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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Angst und Zorn brachen mir endlich den Mund auch auf; ich fing auch an aufzubegehren, warf ihnen vor, sie seien wie Mörder in die Stube gekommen. Wo ich sei und was ich mache, gehe keinen Teufel und keinen Pfarrer, am wenigsten aber sie an; und dann hätte ich übrigens nichts Schlechtes gemacht. Das Weibervolk setzte sein Zungenwerk auch in Bewegung, besonders die Alte. Aber Junge und Alte wurden überschüttet mit Ehrentiteln; es wurden beiden alle Gräben und alle Zäune einige Stunden in der Runde vorgehalten, auch ein gewisses Haus in B., und an diesem allem hätten sie noch nicht genug, sondern machten noch ihr Haus zu einem Hurenhaus. Die Mutter wollte behaupten, es gehe in keinem einzigen Baurenhause im Dorfe braver zu als in ihrem, und wenn das H... tönte wie das Sägefeilen, so würde man im Dorfe Tag und Nacht sein eigen Wort nicht hören. Und jetzt, sagte sie, sollten sie sich packen oder sollten dann sehen, wie es ihnen gehe.

Aber sechs Nachtbuben der damaligen wegen Ordnung so berühmten Zeit ließen sich durch zwei Weiber in einem fremden Hause nicht so leicht erschrecken. Sie stellten sich erst, als wollten sie da bleiben, tranken den Rest des Weines und sagten endlich: »Jetzt, du D. Schumeisterli, chumm, mr wei gah!« Nun ging der Lärm von vornen an; ich hatte nicht Lust zum Gehen, die Weiber erklärten mich nicht gehen zu lassen; sie wüßten nicht, was sellige Unghür mit mir anfingen, und der Schulmeister hatte das Recht so gut da zu bleiben als an einem andern Ort, und Bäbi hätte das Recht, einen über Nacht zu halten so gut als ein ander Meitschi.

Das sei ein schönes Meitschi, das beim Licht einem, und noch dazu einem Schumeister, auf dem Schoße sitze; wir würden noch lange genug bei einander liegen können; man wisse jetzt, warum ich so chrumme und schläfrige in der Schule herum schlirgge.

So räsonierten die Buben, rissen mich auf und stießen mich der Thüre zu. Ich wollte mich wehren, Bäbi hing mir an den Hals, die Alte schlug mit dem Kunkelstecken drein, aber das half alles nichts. Bäbi wurde in eine Ecke geschleudert mehrere Male; denn mit einer Beharrlichkeit, die mich gar sehr rührte, hängte es sich immer wieder an mich, die Alte erhielt einige mit ihrem eigenen Stecken und ich wurde wie ein Strohbündel über die Schwelle gestoßen.

Draußen nahmen mich zwei unter die Arme und führten mich dem Dorfe zu; weit tönte uns das Geschrei der Weiber nach. Meine Begleiter hielten mir schöne Galgenpredigten, frugen mich, ob ich erst Kindbetti oder erst Hochzeit halten wolle, ob ich selbst der Vater oder ob ich ein gekaufter sei. Kein Mensch hätte geglaubt, daß ich so ein Nütwertige sei. Man habe aber doch gemerkt, wie ich mich mit den Leuten anlasse, den Huren nachstreiche; da hätten sie mir abgegugget und nun gesehen, was ich treibe. Sie wollen es aber jetzt dem ganzen Dorfe zeigen, wie sie einen schönen Schulmeister hätten. Von diesem verstund ich nicht alles. Ich wußte nicht, was sie mit dem Kindbettihalten meinten oder dem Gekauften. Sie lachten aber und sagten, Bäbi werde es mir schon gesagt haben, was mit ihr sei; aber daß sie eine sellige Schumeisteri wollen, selb sei denn nicht wahr! Kurz, ich vernahm in Bildern und handgreiflich, daß Bäbi schwanger sei, daß man mich für den rechten oder den gekauften Vater hielt, daß zwischen uns vollständige Verständnis stattgefunden und daß man mich jetzt mit Gesang und Klang durchs Dorf führen wolle. Herrgott, wie schlug das mir in alle Glieder! Also in eine Falle war ich getrappet, oder vielmehr bis an den äußersten Rand nach allen Regeln der Kunst hineingesprengt, und wurde nun behandelt, als wäre ich mit dem ganzen Fuß hineingetreten, und kein Mensch wollte mir glauben, daß dem also nicht sei. Der Wein, die frühere Aufregung, die Angst vor der Schande, der ich entgegen ging, vor den möglichen Folgen, der auf mich einstürmende Hohn brachten mich in einen Zustand, den ich seither das trunkene Elend habe nennen hören.

Dreiundzwanzigstes Kapitel. Wie ein Schulmeister den Katzenzammer hat

Ich fing an zu jammern und zu heulen, warf mich auf die Erde, biß und schlug um mich, klagte mich wieder aller möglichen Sünden an, wollte mich hängen oder ins Wasser stürzen, kurz, ich gebärdete mich auf die traurigste Weise, wie ein Mensch nur kann. In diesem Zustand schleppte man mich ins Dorf. Die Bursche hatten nicht nötig, die Leute herbeizurufen. Wer noch wach war, der kam hervor, zu sehen, was mein Geschrei bedeute. Mancher zog die Hosen und mancher nur die Schuhe an, um von dem Grund des Spektakels sich zu unterrichten; selbst Kinder trieb es auf die Gasse, Da zog nun ein Schwarm hinter mir her, wie hinter einem Kamel, das seltener Weise in ein Dorf kömmt. Und wie man ein Kamel niederknien und aufstehen heißt, so ließ man mich niederliegen und jagte mich wieder auf. Und ein jeder meiner Begleiter erzählte den Fragenden meine Geschichte und jeder auf seine Weise; und jeder der Fragenden wollte mir auch etwas spöttisches sagen in meinen Jammer hinein, wollte wieder Holz zum Feuer legen, als wenn da des Jammers nicht genug wäre. So zog man mit mir wie mit einem Galgenkandidaten durchs Dorf, und keine einzige mitleidige Seele nahm sich meiner an. Beim Schulhause angelangt, wollte man mich anfänglich liegen lassen; allein einige Vorsichtigere bemerkten, das sei doch nicht ganz richtig, ich könnte mir ein Leid anthun, das zöge eine Untersuchung nach sich, und bei solchen wisse man nicht, was herauskomme; auf alle Fälle zöge es dem Dorfe üble Nachreden zu, und wenn ich nach dem Tode etwa wiederkommen sollte, so wäre man erst geplagt. Man suchte daher in meinen Taschen nach dem Schlüssel zum Hause und wollte mich hineinschieben; allein ich legte mich nieder oder wollte fortlaufen. Man mußte mich endlich hineintragen, warf mich auf mein Bett, hielt mich dort einige Zeit fest, da ich zum Fenster hinausspringen wollte. Endlich verlor ich das Bewußtsein (einschlafen darf ich nicht wohl sagen), und nun überließ mich der ganze Rudel meinem Schicksal, ging triumphierend, als ob Heldenthaten verrichtet worden wären, heim. Jeder Joggi erzählte seinem erwachenden Bäbi, was er gesehen, wie ich mich gebärdete, wo mich die Buben gefunden, und der Joggi und das Bäbi lachten zusammen, daß es das Dackbett schüttelte, und schnarchten bald darauf wieder, daß die Fenster klirrten.

Meinen Zustand am folgenden Morgen zu beschreiben, ist schwer. Schon der körperliche war traurig genug; der sich einstellende geistige konnte nicht elender sein. Der sogenannte Katzenjammer, in dem ich mich beim Erwachen befand, ließ mich nachsinnen, wie ich in denselben gekommen.

Nun dämmerten nach und nach einzelne Bruchstücke von der gestrigen Geschichte in mir auf. Ich erinnerte mich, daß ich zu Garnlist hinausgegangen am Abend; der Eiertätsch, das Schätzele fielen mir wieder ein und wie Lise eine Maß Roten auf den Tisch gestellt. Das Fernere war mir wie mit Nebel bedeckt; die Hauptsachen traten wohl vor aus dem Hintergrunde, aber dunkel und verschwommen. Die Einzelheiten ließen sich nicht erkennen; an ihre Stelle traten düstere, grauliche Bilder, ängstigende Vermutungen. Ich hörte das Fenster klirren, sah Buben in die Stube springen, mich überraschen mit Bäbi auf dem Schoße. Ich wußte, daß sie mich fortrissen, daß sie mir von Heiraten, Schwangersein sagten, und wie ein finsterer Traum tauchte mir auf der ganze Spektakel durchs Dorf.

Es brauchte lange, Stunden, bis ich so weit gekommen war; dann aber sank auch ein unendliches Entsetzen auf mich nieder. Also dort in jenem verrufenen Hause hatte man mich gefunden, ausgenommen in solchem Zustande, und das ganze Dorf war gleichsam zum Zeugen desselben gemacht worden! Was werden nun die Leute sagen von mir, wie werden die andern Schulmeister pfupfen über mich, wie werden Stüdi und ihr Vater lachen und was wird ferner werden aus mir? Werde ich vor Chorgericht müssen, vor den Pfarrer? Ist Bäbi schwanger, wird es mich angeben, werden die Leute an meine Unschuld glauben? Von der ganzen Höhe, auf die ich mich künstlich hinaufgeschraubt und die ich selbst mir unmerklich untergraben hatte, war ich nun hinuntergestürzt in bodenlose Tiefe, und je mehr ich daran dachte, desto tiefer sank ich fort und fort. Meine Stube ward mir eine wahre Hölle und doch durfte ich nicht aus derselben, durfte nicht einmal von weitem ans Fenster, aus Furcht, es möchte mich jemand sehen. Da wußte ich, wie man sagen kann: Ihr Berge fallet über mich zusammen, ihr Hügel decket mich! Ich wußte mir keinen Rat und wußte keinen Menschen, bei dem ich hatte Rat suchen können, dem ich mich hätte zeigen mögen. Alle, alle im Dorfe glaubte ich gegen mich, meine besten sogenannten Freunde glaubte ich unter den mich Ausnehmenden gesehen zu haben. Ach, solches thut weh! Einen Augenblick fiel mir ein, zu Garnlise zu gehen; denn dem peinlichen Zustande von Wissen und Nichtwissen des Geschehenen, der in mir wohnenden Ratlosigkeit hätte ich gar zu gerne ein Ende gemacht. Aber dafür hätte ich aus dem Hause müssen, und mit welchem Gesicht sollte ich vor sie treten! Die Ahndung gestaltete sich mir immer deutlicher, daß auch sie es nicht gut mit mir gemeint, daß ihre anscheinende Absichtlostgkeit und Gutmeinenheit gerade die schlauste Absicht verborgen, daß sie mich absichtlich an sich gelockt, daß der letzte Abend künstlich vorbereitet gewesen und ohne die Buben den erwünschten Schluß gehabt hätte, daß ich der Deckmantel für andere geworden? Aber war es ihnen doch nicht vielleicht vor der Welt gelungen, Ansprüche auf mich zu gründen? wenn sie sie geltend machen wollen, werde ich entrinnen können? das war‘s, was mir das Blut im Herzen kochte und brühheiß ins Gesicht trieb, in Zorn und Scham und Angst. Und die Angst, was es wohl geben werde, und der Durst nach Trost oder auch nur nach Gewißheit gab mir den Gedanken ein, zum Pfarrer zu gehen, ihm haarklein alles zu bekennen, was ich wußte, ihm aber zugleich meine Unschuld zu beteuren und die Art und Weise zu zeigen, wie ich angelockt, meine Unbefangenheit mißbraucht worden sei. Es schwebte mir der Gedanke vor, ein solch reumütig Bekenntnis, ehe eine Anklage käme, könnte den Pfarrer für mich gewinnen, ihm ein sicher Zeichen meiner Unschuld sein, auf alle Fälle ein Zeichen meines Zutrauens. Ich dachte mir, er könne mir guten Rat geben, mich von allfälligen Ansprüchen los machen und am Ende gar gegen meine Dorfleute in Schutz nehmen. Ich hatte an andern Orten die Klage der Bauren gar zu oft gehört, ihr Schulmeister sei ihnen erleidet, sie hätten gerne einen andern; aber sie könnten nichts gegen ihn machen, der Pfarrer helfe ihm immer. Und doch durfte ich nicht gehen. Ich schämte mich vor einem offenen Bekenntnis dessen, was ich wirklich gethan, schämte mich, dem Pfarrer zu sagen, wo ich gewesen und wen ich auf dem Schoße gehabt, obgleich ich wohl dachte, es wäre besser, ich sagte es ihm selbst, damit er nicht durch einen andern die Sache verdreifacht vernehme. Da dachte ich an die Warnung, welche er mir anfangs gegeben und was ich mit derselben angefangen, und wie die gleichen, welche mir damals über den Pfarrer brummen halfen und seinen Rat mir lächerlich gemacht, mich eigentlich hineingeritten in diesen Schlamm, vor dem ich gewarnet worden. Ich dachte an die Predigt, welche ich anfangs abthun müßte über den Text: »Gellet, Schulmeister, ich habe es Euch gesagt; aber ihr jungen Schnufer meint selbst gescheut zu sein, und so geht es, wenn man niemand glauben will; wer meint, er stehe, der sehe zu, daß er nicht falle!«

 

Es trat vor mich des Pfarrers Gestalt schreckbaren Angedenkens, die mir schon mehrere Verweise ausgeteilt, von deren keinem ich geglaubt, daß er gerecht und wohlverdient, wohl aber daß der Pfarrer ein Zwänggring sei, der unsereinen nur verachte und keinen leiden möge, der ihm nicht schmeichle, zutrage und die Hände unter die Füße lege, wie die andern Schulmeister es thäten. Darum durfte ich nicht gehen und starb doch fast vor Angst. Als ich vom Ofen weg einen Vorgesetzten das Dorf hinunter kommen sah, stürzte ich über Hals und Kopf an die Hausthüre, um den Riegel zu stoßen, fürchtend, er möchte mir einen tüchtigen Putzer oder eine noch unangenehmere Nachricht geben wollen. In Kopf- und Herzweh verstrich der Tag, keinen Bissen rührte ich an. In der Dämmerung hörte ich jemand ums Haus schleichen, endlich an die Thüre klopfen. Aus einer verborgenen Ecke unter dem Dache hervor erkannte ich die Garnlise. Da ergriff mich eine Angst, daß ich an allen Gliedern zitterte. Ich glaubte, sie wolle mir das Heiraten ankünden und mit Liebe oder Drohungen mich dazu zwingen. Barfuß schlich ich in die Stube zurück, warf mich ins Bett und zog die Decke über den Kopf, hoffend, wenn ich weder sehe noch höre, so nehme auch niemand fernere Notiz von mir. Lise durfte nicht Lärm machen und ging wieder fort.

Vierundzwanzigstes Kapitel. Wie ein Schulmeister einer ganzen Gemeinde stand hält

Endlich schwand der längste Tag meines Lebens und versammelte sich zu seinen Brüdern; aber je lieber ich ihn gehen sah, desto länger schien er zu zögern. Ja, es gibt auch lange Tage im Leben, nicht nur lange Jahre, Tage, die mit dem Pariserstab gemessen zu sein scheinen. Sie sind nicht fröhlich, diese Tage, bringen nicht Freuden; nachdem sie den Herzen Betrübnis, den Seelen Ängstigungen gebracht, ist es, als ob sie in Schadenfreude und Bosheit sich weideten an ihrem Angerichteten und sich nicht losreißen könnten von dem traurigen Anblick. Und der Mensch mag nicht warten, bis sie fliehen, er weiß eigentlich nicht warum. Es ist der Instinkt, der das Tier leitet, der ihm sagt, daß nicht alle Tage gleich feindselig seien, wie nicht alle regnerisch, und daß daher im raschen Schwinden der gegenwärtigen Tage der Balsam für sein Herz, die Wendung seines Schicksals liege.

Am folgenden Morgen erwachte ich um etwas weniger elend, etwas mutiger. Der Körper hatte sich von seinem Katzenjammer erholt, und von dessen Beschaffenheit hängt auch nicht wenig der Zustand der Seele, Mut und Kleinmut ab. Noch war allerdings die Angst und die Ratlosigkeit nicht weg; aber ich konnte doch wieder denken, deswegen werde man mich weder fressen noch hängen können. Ich fühlte mich hungerig und fand glücklicherweise noch Brot und etwas Milch vor und stärkte mich daran. Ich fand nun, daß ich gegen Garnlisi und ihre Tochter mich wohl werde wehren können; aber der Lärm, der daraus entstund, der war mir ein arg Gespenst. Überhaupt der Lärm war‘s, der mir vor allem graulich vorkam und gerne hätte ich Jahre von meinem Leben gegeben, wenn ich aus diesem allem fort hätte kommen können an einen Ort, wo man von mir und allem Vorgefallenen nichts wußte, wo ich ganz von vornen hatte anfangen können. Das kömmt die meisten Menschen an. Wenn sie sich in ihre Thorheiten und Sünden verstrickt und allerlei böse Folgen zur Strafe, zur Läuterung und Prüfung über sie kommen, so wollen sie das nicht ertragen, wollen fort aus dem aufgehenden Dornenfelde, verzweifeln, aus den Schlingen des Netzes sich loswinden zu können; sie suchen es zu zerreißen, meinend, an andern Orten seien weder Schlingen noch Netze mehr.

Die Thoren! Die ganze Welt ist ein Netz; es kömmt auf die Füße und das Laufen an, ob man in den Letschen und Löchern sich fängt; wohin der Mensch also die gleichen Füße trägt und wo er auf gleiche Weise läuft, da wird er auf gleiche Weise sich fangen. Die Thoren! Sie meinen in fremden Umgebungen die gemachten Erfahrungen viel sicherer geltend machen zu können, als ob es nicht weit leichter wäre, vor den Dornen sich zu hüten, von denen man bereits gestochen worden, als vor denen, deren Dasein man noch gar nicht kennt. Man will eigentlich damit nichts anderes, als der Buße sich entziehen; eine solche trägt der Mensch verdammt ungern, und wie ein Kind sich schämt, das der Lehrer in die Ecke stellt ober knien läßt, wie es den Rücken gegen die Wand kehrt und die Hände an die Augen hält, damit niemand es sähe, so hat es der Mensch, den Gott an Pranger stellt; er will sich nicht sehen lassen, will sich verbergen. Es läßt sich die Frage aufwerfen, ob es wirklich nicht gut wäre, wenn ein Lehrer am gleichen Orte Buße thäte, wo er den Fehler begangen. In Bezug auf den Lehrer ist sie mir bald entschieden. Der Wechsel des Orts verleitet ihn gar zu leicht zum Wahn, er habe keinen Wechsel in der Brust nötig, und vor unbekannten Menschen hütet er sich weit weniger vor Rückfällen, weil er, wie eigentlich alle Sünder bei allen Sünden, sich die Klugheit zutraut, sie besser verbergen zu können. In Bezug auf die Kinder, die Wirksamkeit des Amtes will ich die Sache hier nicht entscheiden; nur die Bemerkung will ich mir erlauben, daß eine Buße, wie z. B. Petrus sie übte, einen unnennbaren Einfluß hat auf das menschliche Gemüt.

In mir wankte der Entschluß, meine Kleider zusammenzupacken und des Nachts davon zu laufen. Aber wohin? Was anfangen? Wie den Nachforschungen mich entziehen? So mit dem Schelmen davon zu laufen, ohne auf irgend eine Weise meinen Gläubigern Bescheid zu geben, das war mir doch auch zuwider. So willwankte ich den ganzen Tag, ohne mit mir einig zu werden, was ich vorzunehmen hätte, um kein Menschengesicht mehr sehen zu müssen. Aber ich sollte ihnen nicht entrinnen. Nachdem schon mancher mit gwundrigem Gesicht beim Hause vorbeigegangen war, bei dem man den Schulmeister zwei Tage nicht sah, keine Thüre aufging, kein Rauch aus dem Kamin stieg, sammelten sich gegen Abend mehrere Menschen um das Haus. Sie guckten in alle Fenster, suchten an irgend einem Orte einzusteigen. Da sie mich aber nicht sahen (ich hatte mich in eine Ecke verkrochen, wo ich sie sehen und hören konnte), so sagten sie zusammen, da wäre sicher von dreien eins: entweder hätte ich mich gehängt oder sei sonst gestorben oder davon gelaufen. Das könne man doch nicht so gehen lassen, da müsse zugesehen und das Haus durchsucht werden; aber wer Hand anlegen und die Thüre aufsprengen solle, darüber branzten sie. Keiner wollte; jeder fürchtete, ich möchte gleich innerhalb derselben hangen und dem vorschützigen mit den blampenden Füßen ums Gesicht fahren. Sie versuchten ein Fenster zu öffnen, aber (nach löblicher alter Gewohnheit nichts mehr fahren zu lassen, was man einmal hat, auch den D ... k nicht und die verpestete Luft und die erstickende Hitze nicht) konnte man im ganzen Haufe kein Fenster aufthun, nur hier und da ein Läufterli. So konnten sie nicht zurecht kommen. Endlich nahmen sie in der Schulstube einen Fensterflügel heraus, nachdem sie sich überzeugt hatten, daß ich an keinem Fenster hange wie ungefähr ein Federnrohr. In der Stube ging das Märten von neuem an, denn nun wollte niemand in die Küche hinaus, aus Furcht, ich möchte als eine neumodische Hamme in der Hele hängen. Endlich sagte ein frecher Bursche: der lebendige Schulmeister sei nicht zu fürchten gewesen; er wüßte nicht, warum man den toten so zu fürchten hätte, und der Teufel werde doch nicht schon in ihn gefahren sein. Er riß die Thüre auf, ehe ich mich wieder verstecken konnte, und sah mich auf einmal bleich und erschrocken vor sich stehen im herbstlichen Zwielichte. Der ließ einen Brüll aus, als ob ein Dutzend Ochsen in ihm versteckt gewesen wären, schlug die Thüre wieder zu, schrie wie besessen: »Herr Jeses, Herr Jeses, dr Schumeister, dr Schumeister! Tüfel nimm mi nit!« und sprang zum Fenster aus, die anderen hinter ihm drein, und bald war der ganze Haufe verstoben, als ob das wütende Heer hinter ihm gewesen wäre.

Doch der Ammann hielt in einer Entferung von zwanzig Schritten stand und eine schöne Rede: das möge jetzt sein, wie es wolle; hinein müsse man, man solle eine Laterne bringen und ein Betbuch, und wenn sie zusammen ein kräftig Gebet verrichtet hatten, so wollten sie in den drei heiligen Namen die Sache wieder versuchen. Ob diesen Dingen ward mir aber selbst angst und bange. Dem Suchen mit der Laterne durfte ich nicht abwarten; ich fürchtete, wenn mich die wilden Buben erwischen würden, so würden sie mich zur Schadloshaltung der gehabten Angst aufs neue mißhandeln, sobald sie sich überzeugt, daß ich noch natürlich lebendig Fleisch hätte. Die Gespensterrolle fortzuspielen, dazu fehlte mir die Schalkheit und der Mut. Sonst hätte ich sicher das ganze Dorf in die Flucht treiben und in die Brattig bringen, mich tüchtig und auf die lustigste Art an ihnen rächen können. Aber ich zitterte auch am ganzen Leibe und als ich meine Stimme suchte, »Ammann« rufen wollte, fand ich sie nicht; auch sie hatte sich verschlossen in die Tiefen der Brusthöhle. Endlich brachte ich das Wort Ammann heraus, aber es klang so dünn und fein, so wunderlich, daß ich selbst darob erschrack. Draußen hörten sie mich nicht; sie hatten schon zu beten angefangen. Zum zweitenmal ging es mir eben so. Doch war die Stimme schon kenntlicher. Endlich hörte draußen das Gemurmel auf, und auf meinen dritten Ruf: »Ammann!« erscholl das Geflüster: »Amme los, Amme los, er rüeft dr.« Der Ammann soll bleich geworden sein; wenigstens hatte er lange, sich zu sammeln, und die Leute um ihn her murmelten: das bedeute dem Ammann nichts Gutes; er werde bald nache müssen. Endlich sagte der Ammann: »Mit dem Teufel habe ich nichts zu thun und mit einem Gespenst auch nicht; wenn du aber der Schulmeister bist, so thue auf und halte nicht die ganze Gemeinde zum Narren, sönst wollen wir dann sehen, ob das angehe.« Mit zitterenden Händen schob ich den Riegel am obern Teil der Thüre zurück und that sie auf, durfte mich aber nicht zeigen und niemand durfte hineinschauen. Da sprach endlich der Amman wieder (er hätte diesmal sein Amt verdammt wohlfeil gegeben, so viel er sonst darauf hielt): »Komm hervor, wenn du darfst und nicht der Teufel bist.« Ach! da mußte ich mich zeigen, freilich einige Schritte hinter der Thüre; sie hielten die Laterne empor und ein Knecht mußte sich langsam der Thüre nähern, und vorsichtig einige Schritte hinten drein schritt der Ammann heran. Als der sich endlich überzeugt hatte, daß es der leibhaftige Schulmeister sei, und nicht der leibhaftige Teufel, brüllte er mich furchtbarlich an: »Du dolders Lümmel«, sprach er, »ist das eine Manier von einem Schulmeister, eine ganze Gemeinde zum Narren zu hallen? Du dolders Lümmel, was du bist! es wäre dir besser, du hättest dich gehängt, als solche Flausen zu machen. Eins über das andere machst du, für die Gemeinde ins Gebrüll zu bringen. Aber wart du nur, wir wollen es dir zeigen. Morgen um 9 Uhr sollst du beim Pfarrer sein, da wirst du vernehmen, was dir gehört, der wird dir sagen, was du wert bist.« So sprach der Ammann. Hinter ihm drein wollte jeder andere auch noch seinen Teil sagen, und als es jeder gethan, zogen sie wieder von dannen, samt und sonders. So hatte ich wieder Menschen gesehen; sie hatten wüst mit mir gethan, aber mich doch nicht gefressen; das machte mich schon etwas mutiger.