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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Sechsundzwanzigstes Kapitel. Wie eine Frau mit einem Mann thut, wenn er von einer Gräbd heimkömmt

Ich kam lustig und guter Dinge heim. Die Erben hatten mir einen Zwänzger in die Hand gedrückt; für eine Halbe, die ich Mädeli kramte, wollte der Wirt nichts, und ein Stück weißes Brot, das ich nicht mehr essen mochte, war in meine Tasche gekommen, ich wußte nicht wie. Mit vielen Künsten war es mir durch manche Wendung gelungen, die Flasche ganz zu bewahren, während ich und mein Chorrichter ziemlich hart mit mancher Ladenwand und manchem Zaunstecken zusammentrafen. Wenn der Chorrichter mit seinem ganzen Gewicht zärtlichst an mich fiel, daß wir beide einer Wand zutaumelten, so wich ich schnell zurück und ließ ihm die Ehre, anzubütschen mit derselben. Ich dachte, ein Chorrichter möchte die Mosen besser erleiden als eine Flasche.

Mädeli hatte mir immer zwei Dinge z‘weg, wenn ich heimkam und selbst spät von einer Gräbd: ein freundlich Gesicht und etwas Warmes, meist ein Kaffee. Auch diesmal fehlte es nicht. Nachdem ich noch nach den Kindern gezündet hatte, die bereits schliefen und die mich nie hübscher dünkten als im ersten Schlafe, setzte ich mich an mein Kaffee gar guter Dinge, und Mädeli stellte das Rad neben den Tisch, zog die Kunkel an sich und ließ den feinen Faden schnell und lustig auf den Spuhlen gehen.

»Ja, Fraueli, ich weiß etwas; wenn du es auch wüßtest!« begann ich. — »He, was dann, es wird öppe es neus Hochzeit sein?« — »Nein, Fraueli, öppis ganz anders.« — »Oder es haben etwa zwei Weiber einander geprügelt?« — »Nein, Fraueli, ganz öppis anders.« Und Mädeli ward des Spiels nicht müde und schnurrte mich nie an. Wie beim Schlüsselklopflis wußte ich aber durch Bezeichnungen es näher und näher zu ziehen der großen Neuigkeit, daß es so ungesinnet ein neues Schulhaus geben solle.

Nachdem die erste Freude verrauscht war und ich auf so Fragen: wie dann das ein Haus werden solle, ob es auf den gleichen Platz komme? etc. keine Antwort wußte, fragte mein Weibchen: wie die Bauren zu diesem Entschluß kämen? Ich erzählte, daß sie dem Pfarrer zum Trutz bauen wollten, um ihm zu zeigen, daß sie es so gut vermöchten als andere, und weil sie ihn im Verdacht hätten, er begehre nicht, daß sie viel lernten und daß er meine, es sei gleich alles gut genug für sie. Es geschehe dem Pfarrer recht, meinte ich, und es freue mich, daß die Bauren gescheuter seien als der Pfarrer; ich. hätte das nicht geglaubt. Da ich zuletzt bei den Bauren gewesen und die stattlichen Männer so stattlich reden gehört z. T. auch über Dinge, von denen ich gar nichts wußte, so hielt ich es natürlich mit ihnen, war überzeugt, sie hätten Recht, und hatte sicher dem Pfarrer ein halb schadenfrohes, ein halb saures Gesicht gemacht, wenn ich ihn jetzt angetroffen hätte.

Meine Frau war aber nicht gleicher Meinung. »Ich kann nicht begreifen, Peter,« sagte sie, »wie du glauben kannst, der Pfarrer wolle nicht, daß man etwas lerne. Ich habe noch nie mit ihm geredet; aber seine Predigten gefallen mir bsunderbar wohl. Und gerade in diesen Predigten redet er immer von Erkenntnis, daß diese das Fundament des Glaubens sei, und daß. Jesus gelehrt habe, ehe er gestorben sei; so müsse man auch die Lehre kennen und angenommen haben, ehe man zu Gnaden kommen könne«. — »Ja,« sagte ich, »öppis Wunderlichs von der Religion brichtet er; aber daß er so den rechten Glauben habe, meine ich nicht; er will es den Bauren nur schwer machen und ihnen zu verstehen geben, es kämen ihrer wenige in den Himmel.« — »Eh aber!« erwiederte Mädeli, »sagt er doch nicht immer, die Ärmsten könnten in den Himmel kommen; es käme vor Gott nicht auf das Kleid an; und er redet dann von der Würde des Menschen, der ein Kind Gottes sein könne, wenn er sich mit der Sünde nicht gemein mache, und das wolle viel mehr heißen als König sein oder Schultheiß.« — »Ja,« sagte ich, »das ist‘s eben, er hält es auch mit den Armen gegen die Reichen und reiset die auf und mag den Bauren es nicht gönnen, daß sie es so gut haben, und vernütiget sie, wo er kann, und glaubt sich zu vornehm, sich mit ihnen abzugeben.«

»Los, Peter,« sagte meine Frau, »man merkt wohl, daß du an einer Gräbd und bei wem du zuletzt gewesen bist; du würdest sonst nicht so reden. Es ist den Bauren Keiner recht; der frühere lief ihnen zu viel nach, der jetzige zu wenig; der frühere wollte ein Schulhaus, aber die Bauren wollten keines; der jetzige wollte keines, nun wollen die Bauren eines; deinetwegen und der Kinder wegen wird also nicht gebaut. Der Pfarrer reiset die Armen nicht auf, aber er sagt: es komme vor Gott auf Reichtum nicht an — so sollte es auch auf Erden sein, und hat er da nicht recht? Weißt du, daß, was er in den Predigten sagt, mich viel an das gemahnt hat, was letzthin der schwarze Jäger sagte; aber zürn mir doch recht nit. Ich habe letzthin in dem Testament und in der Bergpredigt gelesen und habe da Dinge gefunden, die ich in der Unterweisung und in der Schule nie gehört habe. Und eine Menge Sachen kommen mir nach und nach in Sinn, die ich gerne wissen möchte und über die mich niemand brichtet hat. Das sagte ja auch der Jäger und darauf deutet der Pfarrer auch immer hin, daß das Wort Gottes Geist und Leben sei und den Unmündigen verständlich gemacht werden könne und müsse. Das, dünkt mich, aber zürn mir doch recht nicht, fehle wirklich in der Schule: die Meisten geben nicht Achtung und die andern guggen dem Schulmeister die Antworten ab und meinen, damit sei alles gemacht. Aber ich kann es nicht recht sagen, wie ich es meine und denke.«

»Einmal ich,« sagte ich, »verstehe dich nicht, und ich möchte sehen, ob die, welche nur immer über den Schulmeister ausfahren, es besser machen. Man kann die Kinder in der Schule nicht alles lehren, und wenn man das Fragenbuch erklärt, so möchte ich doch wissen, was sie dann noch mehr lernen sollten? Die, welche das Fragcnbuch gemacht haben, werden auch Leute gewesen sein und gewußt haben, was darein gehöre und was nicht, besser als du und unser Pfarrer, der nicht einmal merkt, daß unsere Bauren die reichsten weit und breit sind und sieben Schulhäuser vermöchten statt nur eins.«

Mein Weibchen kannte mich durch und durch und merkte, daß der Weingeist in mir aufsteigen wollte; diesen Geist wußte es nun vortrefflich dadurch zu bändigen, daß es ihm aus dem Wege ging, statt wie manche Frau zu meinen, man müsse sich nicht fürchten und, wenn man recht habe oder recht zu haben glaube, nie weichen. »Aber Kummer macht es mir,« sagte es, »was wir in das neue Haus thun wollen. Wenn wir eine Stube mehr erhalten, so müssen wir etwas darein anschaffen, und woher das Geld nehmen?«

»O, das ist mein kleinster Kummer,« sagte ich, zum Widerspruch gereizt, »laß du mich kummern; wenn denn ein neues Schulhaus da ist, so wird jeder Bauer glauben, ich solle aus seinem Kinde einen Gelehrten machen; und die minderen werden es auch verlangen; und wie ich dann werde kommen mögen, das weiß ich nicht. Wegem Kennen, da macht es mir nichts. Bhüet-is, in der Lehr fürchte ich keinen; aber z‘ringsetum z‘cho es Tags meh als einisch oder zwuri, das ist schwer; und wenn man dreißig oder vierzig Kindern auf einmal das Rechnen und Schreiben soll zeigen, so weiß ich nicht, wie es einer macht; wenn eins hier brüllet und das andere dert: Schumeister, isch das recht? Schumeister, isch das guet? Schumeister, my Federe dolgget mr! Die Bauren meinen aber auch, man sei nur für sie da, und wegen dem Sch..löhnli, welches sie einem geben, glauben sie, sie könnten von einem fordern, was sie wollten. Es nimmt mich nur wunder, daß der Schulmeister ihnen nicht noch in der Kehri muß gah dHaar abhaue-n-u dNägel, u dr Bart mache. Was hat heut der Peterli gemacht? Einen gescheuteren Buben gibt es in der ganzen Gemeinde nicht. Ich kann ihn schon recht gut brauchen in der Schule; er kommandiert dir da wie ein General oder gar wie ein Preuß. Und wenn es dann losgehen muß im neuen Schulhaus und jeder Baurensohn mit der Federen fechten will, so muß er mir helfen; er kann mir fast die halbe Schule abnehmen. Was hat er heute gemacht?«

»Er war gar uwatlig,« sagte Mädeli, »er wollte mir gar nicht gehorchen, regierte die andern, und wenn sie nicht alles machen wollten, was er befahl, so überschoß und kläpfte er sie. Ich wehrte ihm ab, so gut ich konnte; allein er that gar nicht, als ob er es höre; da redete ich endlich lauter mit ihm, und weißt du, was er mir zur Antwort gab? Es habe ihm niemand etwas zu befehlen als der Vater. Da mußte ich nichts bessers zu machen, als ihn ins Gaden zu sperren bis zum Nachtessen. Aber glaubst du, daß er mir ein gut Wort gegeben oder gute Nacht gewünscht hätte?« »Du wirst geng mit ihm gchäret ha, wie es die Weiber machen; so müssen die Kinder uwatlig werden, wenn alles nicht recht ist, was sie machen.«

»Nein, liebs Mannli, kein Wort habe ich ihm gesagt, bis ich sah, wie er mit seinen Geschwistern umging; aber seitdem du ihn in der Schule brauchst und nur ihn allein, und er über andere regieren kann, du ihn immer rühmst, ist gar nichts mehr mit ihm anzufangen. Und hast du nie acht gegeben, wie trotzig und puckt er dir selbst antwortet? Es hat mich schon manchmal duret, wenn du so alles von ihm annimmst, an ihm nicht nur nichts stehst, sondern auch nichts hörst.«

»Ja, ich habe schon manchmal gemerkt, daß du ihn auf der Mugge hast,« antwortete ich, »und an ihm nichts leiden kannst, weil ich ihn lieb habe. Die Kleinen können machen, was sie wollen, das ist dir recht; und eben darum willst du nicht, daß Peterli, der witziger ist als sie, sie in der Ordnung halte.«

Mädeli öffnete den Mund, schloß ihn wieder, fuhr mit der Hand im Gesicht herum, ich glaube über die Augen, und fragte mich: »Mannli, wie isch‘s dr grate mit der Leichenrede? Haben die Leute sie zu Herzen genommen? Und was haben die, welche sie noch nie gehört haben, dir darüber gesagt?«

Da erzählte ich, wie es mir gegangen, wie die Katze und das Salome sich gebärdet; wir machten allerlei Mutmaßungen über das Katzengeschrei, bis wir endlich fanden, das Gescheuteste wäre, wir giengen zu Bette.

 

Siebenundzwanzigstes Kapitel. Wie endlich auch ein Pfarrer das Maul braucht

Am andern Morgen war ich viel zahmer geworden, und als mein Weibchen mir sagte, gestern sei ich ein Uwirsche gsi, widerredete ich mit keinem Wörtlein, sondern nahm das Urteil in Demut an. Aber etwas stach mich doch, nämlich der Gwunder, was der Pfarrer dazu sagen werde, wenn er vernehme, daß ein neues Schulhaus gebaut werden solle, ohne daß er daran gestüpft.

Ich nahm daher nach der Schule den Schulrodel unter dm Arm und wanderte dem Pfarrer zu, unter dem Vorwand, ihm denselben zur Einsicht zu bringen.

Die Magd sagte mir, als ich bescheidentlich geklopft hatte: es sei neuer bei ihm; ich werde wohl warten müssen; es sei kein Herr und kein Bauer; auf den verstang sie sich afe nüt, setzte sie redselig hinzu, nach Art der Pfarrersmägde, die Stundenlang mit einem Zaunstecken klappern können, wenn sie keinen Menschen bei der Hand haben.

Ganz verwundert war ich, als sie mich sogleich hereinrief, aber noch verwunderter sah ich beim Pfarrer am Kamin mit einer großen Pfeife in der Hand sitzen keinen andern Menschen, als meinen Bekannten, Bendicht Wehrdi, der wunderliche Jäger. Ich vergaß den Gruß vor Erstaunen, daß e sellige beim Pfarrer sei, und muß allerdings eine kuriose Postur gemacht haben; denn beide fingen an zu lachen und Wehrdi sagte: Gellet, Schuelmeisterli, da habt ihr mich nicht geglaubt anzutreffen, so einen, von dem ihr so halb und halb glaubt, es sei des Teufels Bundsbruder oder wenigstens sein Bruderssohn. Der Pfarrer bemerkte mir im Vorbeigehen, er habe ihn auf der Jagd kennen lernen, und statt über einander schalus zu werden nach Jägerweise, seien sie mit einander bekannt geworden und hätten schon manche vergnügte Stunde mit einander zugebracht. Somit schob er mir den Tabaktopf zu, und erst nachdem ich meine Pfeife gestopft und eine glühende Kohle aus dem Kamin geholt mit den Fingern, und unter vielen Grimassen sie auf meine Pfeife gebracht zu ihrem großen Spaß, fragte mich der Pfarrer: was mich Gutes hergebracht?

Ich gab ihm den Schulrodel und klagte über den Unfleiß einiger Kinder.

Das sei ein Elend damit, sagte der Pfarrer. Die Leute hätten keinen Begriff von einem ordentlichen Schulbesuch; sage mau ihnen nichts, so bleibe es im alten; sage man etwas, so werde es noch schlimmer. Am Chorgericht sage niemand etwas, als der Pfarrer; schicke man sie ins Schloß, so könne es geschehen, wenn sie zu lügen verstünden, daß das Chorgericht oder die Gemeinde einen tüchtigen Putzer erhielten, so daß die Verleideten trotziger würden als nie und ihre Kinder noch weniger schickten.

Man sollte den Leuten den Nutzen einer Schule deutlicher zu zeigen vermögen durch die Leistungen der Schule, sagte Wehrdi. So wie es jetzt in den meisten zugehe, bekenne er frei, könne er die Leute nicht tadeln, wenn sie ihre Kinder lieber zu Hause hätten und wenn sie immer mit ihrem Sprüchlein kämen: was nützt es, was trägt es ab?

»Ihr habt vollkommen recht,« sagte der Pfarrer. »Aber auf der andern Seite kann der Schulmeister sagen: Sendet mir die Kinder vor allem aus; gebt mir Platz, daß ich mich rühren kann mit den Kindern, und einen Lohn, daß ich mich rühren mag. So wehrt sich das gegen einander und kein Teil thut die ersten Schritte.« Ja, sagte Wehrdi, und wenn mancher Schulmeister alles bekäme, was er wollte, so würde er doch nicht nützliche Schule halten, und alles, was die Kinder in der Schule lernten, wäre eitel Mundwerk, das weder ihren Verstand noch ihr Herz berühre und mit dem sie so wenig zu machen wüßten, als ein hungeriger Länder mit einem Kratten voll Austern.

»Mag sein diesen Augenblick,« sagte der Pfarrer, »aber laßt nur einmal auf dem Lande das Bedürfnis erwachen, und es wird erwachen, so wird das einander schon erlesen. Besser wäre es allerdings, man sorgte zu rechter Zeit dafür, daß man dem erwachten Bedürfnis befriedigend entgegenkommen könnte. Allem das geschieht nun einmal nicht. Ja, man zwingt den Landmann, daß er dieses Bedürfnis erhält, spottet dann dieses Bedürfnisses und sucht es wieder niederzuhalten.«

»Ja! aber da könnten doch die Pfarrer viel machen.«

Da lachte der Pfarrer und meinte: ob er auch einer von denen sei, welche die Pfarrer zu Sündenböcken für aller Welt Sünden machen wollen? Die Pfarrer könnten allerdings viel machen, aber den Weltgang doch nicht; den mache Gott. Er führe die Menschen den Entwicklungsgang, den seine Weisheit abgemessen. Im Strome der Zeit schwimmen die Pfarrer mit, wie alle Sterblichen. Nicht am Ufer des Stromes stünden sie, nicht über ihm schwebten sie. Wohl schwimmen immer einige voran; zu Märtyreren oder Reformatoren würden diese; viele seien es aber nie durch Gottes Ordnung. Bald komme die Masse nachgeschwommen. Was die Reformatoren zuerst erblickt, das gehe vor allen Augen auf, werde Gemeingut aller. In dieser Masse Ordnung zu erhalten und zu sorgen, daß ihre Augen nicht zufielen, dafür brauche Gott die Pfarrer als Werkzeuge; aber unmöglich könnten sie den Leuten Dinge zeigen, die sie selbst noch nicht sehen; unmöglich könnten sie dieselben zwingen, etwas zu erblicken, was außer dem Gesichtskreis sterblicher Augen liege. »Wenn es näher kömmt, dann sollen sie deuten darauf, es erklären und weise die Benutzung lehren. Während man auf der einen Seite ihnen Schuld geben möchte, daß die Eva in den Apfel gebissen, weil sie es nicht gethan hätte, wenn sie recht unterwiesen gewesen wäre, lähmt man den Einfluß der Pfarrer von allen Seiten, zieht sich von denselben zurück und sondert sie ab, so viel möglich. Man wird auch wieder sagen, das sei Schuld der Pfarrer. Nein, das ist ein Zeugnis für viele, das dem ganzen Stande zu gut kömmt. Man fühlt schnellere Strömung der Zeit, man fühlt ein Zwitzern hellern Lichtes in den Augen; es wird gar vielen bange dabei und sie möchten bannen des Stromes Lauf, und Herrn und Bauren möchten gar aufwärts schwimmen. Diese wähnen auch, die Pfarrer seien Schuld, daß abwärts der Strom fließe, daß er sie fortreiße abwärts, einem neuen Zustande, neuen Ufern entgegen. Sie wähnen dieses, weil die Pfarrer, wenn auch nicht voranschwimmen, doch vom Lauf der Zeiten reden und verkünden, es müsse besser werden, so könne es nicht bleiben. Die einen freilich verkünden nur, der alte Mensch müsse ein neuer werden, andere wohl zeugen davon, daß, wie der Mensch sich erneuere, auch mit ihm die Zustände sich neu gestalten müssen. Aber alle reden von Veränderung; darum drängt man sie bei Seite, damit ihren Ruf wenige hören; drängt sie an den Schwanz der Gesellschaft zurück, um ihnen dann vorzuwerfen, daß sie nicht voranschwimmen, um einen Vorwand zu suchen, sie zu versenken in des Stromes Tiefen. Wenn einmal das Neue deutlicher ans Licht trittet, dann werden die gleichen, welche jetzt die Pfarrer zurückdrängen, den wütendsten Lärm gegen sie erheben und die Versenkung versuchen, unter dem Vorwande: die Pfarrer seien Schuld, daß sie nicht vorangeschwommen, daß der Strom nicht schneller fortgebraust, daß die neuen Ufer nicht vor tausend Jahren aus dem Ocean der Zeit aufgetaucht seien. So, lieber Wehrdi, ist‘s, wenn man die Stellung des ganzen Standes betrachtet; von einzelnen rede ich nicht. Man wird mich vielleicht später auch verketzern, mir Trägheit, Finstersinn und weiß Gott was alles, vorwerfen, daß meine Gytiwyler nicht lauter Engel Gabriels seien, und doch weiß ich diesen Augenblick nichts anders zu machen, als im Stillen und unbemerkt Samen auszustreuen, der in einer bessern Zeit aufgehen wird, mich scheinbar ganz leidend zu verhalten und der Zeit die bestimmtere äußere Entwicklung zu überlassen. Mein Vorfahr war ein rüstiger Schwimmer; aber er sah jedes Irrlicht für die Sonne selbst an und verkündigte dasselbe mit lauter Stimme und wollte den aufgefangenen Schein in alle Häuser tragen. Wer immer Feuer schreit bei jeder Abendröte, jedem Mondes-Wiederschein, jedem brennenden Dingelhaufen, dem glaubt man am Ende nichts mehr, lacht über sein Geschrei, auch wenn er über wirkliches Feuer »Feuer!« schreien sollte. Und wenn ein anderer Wächter kömmt, so hört man auch auf dessen Ruf nicht. Eine Gemeinde ist kein Spital, in denen die Ärzte ihre neuen Mittel probieren; ein Pfarrer muß sich vor Experimenten hüten; ein fehlgeschlagenes kann ihm auf immer das Vertrauen rauben. So will manche Frau mit ihrem Mann nie mehr fahren, weil er sie einmal umgeworfen. — So bin ich daran, und ich brauchte meinen Leuten nur etwas vorzuschlagen, so machen sie das Gegenteil davon. Jetzt gerade wegen eurem Hause, Schulmeister, Ich brauchte nur zu sagen, sie sollten bauen, so würden sie es expreß nicht thun, und müßten ihre halben Kinder vor der Thüre bleiben. Ich habe auch letzthin dem Statthalter gesagt, es sei mir leid, daß sie das Bauen nicht vermöchten, und habe dazu ein recht ernsthaft Gesicht gemacht, so daß er es nicht als Spott aufnehmen konnte. Nun nimmt mich Wunder, ob ihm das nicht yne gange ist?«

»Aber, Herr Pfarrer, habt ihr das nicht im Ernst gesagt und gemeint, die Gytiwyler seien nicht Vermöglich?«

»Aber, Schulmeister, glaubt ihr mich denn auch dumm? meint ihr, ich habe keine Augen, sehe die Misthaufen zu Gytiwyl nicht? habe keine Ohren, vernehme nicht, wie große Kapitalstöcke da und dort seien? Aber habt ihr gehört, was ich gesagt? hat es der Statthalter brichtet?«

»He nun, Herr Pfarrer, das hat bschosse; sie wollen nicht die sein, welche nicht vermögen ein Schulhaus zu bauen so gut als die Lättikofer, oder noch viel besser. Gestern an der Gräbd haben sie dem Kilchmeier den Auftrag gegeben, mit einem Zimmermeister zu reden.

Da sprang B. Wehrdi auf, schlug seine Pfeife in eine Ecke und fluchte ganz malebarisch: ob dann das eine solche Nation sei, daß‘ sie aus Dummheit bauten und nicht aus Einsicht?

»Sitzet ume wieder,« sagte der Pfarrer, »und laßt mir meine Gytiwyler in Ruhe, die kann man doch noch an einem Ort anpacken; aber da ist alles verloren, wo man die Leute gar nirgends mehr nehmen kann; wo sie sind, wie irgend ein fauler Gegenstand. Löcher in denselben stupsen könnt ihr, daß er doppelt stinkt und ihr die Schuhe voll kriegt, aber vorwärts stupsen könnt ihr ihn nicht. Meine Gytiwyler lasse ich mir nicht schelten, das sind mir noch kräftige Leute, die in Bewegung kommen und zu Entschlüssen, die es auch noch im Guten recht weit bringen können.«

Er könne den Herrn Pfarrer gar nicht begreifen, sagte Wehrdi, daß er da etwas Gutes sehe; da sei doch nichts Gutes, wo man etwas aus lauter Hochmut und Trotz thue. »Mein lieber Mann,« sagte der Pfarrer, »haben wir nicht vorhin gesagt, daß es ein großes Unglück sei, daß Bauren und Schulmeister so gegen einander versperren und von keiner Seite ein Wank gethan werden will? Kömmt es nicht alles darauf an, daß ein Teil in Bewegung gerate, und teilt diese Bewegung sich nicht unwillkührlich auch dem andern Teil mit; ist nicht der erste Schritt der erste von vielleicht vielen taufenden? Nun haben diesen ersten Schritt meine Bauren gethan; ist das nicht lobenswert?«

»Herr Pfarrer, zürnet nüt, aber noch eines muß ich fragen,« sagte Wehrdi: »Ist‘s denn eigentlich auch recht, die Fehler der Menschen anzuspannen und durch Verstellung sie zu reizen zu irgend etwas?«

Da sah der Pfarrer ins Feuer und sagte endlich: er wisse nicht, ob wir ihn begreifen werden; wenn wir das nicht thäten, so würden wir ihn gar wunderlich beurteilen; doch wolle er versuchen, sich näher zu erklären. »Habt ihr dann nie bemerkt die furchtbare Ironie der Vorsehung, die alle bösen Kräfte im Menschen also regiert, daß sie das Gute schaffen, die Bausteine zu ihrem Gefängnis selbst herbeischleppen müssen? Das ist, was das Fragenbuch sagt, daß die Sünden durch Gottes Fürsehung regiert werden, siehe Grempel an Joseph und seinen Kindern, an Christus und den Juden. Wie stünde es wohl mit der Welt, wenn nicht wider Willen die Leidenschaften das schaffen müßten, was Gott gefällt? Wäre das nicht, wir hätten kein Christentum; nie wäre die Reformation zu den Völkern gedrungen. In gar wenigen Menschen wohnt der reine Sinn, der das Gute um des Guten willen thut, wohnet die Weisheit, die im Gutesthun das wahre Glück sieht. In den meisten Menschen regieren schlimmere Kräfte, herrscht Finsternis oder trübes Dämmerlicht. Der schlaue Betrüger, der gibt seinen Betrug nicht offen dar; er spürt eben in seinen Nächsten die regierenden Kräfte auf und sucht diese zu seinen Zwecken in Bewegung zu setzen, zu seinen Dienern zu machen. Der bessere Mensch, der unverhohlen mit dem Bessern hervortrittet, den Leuten es anpreiset, zu Erreichung desselben sie in Thätigkeit setzen will, der findet keine Augen, die sehen, keine Ohren, die hörn, keine Kräfte, die zu seinem Zwecke sich zur Verfügung stallen; er findet keinen Sinn dafür, wird nicht begriffen, ausgelacht, verfolgt, totgeschlagen. Er findet wohl Eigennutz, Hochmut, Eitelkeit, Ehrgeiz, Neid und dergleichen, aber eben die schreien ihn an: Kreuzige, kreuzige ihn! Warum versucht es der bessere Mensch nicht auch, die einmal herrschenden bösen Kräfte anzuspannen für das Gute? Sagt das Sprüchwort nicht: man müsse mit den Steinen mauren, welche man habe? Nur gebe man wohl Acht, was für Steine man zu Ecksteinen nehme in Staat, Kirche und Schule; von ihnen hängt die Festigkeit des Baues ab. Wer Staat, Kirche, Schule auf religionslose, unsittliche Menschen, auf Menschen, welche treulos sind in alten und neuen Eiden, bauen wollte, der brächte den Fluch in den Staat, in die Kirche oder in die Schule.Was denkt wohl Zürich, zu was der Convertit Scherer ihm werbe: zum Fluch ober zum Segen? was er ihm sei: eine Zierde oder ein Makel seines schönen Geländes? Warum versucht er es nicht, gerade durch sie das Gute da zu vollbringen, wo er weiß, daß der Sinn dafür fehlt? Man verwechsle das durchaus nicht mit der Sünde, schlechte, unerlaubte Mittel zu brauchen zu gutem Zwecke, wie der h. Crispin Leder stahl und armen Leuten Schuhe daraus machte. Auch mochte ich durch kein unerlaubt Mittel, durch keine Lüge, keine Verleumdung, keine falsche Verheißung diese Kräfte erregen, wie es allerdings nur zu oft geschieht; aber mein Mittel war ein erlaubtes: es war die Ironie; es war die gleiche Redweise, die Christus brauchte, als er sagte zu den Pharisäern: die Gesunden brauchen den Arzt nicht, sondern die Kranknen. An andern Orten wurden Schulhäuser erzwungen dadurch, daß man durch vorzügliche Schulen den Beweis leistete, was eine Schule nützen könne, an andern Orten durch Furcht. Beides hätte hier nicht angeschlagen; darum brauchte ich dieses Mittel, mit dem ich aber an andern Orten, z. B. im Seeland, nicht weit gekommen wäre. Es gibt aber noch viele erlaubte Mittel zu diesem Zweck. So habe ich nun den Hochmut aufgestiefelt, der muß ein Schulhaus bauen; der hat den Eigennutz diesmal überwunden und muß damit an seinem eigenen Grabe graben; denn was wird wohl eine größere Feindin des aufgeblasenen Hochmutes, als ein Schulhaus, in welchem eine tüchtige Schule ist, welche aus jedem Leibe die Menschenwürde herauszuwickeln versteht? Aber gebet Acht, der Eigennutz wird diesen Sieg dem Hochmut nicht verzeihn, wird bald wieder zu reden anfangen, wird auch zum Bauen reden und später dann etwas von der Schule wollen, einen Nutzen, den er in Batzen und Kronen zählen kann. Ihr könnet euch nur verfaßt machen, Schulmeister, auf die Forderungen die dann an euch gemacht werden. Wenn ihr nicht in der halben Zeit die Kinder noch einmal so geschickt macht, so wird es bald heißen: We‘s nit besser geyt, su hätte mr no ke‘s neus Schuelhus brucht, das alte hätti‘s no lang tha; mr hei gmeint, wie es de gah soll.« Das sei gerade, was mir Kummer mache, sagte ich; die Bauren halten mir schon darauf hingedeutet, daß sie für sich viel geschicktere Kinder wollten. Nun erzählte ich, wie die Vorgesetzten den Kopf hätten hängen lassen, wie sie durch die neue Ordnung in vielfachen Schaden und Verlegenheit kämen und keiner von ihnen mehr sicher sei, daß man ihn nicht von hundert Jahren her in Verantwortung ziehe. Ich stellte am Ende auch dar, wie der alte Bauer eine Aussicht eröffnet habe, daß ein Gring soviel wert werden könne als ein Baurenhof, besonders im Weltsche hinger, und wie der Statthalter willens scheine, einem seiner Buben zu diesem Glück zu verhelfen. Die aber, welche ihre Kinder nicht ins Weltschland schicken wollen, werden nun meinen, ich solle die Gringe ihrer Kinder so abträglich machen, und wenn ich es nicht thäte, so ginge es übel an. Aber wenn ich das könnte, so finge ich bei meinem Kopf an; ich hätte es am nötigsten.

 

Wehrdi wollte sich ausschütten vor Lachen über das Güegt, das auf einmal in die Bauren gefahren; es nehme ihn nur Wunder, ob sie dann diese Gringe nicht auch z‘Märit führten oder trieben, wie Kabisköpfe oder Güstern?

Der Pfarrer aber lachte nicht, sondern schaute sehr ernst drein und sagte; die Sache sei von weit ernsterer Bedeutung, als sie das Aussehen hätte. Wenn man die Gräbdgespräche aufmerksam betrachte, so finde man hier die Elemente beisammen, aus denen ein neuer Zustand im Kanton hervorgehen, und auch die Kräfte, welche ihn mehr oder weniger herbeiführen werden; ja man finde da bereits einen Grund und noch dazu einen breiten und festen gelegt zu demselben.

Wehrdi sagte, das könne er nicht einsehen. Was ein Dutzend halbvolle Bauren verrücktes schwatzten, dem sei doch nicht bedeutende Wichtigkeit beizulegen?

»Warum nicht?« entgegnete der Pfarrer. »Reden sie in diesem Zustand nicht am offensten, vernimmt man in diesen Reden nicht am deutlichsten, was in ihnen sich regt? und ist dieses Reden nicht so bedeutungsvoll?«

Da rege sich in den Gytiwylern der Hochmut und die Habsucht und die Furcht, nicht mehr hochmütig sein zu dürfen, die Furcht, um ihr Eigentum zu kommen, die Hoffnung, auf neue Weise reich zu werden; aber das sei doch eben nichts Neues und hätte für den Kanton wenig zu bedeuten, entgegnete Wehrdi.

»Das, was ihr bei den Gytiwylern seht,« sagte der Pfarrer, »ist aber nicht bei ihnen alleine, sondern in der Mehrzahl der Gemeinden ist eine ähnliche Bewegung oder Störung in den Gemütern, und gerade diese Störung wird das Neue gebären.« Eigennutz und Hochmut seien allerdings die Hauptkräfte bei seinen Leuten. Wie er den Hochmut gestört und dadurch zu einem Schulhausbau aufgejagt habe, so scheinen ihm beide, Hochmut und Eigennutz, aufgestöbert zu sein zu einem höheren Ziele; angespannt worden zu sein, wieder etwas Gutes zu schaffen wider Willen.

Wehrdi sagte, er kenne den Zustand im Kanton zu wenig, um das begreifen zu können, was der Pfarrer sage; aber er wollte es sich gar gerne erklären lassen.

Es sei gegenwärtig schwer über solche Dinge zu reden. Da könne man wohl sagen, die Wände hätten Ohren und die Wälder Augen, sagte der Pfarrer und warf einen bedenklichen Seitenblick auf mich. Doch, fuhr er fort, hoffe er von mir, was ich hier höre, werde ich nicht mißbrauchen, sondern wieder vergessen, wenn ich die Stube hinter mir hätte.

Natürlich versprach ich alles Liebs und Guts. Eigentlich hätte ich gehen sollen, denn meinen Schulrodel hatte ich abgegeben; aber es nahm mich doch Wunder, was da der Pfarrer aus meinen Bauren Tiefes herausgrübeln werde und wie er aus einer Laus einen Elephanten werde machen können; was Pfarrer nicht selten gut verstehen sollen.

»Im Kanton Bern regieren also die Patrizier,« begann ber Pfarrer, »betrachten den Kanton so ziemlich als ihr Familiengut oder ihre Familienkiste, deren Verwaltung und Benutzung ihnen ausschließlich zukomme. Wie sie zu diesem ausschließlichen Recht gekommen, könnte niemand begreifen, wenn man nicht wüßte, was Anmaßung auf der einen und Gleichgültigkeit oder Feigheit auf der andern Seite auszurichten vermögen. Denn das neue Patriziat ist nicht mehr das alte, das glorreiche Thaten und die Ehrwürdigkeit des Alters für sich hatte. Das neue Patriziat besteht, mit wenigen Ausnahmen, aus ganz ehrlichen Bürgersleuten, die akurat das gleiche Blut haben, wie es in allen menschlichen Adern im Kanton Bern stießt. Es waren Barbiere, Leinwandhändler, adelige Knechte, Gerber, Metzger, Färber, Schneider, Rebleute und endlich auch Kaminfeger. In dieser Partei sind hochgesinnte patriotische Männer; aber diese Partei trägt als Fahne den Hochmut vor sich und in sich Eigennutz, und beide zusammen wirken ihre Ausschließungssucht; sie wollen die ersten sein im Lande und die einzigen, welche sich teilen können in das Fett des Landes; nur den Abfall lassen sie aus Gnaden andern zukommen: Weibel- und Sigristendienste in der Stadt, Zöllner- und Statthalter-Ämtlein auf dem Lande.