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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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»Ja, Käser,« sagte Wehrdi, »Ihr könnet mich in der That dauren, und Euer Fraueli ebensoviel, und wenn alle so wären wie Ihr, so wäre es billig, Euch zu helfen; aber so allen miteinander, das möchte ich wahrhaftig nicht. Ich muß bekennen, ich kann gar viele Schulmeister nit schmücke; das ist mir ein widerlich Volk. Und wenn die mehr Geld bekämen, so liefen die vor Hochmut auf den Köpfen, um nicht zu laufen wie andere Leute.«

»Ach, Wehrdi,« fagte ich, »seid Ihr auch so unvernünftig und haltet uns immer den Hochmut vor? Der Schulmeister wollte doch auch etwas haben, hatte aber kein Geld, etwas zu kaufen; er mußte also vorlieb nehmen mit dem, was nichts kostet, und was ist wohlfeiler und kostet weniger als der Hochmut? Gebet ihm Geld, so wird er sicher sich etwas Besseres, Solideres dafür anschaffen. Zudem sind die meisten Leute hochmütig; je mehr aber einer hat, desto weniger fallt es auf; je weniger aber einer hat, desto mehr stößt man sich an seinem Hochmut. Helft ihr den Schulmeistern zu etwas, so wird euch ihr Hochmut schon viel weniger ärgern. Hat man nicht immer gesagt, wenn man gute Regenten wolle, so müsse man sie gut bezahlen? Und wenn man dann sagte: deswegen würden die, die wir jetzt haben könnten, doch nicht besser, wenn man ihnen schon 3000 L. statt 2000 gebe, so antwortete man: eben deswegen müsse man die Einkommen so hoch bestimmen, daß es jungen, begabten Männern den Mut mache, dem Staatsdienst sich zu widmen und zu Staatsmännern sich zu bilden. Und wenn man dann sagte: das Volk könnte es dann doch mit diesen Staatsmännern haben wie jener Müller, der lieber einen alten, lahmen Esel wollte für seine Säcke zu schleppen, als ein munter, tüchtig Roß, und so wäre es dann schade, wenn der Esel den Haber bekäme, Disteln waren für ihn gut genug, so antwortete man: das Volk werde so dumm nie sein wie jener Müller; es kenne zu gut den Unterschied zwischen einem alten lahmen Esel und einem tüchtigen Roß, und wenn man es in Stand setze, zu wählen zwischen beiden, so werde es schon zu wählen wissen. So sprach man bei den Regenten und stiftete durch dieses Gerede noch die Hochschule. Warum sagt man das Umgekehrte bei den Schulmeistern? Warum sagt man, man wolle die erst besser werden lassen, ehe man sie besser bezahle? Werden junge tüchtige Leute Schulmeister werden wollen ferner bei dieser Hundemühe und dem Hundelohn? Wird das Volk je tüchtige Schulmeister zur Wahl erhalten? Werden die, welche bereits Schulmeister sind, aber nicht ganz eingerostet, noch Zeit und Mut haben, an ihrer Fortbildung zu arbeiten? Sollen dann alle sich entgelten, daß einige aufgeblasen sind wie Frösche auf den Dünkeln, andere aufbegehrisch wie die Nachtwächter; einige schläferiger Natur und noch einige mit durstiger Leber behaftet? Sollte der ganze Stand um dieser willen im Kot und verpfuyet bleiben in alle Ewigkeit? Der liebe Gott wollte um fünf willen Sodom stehen lassen und die Menschen wollen vielleicht um hundert willen tausend zu Grunde gehen lassen?!«

»Ei, Schulmeister, Ihr werdet ja ganz beredt, und wenn das geschrieben stünde in eines glatten Herrn plattem Buche, so würde er hinter jeden Satz geschrieben haben: Gelächter!«

»Aber, Wehrdi, das hätte ich nicht von Euch gedacht, daß Ihr mich noch auslachen würdet in meinem Jammer, sonst würde ich nicht um Trost zu euch gekommen sein. Und was wird meine Frau von euch denken, wenn ich ihr sage, daß Ihr gesagt hättet, man sollte hinter jedes meiner Worte: Gelächter! setzen, und ich ihr erzähle alles, was ich Euch erzählt habe?«

»Aber um Gotteswillen, Schulmeister, versteht mich doch und verdreht mir meine Worte nicht! Spaß appart, Eure Sache ist mir zu Herzen gegangen, und wenn ich mir Euer gutes, sinniges Weibchen denke in seiner Not, so gramselt es mir ums Herz und ich muß fast meinen Verstand gefangen nehmen unter den Glauben, daß Euch geholfen werden müsse, um solcher Weibchen, einiger guter Schulmeister und der Hunderte oder Tausende von Schulmeisterskindern, die mit hungerigen Augen an den Tischdrucken hangen, mit wehmütigen Augen an jedem vierschrötigen Bauernjungen, der eine Tasche voll frisches Brot hat und die andere voll Broträufte und Brosmen. Ich will wetten, das ginge auch noch manchem so, wenn er Euch erzählen hörte von Eurer Not, Euch rechnen hörte Euer Ausgeben und Einnehmen und die Folgen, welche Kummer und Sorgen auf Eure Thätigkeit haben; und er änderte vielleicht seine Meinung, wie halb und halb auch ich, und meinte, daß man Euch erst stärken sollte, ehe man Euch zur verstärkten Arbeit anhält; daß daß man erst den Stand erheben solle, ehe man fordert, daß jeder einzelne sich erhebe. An Eurem Platz würde ich nun dem Erziehungs-Departement, dem Regierungsrat nachlaufen Mann für Mann, und würde ihnen das alles ins Herz schreien so recht lebendig.«

»Treibt doch nicht Mutwillen mit mir,« sagte ich. »Wie sollte ich armer Mann zu solchen Leuten kommen? und wenn ich schon zu ihnen kommen könnte, wie sollte ich es ihnen sagen dürfen? Da wäre mir, als ob ich ein Bauernhaus im Halse hätte. Ich könnte kein Sterbenswort hervorbringen, als öppe: Helfet is, dr tusig Gottswille! Darauf würden sie wenige hören in Bern; es geht dort wenig mehr dr Gottswille.«

»Ei nun,« sagte Wehrdi, »so schreibet es auf, wie es Euch ums Herz ist, in welchem Zustande Ihr seid, aber nicht aufbegehrisch und großhansend. Gebt Euch demütig dar und nicht für mehr als Ihr seid; aber zeiget, daß Ihr bei dem, was bis dahin für die Schulmeister gethan worden, nicht anders hättet werden können, und daß Ihr auch in Zukunft nicht besser werden könnet, wenn man nicht ganz anders für euch sorge. Thut nebenbei etwas Buße und bekennet, daß Ihr Euch ungeziemend betragen, allein mißleitet. Schreibet das alles recht rührend auf, daß es auch die Weiber lesen mögen und Erbarmen bekommen; dann müssen Euch die Männer helfen, sie mögen wollen oder nicht.«

Das Ding leuchtete mir gar nicht übel ein. Ich dachte, der Traum habe mir nicht umsonst auf eine Schrift hingedeutet; aber mir fehlte der Mut zur Ausführung, und eine Menge Bedenklichkeiten schmollen in mir auf. Ich war früh aufgestanden nach der unruhigen Nacht, hatte keinen Bissen herunterbringen können beim Frühstück, war in der heißen Morgenstunde gewandert, und Ärger und Kummer waren schwer auf der Seele gelegen. Was Wunder, daß Leib und Seele schwach und mutlos waren? Bedenklich war ich daher im Anfang und mutlos zur Ausführung, aber wie bald war das anders!

Endlich hatte Wehrdi sich erinnert, daß er einen Gast habe, daß der hungrig und durstig sein könnte; hatte eine Flasche Wein, ganz duukelroten, hervorgeholt, Brot und Käse aufgestellt, und fleißig den Wirt gemacht. Da kam mir nach und nach die Welt auch nicht mehr so blaß und jämmerlich vor. Ein Schimmer von Morgenrot überstrahlte sie und mich dünkte, es könne alles noch gut kommen. Mich dünkte das Z‘weglegen und Aufsetzen einer solchen Schrift immer leichter und es juckte mich ordentlich, alsobald ans Werk zu gehen. Die Hauptsache, das Aufweichen der Herzen, das Entsprechen mit Geld, das schien mir nicht fehlen zu können; denn im Setzen, sagte ich, hätte ich nie einen gefürchtet und die Leute hätten sich schon vielfach verwundert, wie ich einen Brief oder eine Quittung so enanderna aufs Papier bringen könne, ohne die Sache erst aufsetzen zu müssen zum Abschreiben. Aber ehe ich daran hingehe, sollte ich doch wissen: ob die Gschrift auf Stempelpapier sein müsse oder auf gewöhnlichem. Ob ich für Stempelpapier Geld genug hätte, das wüßte ich nicht einmal; mit einem vierbatzigen Bogen werde ich es kaum machen können.

Da lachte der Wehrdi schelmisch und riet mir, einstweilen nur ganz ordinäri Papier zu nehmen; auf diesem werde es wohl gehen, denke er, und Stempelpapier möchte es wohl zu viel brauchen. Das müsse nicht so eine Bettelschrift sein wie manche andere, wo man winsele um ein Stücklein Brot. Die. Schrift müsse den ganzen Zustand eines Schulmeisters und seiner Familie darstellen, wie sie am Hungertuch gnagen, wie sie zu viel hätten um zu sterben, zu wenig zum Leben; wie diese Armut den ganzen Stand lähme und drücke, und Weiber und Kinder noch mehr.

Er müsse bekennen, er sei früher auch der Meinung gewesen, die Schulmeister hätten im Ganzen mehr als sie verdienten und eine allgemeine Erhöhung der Einkommen wäre ungerecht und verderblich. Seit er nun aber in einer Schulmeisterhaushaltung so recht auf den Boden gesehen, sei er anderer Meinung geworden und er denke, andern Leuten könne es auch so gehen. Darum müsse man ihnen eine solche Familie darstellen so recht inniglich; das sei hier die wahre Bittschrift. Freilich werde es wunderlich gehen, wenn auf einmal alle mehr Geld bekämen. Es seien jetzt schon viele, die nicht wüßten, wie sie gehen oder stehen sollten vor Narrochtigi; die würden sich sicher gibeligelbe Röcke und rote Hosen machen lassen.

Nun schenkte mir Wehrdi immer fleißiger ein und begeisterte mich für den Versuch immer mehr. Je leichter ich die Sache nahm, desto mehr hielt er nieder und deutete immer deutlicher darauf hin, daß ich mich und mein Leben gründlich und aufrichtig zu schildern hätte Punkt für Punkt, daß ich bei meiner Kindheit anzufangen und zu zeigen hätte, wie ich bis Hierher gekommen. »Man kennt das Leben anderer Stände nicht,« sagte er, »darum fühlt man kein Mitleid miteinander, höchstens Neid. So fühlt der Mensch nur seine eigene Bürde und macht sich gar keine Vorstellung, wie schwer die Bürden anderer sind, wie drückend sie lasten. Wer weiß, wie manches vergessene Mädchen, das alles hat, nur keinen Mann und keine Kinder, eine Frau Schulmeisterin beneidet mit stillen Seufzern, die gar nichts hat als eben einen Mann und Kinder! Zudem herrscht ganz besonders in der Stadt das Vorurteil, auf dem Lande könnten die Leute leben ohne Geld, wie die Hasen von Kabis, der von selbst wachse, von Wasser, das umsonst fließe.«

Er solle nur nicht Kummer haben, meinte ich; ich wolle das schon machen, daß er zufrieden sei damit; mit dem Setzen möge mich, wie gesagt, nicht bald einer.

 

Und der Wehrdi verzog sein Gesicht wieder, daß sein Schnauz sich ausdehnte bis an die Ohren, und schenkte mir wieder ein und rühmte mich endlich auch: er wisse, ich sei ein ganzer Kerli und werde schon etwas Rechtes und Merkwürdiges machen.

Jetzt war mir erst recht angeholfen und ich ließ mich auf wie ein weltscher Hahn, bis ich zu fühlen anfing, daß mir die Zunge schwerer und schwerer wurde und manche Wörter gar nicht mehr herausbringen wollte. Dieses Zeichen kannte ich zu gut, um nicht zu merken, daß es Zeit sei, mit dem Trinken aufzuhören und den Weg nach Hause zu suchen. Wehrdi, der mich begleitete, sagte: er wolle in acht Tagen kommen und nachsehen, was ich gemacht hätte. Er solle nur kommen, antwortete ich, da wolle ich schon weit nache sein mit der Gschrift. Er lachte wieder und ermahnte mich noch: daß ich nur z‘vorderist anfangen solle; ob es acht Tage länger gehe oder nicht, darauf komme es nicht an. Potz tausend, wie ganz anders durchschritt ich heimwärts die Felder! Guraschiert sah ich allen Leuten ins Gesicht und vor meinen Augen tanzten eine ganze Menge zu beschreibende Dinge; aber keines wollte sich mir recht voran schicken; es trohlete mir alles hoggis boggis übereinander. Aber soviel trohlete mir vor den Augen herum, daß ich wohl einsah, bis über acht Tage nicht fertig zu werden. Gar holdselig kam ich heim und that gar geheimnisvoll dazu; ließ Worte fallen, wie es bald besser kommen werde; dem Elend sei leicht abzuhelfen u.s.w. Mädeli hatte mir ein freundlich Gesicht entgegengetragen und, meinen Zustand merkend, fragte nicht sehr nach, wie geholfen werden könne.

Da wurde ich böse, daß es mir mein Geheimnis nicht abfragen wollte, und fing an zu brummen und zu knurren über seine Teilnahmlosigkeit.

»Los, Peterli, wird nicht bös,« fagte Mädeli und setzte sich neben mich, »aber du machst es gerade wie eine Klapperfrau, die thut auch so heimlich mit Sachen, die sie gerne offenbar machen möchte. Ich dachte nicht daran, daß du es auch so mit mir machest. Aber zürn nit und säg mr fründlich und ordlich, was es gä soll für is z‘helfe.«

Da berichtete ich wunderliches und krauses von einer Schrift an die Frau Landammannin und Frau Schultheißin und noch andere Frauen, und daß in dieser Schrift handgreiflich unser ganzer Lebenslauf dargethan sein müsse Punkt für Punkt, damit man recht deutlich es sehen könne, daß man uns helfen müsse, wenn wir nicht verräbeln sollen. Und das müsse an die Frauen gestellt sein; sie begriffen solche Dinge besser, u.s.w.

Mädeli hörte mir zu mit wunderlichem Gesicht und ließ mich reden so lange ich wollte. Und als ich endlich seine Meinung über die Sache wollte, sagte es: es verstehe sich auf solche Sachen nichts; aber es düechi‘s, i sött müede sy u gern i‘s Bett welle; i heig ja o die letzt Nacht nüt nutz gschlafe. Sanft und wohl schlief ich und träumte gar nichts. Hell und sonnig war‘s in der Stube, als ich die Augen aufschlug, und doch noch so still, als wäre es erst Mitternacht; ganz gegen den Gebrauch, da die Kinder sonst mit dem Güggel zu krähen anfingen. Verwundert saß ich aus und sah die ganze Stube leer, alle Vögel ausgeflogen. Das gute Mutterli hatte mir den Schlaf, den ich so selig schlief, gegönnt, die Kinder aufmerksam gemacht auf den Spaß, den Ätti sich einmal verschlafen zu lassen. Und leise wie Mäuschen hatten sich alle weggestohlen und waren an ihre Arbeit gegangen, denn meine Frau hielt die Kinder von früh an zur Arbeit, obgleich es mich oft grausam dünkte und ich oft abwehren wollte. Sie sagte: je früher man arbeiten lerne, desto ringer gehe es einem später, und es grause ihr nichts mehr, als ob den Kindern, die man im Müßiggang laufen lasse, und sie begriffe viele Schulmeister nicht, die auch also thäten. Aber die Kleinen konnten sich nicht enthalten, zum Fenster ein zu guggen, ob der Ätti noch schlafe? Und als sie ihn endlich aus dem Bette springen sagen, stürmte die wilde Schar herein, schabte mir Rübchen und lachte mich gar weidlich aus. Dann kam die Mutter mit der Kaffeekanne und fragte lächelnd: ob ich wohl geschlafen? Sie erhielt den üblichen Vorwurf: warum sie mich nicht geweckt. Ringsum schenkte sie aus der schnablichten Kanne und dem bauchigen Milchtopf ein. Auf so langes Warten hin schmeckte es den Kindern doppelt, und zwischen dem Kauen und Schlucken durch konnten sie nicht satt werden mit freundlichem Ntecken über mein langes Schlafen. Als wir abgegessen hatten, nur die Mutter noch nicht, durch vieles Einschenken gehindert, und die Erdäpfelbitzli all waren und jedes sein Stückchen Brot extra bekommen hatte, jammerte unser jüngstes Kind: »Muetter, i bi no gar grusam hungerig, gib mr doch no es Bitzli Brot.« Und die Mutter warf einen schweren Blick auf das so leicht gewordene Brot und reichte das kleine Stückchen, das sie für sich abgehauen hatte, dem Kleinen dar und fagte: »Sä, du Vielfrätzli, i ha mr nume z‘viel abghaue gha; aber jetz schwyg mr u häb gnue.« Das schnitt mir tief ins Herz wieder, daß mein liebes Mutterli nicht einmal ein Stücklein Brot hatte, nachdem wir alle gegessen. Ich erkannte frisch, daß da müsse geholfen werden, wenn die Sorgen mir nicht das Herz abdrücken sollten und die Reue, daß ich in meiner ledigen Zeit so leichtsinnig mein Geld verschleudert und nur Schulden in die Ehe gebracht. Es mußte also ans Werk gegangen werden, um meinem lieben ergebenen Weibe ein Stücklein Brot zu verschaffen zum Morgenbrot. Es ist doch merkwürdig, wie stille, liebe Ergebung tausendmal mehr wirket als laute, begehrliche Ungenügsamkeit. O wenn doch das alle Weiber wüßten!

Entschlossen ging ich in die Schulstube, schnitt zwei neue Federn, legte Papier zurecht, stopfte eine Pfeife, tunkte die Feder ein und wollte nun schreiben. Aber, o je! wie ganz anders kam mir jetzt das Schreiben vor nach zwei Kachelene Kaffee, als früher nach einem halben Dutzend Gläser Wein! Vor allem plagte mich der Titel, den ich auf die Schrift zu setzen hatte; sollte ich sie an die Regenten oder die Regentenfrauen stellen und wie die letzteren betiteln? Ich wußte nicht, konnte man ihnen auch Hochgeachtet und Hochgeehrt sagen oder ob sie sich »tugendsam und ehrbar« lieber nennen hörten? Es ärgerte mich, daß ich den Wehrdi nicht gefragt; ich mußte das nun überspringen. Nun kam es an den Anfang; der wollte sich aber gar nicht anfangen lassen, bis ich beschloß, einstweilen niederzuschreiben, zuschwas mir in Sinn käme, weil ich nun wohl einsah, daß es abgeschrieben werden müsse. Während ich an dieser Arbeit saß, vermißte mich mein Weibchen bei einer andern Arbeit, beim Flachsziehen nämlich, das auf den heutigen Tag abgeredet und von meiner Frau begonnen war. Als ich immer und immer nicht kam, wurde ihr bange, daß ich krank sein möchte; sie kam, streckte den Kopf zur Stubenthür ein und fragte: »Mannli, bisch chrank, daß d‘nit chunst?« Als sie mich so da sitzen sah, gebeugt, den Kopf in der Hand, ohne aufzusehen, glaubte sie, es sei so, trat näher und faßte mich an, um zu sehen, wo es mir fehle. Als sie mich schreiben sah und zwar etwas von Vater und Mutter (eine Hexe war sie nicht im Lesen von Geschriebenem) so zupfte sie mir die Feder aus der Hand und sagte: »Peterli, du wirst doch nit öppis Narrs welle mache? Das sy Flause, chum du u hilf mr Flachs zieh.« Ich aber schüttelte den Kopf und sagte: etwas müsse gemacht sein; so könne es nicht mehr gehen und etwas Besseres wüßte ich nicht. Da antwortete mein Weibchen, es wisse noch etwas besseres: Geduld haben und Vertrauen auf Gott, daß es gerade so komme, wie er wolle, und unterdessen munter arbeiten und vergnügt sein mit dem Guten, wo man hätte; und wir hätten ja so viel, was andere nicht hätten: Liebe und Friede, daß wir wohl zufrieden sein könnten. Da übermannte mich die Wehmut über meines Weibes ergebenen Sinn und ich that ihm thränend dar, daß ich es eben seinetwegen nicht mehr so lassen könne; es zerschneide mir das Herz, wenn ich sehe, wie es sich am Munde abbreche, um den Kindern zu geben; wie es dabei von Morgen früh bis abends spät auf den Beinen sei und anfange auszusehen wie die teure Zeit; wie ich ihm während unserer Ehe fast keine Kleider hatte anschaffen können, so daß es schon lange nicht mehr z‘Chile dürfte, wenn es sie nicht so gut in Ehren hielte. Man müsse allerdings auf Gott vertrauen, aber auch das Seine thun, arbeiten, und das sei ja gerade eine Arbeit, von der Wehrdi sage, daß sie nötig sei. Wehrdi meine es gut mit uns; er habe mir schon manchen Fünfbätzler gesteckt unter irgend einem Vorwande. Er kenne auch mehr von der Welt als wir; er hätte zwar manchmal gelacht über mich, aber das sei so seine Art und er mache es auf eine Art, daß man es nicht übel nehmen könne. Ich sei willens, in Gottes Namen fortzufahren und Tag und Nacht daran zu arbeiten.

»Aber sag mir doch, Peter,« sagte meine Frau, »was soll denn das für eine Schrift werden? Du fängst da bei Vater und Mutter an und bei einem alten Häuschen u.s.w.; wer soll denn das lesen? Ich habe immer gehört, solche Schriften seien um so besser, je kürzer sie seien.«

Wehrdi habe es mir so angeraten, entgegnete ich; er könne es ihr am besten sagen, was das für eine Gschrift geben solle, und warum sie so sein müsse und nicht anders. Er werde in acht Tagen kommen; dann könne sie ihn fragen, was er eigentlich meine, und bis dahin Geduld mit mir haben; es geschehe ja doch ihr besonders zu Liebe und Huld.

Während den acht Tagen arbeitete ich fleißig fort und füllte allerdings schon so viel Papier, daß mich selbst Wunder zu nehmen anfing, was das für eine Schrift werden sollte. Es tauchte mir beim Nachdenken so viel aus meiner Kindheit auf im Gedächtnis, das ich niederschrieb, weil Wehrdi gesagt hatte, ich sollte z‘Bode ha, daß ich viel schrieb und doch nicht weit vorwärts kam.

Wehrdi kam, als eben meine Frau im Bohnenblätz war. Er durchsah meine Arbeit mit Wohlgefallen und meinte, das werde schon was rechtes werden. Er wolle sie nach Hause nehmen, um noch besser sie zu kosten und einiges nachzubessern. Dann fragte er mich noch so eine Menge Dinge über das bereits Geschriebene und nachher über das Nachkommende, und wie ich beides verbinden wolle, daß ich gar keine Zeit hatte ihn zu fragen: was denn das eigentlich werden solle? Als aber meine Frau heimkam, so wartete die nicht lange, bis sie ihn zur Rede stellte. Sie fragte ihn: »Aber, Wehrdi, meinet Ihr es denn eigentlich gut mit uns oder haltet Ihr uns zum besten, und sind wir Euch nur dazu gut, die Längizyti zu vertreiben?«

»Nein wahrhaftig, Wybli,« sagte Wehrdi, »es müßt einer ja ärger sein als ein Heide, wenn er es mit Euch nicht von ganzem Herzen gut meinen sollte.«

»Aber was macht Ihr dann meinen Mann zu schreiben ein Langes und ein Breites von seinem Vater an, und am Ende wird er auch noch gar von mir schreiben sollen?«

»Das versteht sich, Frau Schulmeisterin, daß anch von Euch geschrieben werden soll, und gerade das wird das schönste von allem werden und die meiste Wirkung thun.«

»Nei nis Bott, i will i kei Schrift; ebe so mähr chönnt me se de gar no lah drucke.«

»Eben das könnte es geben, wenn die Sache darnach ausfällt, und ich kann mich schon freuen wie ein Kind, daß es die Welt erfahren kann, was Ihr für eine Frau Schulmeistern seid.«

Da wurde meine Frau rot bis unten ans Ohrläppchen und sagte: »Wehrdi, es ist nicht schön, mit so armen Leuten nicht nur das Gespött zu treiben, sondern sie auch zum Gespött der ganzen Welt machen zu wollen. Wir sind zwar arme Leute; aber das haben wir nicht verdient und hätten es am wenigsten von Euch erwartet. Es that mir oft wohl zu denken, daß Ihr meines Mannes Freund seiet und Euer Rat ihm manchmal nützlich sein könne, und jetzt ist es so gemeint!« Und es brannten zwei blanke Thränen in meines Weibes Auge und rasch wollte es zur Stube hinaus.

Wehrdi schien mir da zu stehen wie die Butter an der Sonne, als ihm meine Frau so abkapitelte; aber der war nicht lange verblüfft. Als meine Frau abmarschieren wollte, ergriff er rasch ihren Arm, und als sie sich losreißen wollte, fragte er sie: ob sie dann nicht mehr wisse, daß man niemand unverhört und leichtlich verdammen solle? Da stund sie vor ihm still mit unwilligem Gesicht und niedergeschlagenen Augen. »Bitte, bitte, Fraueli! machet mir zuerst ein freundlich Gesicht und thut Eure Äugelein mir auf; dann kann ich Euch‘s am besten sagen, wie ich es meine, und Ihr begreift mich am besten,« bat der wilde Mann so sanft, daß es mir recht kurios vorkam. Mich hatte er ausgelacht; ich konnte nicht begreifen, warum er es bei meiner Frau nicht auch fo mache. Als meine Frau, die keine freundliche Bitte abschlagen konnte, wieder aufsah, sagte ihr Wehrdi: daß ihm nie jemand so gröblich unrecht thue, als gerade sie. Er möchte alles in der Welt lieber, sogar noch einmal nach Batavia, als sie zum Besten halten; und wenn er schon zuweilen über mich lache, so meine er es doch gut, und er frage sie auf ihr Gewissen: ob sie denn trotz ihrer Liebe zu mir nicht auch zuweilen wenigstens lächle über mich? Hingegen begehre er mit allem Ernst uns zu helfen. Er sei allein in der Welt, stehe in keinen näheren Verhältnissen zur Welt; die Leute flöhen ihn und doch werde der liebe Gott ihn einst fragen: »Wehrdi, was hast du gutes an deinen Brüdern gethan?« Sie könne daraus doch wohl abnehmen, ob er mit den einzigen Leuten, die Vertrauen zu ihm hätten, sein Gespött treiben werde? Er könnte uns freilich auch mit Geld helfen; aber das sei drückend für uns und solche Unterstützung wäre nie ein festes Fundament für eine Haushaltung. Wolle eine Familie fest stehen, so müsse sie selbst mit starken Wurzeln in den Boden greifen; angebrachte Stützen hülfen nur vorübergehend und seien zerbrechlich. Als ich da bei ihm so geweebert und gejammert: wenn man doch nur die Not kennen thäte, so hülfe man gewiß; so sei ihm das aufgefallen und er habe das ziemlich wahr gefunden. Darum habe er mich zum Schreiben aufgemuntert. Seither habe er noch darüber nachgedacht und sei auch zum Pfarrer gegangen, und sie wären beide darüber eins geworden. Sie seien nämlich darüber eins geworden, daß man im Kanton Bern anfange zu glauben, wenn man einander recht wüst sage, sei damit alles abgethan. »Zum Unglück ist nun die ganze Schulmeistergeschichte mitten in diesen wüsten Strudel hineingeraten und die Schulmeister haben sie selbst hineinstoßen helfen, machten selbst einen höllischen Lärm. Das Ende davon war, daß man die Schulmeister, um sich nicht feiner von ihnen den Kopf waschen zu lassen, aufs Trockne setzte, und da sitzen sie nun. Nun aber, meinen der Pfarrer und ich, könnte nichts mehr die Gemüter versöhnen und gegen euch gerecht machen, als eine unbefangene Geschichte eines Schulmeisters und seiner Haushaltung. Und gerade Eure Geschichte, meinte ich, müsse das ganz besonders thun, wenn man aufrichtig sie erzähle. Allerdings werden die Leute hie und da über den Schulmeister etwas lachen müssen; aber weil er dann wieder so kreuzordentlich wird und Ihr beide zuweilen sie auch rührt, so werden sie Euch um so gewogener werden, um so eifriger Euch helfen wollen. Aber Euch können sie nicht helfen, sondern sie müssen zugleich auch den andern helfen. Und nun denket, Mädeli, daß von fast tausend Schulmeisterinnen fünfhundert in ähnlicher und noch tieferer Not sind als ihr; denket, daß ihre Kinder noch mehr entbehren müssen. Und allen diesen könntet Ihr helfen, könntet die Sorge von ihren Stirnen, die Thränen aus ihren Augen, den Jammer aus ihren Herzen treiben; könntet ihnen Brot verschaffen, Kleider, muntern Sinn, freudige, dankbare Gefühle; könntet tausend Kindern eine fröhlichere Jugend Verschaffen, eine bedeutungsvollere Erziehung, — das alles könntet Ihr, Mädeli; könntet machen, daß manche Sohnsfrau ihre Schwieger ohne eigenes Entbehren pflegen, ihrem eigenen Vater ein weißes Brötchen verschaffen kann; das alles, Mädeli, könntet Ihr vollbringen, und womit? Mit etwas Selbstüberwindung, mit Hintansetzung Eurer Schüchternheit und des Vorurteils, nicht gedruckt zu werden und den Leuten so in die Mäuler zu kommen. Das ist doch lange noch nicht das Leben lassen. Es ist ein Dulden, aber doch sicher ein so schweres nicht; es ist fast nur das Dulden des ersten Kusses, den ein Mädchen von seinem Liebhaber erhält. Es sträubt sich so heftig und doch ist er ihm das erste Pfand des ersehnten Glückes, der Vorläufer von tausend nachkommenden. Es ist also eigentlich ein süßes Dulden, und glaubt es mir, Frauchen, wenn Ihr es duldet, so werdet ihr Liebhaber bekommen, wie Sand am Meer. Und wer weiß, ob man nicht ordentlich wallfahrtet zu Euch, nicht nur Schulmeister, um Euch zu danken, sondern ganz andere Leute. Junge schöne Herren z. B., die absolut sehen wollen, wie eine schöne, gescheite, fromme Frau Schulmeisterin aussieht. Darum, Mädeli, sperrt Euch nicht dagegen. Gegen Euern Willen möchten wir natürlich nichts machen, aber, nicht wahr, Ihr habt Euch jetzt eines Bessern bedacht?«

 

Mädeli fügte ihm, er sei ein Schalk, der es wohl gut meinen möge; aber daß die Sache den gewünschten Austrug nehme, das wisse niemand, und dann habe man, wenn es nicht gelinge, sich für die ganze Welt dargegeben und vor der ganzen Welt lächerlich gemacht für sein Lebenlang. »Weiß denn überhaupt der Mensch,« sagte Wehrdi, »wenn er etwas unternimmt, wie es herauskömmt? Würde nicht jeder alles unterlassen müssen, wenn er vorher des Erfolges sicher sein wollte? Was würde wohl gutes auf Erden geschehen sein, wenn dieser Grundsatz gültig wäre? Wo der Mensch das Gute will, da soll er handeln, den Erfolg aber Gott überlassen, in dessen Hand er steht. Habt Ihr diesen Grundsatz etwa auch aufgestellt, als Euch Euer Mann zur Frau wollte? habt Ihr ihm auch gesagt, wenn Ihr wüßtet, daß es gut käme, so wolltet Ihr ihn nehmen, da Ihr es aber nicht wüßtet, so solle er in Gottes Namen seine Wege gehen?«

Mädeli mußte wider Willen lächeln; dann aber warf sie dem Wehrdi vor, daß er alles ins Lächerliche ziehe und den ernstesten Dingen einen sogenannten Spaß anhänge. Wüßte sie, daß sie fünf Schulmeister aus dem Elend erlösen könnte und fünf Kmdlein, es brauchten nicht fünfhundert zu sein, so wollte sie sich für sich alles gefallen lassen. Und wenn man eigentlich dieses wolle, so werde sie nichts mehr dagegen sagen; aber man solle ihr eben auch nicht davon reden. Hätte der Pfarrer die Sache nicht gebilligt, so würde sie noch jetzt Mühe haben, nicht zu glauben, man treibe das Gespött mit ihr.

Wehrdi sagte ihr, es sei doch nicht recht, daß der Pfarrer mehr gelte bei ihr als er; dieser könne zwar etwas feiner thun, aber Spaß mischen in ernste Dinge, das habe er eigentlich vom Pfarrer gelernt. Der sage, es sei am Himmel so und auf der Erde. Ungeheuer tief und ernst sei alles; aber über die ernste Unergründlichkeit zucke der Sonnenstrahl, blicke der Mond, flimmerten die Sterne, wandle manch ander Lichtlein: so solle es im Leben sein, so solle es im Menschen sein. Was die Menschen bei ihm Spaß nennten, sei doch nur eigentlich ein Strahl, ein Lichtlein, in dessen Schein das Tiefe und Unergründliche erst bemerkbar werde. Wo keine solche Lichtlein sichtbar würden, da lebe man in grenzenloser Öde; die wundervolle volle Tiefe ergriffe einen nicht zur Ehrfucht, sondern sie erscheine einem nur als wüste Leere. So rede der Pfarrer; aber so gut als der Pfarrer meine er es auch mit uns und er könne gar nicht leiden, wenn sie demselben mehr trauen wolle als ihm.

Wehrdi war gar possierlich, wenn er mit seinem sonst so gebietenden Wesen anhalten und bitten wollte. Daher konnte meine Frau am Ende nicht anders, als ihn zu versichern, sie wolle ihm so viel zutrauen, als irgend einem andern, wenn er darnach thue. So nun ward die Fortsetzung der Arbeit beschlossen. Wehrdi kam, fragte und nahm dann die Blätter mit sich nach Hause und brachte sie mir nicht wieder. Auf mein Fragen nach ihnen antwortete er: er müsse alles in ordentlichen Zusammenhang bringen.

Während wir so arbeiteten, verbreitete sich das Gerücht: es werde von einer mächtigen Seite her daran gearbeitet, daß die Taxation aufgehoben und uns eine bestimmte Staatszulage zu dem bisher von den Gemeinden entrichteten Einkommen zugeteilt werde. Der Herr Seminardirektor Rickli, den alle seine Zöglinge bis in den Himmel erheben und ihn rühmen, wie er nicht nur so gelehrt, fondern auch so gut sei, der bewege Himmel und Erde für uns, hieß es. Und wirklich hieß es bald darauf in den Zeitungen: es sei zu unfern gunsten eine Kommission nach Bern einberufen. Bald darauf kam die Nachricht: diefe Kommission wolle jedem Schulmeister in Zukunft 150 L. extra vom Staat aus zulegen.