Bon - Der letzte Highway

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„Ich bin mir ganz sicher, dass er ihn schon 1976 [in meiner Wohnung] in der Gloucester Road in London geschrieben hat. ‚She told me to come but I was already there‘ – das schrieb er in einem Brief an einen seiner versifften Freunde, kurze Zeit nachdem wir zusammengekommen waren. Er hatte immer seine Notizhefte dabei und schrieb Dinge nieder oder strich sie wieder durch. Er notierte sich auch schon damals das mit den „American thighs“, weil das der Markt war, den sie knacken wollten. Das entstand also schon vor langer Zeit.“

16 Es existieren Fotos von Bon im Tourbus, die die Eintönigkeit und Starrheit dieses Moments in seinem Gesicht widerspiegeln. Es fällt leicht, diese Gefühlsregungen nachzuvollziehen. Die anderen AC/DC-Mitglieder zeichneten sich nicht als sonderlich inspirierende Gesprächspartner aus. Immerhin las dieser Mann gerne Anaïs Nin. Mark Evans beschrieb AC/DC in seiner Autobiografie als „sehr abgeschottet“. Laut ihm gab es „keine richtige Kameradschaft“ zwischen ihnen.

17 Es war Vince Lovegrove, der Bon auf lächerliche Weise mit Peter Pan verglich. „Bon hat dieselbe Unsterblichkeit und ewige Jugend erlangt“, schrieb er 2001 im Sunday Telegraph, einer Zeitung in Sydney. „Manche Fans würden sogar behaupten, dass es sich bei ihm um den wahrhaftigen, Mensch gewordenen Peter Pan handelte.“

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Kicked In The Teeth

Bon soll sich mit Malcolm geprügelt haben? „Bon war ein herzensguter Typ“, erzählt mir Rick Springfield dazu. Ken Schaffer sagt so ziemlich dasselbe: „Der Bon, an den ich mich erinnere, war ein echt lieber Kerl.“ Malcolm war das komplette Gegenteil. Einer von AC/DCs ehemaligen Managern, der sich inoffiziell mit mir unterhielt, erinnert sich nicht gerne an ihn: „Ich hielt Malcolm immer für das komplette Gegenteil eines Menschen, mit dem ich mehr als fünf Minuten verbringen möchte.“

Als ich Barry Bergman, AC/DCs früheren amerikanischen Musikverleger und laut eigener Aussage „Aushilfsmanager“, darum bitte, Malcolms Beziehung zu Bon zu beschreiben, wirkt er ungewöhnlich zögerlich, richtiggehend zugeknöpft.

„Eher kontrovers“, antwortet er. Dann folgt eine lange Pause. „Ich bin mir sicher, dass es der Alkohol und all die anderen Dinge waren … Es ging um die Chemie, glaube ich. Sie waren alle ziemlich dickköpfig. Der Zahmste in der Band war meiner Meinung nach Cliff. Er war cool und entspannt.“

Wie wirkte sich Bons Trinkerei auf sein Verhältnis zu der Band aus? Bergman ringt nach Worten.

„Das weiß ich wirklich nicht. Ich glaube nicht, dass es gut war. Ich stand unter Schock [als Bon starb]. Wut überkam mich, weil ich mich daran erinnerte, wie wir uns ein paarmal zusammensetzten und ich ihm erklärte, dass er draufgehen würde – und es wirkte, als würde ihn das nicht weiter kümmern.“

Bergman brachte seine Besorgnis um Bons Wohlergehen nur ihm gegenüber zum Ausdruck – niemals gegenüber Malcolm.

„Ich hielt es nicht für meine Aufgabe, sie davon zu unterrichten … Es war ja nicht meine Band. Klar, die Edward B. Marks Music Corporation vertrat die Band, wir repräsentierten sie, aber es war nicht meine eigene Band und nicht mein Job, Leute zu verändern. Ich kann ihnen nur sagen, was ich mir so denke – aber dann tun sie, was sie eben wollen. Und ich wollte keinen Krieg mit der Band vom Zaun brechen, weil ich einfach nicht so drauf war: einen Krieg anzetteln und alle gegen Bon aufbringen. Es wäre zu keinen Interventionen gekommen. Das stand nicht zur Debatte.“

Phil Carson, der der Band vermutlich näher als irgendjemand sonst bei Atlantic stand, spielt seinerseits das Ausmaß der Kluft zwischen Bon und Malcolm herunter. Bezeichnenderweise hat auch er keine Kenntnis davon, ob Bon jemals einen Entzug erwogen hatte, sich mit dem Gedanken trug, die Band zu verlassen oder ein Soloalbum aufnehmen wollte.

„Es ist unvermeidbar, dass es in einer Band, in der manche Mitglieder viel und andere wiederum wenig trinken, zu Spannungen kommt“, sagt er. „Aber dabei handelte es sich um ganz gewöhnliche Spannungen, das ist nicht unbedingt seltsam.“

Pete Way von UFO stimmt dem zu: „Bon und Malcolm verstanden sich doch prächtig. Ihnen war Bons Trinkerei völlig egal. Es hieß nicht: ‚Hey, wir müssen eine Show auf die Bühne bringen, nüchtere besser mal aus.‘ Nein, vielmehr hieß es da: ‚Wir müssen eine Show abliefern, trink besser doppelt so viel.‘ Zumindest war es so, was Bon betraf. Er war auf der Bühne immer total munter und ein regelrechtes Energiebündel. Auch Malcolm trank gerne [hält inne]. Ich glaube, dass sie, bevor sie auf die Bühne gingen, rechtzeitig darauf achteten, die Erwartungen des Publikums zu erfüllen, auch wenn sie am Nachmittag getrunken hatten.“

Für Malcolm gehörte Bons Trinkverhalten – zumindest nach außen hin – einfach zu ihm dazu und stellte kein ernsthaftes Problem dar. Es war nichts, worüber man sich sorgen musste.

„Bon war, wie er eben war. Es ist so selten, dass man etwas findet, das einfach durch und durch echt ist … Er verstand, das Leben zu leben. Bon hatte nie Todessehnsucht.“ Aber er räumte auch ein, dass Bon ihnen als abschreckendes Beispiel diente: „Auf gewisse Art lernten wir von Bon, dass wir nicht wie er enden wollten.“

Das war eine bittersüße Aussage von jemandem, der 1988 selbst die Hilfe der Anonymen Alkoholiker suchen würde. Bon sollte diese Chance jedoch verwehrt bleiben.18

„Ab 1979 sah ich Bon sehr oft“, erzählt Holly. „Er kam zu mir nach Hause und begegnete dort meinen Eltern. Bon verhielt sich ihnen gegenüber sehr höflich. Es war ihm sehr wichtig, dass sie ihn mochten. Andererseits war es ihm wichtig, dass jeder ihn mochte – zumindest, wenn er nüchtern und ganz er selbst war. Er war sehr lieb und bemüht. Es war ihm sehr wichtig, akzeptiert zu werden. Wenn ich weiterhin so einen draufgemacht hätte, wäre ich wohl lange vor meinem 33. Geburtstag abgekratzt. Ich glaube nicht, dass Bon wirklich eine Chance hatte. Er war schon älter, weshalb es schon schlimmer um ihn stand. An vielen Abenden war er weggetreten. Es kam aber auch oft vor, dass er nicht trank und nicht high war und wir uns vergnügten. Ich bekam dann den echten Bon zu sehen und auch umgekehrt. Ich erinnere mich noch sehr gerne an einen gemeinsamen Trip ins Seaquarium in Miami, wo wir von Hugo, einem Killerwal, nassgespritzt wurden. Wir brachen ab vor lauter Lachen, weil Bon aussah wie ein nasses Kätzchen. Er sah mir auch zu, wie ich auf meinem Pferd ritt. Es war ein kastanienbraunes Springpferd mit vier weißen Stiefeln, ein Vollblut namens Doubletime. Er ging echt lieb mit dem Pferd um. Bon mochte Doubletime; er versuchte zwar nicht, auf ihm zu reiten, aber ich weiß, dass es ihm gefiel, mich dabei zu beobachten. Wir waren wie zwei Kinder – tatsächlich war ich ja noch eines. Wir amüsierten uns prächtig beim Spielen, Herumalbern und Lachen. Bon liebte mein Pferd.“

Doubletime? Na so was aber auch: Genau wie in Brian Johnsons Songtext – Working double time / On the seduction line – zu „You Shook My All Night Long“!

„Bon war ein unglaublicher Mann, nicht nur als ‚Rockstar‘. Damals und sogar jetzt immer noch kann ich ihn mir einfach nicht als Rockstar vorstellen. Er benahm sich einfach überhaupt nicht so. Wenn er nüchtern war, war Bon ein echt bescheidener Mensch, der nicht nach Aufmerksamkeit gierte – er war sogar ein bisschen schüchtern und definitiv mehr als nur ein bisschen verletzlich. Da war überhaupt kein Ego. Wenn er trank oder glaubte, auf der Bühne oder in Interviews ‚performen‘ zu müssen, warf er sich in die Brust und gab Dinge von sich, die ihn wie einen arroganten Rockstar von Welt klingen ließen. Aber das war nur eine Show, die er ablieferte, weil er dachte, dass man dies von ihm erwartete.“

Das entspricht exakt dem, was auch Irene Thornton und Silver Smith über Bon sagten, nämlich, dass er öffentlich eine Rolle spielte, die nicht seinem privaten Charakter entsprach.

Holly kannte denselben Bon auch intim.

„Er war in der Lage, seine Unsicherheit zum Teil zu überspielen, indem er ungeniert lachte und so tat, als würden die echt irren Dinge, die er im Rausch anstellte, einfach zu seinem Dasein als Rocker dazugehören. Doch die Schuldgefühle und die Reue, die ihn angesichts der verletzten Gefühle der ihm nahestehenden Menschen – wie etwa Malcolm und der Rest der Band – heimsuchten, nagten an ihm und führten zweifellos dazu, dass er sich erst recht wieder Alkohol und Drogen zuwandte. Wenn er nüchtern war und nicht im Rampenlicht stand, war er das komplette Gegenteil.“

Manche Fans haben Alkohol auf Bons Grab geleert bzw. ihm Bierdosen und Whiskyflaschen mitgebracht, um ihm auf diese schreckliche Art Ehre zu erweisen.

18 Als Malcolm zwischen 1988 und 1990 seine Probleme mit dem Alkohol hatte, zog er sich einfach von der Band zurück, um anschließend ohne lästige Fragerei wieder einzusteigen. „Ich hatte mich selbst so beschädigt, dass ich an einem Punkt anlangte, an dem ich sagen musste: ‚Hört mal, Jungs, ich würde ja gerne, aber es geht nicht‘“, erzählte er Sylvie Simmons von RAW. „Die Jungs wussten Bescheid. Es war ihnen auch klar, dass es das Beste für mich war. Ich musste mit dem Trinken aufhören und das war schwer. Es dauerte eine lange Zeit.“ Dieser Luxus wurde Bon nicht zuteil, auch niemandem sonst in der Band – außer Angus. Bestes Beispiel: Phil Rudd.

1983 wurde Rudd aus Gründen aus der Band ausgeschlossen, die nie richtig erklärt wurden. Das Gerücht, er wäre gefeuert worden, hielt sich hartnäckig, obwohl er laut den Youngs aus freien Stücken gegangen sein soll. Er kehrte in den Neunzigern in den Schoß der Band zurück, bevor er vor dem Start der Rock Or Bust-Welttournee 2015 erneut vor die Tür gesetzt wurde.

 

„Phil Rudd ist nicht der Typ, der Auftragskiller anheuert“, sagt Barry Bergman. „Was ich meine, ist, dass ich diesen Typen nie kannte … Irgendetwas muss bei ihm durchgebrannt sein. Phil war ein Nervösling. Als wir uns zum ersten Mal trafen, war er noch ein junger Mann. Er durchlitt nervöse Angstzustände und Panikattacken. Alles Mögliche … Er machte eine Menge durch, emotionalen Kram und so.“

Wie ging Phil mit seinem fragilen emotionalen Zustand um?

„Er riss sich zusammen und wuchs stets mit der Aufgabe. Er tat immer, was er tun musste, und somit gab es kein Problem.“

Pete Way sieht das anders: „Ich wage zu behaupten, dass er gefeuert wurde, als Simon Wright für ihn übernahm. Ich glaube, Phil wurde gebeten, seinen Hut zu nehmen, um sein Leben auf die Reihe zu bekommen und das bleiben zu lassen, was auch immer er so trieb. Diese Youngs machen keine Gefangenen.“

Laut Pattee Bishop war der AC/DC-Drummer nicht gerade übertrieben liebenswert: „Phil war ein Arschloch. Ein richtiger Schwanz. Phil war ständig high und gab Leuten Schimpfnamen. Einmal sah ich, wie ihm jemand so richtig in die Fresse schlug [lacht]. Dieser kleine Scheißer.“

Wer schlug ihn?

„Nach dem ersten Gig, den ich besuchte [Hollywood, Florida, 1977], stieß er im Hotel jemanden durch die Tür – und der Typ ließ sich das nicht gefallen. Ich mochte Phil ja. Aber er war nicht sonderlich nett zu den Mädels, die ich hinter der Bühne oder im Hotel sah. Er beschimpfte sie und lachte sie aus. Ich kam ihm nie zu nahe, aber er fragte mich, ob ich nicht eine Schwester für ihn hätte [lacht]. Er schlug Türen zu und trat gegen Dinge. Er war gemein, wenn er trank. Wenn er betrunken war, stellte er sich gerne nackt auf den Flur. Echt witzig [lacht].“

Phil war offenbar kein Heiliger. Allerdings musste er 2014 damit zurechtkommen, dass Bob Richards statt ihm in den Videos zu „Play Ball“ und „Rock Or Bust“ zu sehen war und Chris Slade ihn auf Tour ersetzte. AC/DC gaben ein schändliches Interview bei Howard Stern, um Rock Or Bust zu promoten, in dem sie Phil in den Rücken fielen. Angus nannte ihn „Tony Montana, Scarface“. Brian Johnson machte sich über Rudds Festnahme lustig: „Der Typ wurde barfuß aus dem Auto gezogen und sah dabei aus, als wäre er rückwärts durch die Hecke geschleift worden.“ Egal, was das Gerichtsverfahren ergäbe: „Wir gehen auf Tour und nichts hält uns davon ab.“ AC/DC hatten ein solch schlechtes Gedächtnis. 1996 sang Angus anlässlich von Phils Rückkehr für das Album Ballbreaker noch Lobeshymnen auf ihn. So etwa gegenüber einem französischen Reporter vom Magazin MCM Euromusique: „Als wir mit anderen Drummern spielten, etwa mit Chris Slade, einem großartigen Schlagzeuger, mussten diese den [unseren ursprünglichen] Stil imitieren … Das ist ein sehr natürlicher Stil, so wie Phil eben spielt … Du spielst einen Song und … es ist wie Gedankenübertragung. Du musst nichts arrangieren oder dirigieren.“ Der Reporter fragte Angus, ob er den Unterschied auf der Bühne spüren könne: „Ganz sicher … bei manchen Leuten gibt es diese Kommunikation und es läuft sofort wie geschmiert … Man muss gar keine Anweisungen oder so geben. Du musst sie nur ansehen und sie machen dann schon.“

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Rock ’N’ Roll Damnation

Airplay – im Jahr 1978 waren Rockgruppen in den USA und Kanada vollkommen abhängig davon, und Discjockeys waren wie Könige. AC/DCs Tourplan aus diesem Jahr glich einem Spinnennetz, das sich an den Sendebereichen von Radiostationen orientierte, deren Kürzel mit den Buchstaben „W“ oder „K“ begannen. Die Mission der Band bestand darin, ins Programm von Sendern aufgenommen zu werden, die sich auf Album-Rock, Progressive-Rock sowie den Heiligen Gral, die Top 40, spezialisiert hatten.

AC/DC bekamen ihr Airplay zumeist auf Stationen, die AOR („album oriented rock“) spielten – ein Genre, das sich zur Mitte der Siebzigerjahre etablierte und sich im Laufe der Jahre zu dem entwickelte, was wir heute als „Classic Rock“ kennen. Trotz allem musste sich die Band ihre begehrte Präsenz im Radio immer noch auf die im wahrsten Sinne des Wortes „harte Tour“ verdienen, indem sie ständig live durch die Lande tingelte. Schließlich fehlte ihnen eine Hit-Single, was Atlantic Records reichlich Frust bereitete. Deshalb wagte es der Booking-Agent der Band, Doug Thaler, der über Neujahr 1978 auf Urlaub in Sydney weilte, Harry Vanda und Angus und Malcolms älterem Bruder George Young, die bis dahin sämtliche Alben von AC/DC produziert hatten, einen heiklen Vorschlag zu unterbreiten, nämlich, einen neuen Producer ins Boot zu holen. Um die Airplay-Problematik offensiv anzugehen, schickte Atlantic die Band, nachdem man ihr neues Album Powerage gehört hatte, das zwischen Januar und Februar 1978 aufgenommen worden war, noch einmal zurück ins Studio, um „Rock ’N’ Roll Damnation“ einzuspielen. Die ursprünglich auf dem Album enthaltenen Nummern waren einfach nicht radiotauglich genug.

* * *

Im Mai jenes Jahres erschien Powerage in den USA und wurde für einen Preis von 7,98 Dollar angeboten. Atlantics Forderung nach einem kommerziell verwertbaren Musikstück sollte sich schließlich auszahlen: Immerhin gelang es AC/DC mit „Rock ’N’ Roll Damnation“, ihren ersten Song in den britischen Top 40 zu platzieren. Der Einstieg in die UK-Charts gelang auf Position #51 und der Höhenflug der Single führte schlussendlich bis auf Platz #24. Das Album schaffte es immerhin bis auf Position #26. Angus beschrieb Powerage im Gespräch mit der Zeitung Sun-Herald aus Sydney als „unsere edelste Scheibe“, und auch Amerikas einflussreichstes Branchenmagazin Billboard überschlug sich förmlich vor lauter Lob für das Album: „AC/DC lassen mit diesen neun glühenden High-Energy-Rocknummern ihr Punk-Image hinter sich.“

Das Radio sprach ebenfalls eine eindeutige Sprache: AC/DC wurden von Sendern in Madison, Eugene, Nashville, Reno, Rochester, San Diego, Albuquerque, Allentown, Rockford und San Jose ins Programm aufgenommen. Doch die Charts erwiesen sich auch weiterhin als harte Nuss. In der Woche, die mit dem 24. Juni, dem Datum des ersten Konzerts ihrer Sommer-Tour 1978, endete, stieg Powerage auf Platz #186 in die US-Charts ein und schaffte es mit Hängen und Würgen schlussendlich gerade mal auf Platz #133. Das beste Album, das AC/DC jemals ablieferten, kam nicht einmal in die Nähe der amerikanischen Top 100. Gleichzeitig belegte Saturday Night Fever die Spitze der Albumcharts, während die aktuelle Top-Single „Slow Dancing“ hieß und von Andy Gibb stammte. Disco würde nicht so bald klein beigeben – vor allem bei AC/DCs eigenem Label Atlantic, das mit Chic mehr Kohle scheffelte als mit all seinen anderen Acts.

Wieder einmal mussten sich AC/DC auf Tour beweisen. Sie standen ohne Hit-Album und ohne landesweit im Radio präsenter Single da – und ihr Sänger war ein auch Drogen nicht abgeneigter Alkoholiker, der sowohl bei Atlantic als auch bei den Young-Brüdern auf der Abschussliste stand.

Der Druck, Bon zu ändern, lastete schon vor ihrer Ankunft in den USA auf AC/DC, wie der frühere Bassist der Band, Mark Evans, sowie ihr ehemaliger Manager Michael Browning in den Jahren nach ihren jeweiligen Rauswürfen in Interviews zu Protokoll gegeben haben. Als er in der australischen TV-Show Countdown von Moderator „Molly“ Meldrum genau darauf angesprochen wurde, stellte sich Angus einfach dumm. Allein der Gedanke daran schien ihn zu brüskieren.

„Bei Browning fanden die Leute immer Gehör, weißt du?“, sagte er. „Aber ehrlich gesagt, ist dies das erste Mal, dass ich so etwas in der Art höre.“

Die Youngs hatten Bon 1975 wegen seiner Heroin-Überdosis zwar nicht gefeuert, jedoch kurz davor gestanden. Die zweite – angebliche – Überdosis war ihnen vermutlich entgangen. Doch was hatte die ganze Schufterei im Studio und anschließend auf der Bühne für einen Sinn, wenn sich die Sache finanziell nicht auszahlte? In den annähernd fünf Jahren, die Angus und Malcolm nun zusammen spielten, hatte sie (sowie ihr umsichtiger älterer Bruder George) eine beachtliche Bereitschaft an den Tag gelegt, andere Mitglieder der Gruppe auszutauschen. Die Liste ihrer Opfer war lang. Atlantics Boss Jerry Greenberg war nicht gewillt, bis in alle Ewigkeit Schecks zur Tour-Finanzierung auszustellen, sollte die Band sich nicht bald im Radio und den Charts etablieren. Die Band schuldete dem Label bereits eine Menge Geld. Und nun sollte Bon plötzlich Immunität genießen? Das war zu keinem Zeitpunkt jemals der Fall.

Aber auch Bon hatte das Personalkarussell der Band in Gang gehalten und höchstpersönlich den Rauswurf des Bassisten Paul Matters im Jahr 1975 zu verantworten – nur kurze Zeit nachdem die beiden noch einen gemeinsamen Tag am Strand verbracht hatten.

Bon, der ganz und gar nicht jedermanns Freund war, konnte ebenso kalt, herzlos und skrupellos sein wie die Youngs. Matters, ein für AC/DC-Verhältnisse ungewöhnlich attraktiver Mann, war eine Art Chris Hemsworth des Hardrock, der überdies auch noch spielen konnte (Malcolm charakterisierte ihn nach seinem Einstieg als „einen hübschen Bassisten“). Seit über 40 Jahren hatte er kein Interview mehr gegeben, willigte jedoch ein, mir für dieses Buch Rede und Antwort zu stehen. Er lebt inzwischen in einer Kleinstadt an der Central Coast von New South Wales in Australien.

„Ich war ja nur kurz bei ihnen, spielte mit ihnen auf der High Voltage-Tour in Australien. Es ging in Melbourne los, dann weiter nach Adelaide und Sydney.“

Wie erfuhrst du, dass du raus aus der Band warst?

„Bon. Bon Scott. Er kletterte aus dem Truck, um sich umzuziehen, denk ich mal. Dann sagte er, dass ich nicht mit ihnen zurück nach Melbourne fahren würde. Wir waren in Sydney, um dort ein Konzert für Schulkinder zu geben. Also war es das für mich an diesem Tag. Ich drehte mich um, sagte kein Wort mehr zu ihm und machte mich auf den Weg.“

Was hast du dir zuschulden kommen lassen, um so abrupt deinen Job zu verlieren?

„George Young kümmerte sich um Studio-Angelegenheiten, als ich dabei war. Die Live-Auftritte waren der Hammer. Ich liebte es. Das einzige Mal, dass ich es versemmelte, war, als wir ins Studio gingen. Ich war einfach ein bisschen faul, glaube ich, und hatte einen leeren Magen. Wir bekamen kein Geld für Essen oder so. Daher war ich ein wenig stinkig und fläzte mich in der Lounge und sagte bloß: ‚Vergesst es. Ich werde zwar mit nach England kommen – aber nicht jetzt.‘ Keine Kohle für die Tour. Keine Kohle, um Essen zu kaufen. Kein richtiges Bett. Ich konnte das nicht ausstehen. Meiner Meinung nach erwarteten sie sich zu viel. Wir wurden ja gar nicht bezahlt. Der Tourmanager kreuzte mit einem Bündel Zwanziger auf und steckte jedem zwanzig Dollar zu. Malcolm bekam sogar ein bisschen mehr. Ich glaube, es waren so um die vierzig Dollar. Es schien, als hätte der Tourmanager mich vergessen. Als er sich wieder verdrücken wollte, sagte ich: ‚Hör mal zu, Kumpel, wenn du mir jetzt keine Kohle gibst, verziehe ich mich sofort.‘ Also bekam ich auch zwanzig Dollar. Das ist schon ziemlich schwach, oder? Schon ziemlich beschissen, aber es hätte schlimmer sein können, oder? Ich hätte nach England gehen und so wie Bon ins Gras beißen können.“

Matters widerspricht Gerüchten, denen zufolge sein Rauswurf mit Drogen zu tun gehabt hätte.

„Ich rauchte Pot. Das war alles. Mit harten Drogen hatte ich nichts am Hut.“

Matters sollte keinen aus der Band jemals wiedersehen. Er verkaufte seinen Fender-Bass und war so niedergeschlagen, dass er die Musik schon bald für immer an den Nagel hängte. Heute lebt er von einer Invalidenrente.

Wie fühltest du dich?

„Schrecklich. Ich war am Boden zerstört. Ich könnte mich jeden Tag selbst treten. Es kann ein schonungsloses Business sein, nicht wahr? Geld. Es kann einen Menschen zerstören. Schon ’ne Schande, was die Knete alles mit Leuten anstellen kann.“

Sein Ersatzmann Mark Evans wurde ebenso erbarmungslos gefeuert – und zwar in London vom widerwilligen Michael Browning, der von den Youngs gebeten worden war, für sie die Drecksarbeit zu erledigen, bevor AC/DC sich auf ihre erste US-Tour begaben.

„Mark war ein Typ, der immer alles durchdachte … ein smarter Kerl“, sagte Silver Smith. „Außerdem war er ein anständiger Mensch. Phil war auch nett, aber nicht wirklich clever. Und die Youngs waren, nun ja, eben die Youngs. Sie waren eine exklusive Gesellschaft, die aus zwei Leuten bestand.“

Angus, Malcolm, Bon und Phil versammelten sich in gespenstischer Stille im Apartment der Youngs, während Browning Evans die schlechte Nachricht überbrachte. Bon erhob schändlicherweise keinerlei Einspruch. Eigentlich war er ja davon ausgegangen, dass es ihn und nicht Mark treffen würde.

 

„Bon dachte, dass er an diesem Abend gefeuert würde“, sagte Silver. „Ungefähr zur selben Zeit setzte ihre amerikanische Plattenfirma die Band unter Druck, ihn loszuwerden und jemanden anzuheuern, der fotogener war oder so.“

Evans Abschied von der Band soll laut einigen Berichten freiwillig erfolgt sein. Es heiß mitunter sogar, er sei der Touren „überdrüssig“ gewesen. Malcolm traute sich 1992 in einem Interview mit dem Magazin Metal CD tatsächlich zu behaupten, Evans hätte von selbst das Handtuch geworfen. Über die australische Presse ließen AC/DC ausrichten, dass musikalische Differenzen den Ausschlag gegeben hätten und „wie sonst auch alle Beteiligten bekräftigten, dass niemand gekränkt und die Trennung freundschaftlich verlaufen wäre“ – was natürlich nicht stimmte. Tatsächlich hatte man ihn – so wie schon Matters – schlichtweg gefeuert, und so wie Matters war auch Evans deswegen am Boden zerstört gewesen. Um es ungeschönt auszudrücken: Evans wurde ein Messer in den Rücken gerammt.

„Wir tourten gerade mit Black Sabbath“, erzählte er mir. „Wir waren auf dem Weg nach Helsinki und von dort sollte es nach Amerika weitergehen. Yeah, ich war enttäuscht … Zu diesem Zeitpunkt war ich noch nie in den USA gewesen. Ich war das letzte Überbleibsel dessen, was die Leute gerne als Originalbesetzung bezeichnen, das Line-up mit Bon, obwohl das natürlich nicht einmal annähernd stimmte. Vor mir hatten sie schon etliche Bassisten gehabt.“

Die Youngs würden niemals ein Wort über sie verlieren.

* * *

Woher kam nur dieser Mythos, Bon wäre unantastbar? In erster Linie zeichneten die Youngs dafür verantwortlich, indem sie in Interviews, die sie seit seinem Tod gaben, stets feierlich beteuerten, wie sehr er doch als verbindendes Element gewirkt hätte. Auch die arglistige Erinnerungskultur, die mit Back In Black betrieben wurde, trug ihren Teil bei. Das AC/DC-Special im Rahmen von Behind the Music auf VH1 ließ keinen Zweifel daran aufkommen: Back In Black wäre „AC/DCs musikalisches Memorial an Bon Scott“.

Doch laut vielen Leuten, die die Band damals persönlich kannten, hatte Bon selbst noch Beiträge zu den darauf enthaltenen Songs geliefert. Wenn das tatsächlich stimmt, wie viele vermuten oder behaupten: Was sagte es dann aus? Die einzigen, die die Band zusammenhielten, waren die drei Young-Brüder Angus, Malcolm und ihr Producer George. Es war ihre Band und nur ihre Band allein. Wenn AC/DC der Durchbruch in Nordamerika versagt bliebe, mussten irgendwann Maßnahmen ergriffen werden – aber ganz sicher nicht in Bezug auf Angus oder Malcolm. Wer hätte sie schon davon abhalten sollen, Bon zu feuern?

Angus konnte den Druck spüren. Wie er dem argentinischen Magazin Pelo erklärte, benötigten AC/DC vier Alben, um die USA zu knacken: „Für ausländische Bands war es besonders schwer, weil 1977 Kiss am Zenit standen und sich das gesamte Publikum und die Promotion durch die Presse ausschließlich auf sie konzentrierte.“

„Angus sagte irgendwann, dass das Radio ihre Platten nicht spielen wollte und er nicht mehr weiter wüsste“, erzählt Barry Bergman. „Ich entgegnete ihm, dass er einfach weitermachen sollte. Das Pendel würde schon irgendwann in ihre Richtung ausschlagen. 1979 erhielt ich dann einen Anruf von ihm. Ich war gerade in Syracuse [im Staat New York], und er rief das Büro an. Ich rief ihn zurück und er sagte: ‚Barry, das Pendel schwingt in unsere Richtung.‘ Das war, als Highway To Hell Fahrt aufnahm.“

* * *

Bei ihren ersten vier Shows in Amerika 1978 – in Virginia, Kentucky, Alabama und Tennessee – gab Bon den Anheizer für einen amerikanischen Sänger, dessen Alkoholproblem sein eigenes noch in den Schatten stellte.

„Ich war komplett hinüber“, schrieb Alice Cooper nach der Lace and Whiskey-Tour von 1977. „Ich war vom permanenten Touren, dem Mangel an Freizeit und dem Nonstop-Suff total verbraucht.“ Coopers Laster? Ein Kasten Bier und eine Flasche Seagram’s VO. Selbst bezeichnete er sich als „der am besten funktionierende Alkoholiker, der einem über den Weg laufen konnte“, der aber „als Erstes am Morgen eine Runde Blut kotzte“.

„Wenn du mir meinen Alk wegnahmst, schaffte ich es nicht einmal vom Bett zur Tür. Ich wurde zum klassischen Alkoholiker, wenn es so eine Gattung gibt, weil ich mich mit Alkohol selbst therapierte und meine Kreativität aufrechtzuerhalten versuchte. Wenn es fünf Interviews zu absolvieren galt und man mich mit Bier und Whiskey versorgte, konnte ich alle fünf meistern. Wenn ich dann am Abend eine Show hatte, trank ich einfach weiter. Aber wenn man mir den Alkohol wegnahm, gab es keine Show, kein Interview, keine Produktion … kein Leben. Da wird einem klar, dass man ein echter Alkoholiker ist.“

Ich erkundige mich bei Holly, ob sie glaubt, dass einige dieser Eigenschaften auch auf Bon zutrafen.

„Ich wusste, dass Bon sich dafür schämte, nicht aufhören zu können. Er schämte sich wegen der Auswirkungen seines Verhaltens auf die Band. Alice Cooper scheint in seiner Sucht schon weiter als Bon gewesen zu sein, als ich ihn kannte. Allerdings zweifle ich nicht daran, dass Bon dort irgendwann ankam oder sich auf dem schnellsten Weg dorthin befand, bevor er schließlich starb.“

Roy Allen stimmt dem zu: „Alkohol betrifft sowohl den Körper als auch Verstand und Geist. Alices Geschichte ist für den späteren Verlauf von Alkoholismus typisch. Du kannst nicht mehr ohne Alk – er ist dein bester Freund und schlimmster Feind. Der Grund dafür, dass du jeden Morgen kotzen musst, ist der, dass du trinken musst, um dich gut zu fühlen, wovon es dir erst wieder schlecht geht und du wieder kotzen musst. Du musst weiterhin trinken und kotzen – in der Hoffnung, dass du dich ein wenig beruhigst, um den überreizten Nerven ein wenig Ruhe zu gönnen. Das Blut kommt daher, dass beim Trockenwürgen Blutgefäße in deinem Hals platzen. Das kann nach ganz schön viel aussehen, aber irgendwie gewöhnt man sich daran. Sobald man erst einmal wieder ein bisschen Alkohol im Blut hat, beruhigt sich die Lage und man ist für eine Weile abgesichert.“

Es ist schon beachtlich, dass Bon zu Beginn der Powerage-Tour durch Amerika 1978 ganz und gar nicht wie ein ständig würgender Alki wirkte, sondern sich optisch in der Bestform seines Lebens zu befinden schien: muskulös, gebräunt und mit kürzeren Haaren. Was sein Körper nicht verriet, waren die Qualen, die Hand in Hand mit seiner Sucht gingen.

„Bon trank, weil er süchtig war“, erzählt Holly. „Er war nicht körperlich abhängig, zumindest nicht, als ich ihn kennenlernte. Allerdings stieg sein Konsum über die Jahre hinweg an. So wie die meisten oder sogar alle Suchtkranken plagten Bon enorme Selbstzweifel, obwohl er offensichtlich sehr begabt war. Also trank er in der Regel direkt vor den Shows mehr als während des Tages zuvor. Wenn er keinen Druck verspürte, etwa wenn wir Doubletime besuchten oder einfach tagsüber Dinge unternahmen, die nichts mit der Band zu tun hatten, nahmen wir weder Drogen noch tranken wir Alkohol, soweit ich mich erinnern kann. Jeder Abhängige hat einen eigenen ‚Schlüssel‘ – oder gleich mehrere –, mit denen das spezifische Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert wird. Bei mir waren das in erster Linie Alkohol und Beruhigungsmittel. Dasselbe traf auch auf Bon zu, als ich ihn damals kannte. Wir nahmen auch andere Drogen, gelegentlich Kokain zum Beispiel, aber nur, um uns wieder in die Spur zu bringen, wenn wir von den Sedativa zu down waren. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals alleine Kokain genommen hätte. Ich tat es genauso wenig. Wir waren beide sehr dynamische Leute. Wenn wir nun solche Stimulanzien alleine konsumiert hätten, hätte es sein können, dass wir uns viel zu nervös und fahrig gefühlt hätten.“

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