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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Fünftes Kapitel. Von den Verhandlungen über Hochzeittag und Ehesteuer

Wir hatten gar nichts davon geredet, wann Hochzeit gehalten werden solle. Schon am nächsten Sonntag wollte ich verkünden lassen. Mit beiden Beinen hätte ich gerne auch diese Zwischenzeit übersprungen. Mir und Mädeli gab ich ganz ehrlich als Grund an, daß ich in vier oder fünf Wochen längstens wieder müsse waschen lassen, und wer mir dann waschen solle, wenn ich noch keine Frau hätte? Zu jenem Wäscherweib werde ich doch nicht mehr sollen? Aber der Alte und Mädeli waren nicht dieser Meinung. Über Mädelis ganzes Wesen zuckte freilich ein Strahl glühender Freude, als es sah, wie ernst es mir sei; denn vor lauter Freude hatte es noch immer gezagt und gezweifelt wie Thomas; aber es überlief es doch ganz heiß, sich in vier Wochen schon als Frau zu denken. Gar viel hätte es noch, z‘weg zu machen, meinte es, so daß es bis zu jener Zeit unmöglich fertig sein könne. Und der Alte schüttelte noch mehr den Kopf ob solchem Pressieren. Er vermöge zwar seinem Meitschi nichts mitzugeben, und aparti neue Kleider könne er ihm auch nicht machen lassen; die, welche er ihm habe machen lassen, wo es vom Herrn gekommen sei, seien aber noch wie neu und thäten es sauft. Aber öppe ein oder zwei Hemder, ein Paar Schuhe und ein Paar Strümpfe, das wolle er doch sehen zu machen; aber dazu brauche es mehr Zeit als vier Wochen. Wenn er zu uns komme, so bringe er allweg noch etwas Hausrat mit, und das werde mir auch komod kommen.

Daß ich keine Ehesteuer erhielt, und Mädeli zum Trossel nicht mehr als ein neues Hemd oder zwei, erschreckte mich gar nicht, hätte ich es doch eben so lieb auch ohne das genommen. O ich hatte jetzt in dieser Beziehung gar hundsgemeine Gedanken und wirklich die Hoffnung, von der Liebe leben zu können, die ich jetzt eigentlich zum erstenmal zu einer bestimmten Persönlichkeit recht fühlte, obgleich ich von Jugend auf die Meitscheni gerne gesehen und bereits zwei Liebesgeschichten gehabt hatte. Hätte ich vornehmere Gesinnungen gehabt, so hätte ich da mit meinem Schwiegerpapa zu märten angefangen; denn einen Bruder oder Vater hatte ich nicht, dem ich des Anstands wegen den Handel auftragen konnte, wie man es da thut, wo man ein besonders feines Gefühl für Anstand besitzt. Da märtet man dann zusammen bis aufs Blut schriftlich und mündlich, und gibt sich auf die feinste Weise die unverschämtesten Dinge zu verstehen, und bricht den Handel doch nicht ab. Und wenn man recht vornehm ist, so handelt man nicht um einige Dublonen, sondern um 100 000 Pfund oder Franken. Bringt man mit tausend Mühen und Betteleien bei allen Großmamas und Tantes etwas mehr zusammen, etwa 104 000 £., so hält man sich für geborgen, kann leben comme il faut und stellt wenigstens ein Schoßhündchen, einen Pipo an, wenn auch kein Pferd. Hat man aber weniger zusammen gebracht, so zuckt die Welt die Achsel, redet verblümt von Erdäpfel-Mariage. Die Leutchen fühlen sich selbst gedrückt; eine Art Verschämtheit sieht man ihnen von weitem an, und man glaubt alle Augenblicke aus ihrem wehmütig verzogenen Munde zu hören, was einst ein ehrlicher Hans Ulli sagte: Rych sy mr nümme, aber doch no geng fürnehm. Und mit bedenklichem Mitleiden wird von den armen Leutchen, ces pauvres gens, gesprochen und den großen Entbehrungen, denen sie sich unterziehen müßten. Imaginez-vous, ma chère, sagt Tante Marianne, pas seulement, es dritts Plättli mag‘s-ne zieh, nit emal geng a-me-n-e Sunntig; c‘est donc bien fâcheux. Freilich bestunden der guten Tante Marianne ihre dritten Plättli oder das sogenannte Entremets gewöhnlich entweder aus Apfelschnitzen oder Haberbrei oder einem Erdäpfelstock, die man aber mit gar schönen Namen getauft hatte. Solche Armut ist oder war aber verdammt komod, um zu Pöstleins zu kommen. Denn diesem Elend, in dem man freilich ein Salon hatte, aber kein drittes Plättli, und im Salon nur alle Winter einmal die Societät und höchstens drei Soirées, mußte doch abgeholfen werden. Es geschieht aber doch auch, daß ein solcher Handel sich zerschlägt, rumpiert, weil man bei genauerem Nachrechnen fand, daß das Ding sich dennoch nicht standesgemäß gebe. Da ist‘s nun wirklich bewunderungswürdig, mit welcher Naivität die Leute das sich gestehen und mit welcher christlichen Resignation sie aus einander gehen, sich gegenseitig kaltblütig sagen: Adieu ma chère! Adieu mon cher! Da steht man den wahren bon ton; da zeigt sich, was feine Lebensart heißt; da steht man die wahre Abgeschliffenheit. O so eine Abgeschliffenheit ist ein gar köstlich Ding, und nicht zu verwundern ist‘s, wie viele Menschen sich viel darauf einbilden, ihr alles darein setzen, alle Leute mit einer tiefen honte ansehen, die nicht abgeschliffen sind wie sie. So ein Abgeschliffener (verkürzt Schliffel) zu sein, ist ein komod Ding; denn diese Abgeschliffenheit ist das Vorrecht und zu gleicher Zeit das erste Kennzeichen des Vornehmseins. Es kostet aber viel, vornehm zu werden, liebe Leute; das Reiben und Ribeln geht nicht umsonst. Es kostet euch ungefähr das, was es einen reichen Kadetten kostet, bis er Offizier ist. Der muß sich auslachen lassen, der muß zu essen und zu trinken geben, muß im Spiel sich ausziehen, durch Anliehen ausbeuteln und zu dem allem Spaß mit sich treiben lassen; der muß sein, was ehedem der Fuchs unter den Studenten war, wo es hieß: Fuchs stopf mir die Pfeife, Fuchs bezahl, Fuchs binde mir die Schuhe; nur mit dem Unterschied, daß das Studenten-Fuchsentum nur ein halb Jahr oder höchstens eines dauerte, jenes aber anderhalb bis drittehalb Generationen. Enfin wer seine Haut dick genug dazu glaubt und auch seinem Geldseckel traut, daß sie beide das Schleifen ertragen mögen, der versuche es.

Freilich hätte der Handel nur um noch ein Hemd, ein Gloschli und höchstens um einen Kittel gehen können und nicht um 30- oder 60tausend Pfund; aber am Ende ist Handel doch Handel. Dieser Handel wird allerwärts getrieben, aber doch, je vornehmer man sich glaubt, um so offener und naiver treibt man ihn. Wahrscheinlich aus dem Grunde, weil ein Vornehmer glaubt, alles was er thue, sei auch vornehm und niemand habe da von ferne (das Recht wollte ich sagen; o nein, das Recht zu kritisieren spricht einem nur ein Großrat ab) den Verstand, ihn zu kritisieren. Ist noch niemand aufgefallen, welch bedeutender Unterschied man macht zwischen vornehm und nobel? Noblesse hat dann schon wieder die höhere Bedeutung von nobel verloren und ist bloß das Hauptwort von vornehm.

Wenn also nicht vornehm, so hoffe ich doch nobel gehandelt zu haben, als wir ohne Märten zusammentraten und jedes nur in der Liebe des andern seine Rechnung fand. Diese Rechnung legte uns freilich viel Entbehrungen auf, brachte uns in manche Not; aber wir versanken doch nicht in der Not; die Not erzog uns, rief Kräfte in uns auf; die Not gab Erfahrungen, die Erfahrungen brachten Läuterungen, von denen ich sonst keinen Begriff erhalten hätte.

Solche Erfahrungen und Läuterungen machen das wahre Fuchsentum dieser Welt aus, das eine obere Hand geordnet hat und leitet und das die darin Bestehenden nobel macht. Darum, Leute, sucht es nicht mutwillig, aber scheut es auch nicht feige. Macht es euch auch nicht vornehm, so macht es euch doch nobel. Und seid ihr schon vornehm, so thut einmal eure Augen auf und seht, wie herrlich und imponierend einer aussieht, wenn er vornehm und nobel auf einmal aussieht, und wie lächerlich manchmal und andermal traurig einer aussteht, wenn er imponieren will und nicht nobel drein sieht, weil er nicht nobel ist. Am traurigsten und am lächerlichsten sind denn doch die, welche weder vornehm noch nobel aussehen und es nicht sind und doch imponieren wollen. Das sind wirklich wahre Spektakelleute, und mich wundert, daß ihnen nicht die Gassenjungen nachlaufen. Man sieht solche zu Stadt und Land.

Doch, wo gerate ich hin! Von meinem alten Schwiegerätti, der ehrlichen Pechhaut, weg, mit der ich nicht märtete um sein Meitschi, auf alte und neue Junker, die imponieren wollen und nicht können, die um alles handeln und märten, um ihre Meitscheni und um andere, um ihre eigenen Sachen und um andere Sachen, Nehmt es nicht für ungut, alt und neue Herren; aber eben das Pech, an dem so viel kleben bleibt und wo man, was einmal klebt, nicht mehr losbringen kann, brachte mich von meinem Schwiegerätti weg in eine so vermessene Gedankenreihe.

Bei meinem Schwiegerpapa war aber leider nichts kleben geblieben als gerade das Pech selbst und einige Erinnerungen aus seinen Wanderungen hinter Murten; daher preßten ihm auch seine geringen Versprechen schwere Seufzer aus. Ich wollte mich dadurch nicht abschrecken lassen, wollte versprechen, alles Nötige selbst anzuschaffen; er solle gar keine Kosten haben. Aber er fragte mich, ob ich dann so viel Geld hätte, und ob ich nicht daran gedacht hätte, daß noch viel andere Dinge anzuschaffen seien, und ob es nicht für einen Schulmeister gescheuter sei, mit dem Heiraten zu warten, bis die Schule zu Ende sei, wo man dann Zeit habe, dem Zug nahz‘sinne u nahz‘laufe, und wo noch sein Lohn fällig sei. Nach langem Hin- und Herreden mußte ich endlich einwilligen zu warten bis nach dem Examen, mußte am Ende wieder heim in mein Bett, ungeachtet der Alte schalt, während ich schmollte, brummte, anhielt.

Sechstes Kapitel. Wie die Leute uns in die Mäuler nehmen

Daß ich zerstreut in der Schule war, wird man begreiflich finden, und eben so begreiflich, daß mein abendliches Visitenmachen bei Schuhmachers den Leuten auffiel. Wäre ich alle Nächte hin zu Kilt gegangen, so hätten die Leute ganz einfach gesagt: >Dr Schumeister geit zu Schuehmachers Mädeli,< und wären vielleicht nur darüber uneinig gewesen, ob ich es nehmen werde oder nicht. Daß ich aber um 6 Uhr abends hin ging und um zehn Uhr heim kam, das fiel gewaltig auf. Da wurde gewaltig viel geredet von denen, die sich die Mühe nahmen, um uns sich zu bekümmern. Es kamen viele Leute mit verlöcherten Schuhen des Abends hin, nur um zu sehen, was wir da mit einander trieben, und der Schuhmacher hatte lange nicht so viel zu thun gehabt. Obgleich nun die Leute gar nichts Böses sahen, höchstens daß ich gerne so nahe als möglich bei Mädeli saß und in seine Augen sah, so fanden sie denn doch Ursache genug, uns recht unehrliche Dinge nachzureden, behauptend, wenn ich etwas ehrliches mit dem Meitschi wollte, so würde ich zu ihm gehen, wenn andere Buben auch zu ihren Meitschene, d. h. zu ihnen die Nacht durch in ihr Kämmerlein und Bett, und würde nicht so da bei ihm hocke in der ungeraden Zeit, wo es kein ehrlicher Mensch thue, d. h. beim Licht und in der Gegenwart des Vaters. So viel vermag Sitte und Vorurteil. Daß sie aber Mädeli eben deswegen zu meinem Mensch machen wollten, erfuhren wir lange nicht.

 

Der Pfarrer sagte mir einmal, als ich mich bei ihm verabscheidete, es sei ihm leid, daß er allerlei Gerede von mir vernehmen müsse. Er glaube zwar nicht daran, aber ich solle mich doch in acht nehmen. Nach einigem Verwundern und Erörtern vernahm ich, daß die Leute mir nachsagten, ich wolle oder hätte Mädeli zu meiner Hure gemacht. Ich bekannte dem Pfarrer, daß wir Brautleute seien, nach Ostern verkünden lassen wollen, und daß wir gemeint hätten, es sei für einen Schulmeister anständiger, wenn wir so zusammen kämen statt wie die andern; ich sehe es aber wohl, es sei doch besser und anständiger, es zu machen wie andere Leute. Der Pfarrer aber brannte auf, daß mir so was jetzt nur in Sinn stiege, nachdem ich mich so brav benommen bis dahin. Im Gegenteil werde er am Sonntag eine Predigt darüber halten und den Leuten sagen, was sie seien und wie sie nicht einmal wollten, daß andere besser würden. Ich hielt ihm gar hart an, daß er das doch nicht thun solle; aber erst auf das Versprechen, daß ich nicht zu Kilt gehen wollte, entsprach er auch mir. Wir beide gingen aber brummend auseinander. Jeder glaubte dem andern allzuviel nachgegeben zu haben. Er glaubte eine wichtige Gelegenheit versäumt, einen krebsartigen Mißbrauch abzustellen, und um ein in die Hände gekriegtes Musterbild andere zu versammeln. Ich meinte um des Eigensinns des Pfarrers willen noch länger dem Tadel mich preisgeben zu müssen; ich meinte, das klügste wäre, zu thun wie andere Leute; das sei doch das anständigste, und alle früher gemachten Erfahrungen waren ordentlich wieder vergessen. O, es ist gar schwer, Erfahrungen nicht nur zu machen, sondern sie auch zu behalten, nicht irre zu werden an ihnen.

Es ist auch gar schwer nicht nur für einen Schulmeister, sondern für Wissende und Gebietende dieser Erde, in jedem gegebenen Falle zu entscheiden, wo bei dem rechten Mann oder Christ die Accommodation anfangen und aufhören, der Widerstand beginnen und unterlassen werden soll: Accommodation und Widerstand gegen öffentliche Meinung und übliche Sitte. Offenbar liegt hier der Entscheidungsgrund nicht in Nutzen oder Schaden, überhaupt nicht in den Folgen, sondern er liegt in dem, was recht ist. Nun aber ist denn doch Vervollkommnung, Vernünftiger Fortschritt im Zwecke des Menschengeschlechts. Es ist aber klar, daß unbesonnenes, übereiltes Entgegentreten das Böse fördert, Gutes zerstört. Daher ist‘s schwer zu entscheiden, wann man das Unkraut aus dem Weizen nehmen, wann man es lassen soll bis zur Ernte. Aber traurig ist‘s, wenn man die Feigheit der Menschen sieht in dieser Beziehung. In aufgeregten Zeiten, wo die Meinung alles, die Sitte wenig gilt, da sieht man Menschen mit der niederträchtigsten Niederträchtigkeit Sklaven der öffentlichen Meinung werden und keine andere Meinung haben als die, welche gerade Trumpf ist und welche Leib und Leben schützen, ein Pöstlein bringen kann, während die gleichen Feiglinge die übliche Sitte auf die frechste Weise höhnen im einfältigen Glauben, nun sei einmal die Zeit gekommen, wo man nicht mehr achte auf Sitte und Zucht, wo im Gegenteil der der Größte auch unter den Menschen sei, welcher die größte Sau unter den Säuen wäre. Die Dummköpfe wissen nicht, daß es Zeiten gibt, wo man an Orten, z. B. in N . d . u, nichts hört als Frösche, Frösche und wieder Frösche. Wird daraus ein vernünftiger Mensch schließen, es seien nun keine Menschen mehr, sondern lauter Frösche, und für ihn die höchste Zeit, auch ein Frosch zu werden, um nicht einzig ein vernünftiger Mensch zu bleiben?

Können nun das die Höchsten nicht, so ist es Schulmeistern auch nicht zu verargen, wenn sie es nicht können, wenn sie z. B. in jedes dreckige Horn blasen, das man ihnen vor das Maul hält, und dann wieder Dinge sich erlauben, die weder im Alten noch im Neuen Testament erlaubt sind.

Mädeli weinte, als ich ihr sagte, was die Leute uns angedichtet hätten, und wir beschlossen nun, uns förmlich als Brautleute zu erklären, und nicht die Gemeinde erst mit dem Geheimnis von der Kanzel aus zu überraschen, wie es sonst auf dem Lande der Brauch ist. Da verhüllt man die Geschichte so lange sie zu verhüllen ist, sagt nichts vor den Leuten, bis man verkündet ist und läßt unter zehn Malen wenigstens sechse nicht verkünden, bis man muß.

Was nun die Leute für Augen machten, als sie das hörten, als sie sahen, daß ich einst ungescheut für Mädeli beim Krämer ein Nastuch und einen Fingerring kaufte, und ein andermal es zwang, selbst mit mir zum Krämer zu gehen, um sich Tschöplituch auszulesen, denn das ältere Tschöpli schien mir doch nicht gut genug zum Hochzeittschöpli.

Ich hätte dem Meitschi alles anhängen können, was ich gehabt, und alle Tage mußte es mir abwehren, nicht so narrochtig zu thun; wir würden das Geld sonst noch brauchen. Dann sang es mir gewöhnlich das bekannte Lied:

 
My Schatz, we du de z‘Märit thuesch gah,
Su chrämerle nit geng so viel,
We du de dys Güetli verchrämerlet hesch,
Was soll i de mache mit dir?
 

Was nun aber das den Leuten zu reden gab, und wie sie an unsern Brautstand nicht glauben wollten und immer meinten, ich meine: ich sei ein Herr und müsse es machen wie ein Herr, d. h. ein Maitreßli haben und dieses mit Geschenken überhängen!

Die Weiber wiesen Mädeli auf. Sie litten das, der Tütschel soll sie hudeln, nicht, daß ich, wenn ich sie heiraten wolle, nicht bei ihr läge, und wäre ich der Schultheß z‘Bern; da söll‘s eine mache wie dr anger; das wurd z‘letzt süsch lustig gah, we me e-n-iedere mache ließ, wie är wett. Da chönnt ja eine, we-n-er z‘Nacht nit bi syr Brut wär, bi-n-ere-n-iedere Huer sy, we‘s ihm gschmöckti. U de-n-es Schuelmeisterli syg de notti nüt z‘fürnehm für z‘Chilt z‘gah. Und die Meitscheni führten mich aus, hießen mich zu ihnen zu Kilt kommen; ich könne ihrethalben Tags kommen, wenn ich mich des Nachts fürchte; sie wollten dann die Fellladen zuthun. Aber so einen Mann im Sack kaufen, so einen nehmen, der nie bei ihnen gelegen hätte, möchten sie nadisch doch nit, u we sie z‘letsch gar kene überchämte.

Wir mochten nicht erwarten, bis wir durch das Verkünden unsern Ernst zeigen und die Leute etwas gschweigen konnten.

Siebentes Kapitel. Wie ich mit Mädeli auf Reisen gehe

Endlich wurden die Tage länger. Der Schnee verließ die Felder; Lerchen sah man auf den Ackern wieder und in den Baumgärten die Merzenglöcklein, der Kinder Lust. Die Schuljugend wurde wilder und ungezähmter; neue Lebenslust fuhr in sie, ihr Blut schien heißer zu werden; eine Regsamkeit durchströmte sie, mit der der Schulmeister gewöhnlich seine liebe Not hat. Er bringt sie nicht vom Stöckeln weg, nicht mehr in die Stube herein, wenn sie einmal draußen sind.

In den Gärten sah man wieder Weiber; in den Baumgärten wurde bschüttet und schöne weiße Waschen hingen, in einfacher Reihe aufgespannt, damit sie desto größer schienen, allenthalben zum Trocknen an der lieben Sonne; Merzenstaub wirbelte auf den Straßen und lustig wälzten in demselben sich die Hunde.

Mit Mädeli hatte ich je länger je mehr abzureden und konnte doch nie recht mit ihm ausreden. Wir mußten ans Pflanzen denken und wußten nicht recht, was und wie viel von diesem und jenem, und wußten nicht recht, durfte Mädeli mir dabei helfen. Es schämte sich fast dessen, ehe wir verheiratet waren. Und zwischenein redete es mir immer mehr von meinen Eltern, meiner Heimat, fragte, ob ich ihnen meine Heirat geschrieben, ob sie nicht kämen, ob ich nicht hin wolle, daß ich am Ende einmal fragte, ob es etwa mit mir kommen wolle, um auch zu sehen, wo ich daheim sei. Mädeli meinte, das sei ihm gar das rechte; es hätte schon lange gedacht, es wäre doch nicht recht, wenn es sich meinen Eltern nicht anrekommandieren würde; es seien doch immer die Eltern, und sie meinten es vielleicht jetzt besser mit mir als früher. Überdies nahm es Mädeli doch auch wunder, wie unser Heimet aussehe und ob wir auf demselben wirklich Kühe und nicht etwa nur Geißen halten könnten. Überhaupt hat es für ein Mädchen immer einen ganz besondern Reiz, und besonders im Frühjahr, einen Tag frei in die Welt hinaus zu können. Reiche Mädchen fahren ein- und zweispännig; aber mit noch größerer Lust gehen arme Mädchen zu Fuß. Und wenn sie auch in den ungewohnten Lederschuhen Blattern bekommen, erst die Strümpfe, dann die Schuhe ausziehen und barfuß gehen, ja, wenn sie noch eine Bürde dazu tragen müssen, so ist ihr Herz doch wonnevoll, und noch ganz besonders, wenn ein Bräutigam ihnen vorausgeht und alle hundert Schritte einmal zurücksieht, ob sein Schätzli noch nachhinke, oder etwa schon am Hag liege.

Mir war das Ding auch ganz recht, und nur Schüchternheit war‘s, was mich so lange abgehalten hinzugehen. Wenn schon nicht feurige Liebe, eine gewisse Anhänglichkeit fühlte ich immer gegen meine Eltern. Auch spienzelte ich gerne mein Meitschi in meiner Heimat, und manchen Abend vor dem Einschlafen sah ich, wie die Weiber meiner Mitbürger unter die Küchenthüre schossen bei unserm Durchgehen, und hörte, wie dann eine Nachbäurin zu der andern sagte: »Ds Webers Peterli het no-n-es bravs Möntsch da; i hätt‘s nit glaubt, daß er es selligs überchäm.« Und mich nahm Wunder, was meine Mutter dann von ihr erzähle, und ob sie nicht rühme: es sei nicht nur eine hübsche, sondern auch eine reiche, und ihr Vater hätte sieben Gesellen und das Leder für viele Jahre voraus. Ob sie es machte, weiß ich nicht; aber gelacht habe ich oft, wenn so ein Schwiegermüetti, welcher ihr Sohn eine Braut aus einem andern Dorfe vorstellte, dann von Haus zu Haus lief, und ausstrich, wie ihr Sohn eine reiche erhalte und was er alles erwybe, und wie spärlich und ärmlich dann die Braut aufzog, und dann die Mutter mit einem reichen Vetter sich aushalf, der gar geizig sei und jetzt nichts geben wolle, sondern immer sage: man könne einst dann alles zusammen nehmen, es gebe dann nur desto besser aus.

Trotz dem Liedli kramete ich Mädelin doch noch eine Kappe und ein Fürtuch, um recht stattlich mit ihm aufziehen zu können, wurde dafür auch tüchtig ausgescholten und dann doch noch zärtlicher geküßt als sonst. Es ist ein eigenes Wesen mit Bräuten und Weibern; sie lassen sich alle gerne kramen, ja viele machen den Kram zum Maßstab der Liebe; und viele, denen am Kram viel, an der Liebe wenig liegt, geben vor, nach dem Kram müßten sie die Liebe messen. Da unterscheide nun ein Mann, woran er eigentlich ist!

Das war ein wichtiger Tag für Mädeli; so weit war es sein Lebtag nicht gekommen, daher des Abredens gar viel war, und sicher manche fast schlaflose Nacht.

Mädeli wäre um Mitternacht aufgebrochen; nur mit Mühe konnte ich es dahin bringen, daß es erst um 3 Uhr das Kaffee bereit hielt. Als ich ziemlich exakt hinkam, hatte es meiner schon lange gewartet und war z‘weg, so z‘weg, wie die Kinder Israel beim Auszug aus Ägypten, und hatte auch gar nichts vergessen. Z‘weg sein zur abgeredeten Stunde und nichts vergessen, das ist eine gar schöne Tugend, die allen Weibern gar schön stehen würde, zwar den Männern auch. Aber es gibt halt Menschen, die nie z‘weg sind, im Leben nie und auch im Tode nicht.

Am Morgen zwitschern am lustigsten die Vögel; den Tag über verstummen sie; vor dem Schlafengehen öffnen sie dann wieder ihre Schnäbelchen und schlagen bald weichmütige, bald zärtliche und bald schläfrige Triller.

Kühl war den Morgen, aber heiter der Himmel, an dessen westlichem Rande der erblassende Mond der Erde die letzten Küsse gab.

Es ward uns weit ums Herz und traulich in demselben; behaglich und vertraulich wanderten wir mit einander. Ein gewisses freudiges, unnennbares Erwarten des kommenden Tages lagerte auf unsern Gesichtern. Etwas Ähnliches fühlt jeder Reisende an schönen Morgen. Aber so ganz das gleiche fühlt nur die Braut und der Bräutigam, wenn sie zum ersten Mal allein zusammen auf den Weg sich machen, sei‘s zu Fuß oder zu Wagen. Sie sind nun Reisegefährten; vor ihnen liegt ein langer Weg und ein unbekannter Tag. Vereint zu Schutz und Trutz gehen sie dem Weg und dem Tag entgegen und fühlen vereint den heitersten Mut, das wonnige Bewußtsein, Lebensgefährten zu sein. Dieser Tag ist ihnen ein Vorbild ihres Lebens, der Weg die Reise durchs Leben. Möchte man denn doch die Fröhlichkeit und die Traulichkeit beim Aufmarsch den ganzen Tag bewahren, und am Abend ohne traurige Täuschungen noch inniger vereint Einkehr halten wieder in der Herberge! O wie rosig sah es an diesem ersten Reisetage in manchem Mädchenherzen aus, und aus so manchem rosigen Mädchenherz ist ein Weiberherz geworden, inwendig gallenvoll, auswendig stachlicht, wie eines Igels wohlbekannte Haut! Weiber, wer hat euch also verhexet?

 

Munter ging die Wechselrede und jedes redete von sich und bekannte seine Fehler, die welche es kannte nämlich, und seine Vorsätze und seine Hoffnungen, Mädeli bekannte manche Unkunde, besonders im Pflanzen; kochen hingegen könne es, wie wir es etwa haben werden, und ich brauche es nicht zu trösten, wie jene Braut, die gar bitterlich weinte, als sie mit dem neuen Mann aus der Kirche ging. Der fragte sie endlich: »Was planst?« »Ach, Gott, we-n-i ume choche chönnt, aber i cha nüt, i cha nüt!« (aus diesem Grunde könnte noch manche plären.) Da antwortete der Mann kaltblütig: »Du Göhl, deswegen plär doch nit, i ha ja nüt z‘choche!« Da soll die Braut erst recht angefangen haben zu weinen. Hingegen, sagte Mädeli, könne es nähen für den Hausbrauch und das sei ihm schon manchmal komod gewesen. Aber ich solle nicht zürnen, es sei empfindlich und möge böse Blicke und böse Worte nicht ertragen; die thäten ihm gar zu weh und die dauren es dann lange, und dann halte man ihm vor, es chupe, und doch sei es gewiß nicht das Chupen, sondern das Duuren, daß man es nicht lieber habe. Ich bekannte auch; bekannte Unschlüssigkeit und ein mißtreu Wesen, das mich aber erst angekommen. Aber eine Frau solle es gut haben bei mir, meinte ich, fast wie eine Herrenfrau und viel besser als viel Bäurinnen. Zu pflanzen hätten wir nicht so viel und dann könne sie an Schatten und Scherm bleiben, und über das Geld wollten wir nur einen Schlüssel haben; was meins sei, das sei auch seins und da könne es nehmen, soviel es wolle. Wir wollten es nicht so machen, wie es mancher Herrenfrau (d. h. doch nicht bloß Pfarrersfrauen, sondern auch anderen Herrenfrauen) und auch noch Bauernweibern gehe, die jeden Kreuzer mit Angst und Not betteln müßten. Ich vergaß nur zu versprechen, daß Mädeli immer Geld genug vorfinden solle; aber an dem zweifelten wir nicht. Wir rechneten zusammen meinen Lohn, meinen Verdienst, wollten noch aus unsern Pflanzungen etwas lösen, und Mädeli meinte: so es Tusig wolle es doch wohl noch ein Tag in den andern spinnen und das mache immer einen Batzen. Wir überschlugen auch die Ausgaben und hätten fast Freudensprünge gethan, als sich jährlich wenigstens 25 Kr. Vorschlag zeigte, und doch hatte ich nur 300 Arbeitstage gerechnet, während doch nicht 65 Sonntage sind.

So schwand die Dämmerung, der Weg, wir wußten nicht wie, und im Umsehen waren wir in einem stattlichen Dorfe nur eine Stunde von meiner Heimat. Dort sah Mädeli sich immer nach etwas um, ich wußte nicht wornach, und vernahm endlich, daß es einen Krämer suche, um meinen Eltern etwas zu kramen nach üblichem Gebrauche. Nachdem es 1/2 Pfund Zucker und 1/4 Pfund Kaffee eingekauft und beim Bezahlen sich recht schämig und üblich bei Seite gedreht hatte, damit niemand sehe, wie wenige Bätzlein und wie mühselig es aus seinem Kittelsack hervorknüble, so fand ich denn doch auch billig, ihm eine Halbe zu zahlen. Und wie es auch sich eigelich machte und vorgab, es mög es wohl erlyde und es heig nüt nötig; so kam es mir doch nach, als ich voranging. Es ist nichts lustigers, als so ein Paar zu sehen, das ins Wirtshaus kömmt und wo die weibliche Hälfte sich gewöhnlich erst wehrte, meist aus Höflichkeit, aus Ernst selten. Der männliche Teil geht voraus und stößt noch manchmal im Vergeß die Thüre halb oder ganz zu, und oft, wenn er schon an einem Platze sitzt, drückt sich erst das Meitschi verlegen durch die zugehende Thüre hinein, weiß nicht recht, ob es vorwärts will oder nicht, sagt verschämt: »Gott grüeß ech!« und hat nicht ungern einen Finger im oder am Maul, weil es nicht weiß, wo es ihn sonst haben sollte.

Von da an begann es mich zu heimelen und ich hatte Mädeli tausendfältiges zu erzählen von allen Umgebungen und wer aus diesem und auf jenem Hofe wohne, und wieviel Kühe sie hätten und was das für Leute seien. Und während dem Erzählen sah ich mich immer nach bekannten Leuten um, ward immer ungeduldiger nach bekannten Gesichtern und einem bekannten Gruß. Wenn einer wieder in die Heimat kömmt, so heimelet ihn erst die Gegend, dann will er heimelige Gesichter und am Ende auch Herzen, bei denen es ihm heimelig wird. Findet er die beiden letztern nicht, dann kömmt das Heimweh auch in der Heimat. Solches Heimweh drückt schwer manches alte Herz, das nie aus der Heimat gekommen. Die mit ihm jung waren, sind heimgegangen; die, welche mit ihm die Hitze des Tages ertragen, hat der Tod in seinen Schatten gebettet, die, welche es zu seiner Hülfe, seinem Trost erzogen, sind ihm abberufen worden zu anderer Arbeit oder in der immer neu werdenden Welt ihm fremde geworden; so findet sein Auge kein heimelig Gesicht, ein Zeugnis früherer Tage, mehr, findet kein heimelig Herz mehr, bei dem ihm früher bei Leid und Freude wohl gewesen. Fremd ist‘s um ihn geworden. Da kömmt ihm dann das rechte Heimweh nach der rechten Heimat; unheimelig wird ihm im bekannten Lande, und er sehnt sich nach dem Lande, das kein sterblich Auge noch gesehen hat. Er weiß, dort wird ihm heimelig sein; denn dort findet er, was hier in seinem Herzen wohnte. Glücklich, wem beim Gedanken an den Himmel ein heimelig Gefühl in seinem Herzen aufdämmert! Wem aber hier nie heimelig im Herzen wohnte, was im Himmel ist, dem würde nicht heimelig im Himmel werden, auch wenn er hineinkäme. Endlich kamen die heimeligen Gesichter und sie kannten mich recht ordentlich wieder. »G, Peter, bisch du‘s, i hätt di bal nimme kennt; du hesch drüyt, sit i di nüt gseh ha. Isch das dy Frau? ‚s isch e Bravi, du hesch geng uf di Hübschi gluegt,« das war der gewöhnliche Gruß, neben dem Handlängen, welches zu unterlassen nach einigem Nichtsehen eine Beleidigung wäre, während es in der Stadt eine Beleidigung ist, d. h. bei den Herren, die sich vor dem Gemeinmachen fürchten und nichts mehr hassen, als einen Schein von Kordialität und Zutraulichkeit.

Die freundlichen Begrüßungen allenthalben thaten mir wohl. Als gar auch noch der Statthalter mir die Hand längte und sagte: ich hätte sollen mich für ihre Schule melden; sie hätten mich gerne gehabt und hätten mein Ausbleiben fast gezürnt; da ward ich ordentlich stolz und Mädeli blickte mich mit Respekt an und meinte: da müsse ich gar wohl ah sein. Ich wuchs wenigstens drei Zoll und machte mich so breit als möglich. Es ging mir aber nicht anders als verschiedenen andern Honoratioren mit verschiedenen Namen. Ich mußte oft lachen, wenn solche Standespersonen mit Visiten im Dorfe spazierten. Da traten sie viel stattlicher einher, weil sie sich mit ihren Visiten, wenn diese nämlich etwas zu bedeuten hatten, meinten und gleichsam mit ihnen sagten: ihr Leute seht, solche Leute kommen zu mir; ich muß also auch anderwärts etwas gelten und bekannt sein. Und hinwiederum, wenn die Dorfleute sie grüßten und gar den Hut zogen, so thaten sie viel freundlicher und zugleich gravitätischer, und sahen die Visiten an, fragend: ob sie denn bemerkten, wie geachtet man sei und wie gut man es mit den Leuten könne. Freilich gab es mich Honoratioren, die vor Visiten darin eine Ehre suchten, gar niemand zu kennen, gegen niemand freundlich zu sein und recht augenscheinlich zu zeigen, daß man sich um die Canaille nicht futiere und meist nur durch den Landjäger mit ihr rede. Die Popularität ist nämlich eine Münze, die nicht immer und nicht bei allen den gleichen Wert hat.