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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Dreiunddreißigstes Kapitel. Wie alles ein Ende nimmt: jeder Jammer und sogar jedes Buch

Ich widerredete dem Pfarrer nicht. Aber als er fort war, kam mir allerhand in Sinn, das ich ihm hätte sagen sollen. Nun stiegen mir auch die Bauren selbst auf den Hals und lästerten fürchterlich, daß ich sie vom rechten Glauben abbringen wolle und wahrscheinlich die Bibel nie gelesen hätte. Wenn die Sonne stille stünde, so hätte Josua sie nicht brauchen stille stehen heißen, und dann würden wir sie auch Tag und Nacht sehen, sagten sie. Und wer lehre, die Erde gehe ringsum, dem gehe sein Gring z‘ringset-um, aber nicht die Erde. Wenn wir z‘ringset-um gingen und nachts unten wären, so würde ja in keinem Brunnentrog mehr Wasser sein am Morgen, und da sei ja das Wasser das gleiche am Morgen und am Abend.

Solche Reden hörte ich verächtlich an und dachte: ihr Tröpfe! aber ich hielt doch inne. Nur fast verstohlen in der Sommerschule, wenn Kinder darnach da waren, berichtete ich solche Dinge, um mir die Zeit zu vertreiben.

Ach Gott, wie war mir doch die Sommerschule zuwider! Früher hatte ich nur vier Wochen gehabt; jetzt hatte unser Schulkommissär, ein grausamer Äti, noch acht Wochen dazu eräkt und erbettelt. Das Erziehungs-Departement hatte freilich befohlen, und streng, daß im ganzen Jahr, ohne besondere Vergünstigungen, nur acht Wochen Ferien sein sollen, und diese Vergünstigungen betrafen zwei, höchstens vier Wochen. Aber auf dem ganzen Lande gehorchte diesem Befehl nur, wer gerne wollte. Man glaubte, wenn auf der Hochschule, wo die Zeit den Studenten so teuer zu stehen komme und den Professoren die Zeit so teuer bezahlt werde, wenigstens ein Vierteljahr Schlumpzeit als nötig erachtet werde, so wüßte man nicht, warum Baurenkinder, die nicht so hoch studieren wollten, aber viel zu arbeiten hätten, mehr in die Schule sollten, als die Studenten in ihre Läfzgen. Übrigens trage die Sommerschule in Gottsname nüt ab, die Kinder seien viel zu faul dazu; albe-n-einist sei man froh, sie zu schicken, daß sie einem nur dänne kamen. Da kamen dann zwei, vier oder ein halbes Dutzend, die einen einmal und viele keinmal im ganzen Sommer, und ob sie einmal oder keinmal kamen, darum bekümmerte sich selten eine Schulkommission. O, wie hatte ich da eine Längizyti auszustehen! Die Kinder kamen so verzatteret und mißmutig hergeschlichen, daß es einem den Mut nahm, mit ihnen in die Stube zu gehen. Man drehte ums Haus herum, so lang man konnte, und scherzte mit den Kindern und ließ sie gürten nach Belieben. Durfte man endlich nicht länger warten, so rief man in die Stube. Dort ging es wieder eine geraume Zeit, bis man sich gesetzt und seine Lehrmittel bei der Hand hatte. Dann sagte der Schulmeister: »Lerit schön, we dr de cheut, so sägit‘s de.« Ein alter Schulmeister sagte: »Ching, we dr de ufsäge weyt, su weckit mi de.« Dann ging der Schulmeister seiner Wege, hinaus an die liebe Sonne, oder fing etwas für sich zu schreiben an, und wenn ein Kind rief: »Schumeister, i möcht ufsäge, i cha‘s«, so sagte der Schulmeister: »Du wotsch geng ume ufsäge; ler du‘s no e Blätz; mi cha‘s nie z‘guet; i chume de.« Endlich konnten die Kinder aufsagen: Fragen, auswendig gelernte oder gelesene, oder buchstabieren.

War dieses endlich gähnend vorbeigegangen, so sah der Schulmeister nach der Uhr und sagte entweder: »Ching, es isch nit meh dr wert, öppis angers a z‘fa, göht i Gotts Name hey;« oder aber: »Es isch no nit Zyt hey z‘gah; es cha jetz es yders öppe mache, was es gern will.

Darum sagten die Eltern: die Sommerschulen seien nur es D. Zwäng u trage hell nüt ab. Darum stimmten ihnen viele Lehrer bei und klagten: die Kinder hätten in Gottes Namen keinen Appetit zum Lernen; sie möchten lieber draußen sein. Und die Kinder schrieen Zettermordio über die Schule, wo die Sonne nicht hineinschien, keine Vögelnester auszunehmen waren, und klagten bitterlich, sie lernten doch nichts, dr Schumeister syg ja nie by-ne; er syg e ganz e-n-angere im Sommer oder im Winter. Dessenungeachtet hatte doch unser Schulkommissär zwölf Wochen Sommerschule erchäret und erzwängt, und für jede der 8 Extra-Wochen war mir eine Krone von der Gemeinde zugesprochen worden, freilich ungerne genug. Nun meinte er, ich solle gesetzmäßig Schule halten diesen Sommer durch, mit einer allfälligen Ferien-Verlängemng von höchstens vier Wochen, also jetzt noch wenigstens acht Wochen mehr als zwölf. Ich entgegnete, daß ich doch wissen mochte, wer mich dafür bezahle? Das werde sich schon machen, meinte er. Wer dem Gesetz nachfahre, der fahre nie übel. Ja, dachte ich, mit dem Gesetz ist‘s eine wunderliche Sache, für die einen lautet es so, für die andern anders, und »Herr Schulkommissär,« sagte ich, »es treyt gwüß nüt ab, dSummerschuele z‘vrmehre; dChing chöme nit, oder höchstens zwei oder drei, und lere nüt, u für üser eim isch‘s gar grusam ländwylig. Was soll me doch so mit eine halb Dotze Chinge-n-afa oder gar ume mit zwenne?«

»Ja, Schulmeister, ich weiß wohl, wie es geht« (es war ein räßer Herr, wenn er abkam) »und daß die Sommerschulen nur für so eine Plage angesehen werden. Aber einer gaagget dem andern ein Vorurteil nach dem andern nach, und niemand nimmt die Mühe, vernünftig darüber nachzudenken. So wie man‘s treibt, so geht es. Gerade ihr Schulmeister seid Schuld am Mißkredit, in welchem die Sommerschulen stehen. Den Winter über klagt ihr immer, ihr hättet zu viel Kinder, um etwas rechts mit ihnen zu machen; im Sommer kommt ihr dann und klagt, ihr hättet zu wenig. Es ist euch nie etwas recht; ihr habt immer zu klagen. Weil ihr die Sommerschulen so über die Achsel anseht, so verlieren sie allerdings den Kredit auch bei Eltern und Kindern. Wenn ich Sommerschulen besuchen will, so geschieht sehr oft von fünf Dingen eins: entweder hat die Schule noch nicht angefangen oder schon aufgehört, oder der Lehrer ist nicht da, oder er arbeitet etwas für sich, oder endlich Lehrer und Kinder gähnen einander an. Ihr klagt immer, ihr kämet mit so vielen Kindern nirgends hin; warum kömmt ihr dann im Sommer mit wenigen nicht umso weiter? Haben doch viele den Glauben, daß ein Lehrer mit zwei Kindern weiter komme als mit zwölfen, und mit zwölfen weiter als mit zwanzig. Je weniger Kinder also, desto größer die Fortschritte. Aber ich will euch sagen, Schulmeister, warum es euch so unbehaglich ist bei wenigen Kindern in der Sommerschule. Bei euern vielen Kindern im Winter herrscht ein gewisser Mechanismus; die Schule ist eine Uhr, die, wenn man sie alle Stunde einmal aufzieht, fast von selbst abschnurret.

Ihr braucht nur zuweilen mit dem Stecken auf den Tisch zu klopfen, zu reden, den Ton anzugeben oder von einer Ecke in die andere zu schießen, und immer sind Kinder da, die euch noch helfen, oder sogenannte Leithammel, welche die Herde führen. Im Sommer da ist es etwas anders; da ist dieser schnurrende Mechanismus zerstört; da müßt ihr die alleinige Triebfeder von allem sein. Da nimmt die Persönlichkeit jedes Kindes eure eigene Persönlichkeit, euer besonder Nachdenken, eure eigene Anstrengung in Anspruch. Da müßt ihr jeden Tag die Schule neu einrichten, nach den wechselnden Anwesenden, und müßt immer neu und geschickt bei einem Kinde da wieder anknüpfen, wo ihr es das letztemal gelassen. Da kann jedes Kind lebendig ergriffen, statt nur wie im Winter mechanisch fortgeschoben werden; darum kann die Sommerschule von unendlichem Nutzen sein. Nicht nur weckt sie die Kinder ganz anders; sie weckt auch den Lehrer, daß er nicht einschläft, sondern vielmehr jeden Winter als ein Neugeborner wieder zur Schule kömmt. Sie gibt ihm Gelegenheit, mit den Kleinen besonders sich abzugeben, ihre Sinne zu üben, ihr Urteil zu bilden, ihre Aufmerksamkeit zu fixieren, ihre Kräfte in Thätigkeit zu bringen. Aber ja eben deswegen ist sie vielen Schulmeistern zuwider, weil sie gar nicht anders schulzuhalten wissen, als nach dem alten Schlendrian. Und andere bessere gaaggen diesen nach und nehmen sich nicht die Mühe, über diese Sommerschulen nachzudenken, das alte Vorurteil anzugreifen; sie halten diese Schulen auch nach dem alten Schlendrian und schimpfen darüber nach altem Brauch. Wenn sie nur eine halbe Stunde darüber vernünftig nachdenken würden, so würden sie mit ganzer Seele und ganzem Gemüte bei den Sommerschulen sein; denn nur diese könnten ihnen gute Schulen machen mit gutem Fundament. Und das rechte Fundament seien gerade die kleinen Kinder, welche gewöhnlich einzig die Sommerschulen besuchen.«

Das Erziehungs-Departement werde das gemeint haben, als es diese Verfügung getroffen, sagte ich.

»Allerdings,« sagte der Schulkommissär, »liegt in der Verfügung des Departements eine tiefe Weisheit; nur hatte es sich nicht verdrießen lassen sollen, diese Weisheit etwas besser in Bezug auf den gegenwärtigen Zustand der Sommerschulen, ihren Zusammenhang mit den Winterschulen, zu erklären. Man muß dem Nachdenken von Oben herab zuweilen zu Hülfe kommen. Aber das Departement ist so viel mit Lumpereien überladen, daß es den innern Zustand der Schulen und den Gang ihrer Entwicklung zuweilen aus den Augen zu verlieren scheint. Es ist sich auch nicht zu verwundern, wenn man über dem verdammten Zanken, womit man fort und fort das Departement belästigt, die Hauptsache aus den Augen verliert, nämlich die Kinder.«

So hielt ich in Gottesnamen Sommerschule auf Leib und Leben allemal, wenn ein Kind kam. Ich muß bekennen, es kam mich schwer an; allein nach einiger Überwindung fühlt ich doch, daß Kinder in derselben den Knopf aufthaten, von denen ich es nie erwartet hätte. Ja, je mehr Schule ich hielt, desto mehr Kinder kamen, hatten einen ordentlichen Trieb dazu und die Eltern sagten nur: es düeche se, die Ching heige nie so glert.

Da kam mitten in das wieder recht munter werdende Schulleben die Taxation jedes einzelnen Schulmeisters heraus, gestützt auf das im Februar erlassene Gesetz. Das wirkte fast auf das gesamte Schulleben wie ein Schlagfluß, wenigstens in den untern Landen; es war wie ein Reif, der über tausend schöne Blüten ging; es war wie ein Kübel kaltes Wasser in aufglimmendes Feuer.

 

Es zuckte in den Schulmeister-Seelen, wie feuriges Eisen in kranknen Hüften (Moxa). Es riß die Decke von einem Abgrunde, den die Hoffnung mit blütenreicher Decke verkleidet hatte. Eine Masse von Lehrern war nicht fähig erklärt, das Minimum, sage 150 L., zu beziehen, eine andere Masse war bildungsunfähig erklärt unbarmherzig. Das ging tiefer als kalter Stahl in die Herzen, besonders in Väter- und Mütterherzen, die fünf hungrige Kinder kleiderlos und bildungsbedürftig um sich sahen, die Schulden auf den Schultern hatten und am Abzahlen sich umsonst abgequält, im Gegenteil die Schuld täglich größer gemacht hatten. Das Resultat des Examens war eine gränzenlose Demütigung für unsern ganzen Stand. Da konnte man uns mit Recht singen: Üsi Tante Dorothee mit ihren längen Füßen, ist siebe Jahr im Himmel gsi, het wieder abe müeße. Das Resultat des Examens war im Ganzen kein ungerechtes; es war ein Spiegel, der uns zur Besinnung bringen sollte. Das Departement hätte kein trefflicheres Mittel wählen können, um sich uns gegenüber glänzend zu rechtfertigen und uns ein zentneriges Schloß an den Mnnd zu hängen, Aber die Anwendung dieses Resultats auf unsere Besoldung, die war hart und mußte eine große Anzahl von uns in den Augen unserer Gemeinden furchtbar herabwürdigen. Übrigens war auch die schlechte Besoldung Schuld, daß mancher nicht geschickter war, und so lange er nicht ungesorgter das tägliche Brot bekam, konnte er nicht geschickter werden. Aber eben so furchtbar, als die Sache selbst, war die Gleichgültigkeit, mit welcher das Volk dieses Gesetz aufnahm; niemand schien sich für uns zu rühren. Es war ein furchtbar Zeugnis, daß den Boden unter unsern Füßen wir uns selbst untergraben durch unser Aufbegehren, zu dem man uns aber verleitet hatte. Nun mußten wir die Suppe ausessen und man bedachte in der Strenge gegen uns nicht, wie leicht es ist, Menschen, die bis dahin nicht beachtet waren, durch Schmeicheleien über das Kübli zu büren.

Wehrdi hatte mir schon lange sein Mißfallen über das Treiben der Schulmeister und über ihr Hochdreinreden zu erkennen gegeben. Er gab zu, daß wir bis dahin stiefmütterlich gehalten und zu schlecht bezahlt worden, obgleich er noch vielerlei zu sagen wußte, wie man an manchem Ort besser hausen und weniger den Musjö machen könnte, und wie man nicht gleich alles anzuschaffen brauche, wonach es einem gelüste; und wenn man in der ledigen Zeit verständiger wäre, so hätte man es auch im Ehestand besser. Aber auf diese Weise kämen wir gar nicht dazu, sondern erleideten den Leuten wie kaltes Kraut, und wie groß man uns mit Worten gemacht, so klein mache man uns mit der That, Wenn wir die Behörden erbitterten, auf wen wir uns denn eigentlich verließen? Etwa auf das Volk, das jeder Großratsheld im Munde führe? Wie wir mit dem Volk stünden, sollten wir doch afe wissen; das hätte uns ja schon lange mehr geben können, wenn es gewollt; reich genug sei es und niemand hätte es gehindert. Aber gerade das Volk in seiner Mehrzahl (Verständige nehme er aus allenthalben) wolle nicht, daß wir uns erhüben. Es hätte uns schon lange erheben können, wenn es gewollt, und wenn ein Schulmeister sich selbst erhebe, so solle man nur sehen, wie das Volk ihn niederzudrücken suche, ihm auf die Nase gebe. Die Behörden hätten also, wenn sie uns auch den Brotkorb hoch hielten, das Volk für sich, und gegen sich, wenn sie durch Geld den Stand zu heben suchten. Denn man solle nur sehen, wie Neid und Ärger das Volk durchzucken würden, wenn man jedem Schulmeister 100 oder 200 L. mehr als bis dahin geben würde.

Ich wollte dieses anfangs gar nicht glauben und verließ mich lange auf das Volk, bis ich verlassen genug war.

Am Morgen, nachdem ich die Hiobspost empfangen und mir das Herz von der halb schlaflosen, halb schwer durchträumten Nacht so recht krank war, daß ich nichts z‘Morgen essen mochte, sagte mir Mädeli: »Lauf e wenig da ume, du vrgissisch‘s öppe, oder gang zum Wehrdi, er weiß dr o öppe-n-e Trost oder e Rat.« Mädeli traf meinen Wunsch auf das Haar, als ob es mir im Herzen hätte lesen können; ich hatte ihn nur nicht aussprechen mögen, um Mädeli nicht alleine zu lassen; denn ich war überzeugt, es hatte den Jammer so gut im Herzen als ich. Da es mir aber so freundlich entgegenkam, mir versicherte, daß es heute recht gerne alleine sei, es hätte auch vieles in sich zu verwerchen, und Gott helfe ihm dazu am besten, wenn es in der Stille für sich sein könne, so machte ich mich auf den Weg.

Es war ein heller, warmer Sommermorgen und lustig johlten die Schnitter auf den Feldern. Und eilenden Schrittes sah man schlanke Mädchengestalten durch den wallenden Roggen schlüpfen die Fußwege entlang. Auf ihren kecken Nacken trugen sie unbeschwerlich schwer gefüllte Körbe, aus geschälten Weiden zierlich geflochten. Wenn nun ein Mädchen und sein Korb einem Haufen Schnuter heraneilend erschien übers hohe Korn hinaus, dann erhob sich ein gewaltig fröhlich Jauchzen, das auf hundert Ackern widerklang. Da eilte das Mädchen noch eiliger, und röter wurden seine Backen; unter den hundert Stimmen hatte es die erkannt, die so oft leise flüsterte unter seinem Gadenfenster. Unter den großen Apfelbaum eilte es, der als lebendiges, blühendes Zelt gepflanzt war am Ende des Ackers. Schon hatte ein vierschrötiger Bursche die Sense fallen lassen; das Steinfaß haltend mit dem lärmenden Wetzstein, sprang er über die Zatten weg und half dem Mädchen mit kosendem Blick den Korb niedersetzen ins feuchte Gras. Und während diese die weiße Zwächele abhoben und auspackten den nährenden Brei oder die duftenden Schnitze, die Milch z‘wäg stellten, das mächtige Brot zur Hand, und Gabeln und Löffel darlegten, kam das Schnitterheer daher hungerig und schächerend, lagerte sich rings um die Kübel und Kacheln. Und munter griffen sie in die derbe Kost, und munter würzten sie jeden Löffel mit einem derben Witz, daß das Gelächter weit hinschallte durch das Feld und es auf dem Felde klang, als wenn jeder Acker lebendig geworden wäre und lustig dazu und nun lachte aus mächtiger Kehle. Und beschwerten Gemütes und gesenkten Hauptes schlich ich durch die Fröhlichen hin, und mir ward, als wäre heute die ganze Welt mir zu Spott und Hohn so lustig erwacht. Da gedachte ich, wie ich vor vielen Jahren auch so durch ein Feld voll Leute gegangen, aber wie ganz andern Sinnes, wie aufgeregt damals und übermütig die arbeitenden bedaurend; und wie ich damals ein frevelnd Lied gesungen und ich von lauter Voressen geträumet und Pasteten und Datern, während die andern Erdäpfel aßen. Daran dachte ich und wie es nun anders geworden im Laufe der Jahre, ich ein gebeugter Mann, mutlos wie ein Greis, meine Umstände notvoll, meine Aussicht eine immer sich verdichtende Finsternis bis zu des Grabes Nacht. Und nun noch das Spotten und Lachen rings um mich, das mir klang, als gelte es mir, füllte mein Herz noch mehr mit Gram und Groll. Auslachen wollte ich mich wenigstens nicht mehr lassen, wollte fort aus dieser Gegend, wo die Leute kein Gefühl, kein Mitleid, keine Dankbarkeit hätten, wollte in eine andere Gegend ziehen, wo vielleicht bessere Menschen seien und besserer Lohn. Ach Gott! ich kann nicht sagen, wie bitter ich ward über die Leute. Und von diesen fröhlichen Leuten allen hatte keiner mich beachtet; Benz hatte Trini gesehen und Bäbi Hanse, und über Benz und Trini, Bäbi und Hans war gelacht worden, aber nicht über den armen Schulmeister. Aber der Mensch bezieht gewöhnlich alles auf sich, und der Unglückliche alles unglücklich. Könnte er es umgekehrt, so wäre auch sein Unglück umgekehrt.

Bitter und durstig kam ich endlich zu Wehrdi, der in weißen Hosen und weißem Hemde und seinem schwarzen Gesicht sich wunderlich ausnahm unter einem grünen üppig jungen Baume voll prächtigrot sich streifender Äpfel, den er sorgsam unterstützte und einzelne Äste aufband mit Strohbändern. Mein Herz war so voll, daß ich dem über meine Ankunft Verwunderten, noch während er das letzte Strohband anzog, mein Schicksal erzählte und meinen Vorsatz, weiter zu gehen und eine bessere Schule und bessere Menschen zu suchen.

»Was meint ihr, Schulmeister,« fragte Wehrdi, der bis dahin nichts gesagt hatte, als er fertig war mit seiner Arbeit, »wie alt ist dieser Baum?«

Ich erriet fünfzehn Jahre, da er wirklich prächtig gewachsen war.

»Nein, Schulmeister, der ist erst zwölf Jahre alt,« sagte Wehrdi.

»Da muß es wohl für ihn sein auf diesem Platze,« entgegnete ich.

»Es mag sein, aber im Herbst oder im Frühjahr werde ich ihn doch versetzen,« antwortete er.

»Aber warum doch?« fuhr ich lebhaft drein, »er trägt so schön! Wollt ihr ihn versetzen, dann müßt ihr ihm stumpen Äste und Wurzeln; dann wißt ihr nicht, ob er nicht verdorret auf seiner neuen Stelle, wißt nicht, wie lange er serben muß, bis er z‘weg kommt. Im günstigsten Fall kriegt ihr drei Jahre lang keine oder wenig Frucht von ihm und fünf oder sechs Jahre geht es, bis er so viel trägt wie jetzt. Und was auch noch zu bedenken ist: auf der Stelle, wo dieser Baum steht, kömmt vielleicht nicht so bald ein neuer Baum fort, oder sie behagt ihm wenigstens nicht recht, oder er dem Boden nicht.«

»So, Schulmeister,« antwortete Wehrdi, »kennt ihr das auch? das hätte ich euch nicht zugetraut, ihr redet ja recht gescheut darüber.«

»Glaubt ihr denn, ein Schulmeister sei nicht auch vernünftig und kenne nichts von dem, was ja jedes Kind weiß?« grollte ich ihn an. »Aber so hat man‘s mit uns. Man gibt uns nichts, man gönnt uns nichts, man glaubt uns nichts und wenn mir am Ende etwas gescheutes sagen, so thut man aus Bosheit, als ob man darob vor Verwunderung auf den Kopf stehen wolle.«

Da lachte Wehrdi wie ein Kobold und rief endlich, als er den Atem dazu erhielt: »O Schuelmeisterli, Schuelmeisterli, berst doch nit vor lauter Kyb. Du gute Seele! ich weiß wohl, daß ihr Schulmeister Gelehrte seid und Köpfe habt wie Kasernen, und daß ihr alles wisset und alles erklären könnt vom Turmbau zu Babel weg bis zur Errichtung des neuen Jerusalems. Aber daß ihr in aller Gelehrsamkeit keine gesunde Anwendung machen könnt, daß ihr nur das Tote begreift und nicht das Lebendige, und daß ihr keine der Erscheinungen rund um euch, die Christus durch seine Gleichnisreden geheiliget hat, als lebendige, nie ruhende Offenbarungen Gottes auf euch beziehen, seine Stimme nie hören könnt, die Nacht und Tag ausgeht in alle Lande, das ist‘s was einen bald lachen, bald weinen macht. Aber eben habt ihr in all dem gegenwärtig verbreiteten Gifte den harmlosen, einfältigen Sinn nicht mehr, der zu dieser Auffassung nötig ist.«

Ganz verblüfft stund ich ihm gegenüber und sagte: da müßte ich doch keine andere Anwendung zu machen, als daß er das Baumgärtnerm nicht verstehe, wenn er seine Bäume im schönsten Wachstum versetzen wolle.

»Könnt ihr dann das nicht auf euch beziehen? habt ihr auch nur Augen um zu sehen, was auf andere geht, und das nicht zu sehen, was euch beschlägt? Schulmeister, ihr seid Baum und Gärtner in einer Person. Ihr seid jetzt noch länger im Boden zu Gntiwyl eingewurzelt, als dieser Baum auf dieser Stelle. Ihr seid gut eingewurzelt, in die Eigentümlichkeit der Leute habt ihr euch eingewohnt, sie achten euch mehr oder weniger. Ihr plaget sie nicht, seid im Ganzen nicht so aufbegehrisch wie andere. Eurer Frau thut jedermann gerne etwas zu gefallen. Die Kinder, die ihr erzogen habt, lieben euch. Es ist manches in ihnen geweckt worden, sie wissen wohl, sie haben es euch zu verdanken und haben Respekt vor euch. Fast in jedem Hause habt ihr ein solches Kind als Fürsprech, habt also Wurzeln gefaßt überall, habt mehr oder weniger Einfluß auf alt und jung; und wenn ihr und der Pfarrer zusammenspannet und unvermerkt und ohne Posaunenstöße an euren Gytiwylern arbeitet, so seid überzeugt, es kann aus Gytiwyl etwas werden. Aber wie es dort schwerer Boden ist und die Arbeit schwer in demselben, so sind auch die Gytiwyler zäch und bedürfen harter Arbeit, ehe sie urbar sind. Aber es ist kaum ein Boden, der nicht urbar zu machen wäre, und je härter die Arbeit war, desto schöner sind meist auch die Früchte. In eurer Schule kennt ihr alle Kinder, sie kennen euch, und manchen guten Faden habt ihr da angesponnen.

»Das ist‘s eben nun, was die, welche des Volkes Gärtner sein sollen, nicht fassen und nicht nachhaltig sind in der Arbeit, und herumfahren im Lande wie die Wespen in einem Birenbaum. Alle Augenblicke reißt sich ein Lehrer aus dem Boden, auf dem er steht, stumpet, entwurzelt sich, zerreißt alle Faden, alle Verhältnisse, zerstört damit die Hälfte seiner Arbeit wieder, läuft einer andern Arbeit zu; und wie lange geht‘s da, bis er wieder angewachsen, bis er nur weiß, wo und was er anfassen soll? Und warum laufen sie so im Lande herum? Einige Kronen Lohn, ein Webkeller, ein größerer Garten, eine Stube mehr, oder nur Mißmut, Leichtsinn oder eine böse Rachbäurin treiben zu diesen heillosen, selbstgemachten Verpflanzungen. Hiervon sind auch die Pfarrer nicht frei; auch ihrer viele fassen die große Wahrheit nicht auf, daß das Versetzen für ältere Bäume sehr gefährlich sei, für wenige heilsam und allemal auf lange das Tragen der Früchte hemmt. Wie würde es wohl in dem Baumgarten aussehen, in welchem man alle Bäume alle zehn oder fünfzehn Jahre versetzen würde? Wäre wohl in einem solchen Garten ein gewaltiger Baum, mächtig in den Ästen, weithin Verbreitend seine Wurzeln und kühn den Stürmen trotzend? In einem solchen Garten wären lauter Bäume, die kaum ihr Leben zu fristen vermöchten mit ihren verstümmelten Asten und Wurzeln. Ihre Früchte würden sparsam sein, ihr Aussehen ein trauriges, und jeder Winter würde toddrohend sein dem armen Baume, der in dem ungewohnten Boden nicht zu frischen, frohen Säften kommen kann.

 

»So sieht es aber mehr oder weniger aus unter den Lehreren. Da ist selten ein mächtiger Stamm, stark, schön und alt, gepflegt und bewundert; denn selten einer hat sich nicht selbst verstümmelt, selten einer ist da geblieben, wo er zuerst anwuchs mit seinem jungen, raschern Blute, und reiches Leben spendete und in sich sog. Er riß sich los, verblutete zuletzt, und der Rest des alten, trägen Blutes will nicht mehr rechtes Leben fassen, wie es auch nicht gerne mehr alte, gebrochene Glieder zusammenleimt. Das ist dann ein Serben und Kränkeln; der Boden klagt den Baum an, der Baum den Boden, bis der arme Baum tot in sich selbst zusammenfällt, unbeweint und uuvermißt; denn auf feine Stelle hat man schon lange gepaßt für einen jungen Baum, der auch Früchte trage. Und weil es so ist, Schulmeister, so kömmt man nicht vorwärts, und dann sollen die Leute daran schuld sein; unverbesserlich schiltet man sie, leichtsinnig. Es ist wahr, mich machen die Bauren alle Tage wild, aber auch die Lehrer, eben weil sie nicht nachhaltig genug, unvermerkt und still an den Bauren arbeiten; weil auch sie selbstsüchtig sind und nach ihrem Gelüsten, oder weil an einem andern Orte die Frau den Brunnen näher hat, herumlaufen; und dazu noch eifersüchtig auf einander, daß keiner da anfangen will, wo der andere es gelassen, sondern jeder für sich etwas Apartigs anfangen, allein weise sein will. Was soll da herauskommen, wo keiner des Vorgängers Arbeit fortsetzt, sie vielleicht frevelnd zerstört, seinen Ruhm suchend und nicht bedenkend, daß der nie welkende Ruhm nur der sei: ein treuer Knecht des großen Meisters zu sein, der auch nicht seinen Ruhm suchte, sondern nur den des Vaters?

»Nein, Schulmeister, laufet mir nicht von Gytiwyl fort,« schloß er, »sonst halte ich gar nichts mehr auf euch. Fasset mein Gleichnis zu Herzen; es trifft wohl, wie noch tausend Bilder, die Gott in der Natur aufgestellt hat, treffen würden, wenn der Mensch Augen dafür hätte.«

Damit führte er mich an den Schatten hinter seinem Häuschen und nahm mich genauer auseinander über meine Umstände und meinen Gemütszustand. Er fand diesen mutlos, fand, daß besonders die Liebe zu den Meinen mich mutlos mache. Ich hätte meine Frau so lieb und sie hätte so bös, und ich vermöchte ihr so selten eine Halbe Wein oder ein Paar Strümpfe zu kramen. Denn in Schulden stecke ich; die Orgel sei noch immer nicht bezahlt, und die Wiederholungskurse hätten mich auch zurückgebracht. Meine Kinder wüchsen auf; der Bube sei ein heiterer Kopf, wolle aber nicht mehr gehorchen; wir wüßten nicht, wie das käme. Mädeli sage immer, das komme daher, weil ich ihn zu viel brauche und Meister lasse in der Schule; so meine er auch Meister sein zu können im Hause; Zeit wäre es, ihn etwas lernen zu lassen, doch Geld hätte ich keines dazu.

»Macht eine Bittschrift an den Großen Rat,« warf Wehrdi ein, »Ihr wollet Euren Buben zu einem Stenographen oder Geschwindschreiber bilden, der alles Grobgesagte feile und alle unbedeutenden Äußerungen als Weisheiten niederschreibe, damit alles repetierlich vor die Welt komme, was unrevetierlich im Großen Rat ausgepackt wurde, so geben sie Euch einen Lehrlohn so groß Ihr wollt, und später kriegt er einen Lohn größer als ein Professor an der Hochschule, deren einige die Radikalen zum Teil nur halten wie die Patricier die Bären im Bärengraben, um sie brummen zu hören und füttern zu können, und weil es in die Annalen von Bern käme, daß Bären oder Professoren, die man freilich zu nichts gebraucht hätte, aus schnödem Eigennutz der traurigen Richtung unseres Zeitalters abgeschafft worden.«

Ach Gott! Mir war nicht um zu spaßen, und was gingen mich die Bären und die Profesforen an? Ich fuhr daher in meinen Klagen fort und bekannte zwar, daß ich das Gleichnis wegen dem Baumversetzen begreife, aber daß man doch für sich sehen müsse, es sehe sonst niemand zu einem, und daß ich nicht glaube, daß mein Weggehen zu Gytiwyl so fühlbar wäre. Einmal mir hätte niemand gar Freundschaft gezeigt und dergleichen gethan, als ob ihm gar viel an mir gelegen sei.

Da meinte Wehrdi: ob ich denn meine, daß die Gytiwyler gegen mich anders sein sollten, als gegen andere Leute? Die hätten ihr Lebtag noch gegen niemand zärtlich gethan. Und wenn ich gehen wollte, so würde mir sicher auch kein Mensch anhalten, sondern sie würden sagen: »Mira, we d‘ nit blybe witt, so ghey di; mr wen di nit zwänge; es git öppe Schumeister gnue.« Es würde also auch hier, wie an manchem andern Ort, ein Schulmeister übel ankommen, wenn er den Bündel vor die Thüre werfen wollte unbesonnen. »Aber sie würden euch doch vermissen und sich untereinander sagen: »Es isch doch lätz, daß er gange-n-isch, mr überchöme nit grad e fertige; es isch mit de Schumeistere-n-o, nüt z‘säme zellt, wie mit de Chüehne, es git dere gnue, aber es isch nit eini wie die angeri, es git gueti u bösi. Und manches Kind würde weinen, und manches würde in tiefem Instinkt es euch grollend nie vergessen, daß ihr etwas in ihm angeregt und jetzt es verlasset mutwillig, wie ein thorrechter Ackersmann ein Feld, durch das er Furchen gezogen, aber davongelaufen ist, ohne zu säen und des Samens zu warten.«

»Aber um Gotteswillen, Wehrdi, was soll ich anfangen? So kann ich nicht bleiben. Ich und meine Frau und meine Kinder gehen zu Grunde, und kein Mensch nimmt sich unser an; es ist gerade, als wenn noch alle Leute Freude hätten an unserm Elend. Wie soll ich mit bald fünf Kindern auskommen mit meinem Lohn? Rechnet man die Kleidung : Hemde, Strümpfe, Schuhe x. per Kind nur zu 6 L. und unsere Kleidung zu 6 L., so macht das zusammen schon 42 L. Wer will um dieses Geld einen Menschen kleiden? Und doch nimmt es mir schon fast die Hälfte des Einkommens weg. Dann haben wir noch nichts in die Haushaltung angeschafft, haben nicht gegessen; und rechne man doch, was sieben Personen im Jahr für Milch und Brot brauchen. Wenn man nur zwei Pfund Brot und eine Maß Milch täglich für alle rechnet, so macht das wieder über 100 L., also mehr als mein Einkommen, und doch haben wir damit noch bei weitem nicht alles, weder Schmutziges, noch Mehl, noch Kaffee, und dieses käme leicht auch auf 40 L. per Jahr.« Er solle nur rechnen. Und nun noch immer mehr Schule, immer weniger Zeit, etwas nebenbei zu verdienen; ich hätte weiß Gott wie lang an einem Wubb; »wenn man nur so dazu und davon kann, so geht es gar nicht von der Hand. So gerne möchte ich allen Fleiß anwenden in der Schule, möchte darüber nachdenken, wie es am besten zu machen sei, möchte Geschichten und Beispiele ersinnen, um den kleinen Kindern die Liebe Gottes und sein weises Walten recht anschaulich und eindringlich zu machen. Ach Gott! Und wenn ich sinnen will, so steht der leere Milchhafen vor meinen Augen; mich plagt die Angst, wer ihn mir füllen will. Ich sehe durch die dünnen Höschen die blauen Beine meiner Kinder und den Krämer, der für sie noch das Geld will. Wenn mein Frauchen das Mehl röstet für die gewohnte Wassersuppe, so höre ich durch sieben Thüren durch seine stillen Seufzer und sehe es mit dem Finger über die Augen fahren, als ob der Rauch es brenne. Wenn das einem beständig vor Augen schwebt, wer will da Schule halten von ganzer Seele, ganzem Gemüte und mit allen Kräften? O Wehrdi, ihr könnt euch, weiß Gott, nicht vorstellen, wie es einem Vater ist, wenn er seine gesunden, munteren Kinder mit gesundem Hunger am Tische essen sieht wie junge Wölfe, wenn er ihnen alles so von ganzem Herzen gönnt und doch die Angst sein Herz zerreißt, daß sie mehr essen, als er ihnen zu geben vermag. Ihr könnt nicht glauben, wie es mir manchmal ist, wenn sie alle um die Mutter stehen und so glustig aufsehen auf sie und das Brot, das sie in der Hand hat, um jedem ein klein Stücklein zuzuschneiden; wenn ich sehen muß, wie es in der Mutter ringt, das Messer ein klein wenig tiefer gehen zu lassen, und wie sie sich Gewalt anthun muß, den Schnitt zu verkürzen, wie sie mit immer wehmütigerem Blick die kleinen Stücke herumreicht und mit lieben Worten die Kinder vergessen machen will die kleinen Stücke. Und wie die Kinder im Hui fertig sind damit und traurig die Mutter ansehen, und die Mutter dann mit freundlichem Gesichte ein lustig Liedlein zu singen versucht, während ihr Herz weint; weiß Gott, Wehrdi, das will mir manchmal das Herz zerreißen, und ich muß aus der Stube fort und an verborgenem Orte weinen wie ein Kind. Kein Mensch will unsere Lage recht begreifen; wenn mir davon reden, so redet man mit fühllosem Sinn von fleischlichen Gelüsten, und wenn andere zu unserm Besten reden, so dünkt es mich immer, sie hätten Harz im Munde und brächten es deswegen gar nicht in Gang. O, wenn ich doch nur einmal dazu käme, denen, die etwas zu befehlen haben, das alles so recht sagen, unsere ganze Lage ihnen vor Augen führen zu können, ihnen zeigen zu können, wie tiefes Elend, wie tiefer Herzenkummer verborgen liegt hinter dem sogenannten Schulmeister-Mütli, das man wohl in seiner jungen, dummen, ledigen Zeit hatte, von dem spater aber nur der unglückliche Schein geblieben. Wenn ich ihnen handgreiflich zeigen könnte, daß wir in dieser Lage nie werden könnten, was wir sein sollen; daß in diesem Elend durch schlechte Speise die körperliche Kraft, durch den Kummer die Unbefangenheil der Seele verzehrt, gestört wird; daß man dem Volk die Verbesserung unserer Lage nicht überlassen kann, denn an den meisten Orten hat es keinen Sinn für uns; daß man uns doch billigermaßen nicht einzig und allein in unserem Vaterlande zumuten könne, Märtyrer der guten Sache zu sein, während so gar niemand uns dazu das Beispiel giebt, und dafür gesorgt worden, daß alle andern, die dem Vaterland dienen wollen, so bezahlt werden, daß weder Hunger noch Durst ihrer Vaterlandsliebe zu Leibe kommen kann; daß es doch wahrhaftig nicht billig sei, daß Professoren, die nicht zwei oder drei Studenten zusammenbringen können, 2 bis 3000 L. Einkommen haben, während Schulmeister, die bei 200 und mehr Kindern schwitzen, mit 100 und weniger L. abgespiesen werden —!«