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Leiden und Freuden eines Schulmeisters

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Nachdem der Ruhm erschöpft war, stach es mich doch, zu vernehmen, warum die Kinder gelacht hätten, ob ich etwa etwas Lächerliches an mir habe. Nein, sagten sie, das nicht; aber ich hätte so fremd geredet und das hatte die Kinder gelächeret; aber ich werde schon reden lernen, wie es der Brauch sei. Das konnte ich nicht begreifen; sprach ich doch die rechte Sprache. Ich fragte daher nach Beispielen. Ich hätte ni gesagt, statt wie sie nei; ja, statt jo; Krisi, statt Kiersi; Bümeli, statt Bäumeli u. s. w.

Das sollte ich mir abgewöhnen, meinten sie; kein Mensch rede hier so und es düech se, es syg gar wüest u trag nüt ab, so apparti und wunderlig z‘rede. Diese Leute meinten, gerade so wie sie redeten, sei es recht, und ihre Sprache sei die, welche der liebe Gott verstehe und welche man im Himmel rede. Meinte doch einmal einer, der in einer welschen Predigt gewesen war und den Eifer und die heftigen Geberden des Predigers gesehen hatte: dä mög si gmüihje so lang er well, dr lieb Gott verstangne doch nüt; emel är mbcht ke Welsch sy; da helf kes Bete nüt i‘re selige Sprach, wo eim niemer verstang.

So haben es die Leute, welche selten aus ihrem Dörfchen kommen, ja selten aus ihrer Haushaltung, und selten hören, wie es anderwärts zugeht. Es bildet sich bei ihnen eine Selbstgefälligkeit und eine Verachtung gegen alle, die nicht gerade so sind und alles so machen wie sie, die jede Belehrung, jeden Fortschritt hemmt. Es bildet sich das Lächeln auf den Stockzähnen gegen jeden, der, ein anderer als sie, sie über etwas belehren will. Das Lächeln will nichts anderes sagen als: Was witt doch du! Bisch ja ume-n-e Löhl! Eine Hausfrau dieses Schlages ließe sich eher hängen, als daß sie glauben würde, es könne jemand anders eine vernünftige Mehlsuppe machen oder eine vernünftige Sau mästen, als gerade sie.

Obschon ich in dieser Nacht nicht viel schlief, so war mir doch recht wohl in meinem Bette. Ich träumte bei wachendem Leibe, und solche Träume halten wach, so gut als das Umgekehrte davon, der Kummer. Beide, so entgegengesetzt sie scheinen mögen, sind doch meist eins in ihrer Wirkung. Sie erschlaffen die Seele und nehmen ihr die Kraft, der Gegenwart mit Lust und Besonnenheit zu begegnen. Der Kummerhafte mag nicht; er denkt: Was hilft es mir, daß ich das habe oder das thue, wenn es so und so kömmt? Wie gut er es haben mag — die Angst vor dem Kommenden trübt ihm den Genuß und gießt ihm Wermut in alles. Der in der Zukunft großes Glück, große Ehre Träumende macht einen dreifachen Fehler. Die Gegenwart schätzt er nicht; denn sie gibt ihm nicht, was er von der Zukunft hofft. Er vergißt, daß die Zukunft das Fundament in der Gegenwart haben muß, und nimmt, eben weil er die Gegenwart zu gering achtet, nicht die Mühe, es zu legen. Er hofft auf die gebratenen Tauben, die ins Maul fliegen. Und wenn endlich die Zukunft eine andere ist als die geträumte, so findet sie an ihm nicht einen Mann, der sie zu bemeistern, zu ertragen vermag, sondern ein Kind, das stampft und heult, wenn ihm ein Spielzeug versagt ist. Wenn an die Stelle des Kummers die Nüchternheit treten würde, die sich auf alles gefaßt macht, und an die Stelle der hohlen Träume der Glaube an eine hohe göttliche Bestimmung jedes Menschen — die aber nicht in einem äußern Zustande, einem Genießen besteht, sondern über diesem in dem hergestellten Werte der Seelen — und wenn mit dieser Nüchternheit und diesem Glauben das Vertrauen und eine nie ruhende Thätigkeit, eine nie erschütterte Kraft sich gatten: dann träume man so viel und so lustig man will, dann sind allerdings solche Träume wie kühler Schatten dem, der in versengender Mittagshitze Stöcke gespalten hat.

Über das Schulhalten halte ich appartig nicht nachgedacht. Aus dem Vorhergehenden sieht man, daß ich z‘sinne genug hatte, und dann hätte ich eigentlich nicht recht gewußt, was sinnen. Ich kannte das Schulhalten von Jugend auf gar wohl, und daß man auf menger Gattig Schule halten könne, wußte ich auch, d. h. ich wußte, ein Schulmeister könne fleißig oder faul, zornig oder gut sein, exakt oder nachlässig: aber daß man andere Dinge treiben oder die gewohnten Dinge nach einer andern Methode treiben könne, daß wußte ich nicht. Ich hatte freilich Konstruieren gelernt und Figuralmusik; aber niemand hatte mir gesagt, daß das in die Schule eingeführt werden müsse. Ich hatte geglaubt, das müsse einer wissen, wenn er Schulmeister sein wolle, so gut wie der Pfarrer hebräisch können sollte, ohne es jedoch die andern auch lehren zu müssen.

Ich fing also an mit der Schule, wie es üblich war. Des Morgens, so wie die Kinder kamen, überhörte ich die größeren; dann las ich mit den Fragenbüchleren und buchstabierte mit den Namenbüchleren, und zum Schluß las ich auch mit den größern in der Kinderbibel. So ging es auch nachmittags wenigstens die ersten Wochen der Schulzeit. Aber wahr ist‘s: bsunderbar fleißig war ich. Schon zeitlich war ich in der Schule und wartete nicht erst, bis die Kinder Stühle und Bänke z‘unteroben hatten. So wie sie ankamen, fing ich an zu bhören und das war keine kleine Mühe. Denn die Kinder lernten ganze Fuder auswendig: die Fragen, Gellert, Psalmen, Historinen und sogar ganze Kapitel aus dem Neuen Testament. Ganze Bänke wetteiferten mit einander, welches mehr aufsagen könne. So mußte ich ganze Fuder überhören und durfte keinen Augenblick müßig sein, wenn ich des Tags zwei oder gar vier Mal zu den Namenbüchleren wollte. Manchmal blieb ein Kind eine ganze Woche zu Hause und lernte auswendig und wollte dann auf einmal überhört sein, was fast halbe Tage wegnahm. Darum sagten aber dann die Leute: »Gell, Schumeister, mr bruche üfes Ching nit geng z‘schicke; es lehrt daheim so viel as i dr Schuel.«

Die Leute rühmten mich, wie ich ein Fleißiger sei, und die Sach chömm guet, sie hätte‘s nit glaubt; weder wohl freine sei ich. Das hatte ich mir allerdings in den zwei letzten Wintern angewöhnt, um mich wert zu machen, und fuhr so fort in der Meinung, ich könne es mit der Liebe machen zuerst. Wenn dann die Kinder an mich gewöhnt seien, so könne ich immer noch mit dem Ernst anfangen, wenn es dann noch nötig sei. Die Kinder hatten mich nicht ungern; aber kein Kind, und besonders ein roh erzogenes Kind, wird aus purer lauterer Liebe gehorchen, wird nicht auf einmal seinen Willen unterordnen, den es sonst frei walten läßt. Die Liebe wirkt nur da Gehorsam, wo sie mit der Achtung begleitet ist, und diese Achtung muß errungen werden dadurch, daß daß Kind fühlt, ein höherer, kräftigerer, stätigerer Wille stehe dem seinen entgegen; dieser Wille lasse sich nicht blenden, nicht umgehen, nicht einschläfern, sondern er sei gleich fest und bestimmt am Morgen wie am Abend. Da wird das Kind sich beugen, und kann man Liebe erzeugen zur Achtung, so wird erst der Gehorsam ein freiwilliger, freudiger. Als ich später Ordnung schaffen wollte, weil nicht mehr dabei zu sein war, und Rute und Stecken brauchte, da würkte ich nichts mehr, als daß ich bei den Kindern das Gefühl erzeugte, es geschehe ihnen Unrecht, und ich hätte gar nicht das Recht, ihnen etwas zu thun; d. h. so wie in ihrem Gemüt, in ihrer Vorstellung meine Natur sich abgebildet hatte, so konnte ich nicht schlagen, nicht fitzen, sie aber konnten machen was sie wollten. Schlug ich aber oder fitzte, so schien ihnen das unnatürlich von mir und ungerecht; denn ich hätte es ja schon hundertmal thun können, wenn es in meiner Natur gelegen oder recht gewesen wäre. Es schien ihnen nur eine böse Laune zu sein oder ein besonderer Groll gegen das Geschlagene oder seine Leute. Denn das nahm man als bekannt an, daß der Schulmeister an den Kindern auslasse, was er gegen die Eltern habe. Und die Eltern kamen wohl und fragten mich, was ich gegen sie habe und was sie mir zuwider dienet hätten, daß ich heute ihr Kind geschlagen oder nebenaus gestellt. Wenn ich dann sagte: gar nichts, aber es habe gar nicht gehorchen wollen, so sagten sie: sie hätten geglaubt, es müßte etwas appartigs sein, weil andere vielmals das Gleiche gethan, ohne daß sie gestraft worden wären. So machte jede Strafe einen bösen Eindruck.

Darum vergesse man nicht die Wichtigkeit des ersten Eindruckes. Man zeige sich den Kindern ja nicht als ein Schaf, aber ebenso wenig als ein Tiger, sondern eben als ein Mann, der über den Kindern steht, sie liebt, aber geachtet sein will und Gehorsam fordert. Diese Lehre ist für Schulmeister gewiß sehr wichtig, allein sie wäre es noch für viel mehr Leute, und wer weiß, ob nicht auch für die Regierig?

Siebzehntes Kapitel. Wie mir der Verstand gemacht wird

Da die Leute mir immer mehr in die Kinderlehre liefen und sogar Meitscheni aus andern Gemeinden kamen, zwei, drei und vier mit einander, schön in einer Zylete, Hand in Hand, so dachte ich bei mir selbst, die ganze Kirchgemeinde werde gwunderig sein, den brühmten Schulmeister zu sehen, und es sei nichts als billig, daß ich mich einmal zeige. Wenn sie einmal wüßten, wie ich wäre, glaubte ich, es kämen noch viel mehr Leute in die Kinderlehre.

An einem schönen Sonntag machte ich mich daher schön zweg, um z‘Chile z‘gah. Früh hatte ich angefangen zu waschen und zu strählen und wurde doch spät fertig; die Haare wollten nie recht schön vorume cho, wie ich sie auch netzen und drücken mochte. Es ist kurios, wie so viele Leute nie zur rechten Zeit fertig werden können zum Chilegah, sondern sich außer Atem und in Schweiß laufen müssen, daß man sie in der ganzen Kirche schnupen hört. Das thun sie sicher nicht aus dem Grunde, wie jener Herr, der immer auf sich warten läßt, immer zu spät und allein kömmt, damit man desto besser seinen stattlichen, majestätischen Gang, seine erlauchten Mienen und seine schönen Handschuhe an den groben, kurzen Fingern bemerken möchte. Nein, die Leute stehen viel zu gerne um die Kirche herum und erzählen sich, was sie wissen, und vernehmen Nahrung für den Gwunder auf eine ganze Woche hin. Aber es hängt ein eigenes Geschick über das z‘Predig-gah und das zu spät kommen. Es sind viele Leute, die in den Träumen oft und viel damit gequält werden. Sie träumen, es sei Sonntag und sie wollten z‘Chilche, aber sie können sich nicht anlegen, sie finden die Schuhe nicht, sie kommen nicht fort, wie sie auch springen möchten. Unterdessen verläutet es und immer neue Saumsteine legen sich in den Weg, so daß sie meist gar nicht zur Kirche kommen. Eine alte Frau deutete diese Träume echt christlich fromm also: »Üse Herrgott wott is mahne, daß es is mit em Himmel gah chönnt wie mit dr Predi, daß mr nit möchli gcho u z‘spät wäre, we mer is nit früeh zmeg u uf-e Weg mache.«

 

Ich hatte mich besonders gefreut vor der Predi auf die Kirchmauer zu sitzen oder unter der Vorlaube zu stehen und die Leute fragen zu hören: »Isch ne äys? Lue! Gsehsch da dert, das hübsch Bürschli? Das isch dr neu Schuelmeister, wo so-n-e Gschichte-n-isch u so schön chingelehre cha.« So hatte ich die Sache mir ausspekuliert und im voraus schon herrlich wohl daran gelebt, und durch mein Dräye brachte ich mich nun selbst um dieses Herre- oder Schuelmeisterfresse. Aber ich gab die Hoffnung nicht auf; ich machte lange Beine, holte noch den Zug der Wandelnden ein und wollte vorüber, aber sie sagten: »Schumeister, ume nit so pressiert, mr meu no geng gcho, es lütet no lang nit.« In meinem Kopfe war es vor lauter Blangen viel später, und wäre ich fertig geworden zu der Zeit, wie ich gewollt, ich wäre wahrscheinlich eine halbe Stunde alleine auf dem Kirchhof gestanden. Nun mußte ich Schritt halten mit dicken Weibern, die sich damit unterhielten, welches das beste Zeichen sei, den Kabis z‘bschütten und wer in der vergangenen Nacht bei diesem oder jenem Meitschi gelegen sei; mußte Schritt halten mit gsatzlichen Männern, von denen die einen prozedierten, die andern handelten, die dritten rühmten, wie viel sie melken, die vierten klagten, wie wenig sie dreschen; mußte das alles anhören und durfte nicht voraus. Jetzt wußte ich, wie es einem Roß zu Mute sein muß, das man zum ersten Male ins Leitseil nimmt.

Endlich war der Kirchhof erreicht; es läutete noch nicht, aber schon viele Leute stunden auf demselben herum. Drei Männer stunden nicht weit vom Eingang, die Psalmenbücher unterem Arm (meines hatte ich vergessen). Einer derselben wandte sich nach mir um, bot mir die Hand und sagte, es düech ne, i syg dr neu Schumeister in der Schnabelweid? Auf die Bejahung vernahm ich, daß die drei andern Schulmeister der Gemeinde vor mir stünden. Meine Herren Kollegen, würde man heutigen Tages sagen. Diese fragten mich die üblichen Fragen, wie es gehe, wie es mir gefalle u.? Ich, ehrlich oder dumm, war Rühmens voll in jeglicher Beziehung über mich und andere. Darauf meinte einer, es gehe allen jungen Schulmeistern so, aber es werde schon anders kommen. Der andere meinte spöttisch: »Neu Bese wüsche wohl!« Der dritte sagte: je mehr man zuerst rühme, desto mehr habe man zuletzt zu klagen. Der eine fragte mich, ob ich nicht singen könne, daß ich kein Buch bei mir habe, oder ob es mir zu viel Mühe mache: eins zu tragen. Der andere wollte wissen, ob ich dem Pfarrer meine Aufwart gemacht, wie es üblich und schicklich sei. Er werde mich sauer ansehen, wenn es noch nicht geschehen sei. Der dritte fragte: ich werde wohl Schule halten auf die neue Mode? Auf meine Antwort, ich halte Schule, wie allenthalben der Brauch sei, sagte er: ich werde doch auch konstruieren. Da ich antworten mußte, daran hätte ich noch nicht gedacht, so erwiderte er spöttisch: so sehe er nicht, was da apartig zu rühmen sei; seine Kinder könnten konstruieren wie auf der Geisle gchlepft.

Ach Gott, wie brühheiß ward mir da ob all den verfänglichen Fragen und spitzigen Redensarten! Ach, wie andere Dinge waren das, als ich erwartet hatte! Ich suchte mich loszumachen, um zu ehrlichen Leuten zu kommen und etwas Schöneres zu hören; aber sie ließen mich nicht los; wie ich den Fuß zum Gehen lüpfte, war einer mit einem Trumpf da und stellte mich. Aber das geschah alles mit lächelndem Munde; aber dem einen unter ihnen blitzte es beständig in den Mundecken und seine Kniee waren keinen Augenblick still. Ich merkte eigentlich ihr Spiel nicht und begriff manchen Stich nicht. Es ärgerte mich nur, daß ich da mit denen Wortwechseln mußte, statt anderwärts schöne Redensarten zu hören. In der Kirche aber während des Betens und Singens fing es mir an aufzurüchen, daß sie mich eigentlich durchgehechelt hätten. Erst jetzt glaubte ich manches Wort zu verstehen, das sie hatten fallen lassen, und wurde rot und mochte mir fast die Finger abbeißen, daß ich sie nicht wieder getrumpft, so und so ihnen geantwortet. Das schien mir nicht schön von ihnen, einen jungen Kollegen so zu empfangen mit Stich und Hieb. Im Sack machte ich die Faust und sah sie seitwärts an, was sie eigentlich für Kunden wären, fand aber in ihren Gesichtern nicht den Mut, mit ihnen anzubinden. Allen dreien zuckten Spuren von Feuerteufelchen auf der Stirne herum, die nur eines Funkens bedurften, um zu knallen und zu zischen. Unterdessen predigte der Herr trostlich zu und obgleich ich kein Wort verstund, weil ich anderes dachte, wuchs mir doch ein Trost im Herzen wie ein Schwamm aus einem faulenden Baumstrunk. Das sei der Neid gewesen, dachte ich bei mir selbsten, der sie so hätte reden lassen. Sie müßten gehört haben, was für einer ich sei, und das möchten sie mir nun nicht gönnen und seien schalus. Das sei doch wüst von ihnen, dachte ich, und noch dazu von Schulmeistern; aber ihnen zum Trotz wolle ich erst jetzt recht zeigen, wer ich eigentlich sei. Das freute mich doch, daß sie von mir reden gehört in ihren Dörfern und es nahm mich wunder, wer es ihnen gesagt und was man ihnen eigentlich gesagt, und ich mochte es ihnen gönnen, daß sie durchgethan wurden durch mich. Was sie mir gesagt, beachtete ich nicht, am wenigsten den Spruch: je mehr einer anfangs rühme, desto mehr klage er zuletzt.

Mit recht hämischem Lächeln warf ich Blicke auf sie und nahm mir vor, ihnen einzutreiben ihre Bosheit. So war in der ersten Stunde der Teufel zwischen unsere Herzen gefahren, hatte die Zwietracht uns in die Haare gesetzt und den unglücklichen verkehrten Sinn in uns ausgegossen: einer sei des andern Widersacher, des einen Erhebung sei des andern Erniedrigung, und dieses: die eigene Erhebung, des andern Erniedrigung, sei unsere Aufgabe. Wie mag aber wohl ein Reich bestehen, wenn es uneins in sich selbsten ist?

Es ist ein Elend in der Welt, daß die Herzen so leicht sich feindlich gegen einander auslegen, besonders junge und alte Herzen; sollte es doch zwischen ihnen sein wie zwischen altem und jungem Wein, wo der junge durch den alten gereift und gemildert wird, der junge den alten vor dem Flauwerden, dem Abstehen fchützt. Aber die alten Herzen, bitter gemacht durch die Erfahrung und doch stolz darauf, blicken verachtend auf die jugendliche Kraft und fordern zürnend von ihr des Greifen zitternd, zagend Wesen. Die jungen Herzen blähen sich auf zu raschen Sprüngen, und im Bewußtsein der Kraft ihres Willens vergessen sie die Unkenntnis des Bodens, auf dem sie springen wollen, brüsten sich gegenüber dem Alter mit ihrem jugendlichen Wesen und Wissen, leichtfertig verschmähend dessen Erfahrungen. Und mitten zwischen beide lagert sich die böse Welt, das Neue liebend und doch jede Verbesserung hassend. Sie bethört erst das junge Herz durch reiches Lob zur Eitelkeit, empört es gegen das Alte und schlägt es, wenn es verbessern will, nieder mit Hohn und Spott, bis auch es alt geworden ist an Bitterkeit und die Eitelkeit verwittert ist zu Verachtung jugendlichen Treibens, in den Wahn versunken ist, dasselbe allein hindere, daß mit der Krone der Weisheit die Welt das weiße Haupt bedecke. Ach, wenn die Herzen, beide jung und alt, doch nur eins bedächten: daß Gott beide gemacht, jedes in seiner Eigentümlichkeit, eines zu Hülfe und Schutz des andern; daß beide arbeiten sollten für den da oben, keines seine Ehre suchend, seinen Nutzen, sondern die Ehre des da oben; daß der der Höchste ist, der des andern Diener wird, daß ein Werk aller Werk ist und ein Meister alle lohnet, einen jeden nach seiner Treue, die das Ihre gethan und kein gutes Streben gehemmt. Dann würden die Herzen sich zusammenlegen, die alten in süßer, milder Kraft, die jungen in feurig sprudelndem Mute. Was, wer vermöchte diesem Bunde zu widerstehen? Ihr Meister wäre Gott; sie aber würden Meister der Welt, der Welt in ihnen, der Welt außer ihnen.

Nach der Predigt machte ich mich alsobald fort, ohne nur ein einziges Sprüchlein gehört zuhaben, wie ich sie zu Dutzenden auf mich herabregnend gedacht hatte. Statt dessen war ich vernütiget und ausgelächelt worden. So ging es mir doch viel in meinem Leben, daß ich Schmach und Spott einerntete, wenn ich Lob und Preis erwartet hatte. Ich brauchte nur zu mir zu sagen: Ja Peter! das ist wieder ein brav Stückli von dir, das machte nicht ein jeder; und wie werden doch die Leute Augen machen, wenn sie es vernehmen, und dich rühmen: so konnte ich fast sicher darauf zählen, daß ich Verdruß, Schaden und Spott davon hatte. Und doch waren viele dieser Sachen, wirklich gut und verdienstlich, und meine Erwartungen schienen mir ganz billig zu sein. Warum dann so bittere Früchte aus guter Saat? Dieses Rätsel konnte ich lange nicht lösen, und ich fing an, in der Leute Meinung einzustimmen, daß einer ein Narr sei, etwas besonders Gutes thun zu wollen, und daß die wahre Klugheit darin bestehe, daß jeder zu seinem Vorteil sehe und um alles andere sich nicht kümmere. Da sollte ich einmal an einem Sonntage die Worte erklären, »alle unsere guten Werke seien mit Sünden befleckt«. Lange konnte ich das nicht begreifen; endlich fiel es mir ein, daß diese Sünden der Stolz und die Eitelkeit seien, die sich erheben, sobald wir ein gut Werk thun wollen oder gethan haben; daß die Sünde in der das Werk begleitenden Gesinnung bestehe. Wie nun Gottes Güte auf jede Sünde eine Mahnung oder Strafe innerlich oder äußerlich folgen läßt, damit der Sünder sich bekehre, so züchtigt er Stolz und Eitelkeit dadurch, daß er sie nicht befriedigen, sondern verletzen, kränken läßt. Das verstehen aber die Leute nicht, sondern statt Stolz und Eitelkeit zu bändigen, unterlassen sie das Gute. O könnten wir es dahin bringen, unsere guten Werte in bewußtloser Bescheidenheit zu vollbringen, wie das Kind, das Jesus in die Mitte der Jünger stellte, so würden für uns die Hälfte aller Kränkungen wegfallen und unsere besten Werke wären nicht mehr durch haften Sinn vergiftet. Soweit dachte ich damals aber nicht, sondern wie ein junger Schulmeister nur der Nase lang, nämlich daß ich hinter den andern nicht zurückbleiben wolle und meine Kinder das Konstruieren auch lernen müßten, wie auf der Geisle gchlepft. Und da man an meiner Singkunst zu zweifeln schien, so nahm ich mir vor, die Kinder im Figuralgesang zu üben, wozu sich glücklicher Weise einige Exemplare von Gellerts Liedern in der Schule vorfanden. Endlich wollte ich nicht, daß die andern dem Pfarrer werter seien als ich, und nahm mir vor, ihm in der nächsten Woche meine Aufwartung zu machen.