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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Wer so in den Himmel hineinbaut und zu Gott selbsten aufsteigt und an ihn sein Dasein knüpft, den will ich vergleichen einem klugen Mann, der sein Haus auf einen Felsen gebaut hat. Da nun ein Platzregen herabfiel und Wassergüsse herabkamen und die Winde bliesen und an dasselbe Haus stießen, da fiel es nicht, denn es war auf einen Felsen gegründet.

Die Annahme dieser Vermittlung, das getroste Arbeiten und Dulden hienieden in freudigem Vertrauen auf eine künftige Erfüllung, auf ein Schauen von Angesicht zu Angesicht, was einem hier nur dunkel erschien, heißt mit einem fremden Worte Resignation, mit einem heimischen Ergebung.

Ideen sind aber gar dünne Wesen, und die meisten Augen sehen nicht, was nicht dick verkörpert ist; darum ist uns darin die heilsame Gnade Gottes erschienen, daß er diese Ideen in seinem Sohne verkörperte. In ihm erscheint uns die wahre Freiheit, die geistige Schönheit (Heiligkeit), die Liebe männiglich sichtbar, sichtbar auch den Einfältigen, Unmündigen, den Armen im Geiste. In ihm wurde uns klar die Wahrheit, daß jeder vom Sturme der Erde, von ihren Unvollkommenheiten und des Fleisches Beschränktheit erfaßt wird, dessen Füße den Erdboden berühren; daß jeder in Menschengestalt bebt und schwankt und nur die Kraft von oben ihn aufrecht erhält, daß nur der stehen bleibt, der sein Haupt in des Vaters Schoß gelegt hat. In ihm wurde uns die Kraft der Ergebung klar, die alles thut und doch nichts fordert, die in sich das Göttliche tragt und doch nicht in gebrechliche vergängliche Formen es niederlegt, sondern in des Menschen Brust, wo aber der Same tausende von Jahren braucht, bis er aufgeht in seiner Fülle. In ihm wurde klar die Ergebung, die im Glauben an den Willen des Vaters nie seinen Kindern, den Ideen, untreu wird, nie an der Freiheit Verzweifelt, wenn auch die Zeitgenossen Sklaven bleiben wollen; die Heiligkeit nicht verwünscht, wenn auch das Laster triumphiert; die Liebe nicht in Haß verwandelt, wenn auch Tod ihr Dank ist. Das ist das Getreusein bis ans Ende, und dessen Lohn ist Seligkeit bei dem Vater, ist das Finden des Vaters. Wie dem Volke Israel die Schlange, ist uns daher Christus aufgerichtet als die Säule, die bis in den Himmel geht; als die wahre Himmelsleiter, an welcher die schwache Menschheit aufsteigen und vom Tier zum Engel werden soll. Er ist der Rebstock, wir sollen die Reben sein; keine bringt Frucht, die nicht an ihm bleibet; durch ihn und seine Vermittlung kömmt der Mensch zum Vater. Also nur der kömmt sicher ans Ziel und stehet fest, der an Christus sich aufschwingt; aber auch nur der Mensch ist ein fester und sicherer Leiter für andere, der zu Christus führt, von dem aus sie Christus finden, von dem aus sie treten können mit eigenen Füßen auf die wahre Himmelsleiter.

Drum, Menschen! ehe ihr einen großen Fall thut und andere mit euch reißt, prüfet euch, woran ihr denn eigentlich steht. Denn entweder steht ihr an etwas oder liegt im Kote, eins von beiden; durch sich selbst alleine steht niemand, höchstens nur auf Augenblicke. Glaubt es mir, ihr seid unter den Geschöpfen, was das Epheu unter den Pflanzen ist, eine Stütze muß euch aufrichten und aufrecht erhalten.

Ach, eine feste Stütze hatte ich eben nicht, darum sank ich auch so tief. Ich hatte mich wohl aufgerichtet, allein meine Stützen täuschten mich; darum fiel ich ohne Halt darnieder. An meiner Eltern Hand war ich dem Tiere entwachsen; der Vater warf frühe in mich den Zunder des Ehrgeizes, etwas mehr zu werden. Höher richtete er mich nicht auf; ja er suchte ihn wieder zu ersticken und hatte mich zum leidenden Haustiere bestimmt. Da blies ihn der alte Schulmeister wieder an, da, bliesen noch eine Menge andere Leute und an diesen Leuten allen, die mit freundlicher Miene bliesen (denn wie gesagt, man kriecht nicht leicht da hinauf, wo man nicht Liebe wähnt) kroch ich auf und kroch allen den Dingen nach, an denen ihre Seelen hingen und die sie deshalb anpriesen. Diese Leute alle hatten aber gar niedere Interessen, und niemand mich eigentlich lieb. Sie zogen mich nicht an, wie ein Vater seine Kinder zieht, daß sie auch das erreichen möchten, wonach er sich ausstreckt. Keinem kam in Sinn, mir zu einer reichen Frau oder zu zweien Kühen zu verhelfen. Sie spielten nur mit mir, ergötzten sich an meinem ungeschickten hastigen Tappen; und als sie sich satt gelacht hatten, als mein Tappen ihnen Beschwerde verursachte und Ärger, so schütteten sie mich erbarmungslos ab und traten mich mit Füßen, um über meine schmerzhaften Gebärden wieder lachen zu können. Da lag ich nun zertreten und hatte rings um mich nichts, um mich wieder aufrichten zu können, also in wahrer Trostlosigkeit. Kein Mensch war rings um mich, an dem ich mich nur in etwas hätte erheben können. Kein einzig Kind war in meiner Schule, dessen freundliche Blicke mich angezogen, dessen freundliche Worte mich wieder zu dem Bewußtsein erhoben hätten, daß mich doch noch jemand liebe, daß ein Gemüt mir nicht verschlossen sei. Das ist ein furchtbar Verhältnis für einen Lehrer, besonders wenn er eben niemand hat, als gerade seine Kinder.

Aber auch in mir selbsten fand ich nichts, an dem ich mich erheben konnte. Ich hatte mein Amt zuerst fleißig und mit Eifer geführt; aber warum? Ich wollte von den Leuten gerühmt sein, wollte der beste sein, wollte zeigen, daß es keiner könne wie ich, wollte damit auch reich und angesehen werden; kurz, ich arbeitete um irdischen Lohn. Ich bildete mir ein, das könne mir gar nicht fehlen; in wenig Zeit werde meine Schule die beste sein weit und breit; den Erfolg meiner Arbeit glaubte ich alsobald sehen, den Lohn alsobald einstreichen zu können. Das also war‘s, worauf mein Fleiß, mein Eifer ruhte. Nun geschah von allem gerade das Gegenteil. Ich erntete Dornen und Disteln und unterlag einer schauerlichen Mißkennung; und darum versank ich auch in die grenzenlose Mutlosigkeit, und hatte keinen erhebenden Trost.

Da liegt aber auch die Ursache, warum tausende und manchmal recht tüchtige Naturen untüchtig werden und, anfangs der besten Vorsätze voll, später dem schmählichsten Schlendrian sich hingeben und nichts mehr können, als erstlich über die ganze Welt schimpfen, und zweitens alle die verhöhnen, welche höheres und besseres anstreben. Sie hatten ihre Kräfte überschätzt, darum die Arbeit zu leicht geglaubt, sich glänzenden Erfolg ganz nahe gedacht, hatten geglaubt, die Menschen seien darum noch nicht umgewandelt, weil die rechten Arbeiter gefehlt. Diese meinten sie zu sein und sahen auf alle Vorgänger mit verächtlichem Mitleid nieder. Sie träumten von einer Anerkennung ihrer eitlen Ansprüche, träumten von Lob und Preis, Geld und Ehre. Nun anfangs ging die Sache herrlich und ihre ganze Umgebung bestärkte sie in diesem Wahn. Wenn dann die Sonne höher stieg, die Arbeit nicht vom Flecke wollte, oder wenigstens nicht, wie es anfangs schien; wenn die Leute des Rühmens satt wurden, auch der Tadel sich einfand, gegründeter und unverdienter; wenn der geträumte Lohn nicht kommen wollte, man wirklichen Undank erfahren mußte: dann lösten die Träume sich auf; mit ihrem Schwinden schwinden aber auch die Kräfte, welche nur aus den Träumen ihre Nahrung gesogen, an ihnen sich aufrecht erhalten; und die Helden, welche die Welt erobern wollten mit ihrem Ruhm, schrumpfen zusammen zu keifenden Männleins, die mürrisch ums tägliche Brot sich mühen und mit Unlust es essen.

Mir fehlte also das Bewußtsein des Willens, der das höhere sucht; der Kraft, die kein Mißlingen lähmt; mir fehlte, zu meiner Schande muß ich es sagen, der Glaube. Erschrecket nicht, Leute, vor mir, saget nicht: das sei doch eine grüsliche Sache, wenn es sogar Schulmeister gebe, die keinen Glauben hatten; da sehe man doch deutlich, daß die Welt immer schlechter werde, und jener Chorrichter habe recht, der behaupte: er wüßte nicht, warum man jetzt den Schulmeistern mehr Lohn geben solle; ehedem seien doch viel mehr Leute selig geworden. Ich hatte allerdings einen Glauben, und der wird akurat so gut gewesen sein als der Glaube der meisten unter euch. Ich glaubte an den Teufel und an die Hölle, an Gott und an den Himmel so gut als ihr, ja ich glaubte sogar auch an Gespenster und an Hexen. Ich half bedenklich den Kopf schütteln, wenn einer behaupten wollte, es laufen keine Unghürer mit dem Kopf unter dem Arme herum u. Ich wollte selig werden und nicht verdammt sein, und ich glaubte so gut als ihr: wenn ich mich nur auf Christus verlasse, so werde der mich schon selig machen. Aber dieser Glaube half mir gerade soviel, als einem eine Brille hilft in stockfinsterer Nacht. Er machte mich im Glück nicht demütig, im Unglück nicht geduldig, er zeigte mir meine Fehler nicht, er zeigte mir Gott nicht, er gab mir nicht Liebe, löschte nicht Haß, brachte nicht Frieden, brachte nicht Mut. Mein Glaube war mir nichts anders als wie ein Hausschlüssel, den man, wenn man des morgens früh ausgeht, in die Tasche steckt, damit man des abends wieder ins Haus hineinkömmt und nicht draußen zähneklappern müsse. Den ganzen Tag bekümmert man sich um ihn nicht; er nützt nichts, ja er ist lästig; man steckt ihn von einer Tasche in die andere, nur verlieren, darf man ihn ja nicht — wie sollte man sonst in Haus hinein? Dieser Glaube knüpfte mein Leben nicht an Gott, mein arbeiten war nicht ein schaffen mit Gott; er machte mich nicht zu einem Gliede des großen Bundes, der in sich und außer sich den Willen Gottes auszuführen hat, der hier beginnt und dort das hier begonnene wieder aufnimmt und weiter ausführt. Nicht zu einem erleuchteten Gliede dieses Bundes machte er mich, das diese Aufgabe als das wahre Leben betrachtet und alle Schickungen und Zustände dieser Erde bald als Gelegenheiten zur Arbeit, bald als Prüfungen der Kraft des arbeitenden, bald als Warnungszeichen, daß man auf falschem Wege sich befinde. Ich sah nicht ein, daß der wahre Lohn der Arbeit nur in der Erhöhung der Kraft, in dem kräftigern Mitwirken, in dem engeren Anschließen an Gott bestehe; daß das, was die Erde gibt, was die Menschen als Lohn betrachten, wieder nichts sei, als bald Aufmunterungsmittel für unsere Schwäche, bald wieder Prüfung unseres Sinnes: ob er auf Gott oder auf sich selbsten gestellt sei. Christus war mir nicht das Haupt dieses Bundes, nicht der Stamm der Glieder, nicht die eigentliche Himmelsleiter, an der wir hinan steigen sollen zu sittlicher Freiheit, zu geistiger Schönheit, zu himmlischer Liebe — zu Gott; er war mir nur das geschlachtete Opferlamm, dessen Blut mich rein wascht von allen Sünden, sobald ich für wahr annehme, daß er wirklich gestorben und sein Blut auch für mich vergossen sei.

 

Und wenn man mich mit dem Glauben hätte trösten wollen, wie jene alte Wirtin zu H., als sie eine 10mäßige Flasche mit Kirschenwasser fallen ließ, und sich die Haare ausraufte und Himmel und Hölle anklagte, und man ihr vom irdischen Grümpel sagte und vom Glauben, so hätte ich vielleicht auch geantwortet wie sie: ich sch. . dr uf di d......Glaube!

Ich war zu vergleichen einer Eintagsfliege, die im Zeitraume ihres Tageslebens flattern, genießen will alles, was sie genießen kann; denn nach diesem Tage ist keiner mehr für sie, und nach einer lustigen Stunde erhebt sich ein Sturmwind, ein Platzregen stürzt herab. Von ihren Blumen fällt die arme Fliege hinab ins nasse Gras mit gelähmten Flügeln, in unerreichbare Ferne sind die Blumen entrückt, und mit Weh und Angst zappelt sie in nassem Grase ihrem Ende entgegen; aufschwingen kann sie sich nicht mehr, und niemand ist da, der sie aufhebt und wieder auf eine Blume setzt.

Achtundzwanzigstes Kapitel. Wie mir wieder Trost kömmt ins ermattete Herz, fernere Prüfungen zu ertragen

Wenn ich dann so recht elend und zerknickt mein Tagewerk durchgemacht hatte, nicht mehr weben, nicht lesen mochte — so saß ich auf dem Ofentritt mutterseel alleine, und kaute trübselig an trübseligen Gedanken. Da war es mir eines Abends besonders unheimelig. Der Wind schüttelte das Haus, daß alle Wände krachten, an die Fenster schlugen Schnee und Niesel und auf dem Tische flackerte unruhig die Lampe. Denn der Wind, durch die Fenster zwar gebrochen und aufgehalten, drang doch durch die lockeren morschen Fenster und ein kaltes Wehen strich durch die Stube. Es war wie kalter Geisterhauch, der mir fröstelnd den Rücken auf lief; und das Girren und Klopfen der Wände tönte wie Seufzer unseliger, wiedererstandener Toten, die durch ihre Sünden an die Erde gebannt nicht Ruhe finden könnten im Grabe. Es wurde mir immer bänger in der öden Stube. In der Schulstube, die auf die Straße ging, von wo aus man in andern Häusern die Lichter sehen konnte, hoffte ich des Schauers los zu werden, und mit innerm Beben durch die dunkle Küche schreitend, flüchtete ich mich dorthin. Aber vom Regen war ich in die Traufe gekommen. Mein Lämpchen erhellte nur den kleinsten Teil des Raumes, und im dunkeln Hintergrunde schien es sich nun zu regen, und bald in dieser Ecke bald in jener Gestalten aufzutauchen, zu schlirpen und zu stöhnen. Ich war bei der Thüre eingetreten, wo meine Orgel stund, und dort stehen geblieben, weil ich nicht weiter durfte. Die Orgelthüre stand zufällig offen und zufällig, wenn nämlich etwas zufällig ist, legte ich meine Hand auf die Tasten.

Ein Ton voll und tief rauschte auf aus der Orgel Brust, welcher der Mensch Leben und Atem gibt. Wohl schrak ich im ersten Augenblicke zusammen und glaubte, die Orgel vergessend, ein Geist erhebe seine Stimme; aber der gleiche Ton löste alsobald den Schrecken wieder und klang wie Freundes-Stimme in meine Seele hinein. Unwillkürlich setzte ich mich zu diesem Freunde hin und lockte seine Stimme ins Leben. Da schwand das Beben aus meinen Gliedern, die Gestalten schwanden, das Pfeifen und Girren verlor den geheimnisvollen Schauer, und allmählich kam über meine Seele eine wunderbare Beruhigung. Ich konnte nicht phantasieren. Es kam mir so wenig in den Sinn, daß man aus der Seele etwas spielen könne, als es andern einfällt, daß man aus dem Herzen beten könne. Hat man kein Buch bei der Hand, so hält man sich wenigstens an die auswendig gelernten Worte oder Töne. Aber das Herz läßt sich seine Rechte nicht nehmen, und ohne daß es der Betende oder Spielende weiß, legt er es hinein in die Worte und Töne und saugt aus ihnen Trost, Frieden, Kraft. Der feierliche 104. Psalm war es, der in meine Seele drang, der auch den Bann des Herzens löste, das dumpfe Brüten über meinem Elend verwandelte in stille Ergebung und in mir die Keime des Glaubens weckte, daß denn doch nicht alles verloren, daß ich nicht ganz verworfen sei; — der eine Ahnung mir dämmern ließ, daß ich von meinem Falle mich erheben und ein anderer werden könne, daß vieles eitel sei, aber doch nicht alles. Nichts von diesem kam mir zum Bewußtsein und trat deutlich hervor. Es wogte in mir bunt durcheinander, wie im Anfang es gewesen sein muß, als der Geist über dem finstern Chaos schwebte, als Gott sprach: es werde, als das Schaffen begann, aber noch nichts geschaffen, vollendet, vom Lichte der Sonne erleuchtet da stand.

Ich fühlte nur, daß mir unendlich wohl ward, daß mein Herz erleichtert, meine Seele freier geworden. Und als ich zu spielen aufhörte, empfand ich eine gewisse Ruhe, eine Kraft, dem folgenden Tage entgegen zu gehen, die ich bisher nicht gekannt hatte. Ohne Seufzen konnte ich mich niederlegen, konnte mich am folgenden Tag der Sonne wieder freuen, die nach wilder Sturmesnacht in goldenem Glänze ihr herrlich Antlitz erhob und freundliche Blicke in mein Stübchen sandte.

Von da an blieb die Orgel mein tröstender Freund.

In meinen äußern Umgebungen änderte sich nichts. Die Leute blieben sich gleich, meine Stellung zu den Kindern, mein Wirken in der Schule besserte sich nicht. Aber ich ward davon nicht mehr erdrückt, sondern ich trug es als eine Buße. Ich weiß nicht, ob alle diesen Unterschied verstehen. Aber denkt euch nur den Unterschied in der Lage eines Menschen, wenn er unter einer Bürde stöhnend am Boden liegt, oder wenn er die gleiche Bürde auf der Achsel trägt.

Es warteten mir noch heiße Tage, strenge Prüfungen für den sich ermannenden Menschen.

Der heißeste war der Examentag. Er machte mir schon lange angst und bang. Freilich beschleicht dieses Gefühl auch den besten Lehrer im Gefühl des Gegensatzes zwischen seinem Wollen und Vollbringen. Diesem ist dann um so größere Freude bereitet, wenn er dankbare Anerkennung seines Vollbringens findet, wenn ihm deutlich wird, daß seine Bangigkeit nur die schöne Quelle in der Bescheidenheit und dem Streben nach einem hohen Ziele habe; wenn er dadurch das beste Zeugnis erhält, daß er kein Augendiener sondern ein Diener des Herren sei, dessen Dienst auf Erden freilich keiner vollkommen erfüllt.

Freilich gibt es auch Bürfshchen, die diese Bangigkeit nicht empfinden, die glauben, mit ihren Leistungen die ganze Welt in Erstaunen zu setzen, indem so was noch nie erhört worden; Bürschchen, die zu dem Ende ganze Wochen vorher die Kinder zu einem schändlichen Augendienst vorbereiten, Antworten auswendig lernen lassen u., und keine Ahnung haben, wie verächtlich der ist, der nur seinen Ruhm sucht und nicht den Nutzen der Kinder; keine Ahnung haben von der Schlechtigkeit des Lehrers, der seine Kinder zu Lug und Trug förmlich abrichtet. Solche Bürschchen aber gibt es in Städten, auf dem Lande und sogar auf Höfen.

Nun hatte ich aber alle Ursache bange zu sein. Es konnte mir nicht verborgen sein, daß meine Kinder diesen Winter eher zurückgekommen waren als vorwärts; daß eine Zuchtlosigkeit in der Schule herrsche, die sich am Examen nicht verbergen lasse. Ich wußte, daß der Pfarrer und die Vorgesetzten in feindseliger Stimmung kommen und daher auch alles mit böswilligen Augen betrachten würden. Wo man von vornen herein eingenommen ist, scheint auch das Beste schlecht und das Schlechte noch einmal so schlecht. Diesen Kunstgriff wußte auch eine gewisse Celebrität unserer Tage vortrefflich anzuwenden, um alle die, welche nicht in ihre Posaune stießen, niederzutreten dadurch, daß sie in ihrer angemaßten Autorität mündlich und schriftlich alles verleumdete, was ihrer Oberherrlichkeit sich nicht unterwerfen wollte, daß sie Vorurteile allenthalben zu erwecken mußte, ehe nur etwas sich entfalten konnte. Und das alles that sie im Namen der Bildung und Sittlichkeit, deren Vorfechter sie sich nannte. Welche merkwüdige Begriffe von Sittlichkeit und Bildung dieser Mensch nicht haben muß!

Wie ich gefürchtet hatte, so geschah es auch.

Unwillige Gesichter und des Pfarrers Stimme, der alle Augenblicke, und zwar mit Recht, rief: »Heyt ech doch still, me versteht ja nüt, das isch mr e-n-Ornig« — brachten mich außer Fassung, so daß es noch schlechter ging, als es hatte gehen können. Endlich war die Marter zu Ende, wenigstens vor den Kindern; denn als sie entlassen waren, kam ich an den Tanz. Ich mußte bittere Vorwürfe hören über die Ungeschicklichkeit der Kinder und ihren Ungehorsam. Beides legte man mir allein zur Last und sagte mir: So geyt‘s, we dr Schumeister si so uffüehrt.

Was mich am bittersten berührte, war, daß die, welche mich sonst gegen die Vorwürfe des Pfarrers aufwiesen, nun vollkommen einstimmten; daß die, welche ihre Kinder gegen mich aufwiesen, ihnen ihre Komödie nicht nur duldeten, sondern wahrscheinlich auch eingaben, nun alle Schuld des mangelnden Respektes auf mich schoben. Das war die Strafe, daß ich den Aufweisenden Gehör gab, und nicht den Zurechtweisenden.

Nachdem ich wiederholte Salven von Vorwürfen ausgehalten hatte, brachte ich kaum die Bitte um ein Zeugnis hervor, um mich nach einer andern Schule umsehen zu können. Nun ging das Elend wieder von vornen an.

Es wurden drei Meinungen vorgebracht, wie ich draußen an der Thüre hörte, nachdem ich nach manchem Stichwort hatte abtreten müssen.

Die erste Meinung gab der Eigennutz. Ein Bauer, dem ich noch schuldig war, wollte mir gar kein Zeugnis geben, bis ich den letzten Kreuzer bezahlt. Wäre ich einmal fort, so kriegte man nichts mehr. Ich mache es dann wie ein Anderer, der bei seinem Weggehen einen Gläubiger damit tröstete: Häb nume Geduld, i bi angere noh mey schuldi.

Eine zweite Meinung wollte mir ein recht gutes Zeugnis geben, damit ich nur fortkomme, sönst bleibe ich ihnen auf dem Halse, und wenn sie einen solchen Schulmeister länger behalten müßten, so würden sie verbrüllet im ganzen Lande; man halte ihnen denselben ja schon in allen Wirtshäusern und an allen Märkten vor. Nota bene. An dem Lärm waren sie selbst schuld; sie hatten mir noch ein Lied gemacht und es allenthalben gesungen, das so anfing:

 
Üse Schumeister hätt rych möge wybe,
Hätt o Chüe uf dWeid möge trybe;
Jetz cha-n-er hey la schrybe,
Er müeß no ledig blybe.
 

Die beiden letzten Zeilen wurden bei jedem Verse wiederholt, wie ich es oft genug hören mußte.

Eine dritte Meinung hielt es für sehr gefährlich, mir ein gut Zeugnis zu geben. Man hätte schon viele Beispiele, brachte sie vor, daß Schulmeister Zeugnisse gefordert hätten unter dem Vorwande wegzugehen, dann aber nicht weggegangen seien, sondern dieselben gegen die Gemeinde benutzt haben, wenn diese klagend aufgetreten wäre. Gegen ein solches Zeugnis könne man nichts mehr machen, sondern sei gefangen. Auch glaube man gar nicht, daß ich fortbegehre; einen solchen Pfosten, wie der ihre sei, erhalte ich doch nicht mehr. Am besten wäre es, mir ein Zeugnis zu geben prezis wie ich es verdient hätte, und das Garn-Bäbi sollte auch darein; aber dann komme ich nicht fort. Darum solle man mir eins geben, das mir nicht schade und ihnen auch nicht, so eins, aus dem man machen könne was man wolle. Sehe man dann, daß ich nicht fort wolle oder keinen Platz erhalte, so könne man noch immer klagen, wenn man wolle.

Diese Meinung behielt als die klügste die Oberhand, und ich erhielt folgendes Zeugnis: Daß Peter Käfer vier Jahre auf der Schnabelweide Schulmeister gewesen sei, daher man ihn allenthalben bestens empfiehlt, und ihm zu seinem weitern Fortkommen Gottes Gnad und Segen wünscht, bezeugen ec. Das Empfehlen erregte zuerst einigen Anstoß; allein derselbe wurde durch die Erklärung gehoben: es stehe ja nicht da, warum man mich empfehle, man empfehle ja viele Sachen, nur um ihnen loszukommen. Andere könnten damit machen und dabei denken was sie wollten, und ich könnte daraus auch keinen Griff bekommen. Die Erklärung befriedigte, und ich erhielt unter zärtlichen Vorstellungen, wie viel unverdiente Huld und Gnade man mir erweise, gedachtes Zeugnis.

Die Leute hätten nach dem strengen Recht noch viel ärger mit mir umgehen, ich nichts dagegen haben können; aber daß sie das, was sie aus Selbstsucht nur um ihretwillen thaten, mir anrechneten als Gnade und Güte — das ärgerte mich. Ich bachte nicht daran, daß die Menschen überhaupt gewohnt sind, all ihrem Thun solche Mäntelchen umzuhängen und das verächtlichste Treiben aufzuputzen, daß es von weitem wie ein schönes aussieht.