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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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»Daß sie nicht eigennützig seien, wollen sie zwar immer aus dem Sammeln von Schätzen beweisen, die sie doch hätten verthun können: dieser Beweis gibt den besten Begriff, wie weit sie es in der Logik gebracht und von ihrer Einsicht in gemeiner Leute Verstand. Sie haben allerdings Schätze gesammelt als kluge Haushalter, haben nicht thorrecht alles verthan in unsinniger Verschwendung, wie in andern aristokratischen Kantonen; aber dies war eben die berühmte bernerische Klugheit, die Klugheit des Hausvaters, der nicht alles verthut, aber nicht deswegen, um das Ersparte dem Gesamtwohl zukommen zu lassen, sondern um sich mehr Gewicht zu geben, günstige Zeiten günstig anwenden, böse Zeiten mit Geld unschädlich machen zu können. Als sie die Staatseinkünfte verteilt hatten, bis es jeder wohl und standesgemäß erleiden mochte, da verschwendeten sie das übrige nicht, sondern legten es zurück, aber wohlverstanden nicht als Landesschatz, sondern als Familienschatz, um ihr Regiment aufrecht zu erhalten. Sie wußten wohl, was man mit Geld machen kann, ja sie meinten, mit Geld alles machen zu können. Darin irrten sie sich. Als ihren Familienschatz die Franzosen genommen, als sie im Jahr 1814 nicht viel mehr vorfanden, da war ihr denkwürdigstes Unternehmen: mit dem Burgergut von Bern das Fundament ihres Familienschatzes zu legen; denn einen solchen glaubten sie sich unentbehrlich, wie sie es ehrlich selbst bekannten. Es gelang ihnen nicht ganz, sondern nur insoweit, dieses Burgergut zu Pöstlein für ihre hungerigen Leute, die im Staatsdienst nicht angestellt werden konnten, zu verwenden, und die Verwaltung so in ihre Hände zu kriegen, daß sie im Fall der Not doch alles mögliche mit dem Vurgergut für ihre Zwecke machen konnten, der Bürger aber nichts, als höchstens um die Bannwartenstelle sich zu bewerben.

»Während diese nun auf solche Weise sich konstituierten, thaten es alle Ortschaften auf gleiche Weise. Der Kanton Bern glich einem zerschlagenen Kristall; die Stücke waren wohl größer und kleiner, aber alle hatten die Kristallbildung. In jedem Örtchen war eine Aristokratie; manchmal freilich bestund sie nur aus einem, und der eine oder die vielen nahmen den Hochmut und den Eigennutz der höhern Aristokratie an auf die lustigste Weise; denn der Geist von oben flieht nieder auf das Volk. So konnte das Söhnlein eines solchen einem Knecht, der einen verbotenen Weg nicht fahren wollte, zurufen: »Fahr du ume zue, i bi guet drfür, es seyt niemer nüt, my Vater ist dr Napoleon z‘E. Diese kleinen Aristokratien wurden von der großen anerkannt, geschont und gehätschelt. Es gehen Sagen durchs Land, daß Mitglieder der Landesaristokratieen meinen gnädigen Herren den Strich verzinseten, d. h. von Verbrechen, die mit dem Tode bestraft worden, sich losgekauft, daß Untersuchungen absichtlich fruchtlos gemacht wurden. Ja, man sah Beispiele, daß Landvögte, welche die reiche untere Aristokratie drücken wollten, tüchtig von oben zurecht gewiesen wurden. Diese untere Aristokratie wurde in der Helvetik ausgelassen, in der Mediation befestigt und während der Restauration, nachdem sie mit Rekruten vermehrt worden war, einige Zeit freundlich behandelt; denn sie ist es, welche dem Patriziat gegen die übrigen Bürgerschaften des Landes seine Kraft gibt, nebst dem Gelde, das es sich sammelt.

»Früher lebte die hohe Aristokratie auch auf dem Lande und ließ während dieser Zeit sich zum Volk herab, zog die Angesehnsten zu Tische, oder jagte mit ihnen einen Hasen, oder half dem einen oder dem andern zu Gelde x. Nun wird dieses nach und nach ganz anders. Der Grundbesitz der Aristokratie geht in andere Hände über, weil sie die Zeit, wo man nicht mehr mit der Faust, sondern mit dem Kopf erwirbt, nicht begreifen; ihre Personen werden fremder und immer fremder in dem Lande; ihre Namen verklingen immer mehr außerhalb den Mauren der Stadt. Zu gleicher Zeit drängt sich eine geheimnisvolle Macht an die Landesaristokratieen, untergräbt, zersprengt sie, fordert sie vor das Gesetz, straft sie unerbittlich. Ihr Hochmut wird gebeugt; andere freier gewählte Gemeindräte treten ihnen an die Seite, erheben sich über sie: ihr Eigennutz wird aufgeregt, alte Rechnungen werden untersucht und in Zukunft schnelle und getreue Ablage, eine eigene Verantwortlichkeit gefordert. »Während so die Dorfaristokratie aufgestöbert und erbittert wird, verfolgt die gleiche Macht die Repräsentanten der Stadtaristokratie, die aus dem Land sind. Die Landvögte erhalten ganze Stöße Wischer. Einer hat eine große Schublade anstellen müssen und manchen wirft er uneröffnet hinein. So züchtigt man die Oberamtmänner; aber man läßt sie doch auf dem Lande; man sendet nicht tüchtigere Männer; man sorgt nicht, daß bessere nachwachsen. Bloß wenn einer gar zu dumm ist, sendet man ihn nach Göttingen. Nicht damit er studiere, denn darum bekümmert sich niemand, sondern damit es heiße, er habe studiert. Davor hat man in Bern gewaltig Respekt. So stellen sie sich immer mehr in gewaltiger Blöße dar und die Leute verlieren allen Respekt oder wenigstens alle Furcht vor denen, welche sie so oft zurechtgewiesen sehen.

»Ich konnte lange dieses Thun nicht begreifen, konnte nicht begreifen, wie man in Bern so verblendet sein könne, sich selbst den Sitz unter dem H. wegzustoßen und sich alle Tage in seiner Schwäche und Unfähigkeit zu zeigen; denn eine Aristokratie muß sehr konsequent sein, so gut als der Papst; sonst ist ihr die Gewalt entflogen, sie weiß nicht wie. Eine dämonische Gewalt, sah ich endlich, hat sich der Aristokratie bemächtigt und treibt sie ihrem Sturze zu.

»Sie ist es, welche die Dorfaristokratieen zerstört und Hochmut und Eigennutz feindselig aufregt, die Stadtaristokratie vereinzelt und deswegen in desto grellerm Lichte erscheinen läßt. Während alle Verwaltungen öffentlich Rechnung geben müssen, ist die Verwaltung des Staatsgutes geheim und die des Berner Vurgergutes noch geheimer u. s. w. Ich kann gar nicht begreifen, wie unsere Herren in diese Falle treten konnten. Die möchte ich aber kennen, die den Herren mit der neuen Gesetzgebung den Lätsch an den Hals gelegt; denn das ist nicht von ungefähr geschehen, sondern dann liegt tiefe und feine Berechnung, gegründet auf solide Kenntnis des Menschen und des Landes. Seht! auch die haben eine böse regierende Kraft bei den Herren angeregt zum Guten, den Hochmut, der manchmal wie Großmut aussieht, oder, wenn ihr lieber wollt, ihre Eitelkeit, durch welche Mittel weiß ich freilich nicht. Dieser Hochmut regt wiederum rings auf dem Lande böse Kräfte an zum Guten; Hochmut wird den Hochmut bekämpfen und beide werden im Kampfe ihre schädlichen Kräfte verschwenden. Auch der Eigennutz wird ins Spiel gezogen und treibt den Landmann zu mehrerer Bildung, treibt ihn hinter die Gesetzbücher und da gibt sich ihm nach und nach die Fähigkeit, zu verstehen, was er liest. Und wenn, wie es scheint, auch die Einsicht zu ihm dringt und er sie besser zu würdigen weiß, als das Patriziat: daß man mit dem Kopfe etwas zu verdienen Vermöge, so wird es in unserm Lande nach und nach wunderlich zugehen und man wird am Ende nicht mehr wissen, wer Koch und wer Kellner ist. Es werden sich eine Menge Kräfte entwickeln, und was sie dann ausrichten und in welcher Richtung sie thätig werden, oder ob eine sich erhebende kräftige Hand von oben sie in Zaum und Zügel nehmen werde, wissen wir nicht.

»Das, meine lieben Leute,« sagte der Pfarrer, »scheint mir die Gräbdgeschwätze so wichtig zu machen; denn sie zeugen davon, daß eine beabsichtigte Revolution bereits begonnen ist; aber listigerweise hat man diese Revolution in so unendlich kleine Teile zerbröckelt, daß sich nicht nur niemand ihrer achtet, sondern daß sie noch manchen sorglosen Junker ergötzt, ja daß er selbsten zu diesem ergötzlichen Spiel mit der größten Luft die Hand bietet; denn diese Revolution geht von Dörflein zu Dörflein, und des Jammers der Dorfmagnaten lachen die Stadtmagnaten, bis der Jammer auch an sie kömmt.« Ich saß da mit offenem Munde und konnte ihn gar nicht zubringen, nachdem der Pfarrer schon lange schwieg. Was ich da gehört, waren mir lauter böhmische Dörfer, und der Pfarrer kam mir akurat wie ein Wassergschauer vor, der da im klaren Wasser Dinge zu erblicken wähnt, die kein vernünftiges Auge sehen kann.

Der Wehrdi aber schien davon mehr zu begreifen. »Nun begreife ich,« sagte er, »warum die Bauren so über die Regierung und die Gesetze schimpfen, besonders über das Tellgesetz, das sie doch zu erleichtern scheint; und warum sie zugleich nicht alle mit Steuren belegen, wie das Gesetz sie berechtigt, sondern die Steuren auf dem Lande behalten. Sie wollen die Handwerker nicht an die Gemeinde; die könnten mit den Schulden-Bäuerleins gemeine Sache machen, deswegen ziehen sie keine Gewerbssteuer, und die armen verschuldeten Bauren müssen desto mehr teilen, aber dem fragen die Reichen nichts nach. Aber glaubet ihr dann, Herr Pfarrer, daß die Sache wirklich so ernsthaft ist? Unsere Bauren sind keine Helden; gegen eine Regierung, die pfänden und köpfen kann, lassen sie sich nicht nicht so bald auf.«

»Sie sind allerdings nicht schützig, wie die Luzerner oder die Seebuben, aber sie sind auch nicht vergeßlich; wenn einmal die Erbitterung in ihnen ist, dann passen sie auf eine Gelegenheit, ihr Luft zu machen,« erwiederte der Pfarrer. Sie werden bald sehen, wie stark sie im Lande werden. Denn wenn die tausend Dorfaristokratieen einmal einig sind, was will die Stadtaristokratie dagegen? Kein Menschenkind aber wäre im Stande gewesen durch Reden von Liebe, Friede, Vaterland und Bruderschaft sie einig zu machen. Darum ist‘s ein Meisterstück der Klugheit, daß die Aristokratie verleitet wurde, durch Anregung schlimmer Kräfte diese Einigung, ihre größte Feindin, selbst zu bewirken; denn die gemeinschaftliche Erbitterung verbindet nun, ehe sie es selbst wissen, tausend Dorfschaften, die bis dahin durch Neid und altangestammten und weislich genährten Haß auf immer getrennt schienen.«

 

»Aber, Herr Pfarrer, gefällt‘s euch denn, wenn die Bauren Meister werden?« sagte Wehrdi. »Ich bin zwar selbst ein Bauer, aber ich will mich doch lieber von Herren regieren lassen, als von Bauren; ich weiß aus eigener Erfahrung, was die können, wenn sie das Heft in die Hände kriegen. Ich gebe zu, das Patriziat regiert mit Hochmut und Eigennutz, trotzend auf eingebildetes Recht; aber beim Bauren werden die gleichen Untugenden zum Vorschein kommen; denn gerade diese Eigenschaften sind es ja nur, welche, wie ihr sagt, das Patriziat in ihm erregt. Was aber Baurenhochmut ist und wie plump im allgemeinen sein Eigennutz einherplampet, das weiß jeder. Der wird dann nicht einmal sparen, sondern erst wird jeder für sich nehmen wollen, soviel er kann, und was er nicht erhalten kann, das wird er verthun wollen, nur damit ein anderer es nicht kriegt.«

»Auf eure Frage könnte ich euch Nein und Ja sagen,« entgegnete der Herr. »Ein Baurenregiment im gegenwärtigen Baurensinn, das müßte z. T, ein lächerliches, z, T. ein furchtbar lästiges werden. Es werden auch Gemeinden gut regiert; aber in den meisten herrscht eine solche Despotie oder dann eine solche Uneinigkeit, ein solcher Eigennutz, Knauserei oder Verschleuderung, daß, wenn der gleiche Sinn der Sinn einer Regierung würde, es nicht auszuhalten wäre unter derselben, sie sich aber auch nicht halten könnte.

»Aber wenn es etwas neues gibt, so wird die neue Regierung aus allen Kämpfern gegen die alte zusammengesetzt werden, aus Bürgern und Bauren, und vor allem aus denen, die den bereits begonnenen geheimen Krieg eingeleitet haben. Hier sind doch viele edle und reine Kräfte: Männer die weder der Eigennutz noch der Hochmut leitet, sondern die Liebe zum Lande, welches so schnöde in der Entwickelung seines Lebens gelähmt wird. Die alle werden aber von den Alten ihre Hauptsünde erben: die Ausschließungssucht. Wie frei sich sich auch gestalten werden, etwas wird ausgeschlossen werden müssen von der Teilnahme an der Staatsverwaltung und wahrscheinlich wir; denn uns können die Advokaten am wenigsten leiden, aus bekannten Ursachen. Dann kommen ländliche und städtische Interessen hintereinander, und die Bürger, als die Schwächern, wird man zu verdrängen suchen. Die Advokaten werden besonders gegen einzelne kämpfen, die nicht gleicher Meinung mit ihnen sind, sondern ihnen zu Widerreden wagen. Aber am Ende würden auch sie von der Bauersami verjagt werden, wenn dieser Kampf hoffentlich nicht so lange dauert, bis etwas neues unterdessen neue Kräfte zum Kampfe bringt, die am Ende doch siegen müssen. Ich meine nämlich eine allgemeinere tüchtigere Bildung. Freilich wird sich auch hier die eigene Erscheinung zeigen, daß die Kraft, welche zu ihr hingetrieben, ihr die Richtung wird geben wollen, bis sie auch dem Grundgesetz unterliegt: daß aus dem Bösen das Gute wird. Der Eigennutz vorzüglich treibt die meisten zur Bildung jetzt, wie die Bauren an der Gräbd trefflich es ausgesprochen. Vor Schaden wollen die einen sich oder ihre Kinder wahren. Gewinnen wollen die andern; die Gringe sollen Höfe wert werden. Hier zeigt sich als die erste Frucht des Eigennutzes ebenfalls die Ausschließungssucht. Die, welche die Gewalt haben, werden nur ihren Kindern zu diesem Gewinn helfen wollen. Ehedem konnte man in den gewöhnlichen Schulen dieses bequem machen. Das Patriziat sorgte dafür, daß in den Schulen überhaupt wenig gelehrt wurde, und die Dorfaristokratie sorgte dann dafür, daß das, was sie für das vornehmste in dieser Lehre hielt, nur ihren Kindern zukam. Das läßt sich jetzt schon schwerer machen, was man vielen Pfarrern zu verdanken hat, und wird später noch viel schwerer zu machen sein. Daher wird man die gewöhnlichen Schulen so schlecht als möglich erhalten; die reichern werden ihre Kinder denselben entziehen, in besondern Anstalten sie erziehen lassen oder eigentliche Dorfaristokratenschulen stiften, wie man deren jetzt bereits an manchem Orte sieht. Dann wird der Eigennutz nur das lernen wollen, mit dem etwas zu verdienen ist, vor allem nicht deutsch, sondern weltsch. Denn man meint, es seien im Weltschland eigentliche Goldberge und Demantengruben für die Deutschen; weltsch sei der Schlüssel zu allen Geldkasten; weltsch helfe zu reichen Weibern und reichen Männern; weltsch helfe zum gut leben und gut haben, und wenn ein Bursche weltsch könne, so sehe man nicht mehr, daß er ein Lümmel sei, und wenn ein Schlärpli als Schlärpli wieder aus dem Weltschland komme, so dürfe es niemand mehr als Schlärpli ansehen, sondern man müsse von ihm sagen: es sei eine gebildete Tochter.

»Es ist, unter uns gesagt, nichts lustiger, als so ein ehemaliges Schlärpli und nunmehrige Tochter lismend durch das Dorf stolpern zu sehen, das Klungeli im Fürtuchsack. Man gehe dann hinzu und sehe, wie schwarz der Strumpf aussieht; denn eine solche Tochter kömmt selten in Jahresfrist vom Vörtli bis zu der Ferseren. Noch lustiger ist es, wenn sie einmal mit Rechen und Gabel auf der einen Achsel und mit der andern Hand ein Parisöli haltend heuen geht.

»Ferners wird man in den Schulen alles für überflüssig halten, was nicht zu der Bildung führt, die Geld einträgt unmittelbar, oder mittelbar dadurch, daß sie in die Regierung führt oder zum Handeln, mit einem Wort: zu Geld. Ja, wer weiß, ob man in diesem krassen Eigennutz nicht dahin kömmt, dah man die Fächer ordentlich abschätzt und auf den Punkt genau in Batzen oder Franken zu sagen weiß, wieviel dieses oder jenes Unterrichtsfach wert sei. Man wird vielleicht sogar dahin kommen, daß man für eine wöchentliche Unterrichtsstunde in der Mathematik die Hälfte mehr bezahlt, als für eine in der Religion.

»Aber auch hier hält sicher das Böse nicht Stich. Allerdings werden die ersten Früchte der sich verbreitenden Bildung wurmstichig sein, wie die ersten Äpfel, die ersten Zwetschen; wie eigentlich deren schon lange im Lande sichtbar sind und der Aufklärung einen so übeln Namen zuwege gebracht haben: verdrehte Rechtsagenten, ungläubige Halbherren und aufgeblasene Gewerbsleute, die über alles in der Welt schimpfen und doch zu nichts zu gebrauchen sind.

»Sobald aber einmal die Zeit der Reife naht, sobald man diese Bildung in ein förmlich System bringen will, dann sieht die Welt ihre Ungestalt, dann erschrickt man davor, dann siegt auch hier der gute Geist. Der erregte Hunger und Durst wird bessere Speise verlangen, die errichteten Anstalten werden mit einem andern Geiste erfüllt und wahrhaft geistige Bildung wird sich Bahn brechen in allen Ständen; denn der Bauer hat so gut Zeit, ein vernünftiger, denkender Mensch zu werden, als der größte Herr. Nur der Unterschied wird sich dann geben, daß der Herr viel weiß von der Kunst, und Gemälde und Bücher kritisch zu bereden weiß, der Bauer aber nichts davon weiß, hingegen viel von dem, was Gott schafft in und außer ihm. Und diese Bildung ist‘s, die dann mitten in den Kampf treten, der Ausschließungssucht ein Ende machen, den Kampf vermitteln, die Stände versöhnen und die Menschen vereinen wird. Denn der gute Geist ist immer stärker, als der böse; dieser ist nur des ersteren Diener, der beständig das Böse will und doch beständig das Gute schafft.«

»Herr Pfarrer, redet ihr da vom tausendjährigen Reich, wo der Löwe und das Lamm holdselig nebeneinander an der Quelle stehen? und glaubet ihr dann wirklich, daß es bald und auf diese Weise kommen werde?«

»Ihr seid ein Schalk, Wehrdi,« sagte der Pfarrer. »An das tausendjährige Reich, wie die Propheten es in Bildern darstellen, wie die Rabbinen es versinnlichen, wie die meisten Leute es sich denken, Jesus auf einem Schimmel reitend, glaube ich nicht. Aber an die Idee glaube ich. Au die Idee nämlich, daß die Welt nicht nur ein Narrensaal sei, an dessen Beschauung die Himmlischen sich ergötzen können, daß ein jeder einzelne nicht nur sei ein Eichhörnchen in der Trülle, das andern zum Vergnügen ringsum springen muß, bis es alle Viere von sich streckt. Ich glaube, daß der einzelne zu einem höhern Leben sich hier heranbilden soll. Ich glaube aber nicht nur das, sondern daß durch diese Erziehung des Einzeln die Geschlechter auf höhere Stufen steigen, daß die Zustände sich veredeln, daß es auf der Welt nach dem Plane Gottes besser werden soll und muß, daß, wenn eine weise Hand alles regiert, alle Kräfte, die wir in böse und gute abteilen, doch nur eines schaffen können, den Willen Gottes, der ein Ziel will. Dieses Ziel wird aber nicht mit einmal erreicht, fällt nicht mit einem Satz in die Welt, wie Ioggi vom Baum, sondern die Welt bildet sich ihm langsam entgegen. Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag. Dieses Ziel kenne ich nicht; aber dessen, was ich gesagt, redet der Weltgang mir Zeugnis. Wie früh oder wie spät das eintreffen wird, worüber ihr mich ausgelacht, das weiß ich nicht, aber daß diese Zustände sich nach und nach herausbilden werden, das zeuget in mir ein Geist, der nicht trügt; es ist ein Geist, man nennt ihn mit verschiedenen Namen. Es ist der Geist des Glaubens, der Offenbarung oder der Geschichte. Ich bin schon manchmal ausgelacht worden um Äußerungen, die diesem Geiste entflossen, und wann ich sagte: Habt nur Geduld, es kömmt schon besser, so schimpfte man mich aus. Aber diesen Glauben trübt man mir nicht, macht mir nicht weiß, er sei ein Traum. In ihm liegt mir der tiefe Trost in meinem Amte. Ich weiß, ich nütze etwas. Er bewahrt mich vor jeglichem Haß, denn ich weiß: wie jeder auch, allerdings auf seine Verantwortung hin, sich gebärden mag, — er muß doch dem gleichen Zwecke dienen.

»Ich weiß, es ist nicht meine Aufgabe, alles selbst zu machen, sondern auf alle mich umgebenden Kräfte wirken zu suchen im Sinne Gottes, daß sie eilen die Worte Gottes zu thun auch wider Willen. Ich weiß, von mir hängt es nicht ab, daß es gut geht; es ginge auch ohne mich; aber wenn ich nichts thäte, so wäre mein die Verantwortung, mein die Verantwortung, daß einzelne zurückbleiben auf ihrer Bahn. Ich weiß, das Lob gebühret Gott; darum vermag ich kein Schleiftrog zu sein für alles, was ich nicht selbst gedacht, selbst gesagt, selbst gemacht. Ich weiß, es geht vorwärts. Darum vermag ich, geduldig zu sein, vermeine nicht, meine Weisheit in einem Tage auskramen, alle meine Einfälle in einem Tage verwirklichen zu müssen; vermag mich zu orientieren, zu untersuchen, ob die Kräfte zu diesem oder jenem Werke in mir oder in andern liegen; vermag es, jene Kräfte bewegen zu suchen, ohne daß es einem Menschen einfällt, mir dafür zu danken oder mich zu rühmen. Ich weiß, ich bin keine Eintagsfliege und Gottes Plan keine Seifenblase; darum jaste ich nicht und zapple nicht, und was meine Bauren dazu sagen, weiß ich wohl. Sie sind böse darüber, daß ich ihnen nicht das Lustspiel eines zappelnden Pfarrers aufführen will, welches so viele ihnen geben und nicht nur ihnen, sondern auch den Herren z‘Bern, die an solchen gar großen Spaß haben. Ich will nun einmal sehen, wie sie zappeln, und allemal, wenn sie verzappeln wollen, sollen sie mich in Liebe finden. Freilich weiß ich wohl, daß —«

»Herr Pfarrer, soll man euch die Suppe z‘warme thun?« benggelte eine Stimme so unversehens zur Thüre hinein, daß wir ordentlich zusammen fuhren.

Wie aufs Kommaudo griffen wir alle drei nach unseren Uhren und fanden zu unserem Erstaunen, daß es schon weit über 9 Uhr war.

Wir protzten auf, gab wie der Pfarrer sagte, es pressiere nicht halb so.

Wehrdi sagte: er hätte noch gerne unsern Strauß wegen der Religion mit mir ausgefochten vor dem Herrn; das lasse sich aber dann ein andermal machen. Unterdessen danke er für viel Neues, das er gehört. Er wolle fortan die Augen besser aufthun und dem Herrn Pfarrer berichten, was er bemerkt, wenn er es erlaube.

Ich dankte auch, obgleich ich deswegen nicht viel mehr begriff, und schob mich mit dem andern fort, bezündet von dem Pfarrer bis vor die Hausthüre.

Draußen meinte ich: der Pfarrer könne auch noch reden, wenn er abkomme.

»Ja, Schulmeister,« sagte Wehrdi, »mache ume-n-o, daß du o so abcho chönnisch!« — »Gut Nacht!« sagten wir darauf einander und gingen von einander.