehen, das macht Ihnen Ehre.

Mein Lieber Mann, wird in ein paar Tagen, zu Pastor Bischoff reisen, um wie er hoft, sich zu erholen, und um zu arbeiten; damit er künftig Sommer nicht so stark arbeiten müsse; ich bleibe bey meinem Vatter, welcher sich nicht ganz wohl befindt, und der Haushaltung, welche man nicht gut allein laßen kann; auch muß verschiedenes im Hause ausgebeßert, und verändert werden; so siehts nun bey uns aus Lieber Bruder; was man im ganzen in Jena für eine Art zu leben führt, werden Sie einst selber sehn; es ist wie überhaubt in der Welt, häußliches Glück, können wir uns nur selber schaffen, Stöhrungen von außen, muß man sich nicht laßen zu Herzen gehn; dies ist auch hier höchst nothwendig; so geht ein Jahr, nach dem andern hin, bis wir am Ziehle unsrer Laufbahn hienieden sind; wohl uns, wenn wir viel Gutes, und nicht Böses thaten.

Ich freue mich, daß Sie so Muthvoll, Ihre Zeit, (ich hoffe, und wünsche daß sie nicht mehr lange daure) ausharren; wir wollen uns nachher mit Ihnen drüber freun.

Mein guter Vatter, und Mann grüßen Sie herzlich, Leben Sie wohl, und errinnern Sie Sich dann und wann Ihrer Schwester

Johanna Fichte.

Aufschrift:

Herrn Fichte:
bei dem Herrn Con Rektor Thieme. in
Meissen.

Inliegend ein Friedrichd'Or

(Nur: »Herrn Fichte« von Johanna's Hand.)

Die erwähnten Mißhelligkeiten bewogen Fichte, Jena auf einige Zeit zu verlassen und den Sommer in Osmannstädt zuzubringen (I, 260); darauf beziehen sich die folgenden Briefe, von denen der erste der Zeitangabe ermangelt.

16

Theurer Bruder!

Wir werden wahrscheinlich diesen Sommer auf dem Lande Leben, und Sie werden denn zu uns kommen, worauf ich mich herzlich freue; ich werde Ihnen so bald möglich das bestimmtere drüber schreiben. Leben Sie wohl! In Eyl Ihre Schwester

Jo. Fichte nee Rahn

Aufschrift:

Herrn Fichte:
Bey dem H: Conrector Thieme
in
Meissen

Einliegend einen Friedrichs'dor:

17

Jena, d. 27. April. 1795.

Da ich durch eine Veranlaßung, worüber mündlich, diesen Sommer frei bekomme, und ihn auf dem Lande zubringen werde, habe ich mich entschlossen, Dich zu mir zu nehmen. Komm daher, sobald Du willst, und kannst. Wenn Du über Leipzig, und Naumburg reisest, so brauchst Du gar nicht nach Jena, sondern hast von Naumburg aus über Auerstedt zu reisen, und da nach dem Dorfe Oßmannstedt zu fragen, welches zwischen Auerstedt und Weimar an der Straße, wie man mir sagt, liegt. In Oßmannstedt auf dem Schloße trifst Du mich. Ich habe daßelbe, welches sehr schön ist, und in einer angenehmen Gegend liegt, für diesen Sommer gemiethet. Da ich Dich bald zu sprechen hoffe, so halte ich nicht für nöthig, Dir noch irgend etwas zu schreiben, wozu ich ohnedies jezt nicht Zeit hätte.

Ich bin jezt selbst mit meiner Caße etwas dürftig eingerichtet. Ich hoffe daher, daß die inliegenden 2. Dukaten hinlänglich seyn werden, um Dir das nöthige zu Deinem Abgange von Meisen zu verschaffen, und um damit die Reise anher zu machen.

Lebe wohl. Es wird sich sehr freuen Dich zu sehen

Dein
Dich liebender Bruder
F.

Aufschrift:

Herrn Fichte:
in
Meissen

Hierin 2. Ducaten

Auf einer leeren Seite des 17. Briefes befindet sich ein Herzenserguß Gotthelf's, der in merkwürdiger Art beweist, wie Fichte seinen Bruder von Anfang an nur allzu richtig beurtheilt hatte, als er in seine ausreichende Entwicklungsfähigkeit einigen Zweifel setzte – ein Mißtrauen, dessen Richtigkeit sich bestätigt hatte, als der Professor den Schüler persönlich prüfte. (In welchem Monat Gotthelf nach Osmannstädt kam, ist nicht angegeben.)

18

Das Glück ist sehr veränderlich. Als ich diesen Brief von meinem Bruder erhielt, so schätze ich mich für außerordentlich glüklich und dachte, von nun an sey mein Glük so fest gegründet, daß es gar nicht mehr wanken könnte. Und siehe! – nie wankte es mehr als eben da, denn dieses war der Anfang, zu meiner jetzigen mißlichen Lage: wäre ich nicht so zeitig aus Meißen weg gekommen, so hätte wohl etwas mit mir werden können. Ich hätte alsdann doch die Lateinische Sprache so ziemlich gelernt gehabt, hätte auch einen Anfang in der Französischen, und vielleicht auch in der Griechischen gemacht gehabt, wäre zu einer weit gelegenern Zeit zu meinem Bruder gekommen, als ich so zu ihm kam, er hätte vielleicht, wenn er vom Anfang an eine bessere Meinung für mich gefaßt gehabt hätte, mich nicht so kalt behandelt, und ich wäre also auch nicht genöthigt gewesen, mich gegen ihn zurükzuhalten, und also hätte die Sache vielleicht ganz anders gehen können, als sie leider jetzt geht. Indessen ist es nun einmal nicht anders, und ich wenigstens kann die Sache nicht ändern, ich habe auch die Teufeleien nicht vorher sehen können. Gute Nacht.

Fichte.

Was Gotthelf hier noch zu seiner Entschuldigung anführt, hat um so weniger Grund, als er ja, wie aus den vorigen Briefen vielfach ersichtlich ist, selbst die Zeit nicht hatte erwarten können, wo er Meißen verlassen und nach Jena kommen durfte. Der trotz des bittern Ernstes fast komische Schluß aber bekundet doch den Humor und die ausreichende »Seelenstärke« (vgl. oben den 8. Brief), womit er die Enttäuschung zu ertragen und sich in einen andern Wirkungskreis zu finden vermochte. Dasselbe bezeugt der folgende Brief, der anderseits einen Beweis liefert, mit welchem Geschicke J. Gottlieb Fichte auch praktische Dinge zu behandeln wußte und mit welcher Energie er einige bei seinem Aufenthaltswechsel eingetretene Mißverhältnisse ordnete.

19

Jena, d. 14. November. 95.

Deine Gesinnung, mein lieber Bruder, die in Deinem Briefe sich zeigt, freut mich, und ich wünsche Dir von Herzen Glük dazu. Auch ist es mir sehr angenehm, daß diejenigen, die Dich umgeben, gleichfals in die Lage sich geschikt haben.

An sich – ich gestehe es Dir aufrichtig – sehe ich auch dabei kein Unglük, wenn Du Soldat würdest; es versteht sich auf einige Zeit. Wenn Du Dich appliciertest, könntest Du eine Unter Offizier, eine Fourier Stelle, u. s. w. erhalten: (nur wäre dabei zu wünschen, und nöthig, daß Du eine beßere festere Hand schriebest.) Auch dieser Stand giebt eine eigne Bildung, eine eigne Bearbeitung, eine Gefügigkeit in die Welt, die Dir besonders, so wie ich Dich kenne, sehr nüzlich seyn würde. Da aber allerdings dadurch Dein anderweitiger Plan aufgehalten würde, und was die Hauptsache dabei ist, da Du eine Abneigung gegen diesen Stand hast, so billige ich auch die Weise, wie Du Dich davon befreien willst. Ich würde Deinen Brief noch eher beantwortet haben, wenn nicht die Ueberlegung, ob ich Dir mit Vernunft jetzo die begehrten 30. Rthr schiken könnte, mich einige Zeit aufgehalten. Meine Lage ist die: Ich habe zwar eine gute Einnahme gehabt; aber durch Vergeßlichkeiten war eine solche Unordnung in meinem Hause eingerißen, daß ich an 100 rthlr. Schulden habe bezahlen müßen, auf die ich nicht gerechnet, und von denen ich kein Wörtlein gewußt; überhaupt, daß ich seit 14. Tagen über 200 rthr. Schulden bezahlt habe. Bedenke selbst welche Unordnung besonders der erste Umstand in einer Haushaltung verursacht, in der ich schlechterdings, es koste was es wolle, von nun an strenge Ordnung haben will. So unbedeutend nun 30. rthr. an sich mir seyn mögen, so sehe ich doch nicht mit Sicherheit vorher, daß ich sie, bis ich wieder Geld bekomme

 
***

Ich hatte den Brief so weit geschrieben, als mir eine unerwartete Schuld einging, die jenes deficit ersezt und mich in den Stand sezt, Deinem Begehren selbst zu willfahren. Ich mag den Brief nicht umschreiben; und so mag denn der Anfang stehen bleiben, um Dir einen Beweiß zu geben, daß Du nicht etwa unbedachter Weise auf mich rechnest. Ich wollte Dir rathen, die 30. thr. in Deiner Gegend, auf mein Wort zu borgen; allenfalls auch auf einen Wechsel von mir, zahlbar zur Jubilate-Messe. Ich kann es jezt baar schicken; und so ist es besser.

Aber so erneure ich denn auch meine Versicherung, daß auf mich gar nicht zu rechnen ist. Habe ich etwas übrig, so kann ich es dann wohl zum Vortheil der Meinigen anwenden; aber mein eignes Hauswesen in Unordnung bringen, oder mich in Schulden steken, das thue ich jezt, und in Ewigkeit nicht. –

Ich hoffe, daß der Hauskauf schon gemacht ist. Mit der Werbung wird es nun wohl auch nicht mehr so große Noth haben, weil Sachsen Friede geschlossen hat.

Ein Wink, den Du mir über die Lage der Unsrigen giebst, betrübt mich: ärgert, und empört mich. Ich kann diese zanksüchtigen Menschen recht herzlich haßen. Es bleibt dabei, daß ich künftigen Herbst meinen Vater zu sehen hoffe, sehr darauf mich freue den lieben, guten, würdigen zu sehen: aber ich werde nie über eine Schwelle treten, innerhalb welcher es solche Menschen giebt.

Der Deinige
Fichte.

N. Sch. Ich denke Dir dieses Geld keineswegs zu schenken; sondern ich denke es Dir nur zu borgen: und es mag auf dem Hause, unter uns, stehen bleiben.

Beantworte mir doch nach genauer Erkundigung folgende Fragen: Sind bei Euch auf gute Art, und wohlfeil liegende Gründe zu erkaufen: z. B. Bauergüter, die von Hofdiensten frei gemacht werden könnten; oder beträchtliche Stüke von den herrschaftl. Gründen: Wir möchten es, um gewißer Ursachen Willen, gern wißen.

Meine Frau grüßt Dich herzlich; und dankt für Deinen Brief.

Aufschrift:

An Herrn
Samuel Gotthelf Fichte
in
Rammenau b. Bischofswerda
über Leipzig u. Dresden

Inliegend 5 Stück Carolin.

Die beigegebenen rührenden Zeilen Johanna's nehmen Bezug auf den am 29. Sept. erfolgten Tod des Vaters Hartmann Rahn.

20

Ich kann doch den Brief meines Lieben Mannes nicht abgehen lassen, ohne Ihnen auch zu schreiben. Ich freue mich herzlich, daß Sie so glüklich angekommen sind, daß Sie alle Lieben so wohl fanden; und Ihr lieber Brief an mich, voll wahrer Lebensweisheit ist; Sie haben den wirklichen Punkt gefunden, um in der Welt glüklich zu seyn, halten Sie ihn ja fest, denn ohne diesen einzigen wahren Gesichtspunct, können wir nie glüklich sein.

Ich bin ziemlich wohl; aber der Verlust meines theuren, redlichen, mir unvergeßlichen Vatters, macht mich sehr betrübt; ich fühl auch besonders izt, seinen ganzen Werth, den ganzen Umfang seines edlen Herzens; wie grenzenlos Er mich liebte, was Er für ein herrlicher Mann war; wie oft sagte Er zu mir; ach wüßt ich nur was zu erfinden, um dem guten Fichte, ein glükliches Schiksahl, zu machen; auch hatte er mancherley Pläne, ihrenthalben entworfen, aber der Tod rafte ihn weg. Er wird nicht wieder zu uns kommen, zu ihm aber kommen wir. Das ist auch der einzige Gedanke, welcher mich einigermasen tröstet; und die freudige Ueberzeugung, daß ihm izt unaussprechlich wohl ist; Daß er nun schon so manches weiß, was wir nur hoffend glauben; daß seine Seele, erlößt von der gebrechlichen irdischen Hülle, nun ganz andre Vortschritte macht; was mag das für eine Freude gewesen sein, als er meine theure Edle Mutter wieder fand, die hatte auch ein Herz, wie man nur sehr wenige findt; auch nahm sein Verlangen nach ihr, mit dem Tode sehr zu, es war gleichsam, eine Vorempfindung, daß Er sie nun bald sehen werde. Ach theurer, Lieber Bruder laßen Sie uns Edel und groß sein, und im Guten, immer stärkere Vortschritte machen, damit wir auch zu diesen Edlen kommen. Gott sey mit Ihnen! Es liebt Sie von ganzem Herzen,

Ihre Schwester
Johanna Fichte
g. Rahn

Tausend herzliche Grüße, an die lieben Eltern, und Geschwister, mögen Sie Alle recht glüklich und braf sein.

Es folgen nun der Zeit nach eine Reihe von Briefen vom 8. Juni 1797 bis zum 9. December 1798 an den Bruder Gotthelf, die hauptsächlich auf Geldverhältnisse und Geschäftssachen sich beziehen, da Gotthelf und Gottlob ein Haus gekauft hatten und darin die Bandweberei betrieben, wozu Johann Gottlieb Fichte ihnen verschiedene Geldsummen schickte, wofür er sich einen Gewinnantheil ausbedungen hatte. Namentlich wollte er, daß davon seinem unermüdet thätigen Vater Etwas zu Gute kommen sollte. Von anderen seiner Verwandten scheint Fichte mitunter in nicht ganz zarter und bescheidener Weise in Anspruch genommen worden zu sein, so daß er ihnen zuweilen etwas derbe Zurück- und Zurechtweisungen ertheilt.

Beachtenswerth ist vorzüglich, wie eingehend Fichte sich nach den Specialitäten des Geschäfts erkundigt, die wandelbaren Werthe der verschiedenen Geldsorten in Anschlag bringt u. s. w., und wie er, der Philosoph, seinen Brüdern, den Geschäftsmännern, vielfach Rathschläge giebt. Man wird dabei an das Wort erinnert, daß der Philosoph auch der beste Schuster sein würde, sofern er nämlich prüft und entdeckt, worauf es ankommt, und also jede Sache, die er in Angriff nimmt, mit Verständniß und mit Erkenntniß des Zweckes behandelt.

Ich theile aus diesen Briefen nur mit, was als irgendwie charakteristisch von wirklich allgemeinerem Interesse sein kann, indem ich das rein Geschäftsmäßige und Kaufmännische übergehe und durch Punkte andeute.

21

Jena, d. 8. Jun. 97.

Lieber Bruder,

Ich trug Bedenken, Dir das Geld geradezu durch die Post zu übersenden, weil ich das ungeheure Porto fürchtete, und wollte deswegen sehen, ob es etwa durch Wechselbriefe zu übermachen wäre. Ich erfahre so eben auf meine Nachfrage auf der hiesigen sächß. Post, daß

50. Carolins, oder 300 rthr. Sächsisch, als soviel ich hierdurch übersende, nicht mehr als 30. bis 32. Gr. Porto machen, und dies halte ich denn doch für Kleinigkeit, und trage kein Bedenken, auch diese Unkosten zu verursachen.

Ich erwarte mit umlaufender Post den Empfangsschein, weil ich nicht weiß, wie viel der kleinen Nebenpost, durch die das Geld zu erhalten ist, zuzutrauen werde.

Ich erwarte die Auszahlung von 4. pro Cent, welche ich selbst an meine Frau, deren Schwester dieses Geld gehört, aus meinem Beutel bezahle – abgeredeter Maassen an meinen Vater, als eine kleine Pension – ganz allein zu seiner eigenen Erleichterung bei seinem Alter; besonders, daß er nicht mehr so schwere Lasten trage.

Du, und Bruder Gottlob steht mir für dieses Geld; und ich erwarte darüber des nächstens eine Verschreibung eures Vermögens; insoweit es dafür nöthig ist. Der Schein wird ausgestellt nicht auf 300. thlr. sächsisch, weil dieser Werth wandelbar ist, sondern auf 50. Stük neue französische Louisd'or. – Der Schein wird auf jährige Aufkündigung gemacht.

Ihr verwendet dieses Geld so, daß es so viel möglich auch meinen übrigen Brüdern mit zu Nutz komme: – es versteht sich, daß dies, da ihr beide allein mir dafür steht, nach eurer eignen Einsicht geschieht. – … ...

So viel über dieses Geschäft. Was den übrigen Inhalt Deines Briefs anbetrift, so wäre darüber viel zu sagen. Was darin unsere Mutter anbetrift, hat mich gerührt; und ich beklage die gute Frau. Gott, der ein anderes Gericht führt, als wir, wird ihr vergeben. Was Du von den übrigen Gliedern unserer Familie, den Vater, und Dich ausgenommen, sagst, hat mich befremdet. Diese drolligen Geschöpfe haben also geglaubt, daß ich, nach ihrem ehemaligen niederträchtigen Betragen gegen mich, noch Pflichten gegen sie hätte, über deren Beobachtung sie Richter wären, und nach denselben mich beurtheilen dürften? Daß ich jetzt durch meinen Besuch diese Pflichten gegen sie erfüllt habe, und daß nunmehr erst sie ihre Niederträchtigkeit mir verzeihen könnten? und Du, mein besserer, und wie ich glaubte, vernünftigerer Bruder, trägst kein Bedenken, mir dies zu schreiben, als ob Du halb, und halb derselben Meinung zugethan wärest?

Grüsse mir herzlich den Vater, und lebe wohl.

Dein treuer Bruder

J. G. Fichte.

… ... …

Indem ich den Brief schliessen will, fällt mir ein, daß es doch sichrer ist, ihn anderwärts hin, als nach Rammenau, zu addressiren; und ich schike ihn daher durch Einschlag an Bursche zu Pulßnitz.

Das Specielle, was Fichte's Mutter betrifft, ist nirgends genau bezeichnet und kann deshalb nicht aufgeklärt werden. Nach einer Stelle am Schlusse des Briefes muß Fichte einige seiner Verwandten besucht haben; die folgenden Briefe aber lehren, daß er in Rammenau nicht gewesen ist.

Der nächste Brief ist nach dem bezeichneten Alter seines Sohnes, der am 18. Juli geboren wurde, vielleicht an demselben 11. October 1797 geschrieben, wie der an des Kindes Pathen Johann Erich von Berger gerichtete (II, 479), oder doch an einem der nächsten Tage.

22

Mein lieber Bruder,

Ich habe bis jezt so viel Arbeit gehabt, daß ich nicht habe schreiben können. Deiner Bitte um Geld konnte ich nicht willfahren, weil ich das verlangte nicht entbehren konnte. Ich habe das Haus, das ich in Jena bewohnte, und welches Du kennst, gekauft. Das kostet mehr, als das Deinige. Nun ist das zwar nicht von meinem, sondern von meiner Frau Gelde geschehen: aber theils habe ich Vorschüsse machen müssen: theils lasse ich auch fortgesezt darin bauen, und dies geht von meinem Gelde. Da kannst Du nun berechnen, ob viel baares Geld bei mir seyn mag. Ferner, habe ich diesen Sommer Kindtaufe gehabt. Ja: es ist mir ein herrlicher, gesunder, starker Knabe gebohren, der jezt in die 13. Woche geht. Sage das unsern guten Eltern, die ich dadurch zu GroßEltern gemacht habe.

Ueber eine Reise nach Hause habe ich hin und her gedacht: aber es ist nicht möglich gewesen. Zeit ist mir das edelste Gut, und ich konnte ihrer für diesmal nicht so viel verlieren, als dazu gehört hätte. Gewiß versprochen habe ich es nicht. – Ich hoffe, es künftige Ostern möglich zu machen. Vertröste den guten, trefflichen Vater. Gewiß werde ich ihn sehen, und mehrmals, hoffe ich, sehen. Meine Frau will sich's nicht ausreden lassen, mich, mit ihrem Kinde, zu begleiten. Ich gestehe, daß ich dies in mancher Rüksicht nicht gern sehe; und auch das hat mich bisher abgehalten.

Ferner ist solch eine Reise unter hundert, und mehr Thalern nicht gemacht und auch diese habe ich nicht so geradezu zu verlieren. Die glückliche Zeit ist vorbei, da ich meinen Stab nahm, und zu Fusse ging, durch die weite Welt. Jezt bin ich allenthalben gefesselt.

Lebe recht wohl.

Dein treuer Bruder
F.