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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Achtzehntes Kapitel. Wie ich einen Pfarrer besuche

An diesem Besuch dräyte ich bis ans Ende der Woche. Zum Herrn zu gehen ist ein Ereignis für jeden in der Gemeinde, besonders für einen schüchtern jungen Schulmeister damaliger Zeit. Es steht gar so fremdartig aus das steinerne Haus, der Klopfer an der Thür und die schwarze Kleidung. Der Herr selbst ist so eine Majestätsperson, eingehüllt in dichten Dunstkreis von Amt und Würde, und man weiß nie, wann es aus dieser Wolke blitzen und donnern wird, ob man gelegen oder ungelegen kömmt. Aber eine verfluchte Schadenfreude hat man, wenn aus dieser Wolke heraus etwas menschliches durchzwitzeret. Dennoch will man diese Wolke; man lebt wohl an dem geheimen Schauer vor derselben, fast wie an Gespenstergeschichten. Wo ein Pfarrer derselben sich entkleiden will und aus derselben heraustreten möchte, da schreit man zetter Mordio! als ob man die Kirche abbrechen, Hand an das Christentum legen wollte. Man glaubt, eine solche geheimnis- und grauenvolle Wolke müsse neben der Kirche sich lagern und über das Christentum, und mitten drin solle der Herr stehen, eben um zu Zeiten zu donnern und zu blitzen. Für das einfache, rein und schön menschliche hat man noch so wenig Sinn, als für die Liebe Gottes. Man will die Furcht und das Grauen; man will lieber zittern wie ein Kind, als lieben wie ein Kind.

Langsam machte ich mich eines abends auf; kürzer wurden meine Schritte, je näher ich dem Hause kam, und mit klopfendem Herzen klopfte ich an der Thür. Lange stund ich draußen; es regte sich niemand drinnen. Endlich wagte ich noch einmal zu klopfen. Da kam eine Magd, aus dem vollen, kauenden Munde mich anschnurrend, was ich so pressierlichs habe, daß sie nicht einmal z‘Abe nehmen könne ruhig? Ich wolle zum Pfarrer, sagte ich. Der Herr Pfarrer trinke z‘Abe, erwiderte die brämte Köchin; ich könne warte, bis er fertig sei. Die Leute hätten keinen Verstand, daß sie immer zur Essenszeit kämen, sie sötte‘s doch afe müsse.

Ich stund lange wartend; da stürmten zwei Kinder heraus, sagten mir weder »guten Abend« noch »Gott grüeß ech!« sondern beguckten mich von allen Seiten, fragten, wer ich sei, was ich wolle, ob ich die Schuhe abgewischt, und sagten, dMamma heyg gseit, es syg doch uverschant, daß me dr Papa nit emal rüihig lay z‘Abe trinke. Das alles hörte ich verblüfft an und antwortete so gut ich konnte, bis man mich endlich zum Herrn herein rief und in ein kleines düsteres Stübchen fühlte. Der Herr, ein stattlicher Mann mit einem schwarzen Küherkäppli auf dem Kopf, stopfte eben seine Pfeife und sah sich nicht nach mir um, bis er fertig war und Feuer zu schlagen begann. Das stille Warten schnürte mir den Hals fast zusammen, wie die Kinderlehre. Endlich begann er: es sei Zeit, daß ich mich endlich zeige. Er könne gar nicht begreifen, was so ein junger Schulmeister heutzutage sinne, daß er vier Wochen Schule halte, ehe er zum Pfarrer komme. Aber sie wollten heutzutage alle oben aus. Er könne gar nicht begreifen, wie auch ein Schulmeister so in eine Schule platschen könne, wie vom Himmel herab, ohne mit seinem Vorgänger und mit dem Pfarrer geredet zu haben über den Standpunkt der Schule und die allerlei sonstigen Verhältnisse, die man kennen müsse, wenn man gut fahren wolle. Aber wir meinten halt, wir seien Propheten, und eine Schule sei so eine Bettlerkutte, wo es graglych sei, ob man oben oder unten, hinten oder vornen zu flicken anfange. So kapitelte er mir stehend ab, mächtige Tabakswolken um sein Haupt wirbelnd. Nachdem ich mich so gut möglich versprochen hatte mit Mangel an Zeit, besonders wegen den Kinderlehren (da rühmte ich mich nicht, wie gleytig ich sie mache), stellte er mir eine Stabelle dar und setzte sich in einen großen Sessel mit langem langem Rücken und Leder überzogen, wie ich noch keinen gesehen hatte. Was mich aber besonders arig düechte, war ein Feuer in der Wand in der Stube, ein Feuer das nicht rauchnete und nichts anzündete und auf dem man nicht kochete, sondern nur dabei hockte und Tubak anzündete und darein speute. Was doch die Herrelüt nicht alles ersinnen, um ihrem Geld und ihrem Holz abzukommen!

Nun nachdem er austurniert hatte und wir saßen, wurde er manierlicher und fragte mich, was ich bis dahin in der Schule gemacht und wie ich fortzufahren gedächte?

Ich berichtete ordentlich meinen gewohnten Gang, wie die Kinder vernachläßigt gewesen, wie ich mich befleiße und die Kinder schon merklich vorwärts gekommen seien. Wann ich denn zu schreiben und zu rechnen anfangen wolle? fragte er weiter. He! es hätten schon zwei oder drei Buben gesagt, sie wollten nach dem Neujahr zu schreiben anfangen und wollten Heustöcke rechnen lernen. Der Pfarrer sagte mir aber: das gehe nicht so, wie jeder wolle; was in der Schule gehen solle, habe eben er zu befehlen. Er wolle nun nicht, daß ein Kind zu rechnen und zu schreiben anfange, ehe es das Siegfriedli und das Fragenbuch auswendig gelernt, und allemal bei Anfang der Schule müsse vor allem aus alles auswendiggelernte repetiert werden, und wenn sie die ganze Bibel auswendig könnten. Darauf müsse man streng halten; Religion sei die Hauptsache in der Schule, und wenn eins nichts auswendig wisse, so wisse man nichts anzufangen mit ihm in der Unterweisung. Aber wenn dann dieses gemacht sei, so solle man nicht lange fragen: wer will rechnen? wer will schreiben? sondern da müßten alle es lernen, so viel sie davon noch lernen könnten. Vor allem aus die Buben, die hätten es am notwendigsten, sie mögen reich oder arm sein; ja die Armen brauchten es noch mehr als die Reichen. Aber auch die Mädchen sollten es lernen; sie wüßten nicht, wozu es ihnen käme, und wie sie es brauchen könnten. Alle Tage sollte ich mit denen, welche das Ihre auswendig gelernt, des vormittags eine Stunde rechnen, des nachmittags eine Stunde schreiben; vielleicht gebe es noch mehr Zeit dazu. Dem vorigen Schulmeister habe er es auch befohlen gehabt, allein es nie dahin bringen können. Ein einziges Mädchen habe es angefangen, allein am Ende, weil es nicht das einzige bleiben wollte, es auch unterlassen.

Nachdem der Herr damit fertig war, sprang er zu einem andern Thema über. Er sagte mir, daß ich mich dann als ein Schulmeister aufführen und nicht mit der jungen Burst abgeben solle und dem Weibervolk. Sie hätten die Freude daran, so ein junges Bürschchen, das Schulmeister sei, zu löken, in alles hineinzusprengen, was wüst sei, erstlich um über ihn zu lachen, im Glauben, sie seien viel gescheuter als so ein Schulmeister, und zweitens, ihr eigen Thun und Lassen mit dem Sprüchlein zu beschönigen: »Dr Schumeister het‘s o gmacht, er isch geng vora gsi, u was e Schumeister macht, dörfe mr doch o mache; so eine wird wohl wüsse, was agent«. Ich solle mich hüten. Gerade in der Schnabelweid seien Menschen, welche die größte Freude an solchem hätten, und der frühere Schulmeister habe es erfahren. Am Abend solle ich zu Hause bleiben und mich in allerlei üben und des nachts in meinem Bette sein, das stehe einem Schulmeister wohl an.

Nachdem er diese Predigt, mit zweien so ungleichartigen Teilen, gehalten hatte, während ich, wie es in einer Predigt bräuchlich ist, stille geschwiegen, aber meinen Teil gedacht hatte, ward er zusehends einsilbiger und mir ward auch, wenn ich nur da dänne wäre, ehe vielleicht noch ein dritter Teil nachkäme. Aber ich wußte nicht recht, wie gehen, wie aufstehen. Ich ribsete auf dem Stuhle herum, brachte es aber nicht ab demselben, bis endlich der Herr selbst aufstund und sagte: »He nun Käser! ihr habt gehört, wie ich es haben will; ich will hoffen, ihr lichtet euch darnach, sonst kömmt es nicht gut.« Ich werde thun, was mir möglich sei, antwortete ich, wünschte dem Herrn eine gute Nacht, drehte mich von ihm weg der Thüre zu, und unter der geöffneten machte ich, mit dem Kopf gegen den Gang hinaus, den Rücken dem Herrn zukehrend, einen gar schönen und tiefen Reverenz, so daß ich ab der Schwelle mit dem Kopf etwas unsanft an die Mauer stolperte und unendlich froh war, als ich nicht nur dm Herrn, sondern auch das Haus hinter mir hatte.

Himmel! wie wirbelte mir die gehörte Predigt im Kopfe herum, noch keine so! Da sollte also in der Schule ein jedes rechnen und schreiben können, Arme und Reiche, Knaben und Mädchen! Was doch so ein Pfarrer nicht alles ersinnet und was er einem nicht alles zumutet!

Unvernünftig kam es mir vor, daß alle dieses lernen sollten. Es wisse doch jeder wohl, ob er Schreiben und Rechnen brauchen könne, dachte ich; das sei nur ersonnen, um die Bauren zu plagen und ihnen unnötige Kosten zu machen und um den Schulmeister zu kujonieren. Wie sollte man diesem zumuten, daß er bei dem vielen bhören noch mit so vielen rechne und schreibe? Wenn ja nur drei schreiben, so habe man immer mit ihnen zu thun, wie dann, wenn dreißig bis vierzig schreiben? Herrgott! welche Unvernunft und noch dazu von einem Pfarrer! Wer soll dann mit den andern buchstabieren und lesen? Wohl das würde lange gehen bis eins lesen lernte. So was könne aber nur einem in Sinn kommen, der nie selbst Schule gehalten und in seiner Studierstube so allerlei ausspintisiere aus langer Weile, dachte ich mir, und ich wünschte nur, der Herr möchte selbst Schule halten, um zu erfahren, wie wenig er davon verstehe und wie komod es sei, so von seinem langen Sessel aus zu befehlen, was man selbst nicht machen könne.

Ebenso ereiferte ich mich über den zweiten Teil der Predigt. Da nahm ich von vornen herein an, der Pfarrer sei schalus über mich, daß ich es so gut mit den Leuten könne, daß sie mich so lieb hätten, mir so in die Kinderlehre liefen, und wolle mich auf diese Weise ihnen entfremden und das gute Verhältnis stören. Es lächerte mich, daß er glauben konnte, die Leute wollten mich zum Besten haben und zum Sündenbock brauchen. Da wisse er doch wenig, wie lieb die Leute mich hätten, wie treuherzig sie es mit mir meinten und wie gescheut ich sei. Übrigens ginge ihn die Sache nichts an, meinte ich; ich sei kein Herr, sondern ein Schulmeister, der so gut das Recht habe, sich lustig zu machen, als ein anderer. Was das doch anders sei, zu Kilt zu gehen? Das sei ja von jeher so gewesen, und wenn einer eine Frau wolle, so müsse er auch thun wie ein anderer. Wie es wohl kommen würde, wenn ich so apartig mich aufführen wollte, wie der Herr meine? Da würden ja die Leute sagen, ich sei hochmütig und wolle vornehm thun, und da würden sie mich auslachen und nichts auf mir halten. Aber so ein Herr wisse gar nicht, was der Brauch sei und wie es eigentlich zugehe. Der habe seine Nase nur in den Büchern. Und der habe gar gut den Leuten dies und das zu verbieten — er lasse es sich doch auch wohl sein in seinem Hause, habe Wein im Keller und ein Feuer in der Wand, bei dem er rüihig sitzen könne Sommer und Winter und tubaken.

 

So mit dem Pfarrer in Gedanken prozedierend und räsonierend kam ich in mein Dörfchen zurück und ging nicht heim. Ein junger Mensch, der den Kopf voll hat, besonders wenn es Ärger ist über einen andern, vermag es selten über sich, die Sache in sich selbsten zu verwerchen; es drangt ihn, die ganze Pastete unverdaut auszukramen seinen Freunden, und für seine Freunde hält er gar zu gerne die ersten besten, welche ihm zuhören wollen. Ich trat also in ein Haus ab, wo man mir besonders wohl zu wollen schien, und setzte mich dort auf den Ofentritt. Ich machte ein saures Gesicht, gab manches Zeichen des Mißvergnügens von mir, bis man mich endlich fragte: was mir über den Weg gelaufen sei, daß ich so Schetzti mache. Natürlich antwortete ich nicht auf die erste, sondern erst auf die dritte Frage, daß ich bei dem Pfarrer gewesen sei, und daß der mich taub gemacht habe. Ich erzählte die Anmutungen, die er an mich gestellt. Das war den Leuten angeholfen. Potz Wetter, wie pulverte die Frau, daß ihre Meitschene rechnen und schreiben sollten! Das wäre afe schön, wenn die Kinder gscheuter und geschickter werden sollten, als die Alten! Da mochte der Tüfel dabei sein! Schon jetzt wäre kein Gehorsam mehr. Was selligs abtrage? Werche sei die Hauptsache. Sie könne auch nicht schreiben und rechnen, aber sie sei doch eine Bäurin, und es nehme sie Wunder, wo eine her kommen wolle und sagen: sie sei die töllere und husligere. Der Mann begehrte nicht minder auf, daß ein jeder Hudelbub lernen sollte, was ein Baurensohn. Das mache nur schlechte Leute und die würden dann die Nase in alles stecken und befehlen wollen; da möchte er auch dabei sein. Aber der Pfarrer hocke den Bauren auf, wo er nur immer könne. Er möge es ihnen nicht gönnen, daß sie mehr hätten als er. Er halte es mit allen schlechten Leuten, er höre einem jeden und verrätsche dann die Bauren bei dem Landvogt, wie der Schreiber sage; aber der Landvogt meine es besser mit ihnen als der Pfarrer. Sie zahlen den Schulmeister, und ich solle nur so fortfahren, wie ich angefangen habe; gerade so sei es ihnen recht.

Ebenso machten sie seine Ermahnungen wegen der Aufführung herunter, die ich ihnen natürlich auch klagte. Es sei schlecht vom Pfarrer, den Schulmeister so aufzuweisen und sie zu verdächtigen. Es ärgere den Pfarrer nur, daß er nicht mitmachen dürfe; er sei nicht besser als ein Anderer, aber darum gönne er auch niemanden eine Freude. Sie hätten einem Schulmeister wenig darauf, wenn er thun wollte, wie ein Herr. Ich sei ihrer Gattig und solle auch thun wie sie. Auf solches Gedamp solle ich gar nicht hören und den Pfarrer Pfarrer sein lassen, sie machten es auch so. Ich fand, daß die Leute durchaus recht hätten, und wir wurden einig, daß es beim Alten bleiben solle.

Neunzehntes Kapitel. Etwas vom Wesen und Treiben der Liebe, und wie es sich bei mir gestaltet

Die Liebe ist das eigentliche Götterwort auf Erden; sie ists die besänftigend zum Kinde trittet, wenn es schreiend die Erde begrüßt, die seine Schmerzen sühnt, seinen Geist belebend anhaucht. Die Liebe wächst im kindlichen Herzen auf; sie fließt in Blick und Worten aus dem befreundeten Geiste entgegen; sie offenbart auf jede Weise das Sehnen, Zeichen der Liebe von ihm zu empfangen. Es zieht die Liebe zum Menschen hin, aber eben so sehr möchte sie auch den Menschen anziehen an sich; es ist die Liebe ein Angezogenwerden, aber auch ein Streben anzuziehen, an sich zu fesseln. Ein doppeltes ist sie also: ein Gefesseltwerden, ein Hingeben, ein Fesseln anderer, ein Gefangennehmen der Geliebten in der Liebe reiche Bande. Des Kindes Herz ist der Liebe voll; sie stießt nicht bloß den. Eltern entgegen, sondern auch den sie umgebenden Kindern, und da bereits wird der Knabe zum Mädchen gezogen und das Mädchen sucht den Knaben an sich zu ziehen mit allen Zeichen seiner Liebe. Freilich sind diese Zeichen verschieden, je nach Alter und Stand, und anders bei Knaben, anders bei Mädchen; aber der Beobachter sieht sie beim Bettlermädchen, das barfuß läuft, und beim Grafenkind, das vierspännig fährt. Aber wie beim Mädchen das Sehnen wächst, die innere heißere Liebesglut, desto unsichtbarer werden in der reinen Mädchennatur, die weder durch Spekulationen spekulativ gemacht, noch durch Begehrlichkeiten vergiftet worden, diese Zeichen; desto mehr hüllt das, was man ächte Weiblichkeit nennt, der Duft der Jungfrau, zart wie der Staub auf Schmetterlingsflügeln, die Liebe, die anziehen will und angezogen wird, das Sehnen, sein Herz zu geben, ein anderes zu gewinnen, in zarten Schleier ein. Dieser ist gar reich und rein gewoben aus holder Schüchternheit und süßem Blangen, und, einmal zerrissen, flickt keine Kunst ihn wieder. Da sieht man nur am Leuchten des klaren Auges, hört nur am weichen Ton der reinen Stimme die Bewegung des Herzens, und sieht auf dessen Grund funkeln den Demant der Liebe. So umhüllt wirkt aber der Liebe Kraft am meisten und bindet am gewaltigsten. O wer kennt nicht das Blümchen Wunderhold, das so selten sich findet, und wie das Veilchen nicht in der Felder Mitte, nicht auf den Kronen der Hügel! Im Herzen dieses Blümchens ist ein wunderbarer Einklang zwischen Anziehen und Angezogenwerden, zwischen Nehmen und Geben, zwischen Kraft und Schwäche; beide entfalten sich Hand in Hand. Während des Mädchens Lieblichkeit den Jungen näher und näher zieht, entfaltet sich weiter und weiter in des Mädchens Herzen der Liebe reich duftender Kelch, und wie es den Jungen fester und fester kettet, fühlt es sich immer unauflöslicher an ihn gebunden mit demantnen Fesseln. So werden die Herzen eins in treuer Liebe, und diese treue Liebe wird nicht zertrümmert durch des Schicksals Schläge, verwittert nicht in des Lebens Sorgen, vergiftet sich nicht gegenseitig, blüht rosig fort unter weißen Haaren, und nur die Körper vermag der Tod zu scheiden, und dann vereinigen zu ewiger Liebe die Seelen sich.

Es gibt aber auch Herzen, wo die Liebe sich nicht umhüllt, wo man die Kraft, die anziehen möchte, ungescheut spielen läßt. Die Dame, die mit Augen und Händen spielt, mit Fächer und Schnupftuch, mit feinen Redensarten und besonderem Augenaufschlag, nennt man eine Kokette. Die Magd aber, welche an einem Markte sagt: »Jetzt will ich no einisch ufe-n-u no einisch abe, u we‘s nüt git, su wott i hei«, und die am Ende im Drang ihres Herzens einen beim Kuttenfecken nimmt und ihm dr Tusiggottswille anhält, mit ihr heim zu kommen — die nennt man ein anläßig Mensch.

Man sieht Mädchen, aus denen, ihnen unbewußt, eine gewaltige Kraft des Anziehens sprüht, die viele Herzen fast unwiderstehlich an sich reißen, die aber gegen das Ungezogenwerden sich auf das Mächtigste stemmen und wenn sie dem innern Trieb nicht widerstehen können, ihn umhüllen mit siebenfachem Schleier, und den Gegenstand, der sie anzieht, den Geliebten, unbarmherzig mißhandeln. Spröde nennt man diese. Man mißkennt diese Mädchen, die fast den wilden Füllen gleichen, die bald lustig sich nähern, bald wild mit allen Vieren ausschlagen. Es sind die kräftigsten Naturen, die hochbegabtesten, aber selten die glücklichsten. Der schüchtern liebende, vielleicht geliebte Jäger wird an sich selbst verzweifelnd abgeschreckt; der kühle erfahrne Jäger fängt sie ein, um sie zum Ziehen und Schleppen zu dressieren, zum Karren im Ehejoch, oder aber der wildeste der Jäger, und in dessen wilder Hand gehen sie zu Grunde. Manche entrinnen der wilden Jagd, ohne gefangen zu werden; dann sehen sie sich einsam in einsamer Gegend — wohl ihnen, wenn nicht die Reue, die Mattigkeit, das Sehnen nach verschmähter Liebe sie in den Boden drückt, wenn der Hochsinn, der sie früher gegen die Jäger schützte, in der Einsamkeit ihr Begleiter bleibt und ein höheres Leben beginnt, aber nicht eines, das mit einem geistlichen Bräutigam tändelt aus Mangel eines leiblichen.

Manchen Bedaurungswürdigen brennt die Liebe heiß im Herzen, aber ihnen fehlt die Kraft des Anziehens. Sie gäben ihre Herzen so gerne hin; aber niemand will sie ihnen abnehmen und das seínige geben dafür. Da brennt ein tiefer Schmerz im Herzen. Kinder spielten einst in dunkler Stube, da brach auf einmal ein dunkles kleines Mädchen, vergessen auf einem Bette sitzend, während Buben mit andern Mädchen in der Stube sich herumtrieben, jammernd in die Worte aus: »Ach, es het mi niemer lieb!« Das war ein Schrei des tiefsten Leids aus einem Herzen, das so gerne lieben möchte und niemand findet, der seine Liebe abnehmen will. Wo ein solches Leid in thorrechtem Herzen sich findet, thut es sich in Thorheit kund. Wo man ein wunderlich geschmücktes Haupt sieht, bunte Farben um den verblühten Leib, ein alterend Gesicht, ein jugendlich Thun, wo du feines und grobes Selbstlob hörst und über andere bitter grollende Urteile; ein verächtlich Lächeln siehst über jede wohlthuende Mädchengestalt; ein seltsam Schönreden hörst, wo man nicht unterscheiden kann, was hinten und vornen ist; — da lache nicht, da ist ein tiefes Weh im Herzen, das Herzen gewinnen möchte auf unnatürliche Weise, da ihm abgeht die natürliche Kraft dazu.

Aber wenn du ein träumend, sinnend Mädchen siehst, das schweigt, wenn andere reden, dem in allgemeiner Freude um den Mund ein trüber Zug spielt; das tief die Augen niederschlägt, wenn der Liebe holde Zeichen zwischen andern gewechselt werden; das vergessen da sitzt, mit wenig Worten aber freundlichen Blicken ein freundliches Entgegenkommen lohnet: da fühle Mitleid, da ist ein Mädchen mit tiefem Leid im Herzen. Es schreit nicht mehr laut in die Gespielen hinein: »Ach, niemer het mi lieb!« Aber es weint oft in stiller Nacht, daß es einen Stein erbarmen möchte, und klagt seinem Gott sein Leid. Es weiß wohl, die Welt würde spotten über seine Thränen; aber es weiß, daß sein Gott, der sein Herz geschaffen hat, solche Thränen nicht verlacht; darum verbirgt es sie auch nicht dem Vater, der die einsamen Herzen kennt. Und der Vater wird diese Thränen vergelten, wenn dieses Herz milde bleibt und unerschütterlich in seinem stillen Vertrauen zu seinem Gott.

So wie im Mädchen die Liebe sich verschleiert, so trittet sie im Knaben immer mehr hervor; er muß die seine zeigen als der Stärkere, damit das Mädchen Vertrauen fasse und später seine Schwäche nie sich vorwerfen höre. Aber auch in manchem wilden Knaben ringt die Unbändigkeit gegen seine Schwäche, und daß er der Liebe Unterthan sei, will er lange nicht gestehen, will spröde thun gegen sie, bis sie ihn ihre Allgewalt lehrt. Meist regt im Knaben erst eine allgemeine Liebe sich; das Herz ist voll derselben, und jedes Mädchen, das in die Nähe desselben kömmt, entlockt Zeichen demselben, wie jeder Finger Funken aus der Elektrisiermaschine. Nun kömmt es aus das Mädchen an, ob es fester fesselt.

Wie verschieden ist nicht die Fähigkeit im Knabenherzen, Zeichen der Liebe zu geben, wie die damoiseaux oder Weibervögel aller Art so verschieden flattern um die Kelche der Liebe! Wie verschieden ist wohl jener, der, in Rosenduft schwebend, in den flüssigsten Schwüren seine Liebe zehntausendfach auszudrücken vermag jedem weiblichen Rock, von demjenigen, der seine Schuhe, an denen der Mist nur oberflächlich abgewischt ist, unter seines Mädchens Bett stellt, eine ganze Nacht bei ihm stillschweigend im Bette liegt und erst bei aufsteigendem Morgen endlich die Worte hervorkämpft: »Soll di byße, soll di chlemme? Wenn cha-n-i ume cho?«

Gewöhnlich ziehen die Mädchen den lustigen Schein der gutmütigen Plumpheit vor.

Man könnte die Welt mit all ihren Knaben- und Mädchenherzen fast denken wie eine Matte voll Paradiesblümchen, knospend und aufgehend in aller Holdseligkeit, über ihnen munter zwitscherend und pickend die Paradiesvögelein, alle in ihrer bunten Mannigfaltigkeit, und über sie alle ausgegossen ein Meer von Leben und Lust, blühend und duftend, girrend und schnäbelnd.

Aber leider ist die Welt kein Paradies, und in der Welt sind nicht nur Herzen, sondern noch viel anderer Grümpel; und in den Herzen ist nicht nur der Drang nach Herzen, sondern auch viel Herzensgelüsten eben nach dem andern Grümpel, der wieder seine besondere Anziehungskraft besitzt für das wunderliche Menschengeschlecht. Drum ziehen nicht nur die Herzen das Geschlecht zum Geschlecht, sondern da ziehen auch Geld und Sinne, Trägheit und Leichtsinn; es ziehen Hochmut und Hoffahrt, Eitelkeit und Begehrlichkeit, Behaglichkeit und der Drang es zu machen wie die andern; es ziehen Mütter und Tanten, Nachbarsweiber und Kaffeeweiber — ja eine Unzahl von Kräfte ziehen zum Menschen den Menschen.

 

Und wo lebt der Herenmeister, der jedesmal aus diesem Gewirre von Kräften die Kraft ausfindig zu machen wüßte, welche den Menschen zum Menschen gezogen, ob die Herzen oder etwas anderes? Ja, weiß es doch manchmal der Mensch selbst nicht, was ihn eigentlich zu seiner Hälfte geführt und an sie gebunden hat. Mancher weiß es, aber er sagt es nicht; denn während öffentlich und ungescheut die Welt die Sache treibt, will sie das Wort nicht, duldet das Geständnis nicht, daß nicht das Herz, sondern etwas anderes den Bund gemacht. Wehe aber, wo zwei Herzen sich fügen, das eine vom Herzen selbst gezogen, warm und liebend, das andere von irgend einer Zugabe, kalt und klug! Da wird am Hochzeittage wohl gelacht und ein künstlicher Himmel voll Freuden wölbt sich über die Leutchen. Aber dieser Himmel ist eben nur ein künstlicher; kein Frühling der Liebe, ewig jung, ewig neu, blüht in diesem Himmel, wohl aber legt sich allmählich starrer, kalter Winter über das unglückliche Herz. Vergebens versucht das arme Herz mit heißen Thronen ihn zu schmelzen, wieder zu Eis werden die Thränen, wie heiß sie auch sein mögen, und diese zu Eis gewordenen Thränen legen sich fort und fort über das arme Herz, bis es kalt wird wie des Todes Hand.

Lustig fast ist‘s, wenn der Mensch selbst zweispältig ist, das Herz ihn rechts zieht und irgend ein Gelüsten links, und man ihn dann willwankig zwischen beiden stehen sieht wie ein Esel zwischen zwei Heuhaufen. Traurig ist‘s, wenn die Herzen gar nicht mehr ziehen und doch die Menschen sich zusammenthun, z. B. wie jener alte Mann, der auf die Frage, warum er noch heirate, antwortete, es sei ihm wegen dem Mist; oder jene im Lande herumziehende Krämerin, die bei der Heirat im Vertrauen bekannte, sie hätte jemand haben müssen, der ihr den Karren ziehe.

Nun ist die Welt voll Klagen über Treulosigkeit, Verräterei, Flüchtigkeit u. s. w. Mädchen, hast du aber untersucht, ob die Zeichen der Liebe eigentlich dir galten oder dem ganzen Geschlecht, ob du sie absichtlich hervorgelockt oder ob sie dir unwillkürlich entgegen sprühten? Wo der Batzen zieht, die Leibeslust oder die Eitelkeit, da ist ebenfalls treue Liebe nicht. Drei Batzen mehr brechen einen Bund, gesättigte Sinnenlust scheidet, und Eitelkeit läßt sich locken mit schönen Worten nach allen Winkeln hin, wie Speck die Mäuse lockt in alle Fallen. Wo nicht die Herzen sich einen, da erwarte man nichts als höchstens ein kühles Halten des gegebenen Worts; und wo man nicht das Herz begehrte, sondern eigentlich nur die Hand und etwas anderes damit, da klage man nicht, wenn man diese Hand auch noch am Altar wieder an sich zieht. Mädchen, die ihr vor Gericht solche verfolgt, die euch sitzen ließen mit eures Leibes Frucht, tragt ihr etwas anderes als die Strafe, daß ihr durch diese Frucht einen Mann erzwingen wolltet; die Strafe, daß ihr locktet, reiztet, daß euch an dem Herzen nichts, an allem andern alles gelegen war? Ja, in wunderbarer Verblendung fordern Menschen Liebe, sie selbst haben keine; fordern Treue, leisten keine. Liebe und Treue bestehen aber nur zwischen Herzen und Herzen, nicht zwischen Geld und Geld, nicht zwischen Wollust und Wollust, nicht zwischen Hochmut und Hochmut, am allerwenigsten zwischen Eitelkeit und Eitelkeit.

Diesem Zug der Geschlechter zu einander wird auf alle mögliche Weise Vorschub geleistet; auch weiß sich das gezogene Völklein selbst recht gut Gelegenheiten zur Annäherung zu verschaffen, ordentliche und außerordentliche.

In höhern Ständen sind die Gelegenheiten feierlicher ab- und zugemessen, und die Sitte und der Mütter Augen wachen, daß die Gelegenheit nicht Diebe mache und das Lustspiel sittsam mit einer Heirat sich ende; daß das Geld zum Gelde passe, zur Familie die Familie; aber Wachen und Sitte hindern Seitensprünge nicht, glückliche oder unglückliche.

In andern Klassen ist größere Freiheit, mehr Gelegenheit, Gelegenheit, daß es einem dunkel werden möchte vor den Augen. Und besonders in unserm Ländchen ist herrlich dafür gesorgt, daß ja keine Kluft sei zwischen Knab und Mädchen, daß jede hemmende Zwischenwand eingerissen sei, daß Sitte und Mütter nicht zusehen können, daß sie sich zusammenthun mögen nach Herzenslust. Wenn die dunkle Nacht heraufdämmert und es stille wird im Hause, dann macht sich der Knabe auf und pocht an seines Mädchens Fensterlein. Unten im Hause schlafen Mutter und Vater, schlafen Meister und Meisterfrau; aber das Mädchen wacht und öffnet, wenn es nicht schon jemand drinnen hat, und in der dunklen Kammer stört die beiden niemand mehr, nicht Vater, nicht Mutter, nicht die Welt, selten Gott, öfters die Vorsicht und die Rücksicht. Nicht umsonst heißen wir ein freies Land, wo so frei es zugeht; aber lieber auch gäbe man die Freiheit des Landes hin, als der Mädchen und Knaben Freiheit. Darum stören diese Freiheit selten Väter und Muttcr; lieber weinen sie sich die Augen aus dem Kopf über die Schande des Hauses; darum stören sie auch die Gemeinden nicht; lieber geben sie den letzten Kreuzer weg zur Erhaltung unehelicher Kinder, welche ihnen die Mütter auf dem Halse lassen; darum stört sie auch der Staat nicht; er will lieber alle Jahre zweimal langweilig sich beraten und klagen über einreißende Armut, und Gesetze ersinnen, die niemand etwas abtragen als dem Buchdrucker und die niemand hält, weil sie niemand handhabt.

Aus dem Kiltgang hat sich eine Klasse herausgearbeitet; hoffentlich reicht sie auch andern dazu die Hände. Bei andern ist der Kiltgang wirklich ehrbar und sittsam, so unglaublich es lauten mag, und es waltet eine Enthaltsamkeit, von der sich Stadtherrchen keinen Begriff machen können.

Je weniger aber jemand zu verlieren hat, um so wüster und zügelloser wird er und gestaltet sich unter den ärmern Klassen zu einer Hauptquelle der Armut, zu einem wahren Krebsschaden für das Land.

Neben diesen täglichen gewöhnlichen Gelegenheiten, den Weibervogel zu spielen, gibt es noch eine Menge besonderer, wo es lustig zugeht bei Spiel und Tanz, und mit Geigen und Pauken, mit Wein und Brönz das junge Volk angelockt wird, sich würdig vorzubereiten und zuzuputzen öffentlich zum nächtlichen einsamen Besuch. Da sind öffentliche Anstalten zum allgemeinen Gebrauch, vor allem die Märkte, die alle Fingerslang bald hie, bald dort abgehalten werden, und die Musterungen. Dann hat die gnädige Regierung, damit das Volk recht lustig sein könne, noch sechs Sonntage zu Tanzsonntagen gemacht, an denen das ganze Land tanzen sollte zum Zeichen seines Glückes unter solch gnädiger Obhut. Und mit diesen Sonntagen wurde es nicht einmal so genau genommen. Ferner waren an diese Beschränkung auf sechs Sonntage die Bewirtschaften nicht gebunden, wurden die Schnittersonntage nicht darein gerechnet, die Alt- und Neujahrsnächte nicht, und von dem Aufhören um acht Uhr, wo war da die Rede? Nun macht man es noch gnädiger: man vermehrt die Wirtshäuser ums doppelte; man sendet den Wirten die Tanzbewilligungen umsonst ins Haus, und wie genau man sich dabei an das Gesetz bindet, und ob man die Ansufeten zu den gewöhnlichen oder außergewöhnlichen Sonntagen rechnet, das weiß ich nicht; aber das weiß ich, daß unsere Beamtete liebe Leute sind, die dem Volk die Freude gönnen.