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Die Hallig

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XXV

 
Hinauf zum Himmel, tiefgebeugte Seele,
In Thränen reift die Saat der Ewigkeit,
Daß sich der Mensch das bessre Teil erwähle,
mahnt ihn des irdischen Vergänglichkeit:
Das Zeitliche vergeht der Zeit zum Raube,
Doch ewig bleibt die Liebe und der Glaube.
 
Aus der „Ueberschwemmung“ 1825.

Am Morgen nach dieser Nacht der Verwüstung war die ganze Gemeinde, Männer, Frauen, Greise, Kinder, in dem einen Hause versammelt, das allein noch obdachfähig geblieben war! Alle übrigen Wohnungen waren teils gänzlich weggerissen, teils zu einem blosen Pfahlwerk geworden. Welche Aussicht für die Zukunft der unglücklichen Halligbewohner! Hab und Gut und Herden dahin! Für die kommenden Tage kein Obdach, kein Erwerb; für den Augenblick nicht einmal trockene Kleidung und Nahrungsmittel! Krankheit, Hunger, Frost, Blöße, Verzweiflung oder Tod in den Wellen mit der nächsten wiederkehrenden Flut: das war das Geschick, dessen Vorboten schon zu nahe waren, um sie zu übersehen. So lange noch nicht Alle die Zuflucht erreicht hatten, gaben die Erzählungen der einzeln Ankommenden immer neue Nahrung zur lauten Bewunderung der göttlichen Macht und Güte. – So war unter Andern eine Frau mitten in der ernsten Stunde, die zum ersten Male ihre mütterlichen Hoffnungen erfüllen sollte, von den Wellen auf ihrem Lager überrascht worden. Auf den Boden getragen, stürzte sie mit dem niederbrechenden Hause auf eine Heudieme hin. Hier klammerte sie sich an und hielt, von schweren Balken belastet, die mit jeder Woge sich hoben und senkten, die ganze Nacht aus, watete dann gegen Morgen bis über die Kniee im Wasser hin zu dem Hause, in welchem sie jetzt sogleich nach ihrer Ankunft eines gesunden Kindes3 genas. – Als aber, außer Godber und Maria, Niemand mehr fehlte, wandten sich Aller Gedanken und Gefühle auf den Verlust, den sie erlitten, auf die Hoffnungslosigkeit ihres Zustandes, und Alle klagten, weinten und schluchzten mit einander. Nur Hold, dessen Aussicht für die Zukunft, nach Ueberwindung der ersten Not, weniger betrübend war, der seit dem Antritt seines gefahrvollen Kirchendienstes auf der Hallig sich oft ähnliche Lagen gedacht, und den der Herr, wie wir gesehen, bereits mächtig getröstet in seiner Trübsal, gewann bald wieder das Gedächtnis der Verpflichtungen, die sein Amt ihm auferlegte; und nie war ihm die Herrlichkeit seines Berufes so klar gewesen, als sie ihm in diesen Stunden ward. Er wandte sich bald an Alle, bald wieder an Einzelne; machte auf die wahrhaft wunderbaren Errettungen aufmerksam, von denen vorher Einer dem Andern erzählt; suchte das Vertrauen zu dem Vater zu wecken, der die Vögel unter dem Himmel nährt und die Blumen des Feldes kleidet; zeigte, wie so viele köstliche Sprüche gleichsam gerade für die Lage geredet seien, in welcher sie sich befänden, und ermunterte, da seine ersten Vorstellungen, eine Zuflucht auf dem festen Lande mit Hülfe des einzigen Schiffes zu suchen, das noch unzertrümmert an seinem Anker lag, zurückgewiesen waren, nun selbst dazu, mit voller Hingebung auf dem geliebten Boden der Heimat Alles zu erwarten, was im Rate Gottes beschlossen sei. Dem Tiefgebeugten floß seine Rede wie Manna in der Wüste und erinnerte ihn an den glimmenden Docht, der nicht verlischt, an das geknickte Rohr, das nicht zerbricht. Die Verzweifelnden strafte er mit mächtigem Wort: „Demütiget Euch unter die gewaltige Hand Gottes! Wer ist jemals zu Schanden worden, der auf Gott gehoffet? Wer ist jemals verlassen, der in der Furcht des Herrn geblieben ist? Haben wir Gutes empfangen von Gott, warum sollten wir denn auch nicht Uebles annehmen? Darum seid geduldig in der Trübsal!“ Und über Alle hin rief er: „Wenn ich nur Dich habe, Allmächtiger, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir auch Leib und Seele verschmachten, so bist doch Du, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Heil!“ Allmälig gewann seine Tröstung Eingang in die bekümmerten Gemüter, immer mehr schlossen sich ihm an und stimmten in seine Reden ein; und die Klagen verstummten, die Thränen flossen linder, und die Seufzer wurden zu stillen Gebeten.

Nun mahnten Frost und Hunger, eine nährende und wärmende Speise zu bereiten. War es auch möglich, ein Feuer anzuzünden, so fehlte es doch an Nahrungsmitteln, die nicht völlig vom Meerwasser durchnäßt waren, und vor Allem fehlte es an süßem Wasser zum Kochen, da die Ueberschwemmung alle Brunnen mit ihrer Salzflut gefüllt. Doch Hold erinnerte an das Weinfaß, das ihm und den Seinen zur Rettung gedient, und einige junge Leute gingen hin, es zu suchen.

Diese stießen bei ihrem Herumwandern auf Godber’s Leiche, die ihren Ruheplatz in der durch die Sturmflut wieder aufgerissenen Gruft des Kapitäns und der beiden Matrosen gefunden hatte. Gleichsam als sicheres Zeichen der Versöhnung war er also gebettet! Hätte er sich selber eine Grabstätte wählen sollen, er würde keine andere gewählt haben.

Der Mensch ist in Stunden besonderer Aufregung gar leicht geneigt, dem Zusammentreffen einzelner Umstände eine tiefere Bedeutung unterzulegen, als es vielleicht für ihn haben sollte. Wir wollen daher gern dem Leser das Urteil frei lassen, ob Hold Recht hatte, als er später im Gespräch mit seiner Gattin über die Auffindung der Leiche Godber’s in jener Gruft seiner früheren Schiffsgenossen sich dahin äußerte:

„Mir ist, als habe Gott mir dadurch eine große Beruhigung geben wollen. Ich kann nun an Godber denken ohne den geringsten Zweifel, daß ihm vergeben ist. Diese Vereinigung im Tode mit allen Denen, welche er mit Recht oder Unrecht als Opfer seiner Untreue betrachtete, kommt mir als eine bejahende Antwort vor auf die Frage der Ueberlebenden: ‚Ist seine Reue angenommen im Gericht?‘ Wir sollten in Frieden sein gedenken, darum sahen wir seine Leiche in Frieden schlummern neben Denen, deren Tod sein Gewissen beunruhigte. Ich wenigstens muß Gott danken, daß Er es also gefügt, und möchte um keinen Preis Godber’s Leiche an einer andern Stelle gefunden wissen. Er mußte erst den Weg dahin machen, wohin ihn die Sühne rief. Maria gehörte nicht dahin. Darum wurden ihre Leichen getrennt. Mit ihr versöhnten ihn die letzten Augenblicke seines Lebens; und sie sind nun vereint in den ewigen Hütten.“

Gewann unsere Erzählung Deine Teilnahme, lieber Leser, so scheide auch Du von Godber, ohne mit Unwillen seiner Schwäche zu gedenken. Wer hat die Gewalt der Leidenschaft ermessen, deren lodernde Flamme oft in einem unseligen Augenblick Alles verzehrt, was an Pflicht und Treue wir unser nennen, und wir stehen vor dem Aschenhaufen und fragen verwundert: „Wie konnte es doch so kommen?“ Richten wir uns selber, dann sei keine Strenge zu streng; urteilen wir aber über Andere, dann flüstere das Bewußtsein unserer Schwachheit das Gebet uns zu: „Herr, führe uns nicht in Versuchung!“

Das gesuchte Faß ward glücklicherweise wohlbehalten aufgefunden, geöffnet, und darauf wurden in Wein die vorrätigen Nahrungsmittel gekocht, deren Genuß nun den Durchnäßten und Durchkälteten eine erquickende Lebenswärme zurückgab.

„Bis hieher hat der Herr geholfen!“ rief Hold, nachdem Alle gesättigt waren. „Lasset uns hinziehen zu der Stätte, wo Sein Heiligtum stand, daß wir Ihm dort danken, wo wir so oft Seinen heiligen Namen angerufen haben. Dort im Angesicht der Zerstörung alles Dessen, was wir von Ihm hatten an zeitlichem Gut, wollen wir Ihn preisen, daß er unsere Lieben erhalten und Seine Liebe uns bewährt auch da, als Seine Hand schwer auf uns lag.“

Und er stimmte aus Luther’s Kernliede: „Aus tiefer Not schrei’ ich zu Dir!“ die folgenden Verse an, in welche die ganze Gemeinde auf dem Zuge zu der Stätte, wo die Kirche gestanden, mit einfiel:

 
Und währt es auch bis in die Nacht,
Und wieder an den Morgen,
So soll mein Herz an Gottes Macht
Verzweifeln nicht, noch sorgen.
So thut der Fromme rechter Art,
Der aus dem Geist erzeuget ward,
Und seines Gottes harret.
 
 
Ob bei uns ist der Sünden viel,
Bei Gott ist viel mehr Gnade.
Sein Arm zu helfen hat kein Ziel,
Wie groß auch sei der Schade.
Er ist allein der gute Hirt,
Der Israel erlösen wird
Aus seinen Nöten allen.
 

Als Hold die Kirchenwerfte betrat, die kaum in ihrer Zerstörung noch eine Werfte heißen konnte, und auf der auch kein Stein und kein Balken zurückgeblieben, die daran erinnern konnten, daß hier ein Haus gestanden, war das Erste, das ihm in die Augen fiel: Maria’s Leiche. Diese mußte mit der rückgehenden Flut hierher getrieben sein und lag in einer der Höhlungen der zerrissenen Werfte in einer fast sitzenden Stellung, so daß sie beim ersten Anblick als eine Lebende erschien, die hier einen Schutz vor den rauhen Winden gesucht. Alle drängten sich um Hold her, als er sich mit einer Thräne im Auge über den Leichnam niederbeugte. Er war so weich und wehmütig geworden, daß er die freudige, gottvertrauende Stimmung, in welcher er die Gemeinde hierhergeführt, vergebens wieder suchte.

So war denn dies jugendliche Leben dahin, das vom irdischen Glück nur geträumt. Als der Traum in Erfüllung gehen sollte, breitete der Morgen seinen scharfen Winterfrost über die Blüten der bräutlichen Hoffnung und sie welkten alle. Auch Du mit Deinem bescheidenen, einfachen Wesen, die Du geschaffen schienst, um friedlich über die Erde hinzugehen, unbeachtet vom Geschick, das die stolzen Herzen trifft und die reichen Gemüter prüft, auch Du mußtest bluten, ein stillduldendes Opfer der von Leidenschaften bewegten Welt. Doch der Stern eines schönern Morgens war ja aufgegangen in Deinem Herzen und weckte Blüten, die die Erde nicht geboten, wider die der feindliche Winterfrost nichts vermochte, die von dem Tau des himmlischen Friedens und von den Thränen des irdischen Schmerzes zugleich genährt, nur desto reicher sich entfalteten und desto lieblicher aufdufteten der Heimat zu. Nicht in ein anderes Land ist Deine Seele übergegangen, sie war ja schon hienieden losgebunden von den Fesseln zeitlicher Wünsche, war hienieden schon eine Pilgerin nicht zum Himmel, sondern im Himmel. Die Thräne, die auf Deine Leiche fällt, gilt nicht Dir, deren Glaube zum Schauen geworden ist, sie gilt der Welt, die nicht einmal für Dein anspruchsloses Herz eine ruhige Stätte hatte. Ja, wir sind Gäste und Fremdlinge auf Erden!

 

Indem Hold sich tiefer hinabbeugte, weniger um die Tote näher zu betrachten, als vielmehr, um seine Thränen zu verbergen, sah er neben Maria den goldenen Abendmahlskelch liegen, der seit 1459 der Gemeinde gedient4. Dieser Fund ergriff ihn wie eine Botschaft aus der Höhe. Mit siegender Kraft kehrte sein heiterer Glaubensmut in seine Brust zurück. Er faßte schnell das ihm und der Gemeinde so werte Kleinod, hob es hoch empor in der Linken, während seine Rechte wie segnend über den Häuptern der ihn umgebenden Gemeinde lag. Sein freudeverklärter Blick ruhte am Himmel, durch dessen leichte Wolken eben die Sonne brach, deren Strahl die grause Zerstörung umher beleuchtete, zugleich aber über das Antlitz Hold’s einen Schimmer ergoß, in welchem sich seine innere Gottesfreudigkeit klar und glänzend abspiegelte. So stand er auf der höchsten Stelle der zertrümmerten Werfte, den Mittelpunkt eines wunderbaren Gemäldes bildend. Zunächst an ihm Maria’s Leiche in halbsitzender Lage, wie eine fromme Schülerin zu den Füßen ihres Lehrers, das Gesicht mit dem mildesten Frieden des Todes in den Zügen gleichfalls dem Himmel zugewendet. Die Gemeinde ringsum in den mannigfaltigsten Stellungen mit mehr oder minder deutlichen Zeichen der Ermattung; Alle nur in leichter Kleidung, der man die Verwirrung der Nacht ansah, die Männer mit freiem Nacken und offener Brust, die Frauen und Mädchen mit dem langen, nassen Haar, das über die Schultern herabfiel; bei dem Einen das Antlitz ganz verklärt im Aufschauen zum Herrn, bei dem Andern ein Zug von Trauer und Wehmut beim neuen Anblick der Vernichtung ihres irdischen Glückes; die Kinder furchtsam umschauend und den Eltern sich anschmiegend, als sähen sie die Schreckbilder der vergangenen Nacht noch einmal zurückkehren. Dabei die zerrissene Werfte, hier in tiefen Höhlungen ausgewaschen, dort in steilen Abbrüchen und herumliegenden Erdhaufen einem gesprengten Festungswall gleichend. Auf der einen Seite das halbgesunkene Balkengerüst, der einzige Ueberrest der Wohnung Hold’s; auf der andern die Aussicht über die glatte Fläche des Landes hin, voll zerstreuter Trümmer, die durch einzelne Streifen des am Morgen gefallenen Schnees von dem dunklen, feuchten Grunde gehoben wurden. Weiterhin das Meer, dessen Wellen nach der Erschütterung des letzten Sturmes noch in ungewöhnlicher Bewegung waren und die Macht bezeugten, die solche Zerstörung angerichtet. Das Ganze gab ein Gemälde, das in seiner Wahrheit jede Schöpfung der Phantasie weit hinter sich zurückließ.

„Fürchte Dich nicht, Du kleine Gemeinde!“ rief Hold. „Siehe der Herr ist Dir nahe! Wie der Regenbogen nach der Sündflut der Welt ein Zeichen und Zeugnis war, daß Gottes Gnade fortan größer sein werde als ihre Schuld, so giebt Gott uns diesen Kelch, der so vielen Geschlechtern gedient, und der so manche Sturmflut überdauert hat, heute wieder zum Zeichen und Zeugnis, daß er sich unser erbarmen will mit alter Lieb’ und Treue. Fürchte Dich nicht, Du kleine Gemeinde! Der Gott, der Jesum Christum in die Welt gesandt, daß Er den Kelch der Versöhnung fülle mit Seinem Blute, der Gott spricht durch dies Gefäß der heiligsten Feier zu Dir: Ich will Dich nicht verlassen, noch versäumen! Herr, wir halten fest an Deinem Worte! Herr, wir bauen auf Deine Zeugnisse! Wer mag noch daran gedenken, was diese Nacht ihm genommen? Wessen Brust ist nicht durchströmt von dem Trost aus der Höhe? Wessen Herz schlägt nicht kindlich froh dem Vaterherzen droben entgegen? Er hat Seinen Boten vorausgesandt, diesen Kelch. Er ist da und teilet einem Jeden aus Seiner reichen Fülle. Er ist da und mit Ihm weltüberwindende Kraft und freudige Hoffnung. Er ist da, Du Tochter Zions, und hat aufgerichtet in Deinem Herzen Sein Heiligtum, dessen Grund ist der Fels der Zuversicht, dessen Säulen sind Licht und Gnade, dessen Altar ist Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens, dessen Zinne ist Friede und Seligkeit. Arm und hülflos, wie wir aus dem Mutterschoße hervorgegangen sind, stehen wir wieder vor Ihm. Er will uns neugeboren werden lassen, daß wir fortan ganz die Seinen sind, genährt nur von der lautern Milch des Glaubens, stark nur in Seiner Stärke, reich nur in Seinem Reichtum, selig nur in Seiner Liebe. Herr, unser Gott, hier sind wir! Wir sind Dein; Deines Reiches Erben, nicht mehr Kinder der Zeit!

 
Das Zeitliche vergeht der Zeit zum Raube;
Doch ewig bleibt die Liebe und der Glaube!
 
3Dieser Knabe, in dem Kirchenbuche der nun der nächstgelegenen Insel zugepfarrten Gemeinde das vorletzte Kind, – die nach dem frühen Tode der erstgeborenen jetzt älteste Tochter des Verfassers dieser Novelle ist das letzte, – wurde in der Taufe: Johannes (Gott ist gnädig) genannt.
4Dieser Becher befindet sich jetzt in der Kunst- und Antiquitätenkammer in Kopenhagen.