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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Die Buben sind von Natur roher, wilder und besonders unbedachtsamer, rücksichtloser, die Mädchen weniger roh und besonders bedachtsamer, mehr berechnend und feiner fühlend. (Doch will ich wetten, bei Lehrerinnen würde das Verhältnis sich anders herausstellen.) Das Mädchen weiß schon früh, daß sein Lehrer ein Mann ist, und diese zu berücksichtigen, von früher Jugend an, lehrt es ein Instinkt. Es will ihm gefallen und es findet, wenn der Lehrer nur einigermaßen die Nase mitten im Gesicht hat, Gefallen an ihm. Wie manches Mädchen hat daheim schon gesagt: Üse Schumeister ist doch e hübsche! Hat das je ein Bube gethan? Das Mädchen hütet sich, dem Lehrer zu mißfallen, fühlt tief ein Wort von ihm und weiß, meist sich selbst unbewußt, in die Stimme, in die Augen, in sein ganzes Thun und Lassen so manches zu legen, was den Lehrer anziehen muß. Wenn dem Lehrer etwas zu bringen ist, wer erzwingt es, dasselbe zu tragen, Knaben oder Mädchen? wer läuft der Mutter mehr nach, um sie zu mahnen, daß man dem Schulmeister lange nichts gebracht und daß, wenn man frisch backe, man ihm doch ein Brot bringen wolle — Knaben oder Mädchen?

Abgesehen davon, daß ein Lehrer Mädchen weniger zu strafen braucht, macht schon ihr Wesen an sich mehr oder weniger Eindruck auf ihn; er fühlt sich zu ihnen hingezogen, und die Aufmerksamkeit, die sie ihm widmen, vergütet er wieder. Man achte nur einmal auf den Ton der Stimme, ob nicht eine ganz andere Modulation darin liegt, wenn er fragt: Hans, chast mr‘s säge? Oder: Bäbeli, weisch du‘s öppe? Da es nun immer so gewesen ist, so fällt dieser Unterschied, den der Lehrer zwischen Knaben und Mädchen macht, nicht auf; ja der Lehrer sagt ganz ungeniert: die Meitscheni seien ihm viel lieber, sie seien viel ördlicher, er habe nicht halb so viel mit ihnen zu thun, als wie mit den Buben. Niemand wird den geringsten Anstoß daran nehmen. Nur muß der Lehrer sich hoch in acht nehmen vor zwei Dingen: er muß sich hüten, daß seine allgemeine Liebe nicht eine specielle werde, daß er nicht ein Mädchen vor den andern auszeichne, ihm den Hof mache, sonst hat er es mit allen verspielt. Er muß sich zweitens hüten, daß er nicht gegen die Mädchen ekelhaft wird und zudringlich, daß er die Schule mit einem Abendsitz verwechsle und irgend fühlbare Zeichen seiner Liebe gebe, so sehr es ihn auch jucken mag, Backen zu tätscheln oder sonst etwas, sei es nun in Primarschulen oder Arbeitsschulen.

Er meint vielleicht, das habe gar nichts zu bedeuten. Wohl, das bedeutet etwas; er fühle sich nur selbst den Puls, so weiß er, was es bedeutet. Aber alle seine Schüler wissen es, ohne ihm an den Puls zu greifen. Die Buben verhöhnen ihn, und die Mädchen werden erbittert und schämen sich, und wenn es den Alten zu Ohren kömmt, so gibt es Lärm. Überhaupt ( vide das frühere Kapitel über das Verhältnis von Mann und Weib) darf der Lehrer nie die Schwäche darstellen, sonst kömmt er unter ihren Pantoffel, und wenn er später eine Schülerin heiraten sollte, so kömmt er unter einen noch tüchtigern Pantoffel und wird kaum anders vor seiner Frau reden dürfen, als mit weinerlicher Stimme und höchst verlegenen Gebärden. Es wären hier Exempel zu erzählen. Er muß die Kraft darstellen, die anzieht, die anzieht nicht mit Absicht, nicht mit einem angenommenen Wesen irgend eine Rolle spielend, einen Esel darstellend; sondern die anzieht ohne Absicht in wahrer Liebeswürdigkeit durch ein wahrhaft männlich Wesen, dessen Grund Ernst und Liebe ist, das sich darstellt fern von jeder Künstlichkeit in Milde und Kraft. Ein solches Wesen bringt selbst die Buben zu Liebe und Anhänglichkeit, geschweige dann die Mädchen. Die Mädchen haben, so sinnlich sie sein mögen, doch einen eigenen Zug zu höhern bessern Naturen; nur müssen diese doch nicht in gar zu wüster Hülle sein. Daher sieht man so unendlich oft die Schülerin an den Lehrer sich hängen gegen den Willen der Eltern; so sagen es wenigstens die Romane. Aber auch ohne die hat man sehr viele Beispiele von Lehrern, die ihren Schülerinnen immer warm im Herzen blieben, denen bei des Lehrers Anblick die Augen ganz eigen glänzten, denen in den Tiefen wieder auftauchte die entschwundene Jugend, der Frühling des Lebens, die knospende Liebe mit all ihrem Wogen, ihrem Regen. Und wie manches Mädchen fühlte nicht eine Langeweile, eine Öde im Herzen, wenn der Unterricht aufhörte, die es sich nicht zu erklären wußte?

Je mehr der Lehrer die Kraft darstellt, je weniger er sich reißen läßt zu Tändeleien und Spielereien, desto unschädlicher bleibt, ja desto nützlicher wird diese Liebe oder Anhänglichkeit. Zum Bewußtsein durch Erklärungen kommt sie nicht; die Blume geht nicht auf, nur die Knospe bildet sich verschämt zwischen Blättern, genährt und hervorgelockt durch milde kräftige Luft. Das Mädchen, gewöhnt an diese reine bessere Luft, empfindet Ekel gegen die unreine; vor seine Seele hat sich das Bild einer edlen Seele gestellt, die hat sein Herz erwärmt. Wieder eine edle Seele verlangt es, um dasselbe in Glut und Flammen aufgehen zu lassen. Wohl zieht viel und oft durch das Verlangen der Seele die Schwäche des Fleisches einen Strich oder ein Geldsack legt sich schwer auf dasselbe. Allein untergehen wird in dieser Seele doch selten ganz die Sehnsucht nach edleren Wesen, und schwere Seufzer ringen denselben sich entgegen, durch schwere Leiden oft; und oft endet das Ringen nicht, bis die Augen sich wieder öffnen in einer andern Welt. Es wird mancher bedächtliche Lehrer bedenklich den Kopf schütteln über meine Rede und unverblümt sagen, ich rede Thorrechtes. Ich glaube es nicht. Ich meine nur zur Sprache zu bringen das Bestehende, damit dasselbe begriffen und vernünftig benutzt werde.

Zum Beweis, daß ich es auf alle Fälle redlich meine, will ich aufrichtig bekennen, wie es mir ergangen. Damals freilich wußte ich nicht, daß es mir so erging, und wenn jemand es mir gesagt hätte, so wäre ich böse geworden oder hätte ihn ausgelacht. Aber doch that es mir allemal wohl, wenn ich zu den Mädchen kommen konnte, um sie zu überhören. Ich sparte sie manchmal auf bis zuletzt, wie man auch den Dessert zuletzt isset, und nach dem Sprüchwort den Bauer nicht gerne auf den Herrn setzet. Es lachte mir allemal das Herz im Leibe, wenn ich eins der ältern Mädchen in die Schule kommen sah, und es war mir recht öde in der Stube, wenn keins derselben da war. Manche Viertelstunde ging ich früher in die Schulstube, um, wie ich mir sagte, Federn zu schneiden. Das Federnschneiden kam mir aber gewöhnlich erst in Sinn, wenn ich von jenen Mädchen eins oder einige bereits in der Schule wußte. O, es ist recht wunderlich, was dem Menschen alles einfallt, um etwas thun zu können, das er weder sich noch andern bekennen will, dem er keinen Namen geben möchte. So ist mancher Mann ein wahrer Salomo in der Erfindung von Vorwänden, etwas zu laufen. Es ist ihm nicht um das Laufen, sondern um den Schoppen oder die Halbe, die er beim Laufen trinken kann, denn seiner Frau darf selten einer rund aus sagen: Frau, i will ga-n-e Halbi ha. Aber narrochtig that ich mit den Mädchen nicht; es that mir nur wohl, bei ihnen zu sein, und dummes Zeug schwatzte ich nicht mit ihnen. Sie begannen gewöhnlich in ihrer geschwätzigen Natur das Gespräch, und ich brauchte nur hie und da ein freundlich Wort zu erwidern, so ward ihnen angeholfen und ich vernahm gar allerlei, das mir nützlich war. Und wenn ich zufällig nicht gleich hinüber kam, so hatten auch sie Einfälle, in meine Stube zu kommen oder mich hinüber zu rufen. Da ich mir also nicht vergab, so verlor das schulmeisterliche Ansehen durchaus nichts ; im Gegenteil hüteten sie sich recht mädchenhaft, mir einen Verdruß zu machen, und ein einzig strenges Wort fand allezeit weichen Boden. Möglich auch, daß mein weichmütig, wehemütig Wesen (in den Städten würde man sagen, es sei ein interessanter Anflug von Melancholie gewesen) ihr Mitleid erregte; denn man will wissen, daß solche Stimmung bei einem Mann auf Mädchen ganz besondere Wirkung thue, da eine Art Instinkt sie zu dem Amte des Tröstens treibt.

Sie suchten mir auch gefällig zu sein, wie sie nur konnten. Sie sahen, daß mir das Kehren der Schulstube (das ich zweimal in der Woche vornahm und nicht bloß einmal, wie es hie und da noch geschieht, wo man es bitzli D... mehr oder minder nicht scheut) sehr beschwerlich war. Von nun an hatte ich gar nichts mehr damit zu thun; die Mädchen schlugen sich fast darum und putzten mir meine Stube, daß es eine Freude war. Und weil ich zusah, verrichteten sie die Arbeit mit einer Rührigkeit, einer Schnelligkeit, welche sie zu Hause kaum an den Tag legten.

Noch sehe ich, wie einmal ein armes Mädchen vor der Schule um mich herumstrich, immer eine Hand im Sack. Endlich zog es einen Apfel daraus hervor, von den schönsten einen, gelblicht mit roten Backen zum Malen. Er war sicher der schönste, den das Mädchen seit Jahren gehabt. Mit einem ganz eigenen Zagen bot es mir ihn an und sagte: »Schumeister, meut dr nit öppe-n-e-n‘Öpfel?« Ich antwortete vielleicht etwas kurz: »Ich wott dir dini Öpfel nit esse, bhalt du-ne nume.« Da wurde das Mädchen ganz rot, schlug seine schwarzen Augen mit einem ganz eigenen bittenden Ausdruck zu mir auf und sagte: »Schumeister, nät mr-ne ab, es isch gwüß e guete.« Ich konnte natürlich nicht widerstehen, und das Mädchen hatte nun keinen Apfel zu essen denselben Nachmittag, und doch war es von einer Fröhlichkeit wie sonst nie; ein sinnig Lächeln saß beständig auf seiner Stirne. Wer sagt mir, was in des Meitschis Herzen vorgegangen vor dem Geben, bei dem Geben und nach demselben? Um dieses Apfels willen wurde dieses Mädchen aber auch meine Eva.

So rückte das Examen heran, für Kinder und jüngere und ältere Schulmeister, die ihres Amtes leben, ein wichtiger Tag. Es wohnt in den Kindern ein Trieb, das zu zeigen, zu bewähren, was sie gelernt haben, zugleich mit einer Bangigkeit über den Erfolg, einem Zagen: ob es ihnen wohl gelingen möchte, zu bestehen? Ach, daß dieser Trieb im Kinde und diese Bangigkeit nicht gepflegt werden, daß sie nicht geführt werden aus der Schulstube ins Leben, daß das Kind nicht gelehrt wird, daß jeder Lebenstag ein Examentag vor Gott sei, und daß alles Lernen nichts abtrage, wenn es einem nicht dazu helfe um in dem Examen vor Gott zu bestehen! Aber nein, zwischen Schule und Leben, zwischen Kirche und Haus hat die Zeit Klüfte ausgefressen und tolle Menschen haben sie noch tiefer gegraben, und Brücken darüber sind nicht gebaut, und hinüberspringen sollen die Menschen von einem Uferrand zum andern: da brechen aber viele den Hals, andere die Beine, und die meisten können nicht begreifen, warum man sie bei dieser Gefährlichkeit von dem einen zum anderen hinüberjage, statt jemand da ruhig sitzen zu lassen, wo er einmal sitzt. Die Kinder freuen sich aber auch auf den Lohn ihrer Arbeit, auf die schönen blanken Batzen, welche ihnen leider jetzt durch die eidgenössischen Münzlümmeleien verkümmert werden. Die Mädchen freuen sich, ohne Tschöpli in den weißen Hemdeärmeln wieder als lustige Sommervögel zu erscheinen, und nur hie und da sieht man an schönen haustäglichen Examentagen traurig ein blasses Kind in einem traurigen Tschöpli. Ach, das arme blasse Kind hatte kein gebleichtes weißes Hemde oder keine ganzen Ärmel an seinen zwei Hemdchen; es darf sie nicht sehen lassen, muß seine Ärmchen traurig verstecken in die abgetragene Hülle, muß die andern rauschen und funkeln sehen in den steif gestärkten, weißen, bauschichten Ärmeln. Ach! da ist wohl keine Frühlingsfreude in dem kleinen Herzchen; in den Augen sitzt die Scham und zieht sie nieder, und nur der blanke Batzen wirft einen Schimmer der Freude über die blassen leidenden Züge.

 

Ach, ich habe schon manchmal mein Ohr gelegt an solche kleine arme Herzchen, die so vieles sehen müssen und nichts besitzen, die in Not und Kümmernissen gespiesen und getränket werden, die, sobald sie zum Bewußtsein gelangen, von den Eltern ihre Armut vernehmen und täglich Zeugen sind von dem Jammer, den die Eltern verhandeln. Da habe ich vernommen, was die Menschen nicht ahnen, sinnige Gedanken und tiefe Gefühle, habe sie weinen hören im Herzen. Aber was mich weinen machte, war, wenn diese kleinen Herzchen sich einmal freuten, freuten über Dinge, die andere Menschen nicht sehen, reiche Kinder achtlos zertreten, und diese Freude war so rein, so kindlich und umwob so schnell den eingegrabenen Kummer, wie reiche Kinder sich nimmer freuen können. Aber selten jemand denkt an die Freude armer Kinder, als unser liebe Herrgott, der bunte Steinchen für sie geschaffen, schöne Blümchen und Stecken, krumme und gerade. Ach, die erwachsenen Menschen wissen selten mehr, was rechte Freude ist!

Aber wenn ich mein Ohr lange an einem Ratsherrenherzen gehabt oder sonst an einem Magnatenherzen, oder an den Herzen reicher Herren- oder Baurenweiber oder sonst an den Herzen von allerlei Grümpel, und da ganz trübselig und wirbelsinnig geworden bin, so suche ich mir wieder ein armes blasses Kind und lege mein Ohr an sein Herzchen, um wieder zu mir selbst zu kommen, d. h. zu verharren in der Liebe. Ich habe aber schon manchmal gedacht, wenn ich mein Ohr so an ein schwammiges üppiges Herz gelegt, und da Dinge vernahm, daß mir fast Hören und Sehen verging, welch Lärm es Wohl absetzen würde, wenn der Besitzer des Herzens den Lauscher wahrnehmen würde? Wäre es ein Mann, so würde er nach Ohrfeigen greifen; wäre es ein Ratsherr, so würde er dem Großen Rat ein Dekret vorlegen, um dieses bei Halsesstrafe zu verbieten, unterdessen mich hinter Schloß und Riegel thun lassen. Und die Weiber, o Himmel! die Weiber würden ihre Halstücher mit Gusen verstecken, ihre Herzen mit Mäntelenen verpolstern, und wenn alles nichts helfen würde, Zetermordio schreien; und würden mich verschreien weit ärger noch als Potiphars Weib den armen Joseph. So würden die Weiber schreien mit schwammigen üppigen Herzen; aber solche Herzen haben gottlob nicht alle Weiber oder Mädchen. Es gibt deren viele, die ich kenne, die würden wohl auch rot werden und etwas vorziehen wollen, wenn sie mein Ohrenläppchen so nahe an ihnen bemerken würden; aber es ist die holde Scham, die die reichsten Reize am schüchtersten oder stolzesten zu verhüllen strebt, nicht der Schrecken der Kokette, der man hinter falsche Haare oder einen hölzernen Busen kömmt. Doch von solchen schönen reichen Herzen ist jetzt nicht Zeit zu reden, nicht Zeit auszuplaudern, was ich da erlauscht, sondern zu alten und jungen Schulmeisterherzen muß ich zurückkehren, die mit freudigem Bangen oder banger Freude den Examentag erwarten. Ach, so Schulmeisterherzen mahnen mich eigentlich auch an arme Kinderherzen, die an gar kleinen Dingen sich Freude machen müssen, denn größere sind ihnen nicht beschert. Den in der Schule vergossenen Schweiß merkt niemand mehr; von der ausgestandenen Not und Mühe nimmt man nicht Notiz, und wenn der Schulmeister so recht zeigen will, was er gemacht hat, was freilich blutwenig ist gewöhnlich und niemand wichtig scheint als ihm, so strecken die Manne die Beine lang von sich, der Ammann gähnt verstohlen; aber der Stiel entrinnt ihm noch und tönt gewaltig durch die Stube, und er rutscht zum Pfarrer und sagt: »Es düecht mi, er sött afe gnue ha u nimme möge; i wett ihm‘s säge, er söll fertig mache.« Vielleicht fällt hie und da ein Lob über eine schöne Schrift; aber wenn der Vater des Skribenten da ist, so denkt niemand, daß der Schulmeister das Schreiben ihn gelehrt, sondern rühmt dem Alten den hoffnungsvollen Sprößling. Der nimmt behaglich das Lob ein, spreizt die Beine auseinander, nimmt den Spiegel gravitätisch aus der Westentasche und sagt endlich: »Ja es isch ordlich gnue u-n-er het gseit dahem, er hätt‘s no viel brever welle mache, aber dFedere sig ihm nit guet gsi u di angere heige geng am Tisch gstoße.« Das sind des Lehrers Freuden. Und wenn man ihm nachrühmt, sie hätten brav aufgesagt, aber das Lesen hatte etwas besser gehen können, und wenn man ihm dann ein klein Trinkgeld für das Wüschen und Heizen erkennt mit dem ausdrücklichen Beisatz: man sei es eigentlich nicht schuldig, aber man habe es den anderen auch gegeben und man wolle jetzt nichts anderes mehr anfangen, so hat er für ihn einen reichen Freudentag gehabt. (Freilich an manchem Orte wird es heutzutage besser.)

An meinem Examen zu Gytiwyl hatte ich nicht einmal solche Freuden; der Pfarrer, der es nicht böse meinte, aber doch in seiner Hastigkeit gerne in alles redete, verpfuschte mir den ganzen Tag. Beim Auswendigaufsagen gebot er auf einmal und unerwartet, daß alle Kinder die Bücher aus den Händen unter die Tische thun sollten. Er hasse das beständige Gucken ins Buch, wo man einige Worte mit den Augen auffasse, die Ladung ausspucke und schnell wieder eine neue hole. Das mahne ihn gerade an einen Pfarrer, der seine Predigt ablest und immer drein und draus sehe, wie ein Huhn, wenn es Wasser trinkt. Übrigens sei das gar nicht auswendig gesagt, und mit allem Lernen wüßten und behielten die Kinder nichts, wenn sie sich immer auf das Buch verlassen könnten. Das war ganz richtig. Aber meinen Kindern, die sich einmal an das Buch gewöhnt hatten, ging es wie Kindern, die an ein Lülli gewohnt sind und ohne dasselbe gar nicht schlafen können oder wollen, sie mögen noch so schläfrig sein. Sie konnten nicht recht aufsagen, wußten mit ihren Händen nichts anzufangen, kamen von vorn herein schon aus dem Concept, und das Aufsagen, auf das ich bedeutende Mühe verwendet hatte, ging grundschlecht.

Beim Konstruieren hoffte ich nachzubessern und es ging recht gut. Die Wer, Wessen etc. wußten die Kinder richtig aufzufinden und der Chorrichter sagte: was es doch immer für neue Moden gebe, allbets habe man von dem nichts gewußt und einmal er wüßte nichts damit zu machen. Allbets habe man toll leren bete, das es fry gehutet heig, und damit sei man auch durch die Welt gekommen und habe besser husen können, als mancher, der alles wisse, was in den Bücheren sei. Da fiel mein fürwitziger Pfarrer wieder ein, als ich am schönsten im Zuge war, und fragte: »Kinder, ihr habt da von Cederen geredet, was ist das für ein Ding?« Große Stille. »Ist‘s ein Mensch, oder ein Tier?« »Ein Tier«, sagte endlich eins. »Ist es ein vierfüßig, oder ein kriechend Tier?« »Ein vierfüßiges«, war die Antwort. »Ein Ochs oder ein Esel?« »Ein Esel.« — »Nein«, sagte der Pfarrer, die Cederen sind Bäume. Aber sagt mir nun, was bedeutet das Wort Libanon, ist das auch ein Baum, oder ist‘s ein Vogel?« »Es ist auch ein Baum«, sagten mehrere, »Ist‘s eine Tanne oder ein Pflaumenbaum?« »Es ist ein Pflaumenbaum«, war das Resultat langen Nachsinnens. Der Pfarrer schmälte die Kinder, daß sie das nicht wüßten. Du mein Gott, was vermochten sich die Kinder dessen; ich hatte es ihnen ja nie gesagt! Und wer hätte es ihnen sonst sagen sollen? Der Ammann sagte auch dem Pfarrer: einmal er hätte es auch nicht gewußt, und es habe ihn nie wunder genommen. Er finde, das trage gar nichts ab, wenn man den Kindern alles erklären wolle, das mache sie nur gwunderig und dann wisse man zu Hause nichts mit ihnen anzufangen. Er finde immer, der Glaube sei die Hauptsache: es heiße ja, daß der Glaube allein selig mache.

Wenn so einem Schulmeister, der alles am Fädeli zu haben glaubt, am Examen nur eine Floh über den Weg springt, so nimmt er es schon aufs Puntenöri, geschweige dann solche Dinge. Freilich sagte mir am Ende der Pfarrer: er sei gar wohl mit mir zufrieden gewesen; ich habe mir Mühe gegeben und habe Rat angenommen, und wenn ich mir wolle gesagt sein lassen, daß man auch erklären müsse und nicht nur konstruieren, so werde alles gut kommen. Aber wie kann man etwas erklären, das man selbst nicht weiß, das einem niemand gesagt hatte? Mein Normallehrer, der nicht wußte, was Palästina war, der hatte mir auch nichts von Cedern und Libanon gesagt, und was er mir noch alles anderes nicht gesagt hatte, das würden alle Bücher der Welt kaum fassen. Der Gerichtsäß gab mir auch ein gar gut Lob und sagte: ich sei ihnen gar anständig; ich sei für mich gewesen und hatte niemand aparti plaget, und wenn ich etwas gewollt, so hätte ich es ordentlich bezahlt, entweder auf der Stelle oder doch auf die Zeit, wo ich es versprochen. Und das sei ds Brävst a-mene Schumeister. Und wenn er dann schon nicht alle neuen Moden nachmachte, so sei das graglych, sie hätten ihm doch nichts darauf.

Das war wieder etwas Balsam auf die Wunden, aber wieder zwei Feuer eröffnet gegen den armen Schulmeister. Was den einen recht war, schien den andern unrecht. Wer will es verargen, wenn man aus Instinkt ins Lavieren gerät, bei allem Schein von Bewegung es doch nicht von der Stelle bringt! Doch so weit dachte ich damals nicht. Etwas getröstet folgte ich der Einladung, mit dem Manne eine Halbe zu trinken; ich hoffte noch dies und jenes Erfreuliche für mich zu hören. Allein ich täuschte mich. Nachdem abgehandelt war, was am letzten Bern-Märit die Kühe gegolten und das Korn, kam man ins Prozedieren und da wurde man mit einer Halbe nach der andern fertig, aber nicht mit dem Prozedieren.