BGB-Erbrecht

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8. Umdeutung (§ 140)

343

Nach heute allgemeiner Meinung können auch Verfügungen von Todes wegen gem. § 140 umgedeutet werden.[67] Im Gegensatz zur Auslegung wird hier der Wille des Erblassers nicht gedeutet oder ergänzt, sondern korrigiert.[68] Voraussetzung für die Umdeutung einer nichtigen Verfügung von Todes wegen in ein anderes Rechtsgeschäft ist, dass dessen Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben sind und ein entsprechender hypothetischer Wille des Erblassers angenommen werden kann. Relevanz hat die Umdeutung vor allem bei formunwirksamen letztwilligen Verfügungen.

Beispiele:

Eine als gemeinschaftliches Testament gedachte letztwillige Verfügung, die mangels Unterschrift[69] oder Testierfähigkeit[70] eines Ehegattens unwirksam ist, kann in ein Einzeltestament des anderen umgedeutet werden (dies gilt richtiger Ansicht nach auch im Falle wechselbezüglicher Verfügungen, → Rn. 223). Eine in einem zweiseitigen Erbvertrag aufgrund der Geschäftsunfähigkeit des einen Teils unwirksame Verfügung kann in eine testamentarische Verfügung umgedeutet werden[71]. Die (wegen § 2302) unwirksame Verpflichtung, ein Testament zu errichten, die in einem notariellen Vertrag enthalten ist, kann in einen (bedingten) Erbvertrag umgedeutet werden[72]. Ein formungültiges Schenkungsversprechen unter Lebenden kann in ein Vermächtnis in Form eines eigenhändigen Testaments umgedeutet werden[73].

9. Wichtige Auslegungs- und Ergänzungsregeln

344

Die gesetzlichen Auslegungsregeln sollen eine Hilfestellung bei der Ermittlung der wirklichen Bedeutung einer in einem Testament enthaltenen Erklärung des Erblassers geben. Die Regeln entsprechen allgemein anerkannten Erfahrungssätzen und sind nur dann anzuwenden, wenn der Wille des Erblassers durch Auslegung nicht ermittelt werden kann. Von den Auslegungsregeln sind die Ergänzungsregeln zu unterscheiden. Letztere greifen bei einer fehlenden oder lückenhaften Regelung durch den Erblasser ein, die auch nicht durch ergänzende Auslegung geschlossen werden kann. Ihre Anwendung führt für den Fall des Versagens einer Auslegungsregel zu einer vom Erblasserwillen weitgehend autonomen Gestaltungsentscheidung des Gesetzgebers. Von den zahlreichen über das gesamte 5. Buch des BGB verstreuten Regeln können hier nur die wichtigsten erläutert werden. Im konkreten Anwendungsfall müssen die Regelungen im Einzelnen geprüft werden.

a) Zweifel über das Vorliegen einer Erbeinsetzung, § 2087

345

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Ausdrücke „vererben“ und „vermachen“ häufig nicht im juristisch-technischen Sinne verwandt. Entscheidend für die Frage, ob eine Erbeinsetzung (→ Rn. 728 ff.) oder ein Vermächtnis (→ Rn. 900 ff.) vorliegt, ist jedoch nach allgemeinen Grundsätzen nicht der Wortlaut, sondern der im Wege der Auslegung zu ermittelnde wirkliche Wille des Erblassers (§ 133, → Rn. 325, 334). Für den Fall, dass die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt[74], stellt § 2087 zwei Auslegungsregeln auf: Nach Abs. 1 ist im Falle der Zuwendung des gesamten Vermögens oder eines Bruchteils davon im Zweifel eine Erbeinsetzung anzunehmen; wenn dem Bedachten hingegen nur einzelne Gegenstände zugewendet werden, so ist gem. Abs. 2 im Zweifel von einem Vermächtnis (→ Rn. 900 ff.) auszugehen.

346

Speziell im Falle der Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände kann es aber durchaus sein, dass sich bereits im Wege der Auslegung ergibt, dass der Erblasser gleichwohl eine Erbeinsetzung wollte (und somit § 2087 Abs. 2 erst gar nicht zur Anwendung gelangt). Dies ist insb. in folgenden Konstellationen der Fall:[75]


wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach verteilt hat;
wenn er dem Bedachten einen Gegenstand oder Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden (z.B. ein Hausgrundstück);
wenn nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte.

b) Zweifel über die Person des Bedachten
aa) Allgemeines

347

Die §§ 2066–2073 enthalten Auslegungs- und Ergänzungsregeln für den Fall, dass Zweifel hinsichtlich der Person des Bedachten bestehen. Ihr gemeinsamer Grundgedanke ist, dass die Auslegung letztwilliger Verfügungen sich im Zweifel an der gesetzlichen Erbfolge orientieren soll.[76]

bb) Gesetzliche Erben

348

Setzt der Erblasser nur seine „gesetzlichen Erben“ ein, so sind gem. § 2066 S. 1 diejenigen im Verhältnis der gesetzlichen Erbteile bedacht, die im Zeitpunkt des Erbfalls die gesetzlichen Erben wären. Entsprechendes gilt bei ähnlichen Formulierungen, wie z.B. „rechtmäßige Erben“ oder schlicht „Erben“.[77]

cc) Verwandte

349

Nach § 2067 S. 1 sind bei einer Einsetzung der „(nächsten) Verwandten“ im Zweifel diejenigen Verwandten bedacht, die zur Zeit des Erbfalls gesetzliche Erben wären; auch hier im Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile. „Verwandte“ bezieht sich insoweit grundsätzlich nur auf Verwandte i.S.d. Gesetzes (§ 1589), d.h. nicht auf Ehegatten.[78] Anders hingegen, wenn der Erblasser den Begriff „Familie“ verwendet; hierzu gehört dann regelmäßig auch der Ehegatte.[79] Im Übrigen gilt auch hier – wie allgemein – der Vorrang der individuellen Auslegung; die Auslegungsregel des § 2067 S. 1 greift nur, wenn diese zu keinem eindeutigen Ergebnis führt.[80]

dd) Kinder

350

§ 2068 enthält eine Regelung für den Fall, dass der Erblasser seine „Kinder“ bedacht hat und eines dieser Kinder vor Testamentserrichtung verstorben ist. Dann soll im Zweifel eine Erbfolge nach Stämmen (wie bei § 1924 Abs. 3) erfolgen, die Abkömmlinge des vorverstorbenen Kindes sollen also an dessen Stelle treten. Kind i.S.d. § 2068 ist auch ein Adoptivkind[81] (§ 1754 Abs. 1) und ein nichteheliches Kind[82]. Bei Wegfall des Kindes wegen Erbverzicht gilt hingegen nicht § 2068, sondern § 2349.[83]

ee) Abkömmlinge des Erblassers

351

Bei nachträglichem Wegfall eines zum Erben eingesetzten Abkömmlings sind gem. § 2069 im Zweifel dessen Abkömmlinge insoweit als Ersatzerben bedacht, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge (nach dem Erblasser) nachrücken würden. Es handelt sich um eine Regel der ergänzenden Testamentsauslegung, da nicht eine Mehrdeutigkeit des Testaments zu beheben ist, sondern eine später entstandene Lücke geschlossen wird.[84]

(1) Abkömmling

352

Abkömmling meint neben den Kindern i.S.v. § 2068 auch die Enkel, Urenkel usw. des Erblassers.[85] Ungeachtet des Wortlauts („einen seiner …“) gilt § 2069 auch dann, wenn der Erblasser nur einen Abkömmling hatte.[86] Wenn andere nahestehende Personen (z.B. nahe Verwandte, Ehegatten, Stiefkinder) wegfallen, wird eine analoge Anwendung von § 2069 allgemein abgelehnt[87]; allerdings kann in solchen Fällen ggf. eine ergänzende Auslegung zu dem Ergebnis führen, dass die Abkömmlinge des Weggefallenen Ersatzerben sein sollen[88].

 

(2) Wegfall

353

Unter Wegfall ist ein Ereignis zu verstehen, das den Anfall der Zuwendung bei dem ursprünglich Bedachten verhindert, ohne zugleich die Verfügung als solche unwirksam zu machen.[89] Nach dem Wortlaut muss der Wegfall nach der Errichtung der Verfügung von Todes wegen erfolgt sein. Die Vorschrift ist jedoch analog anzuwenden, wenn der Wegfall dem Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung nicht bekannt war.[90]

354

Der häufigste Wegfallgrund ist der Tod des Bedachten.[91] Unproblematisch unter § 2069 fällt auch die Erbunwürdigerklärung (§ 2344, → Rn. 494 ff.) eines Bedachten.[92]

355

Ein Zuwendungsverzicht eines Abkömmlings gem. § 2352 (→ Rn. 523 ff.) stellt zwar an sich ebenfalls einen Wegfall dar. Allerdings ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob der Zuwendungsverzicht des Abkömmlings sich nicht auch auf dessen Abkömmlinge erstreckt; sofern die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist dies gem. §§ 2352 S. 3, 2349 im Zweifel anzunehmen.

356

Im Falle der Ausschlagung (→ Rn. 588 ff.) eines Abkömmling liegt grundsätzlich ebenfalls ein Wegfall vor, weil der Ausschlagende gem. § 1953 Abs. 2 rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls als verstorben zu betrachten ist (→ Rn. 597). Umstritten ist allerdings, ob § 2069 auch dann gilt, wenn der Ausschlagende seinen Pflichtteil verlangt.[93] Denn dann würde der Stamm letztlich doppelt begünstigt: einmal durch den Pflichtteil und einmal durch den Anfall der Erbschaft an den/die Abkömmling(e) des Ausschlagenden. Letztlich faire Ergebnisse lassen sich hier aber zumindest dann erreichen, wenn der Ersatzberufene gem. § 2320 die Pflichtteilslast trägt.[94] Wenn jedoch ein pflichtteilsberechtigter Nacherbe ausschlägt, entlastet § 2320 den Vorerben nicht; hier ist der Wille des Erblassers im Einzelfall zu klären (→ Rn. 639).[95]

357

Kein Wegfall i.S.d. § 2069 ist hingegen die Anfechtung der letztwilligen Verfügung, denn diese führt zu deren Nichtigkeit ex tunc (§ 142 Abs. 1, → Rn. 423).[96] Ebenso wenig stellt der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (→ Rn. 523 ff.) einen Wegfall des Bedachten i.S.v. § 2069 dar, denn dadurch wird nur die gesetzliche Erbfolge berührt, die aber hier von der (ergänzend auszulegenden) gewillkürten Erbfolge verdrängt wird.[97] Kein Wegfall i.S.v. § 2069 ist ferner der Verstoß eines Abkömmlings gegen eine Verwirkungsklausel (→ Rn. 149), denn mit Eintritt der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2) wird die Verfügung unwirksam, sodass § 2069 schon deshalb nicht anwendbar ist.[98]

358

Wenn ein eingesetzter Nacherbe (zur Vor- und Nacherbschaft → Rn. 746 ff.) wegfällt, ist zu differenzieren: Fällt er vor dem Erbfall oder mit Rückwirkung auf den Erbfall weg, hat er die Nacherbenanwartschaft nie erworben; somit treten im Zweifel die Ersatzberufenen gem. § 2069 an seine Stelle.[99] Fällt der Nacherbe hingegen zwischen Erbfall und Nacherbfall weg, so hat/haben sein(e) Abkömmling(e) bereits ein Nacherbenanwartschaftsrecht erlangt, welches gem. § 2108 Abs. 2 S. 1 vererblich ist, sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist; diese Regelung genießt zwar grundsätzlich Vorrang vor § 2069, die Möglichkeit eines entgegenstehenden Erblasserwillens ist jedoch sorgfältig zu prüfen (→ Rn. 796 ff.).

ff) Abkömmlinge eines Dritten

359

Wenn der Erblasser die Abkömmlinge eines Dritten ohne nähere Bestimmung bedacht hat, so ist gem. § 2070 Alt. 1 im Zweifel anzunehmen, dass diejenigen Abkömmlinge nicht bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls noch nicht gezeugt sind. Diese Auslegungsregel ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass ein beim Erbfall nicht Gezeugter nur als Nacherbe eingesetzt werden kann (§§ 1923 Abs. 2, 2101 Abs. 1); der Nacherbfall tritt dann mit der Geburt ein, Vorerben sind bis dahin die gesetzlichen Erben (§§ 2106 Abs. 2 S. 1, 2105 Abs. 2) (→ Rn. 753, 755 f.). Im Zweifel hat der Erblasser eine so komplizierte Regelung nicht gewollt, wenn er pauschal die Abkömmlinge eines Dritten einsetzt.

Das Gleiche gilt, wenn die Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins gemacht ist und die Bedingung oder der Termin erst nach dem Erbfall eintritt, für die Abkömmlinge, die zur Zeit des Eintritts der Bedingung oder des Termins noch nicht gezeugt sind (§ 2070 Alt. 2).

gg) Personengruppe

360

Hat der Erblasser ohne nähere Bestimmung eine Klasse von Personen oder Personen bedacht, die zu ihm in einem Dienst- oder Geschäftsverhältnis stehen, so ist gem. § 2071 im Zweifel anzunehmen, dass diejenigen bedacht sind, welche zur Zeit des Erbfalls der bezeichneten Klasse angehören oder in dem bezeichneten Verhältnis stehen. Die Gruppe muss so eindeutig bezeichnet sein, dass ihre Angehörigen zweifelsfrei feststehen.[100] Schulbeispiele wären etwa Zuwendungen an „meine Patenkinder“, „die Mitglieder meines Streichquartetts“ oder „meine Putzkräfte“.

hh) Mehrdeutige Bezeichnung

361

Wenn der Erblasser den Bedachten in einer Weise bezeichnet, die auf mehrere Personen passt und sich nicht ermitteln lässt, wer von ihnen bedacht werden sollte, so gelten sie gem. § 2073 als zu gleichen Teilen bedacht.

Beispiel:

Zuwendung an den „Tierschutzverein in C.“, wo es zwei Tierschutzvereine gab[101]; Erbeinsetzung „meines Enkels Kevin“, wenn der Erblasser zwei Enkel dieses Namens hatte und sich auch nicht ermitteln lässt, dass er einen von beiden besonders mochte.

ii) Sonderfall: die Armen

362

Einen Sonderfall stellt § 2072 dar: Hat der Erblasser die Armen ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die öffentliche Armenkasse der Gemeinde (der örtliche Träger der Sozialhilfe[102]), in deren Bezirk er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete unter Armen zu verteilen. Eine analoge Anwendung von § 2072 kommt in Betracht, wenn der Erblasser eine Zuwendung zu einem der Sozialhilfe ähnlichen karitativen Zweck angeordnet hat[103], z.B. wenn er „einem Heim für körperbehinderte Kinder in München“ ein Hausgrundstück zugewandt hat[104].

c) Zweifel über die Höhe der Erbteile

363

§§ 2088-2093 enthalten Auslegungs- und Ergänzungsregeln für Fälle, in denen Zweifel über die Höhe der Erbteile bestehen.

364

Hat der Erblasser nicht über seinen gesamten Nachlass verfügt, so tritt gem. § 2088 im Übrigen gesetzliche Erbfolge ein. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine Ergänzungsregel, d.h. ein abweichender Wille des Erblassers hat Vorrang.[105] Testamentarische und gesetzliche Erben bilden eine Miterbengemeinschaft (§ 2032 Abs. 1).

365

Sollen die eingesetzten Personen nach dem Willen des Erblassers die alleinigen Erben sein, so werden die Bruchteile, wenn sie das Ganze nicht erschöpfen, verhältnismäßig erhöht (§ 2089) bzw., wenn sie das Ganze übersteigen, verhältnismäßig gemindert (§ 2090).

366

Wenn zwar klar ist, wer Erbe werden sollen, aber die Höhe der jeweiligen Erbteile unbestimmt ist, so erben die eingesetzten Personen zu gleichen Teilen (§ 2091) bzw. den freigebliebenen Teil zu gleichen Teilen (§ 2092 Abs. 1). Wie schon der Verweis auf die §§ 2066 ff. zeigt, ist jedoch zuvor durch Auslegung zu ermitteln, ob nicht die Erben auf verschieden große Bruchteile eingesetzt sind.[106]

367

Der Erblasser kann mehrere Erben auch auf einen gemeinschaftlichen Erbteil einsetzen (§ 2093). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.[107] Maßgeblich ist insoweit insb., ob zwischen den als gemeinschaftlichen Erben zusammengefassten Personen eine persönliche oder sachliche Beziehung besteht.[108] Die bloße Bezeichnung „die Eheleute X“ ist für sich allein noch kein ausreichendes Indiz für die Einsetzung auf einen gemeinschaftlichen Erbteil.[109] In Ansehung des gemeinschaftlichen Erbteils finden gem. § 2093 die §§ 2089–2092 entsprechende Anwendung.

d) Anwachsung

368

Hat der Erblasser durch Einsetzung mehrerer Erben die gesetzliche Erbfolge völlig ausgeschlossen, entspricht es i.d.R. nicht seinem Willen, beim Wegfall eines der Erben im Übrigen gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen. § 2094 übernimmt daher mit der Anwachsung das Prinzip der Erbteilserhöhung (§ 1935) aus dem gesetzlichen Erbrecht. Dazu näher → Rn. 731 ff.

e) Auslegungsregeln für Bedingungen

369

Ebenso wie prinzipiell jedes Rechtsgeschäft können auch letztwillige Verfügungen unter eine aufschiebende oder auflösende Bedingung gestellt werden; dies wird im BGB zwar nicht explizit geregelt, aber in den §§ 2074 ff. vorausgesetzt. Diese Vorschriften enthalten eine Reihe von Auslegungsregeln für die Wirkungen solcher Bedingungen.

 

370

Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter einer aufschiebenden Bedingung gemacht, so ist gem. § 2074 im Zweifel anzunehmen, dass die Zuwendung nur gelten soll, wenn der Bedachte den Bedingungseintritt erlebt. Die echte Bedingung ist dabei vom bloßen Anlass der Testamentserrichtung, von unverbindlichen Wünschen und von der Auflage gem. § 1940 (→ Rn. 937 ff.) abzugrenzen. Eine echte Bedingung liegt nur dann vor, wenn der Wille des Erblasser erkennbar darauf gerichtet ist, die Wirksamkeit der Verfügung an den Eintritt eines für ungewiss gehaltenen Umstands zu knüpfen.[110] Für eine Befristung gilt nicht § 2074, sondern § 163.[111]

Beispiele:

Die Formulierung „Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Russland wiederkommen“ stellt eine echte Bedingung dar.[112] Wenn in Form eines Konditionalsatzes auf die Umstände der Testamentserrichtung Bezug genommen wird („sollte mir bei der Gallenoperation etwas zustoßen“), so stellt dies regelmäßig nur einen Hinweis auf den Anlass (Motiv) der Testamentserrichtung dar.[113]

371

Wird eine Zuwendung unter der Bedingung eines Tuns oder Unterlassens des Bedachten von unbegrenzter Dauer gemacht, so käme der Bedachte nie in den Genuss der Zuwendung, wenn man eine aufschiebende Bedingung annehmen würde; denn dann stünde erst im Zeitpunkt seines eigenen Todes fest, dass die Bedingung erfüllt ist. § 2075 stellt deshalb die Auslegungsregel auf, dass eine solche Bedingung als auflösende Bedingung zu verstehen ist.[114]

Beispiel:

Eine als „Vereinbarung“ überschriebene Erbeinsetzung bei gleichzeitiger Übernahme einer Pflegeverpflichtung ist, wenn es an einem festen Bindungswillen des Erblassers fehlt, als auflösend bedingte Erbeinsetzung und nicht als Erbvertrag auszulegen.[115]

372

Ist der Eintritt einer Bedingung von der Mitwirkung des Bedachten abhängig, so gilt auch für letztwillige Verfügungen § 162.[116] Diese allgemeine Vorschrift wird durch die Auslegungsregel des § 2076 ergänzt, die den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung zum Vorteil eines Dritten fingiert, wenn dieser die zum Eintritt der Bedingung erforderliche Mitwirkungshandlung unterlässt.

373

§ 2077 betrifft den Fall, dass der Erblasser seinen Ehegatten[117] oder Verlobten bedacht hat und die Ehe bzw. das Verlöbnis vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wird. In diesem Fall ist die letztwillige Verfügung zugunsten des Ehegatten (Abs. 1) bzw. Verlobten (Abs. 2) unwirksam, sofern nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen haben würde (Abs. 3). Das Bestehenbleiben der Ehe bzw. des Verlöbnisses wird also quasi zur auflösenden Bedingung der Verfügung gemacht. Zu § 2077 auch noch → Rn. 391.

III. Die Auslegung von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten

1. Erbverträge

374

Bei der Auslegung von Erbverträgen ist zwischen vertragsmäßigen (→ Rn. 272) und einseitigen (→ Rn. 273) Verfügungen zu differenzieren.

375

Für die Auslegung vertragsmäßiger Verfügungen gelten die allgemeinen Regeln über die Auslegung von Verträgen; maßgeblich ist der erklärte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157).[118] Selbst bei einseitigen Erbverträgen kommt es aufgrund des Vertragscharakters nicht allein auf den Willen des Erblassers an, sondern auf den objektiven Empfängerhorizont.[119] Gem. § 2279 Abs. 1 gelten jedoch auch die gesetzlichen Auslegungsregeln für Testamente entsprechend. § 2280 ergänzt zudem eine spezielle Auslegungsregel für Erbverträge, in denen sich Ehegatten oder Lebenspartner gegenseitig als Erben einsetzen; hier gilt § 2269 (→ Rn. 238) entsprechend.

376

Für einseitige Verfügungen gelten hingegen ausschließlich die Grundsätze und Regeln für die Auslegung von Testamenten, inkl. der gesetzlichen Auslegungsregeln (vgl. § 2299 Abs. 2 S. 1).[120]