Za darmo

Leiden und Freuden eines Schulmeisters

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Fünfzehntes Kapitel. Wie mir die Augen aufgethan werden

Des anderen Morgens weckte mich früh die Freude und das Verlangen, meinem alten Schulmeister mein Glück zu verkünden. Es war ein heller Tag; Sonne und Mond stunden am Himmel und nur zögernd legten sich die Sternlein in ihre aus ewigem Licht geflochtenen Bettlein. Auf der Erde wimmelte es wie in einem Bienenkorbe, der stoßen will. Aus Haus- und Stallthüren kam heraus, was drinnen war, zum Schaffen und zum Lustigsein. Fröhlich blökten die Schafe, umgaukelt von ihren Lämmlein, der Weide entgegen und sprangen munter den Kühen voran, die in steifem Ernste nachschritten, höchstens einen schwerfälligen Trott versuchten, nachdenkliche Gesichter schneidend. Andere bogen ungerne ihren Hals unter das Joch und muhten wild, wenn man sie mit Schlägen auf die Nase trieb an die Deichseln der schwer beladenen Mistwagen. Sie wären auch lieber auf der Weide gewesen als am Wagen, und machten Gesichter dazu, wie ordentliche Professoren, wenn sie aus der Kneipe ins Kolleg müssen, oder Gemeindräte an einem gewissen Orte, wenn sie der Schreiber aus dem Wirtshause in die Gemeindstube muß holen lassen, oder wie die B. L. Räte, wenn der Weibel aus den Pinten sie zusammentreiben muß, damit Beschlüsse gefaßt werden könnten. Müden Schrittes zogen Pferde den Pflug und streckten lang sich aus durch die lange Furche. Als rüstige Landwehr zog Mann und Mädchen aus mit Karsten und Hacken hinter die Erdäpfel her und hinter die Furchen, schäkerend und mit Äpfeln die Säcke füllend. Um das Haus herum firmte noch die geschäftige Hausfrau, und erst lange hinter den andern zog sie die reine Schürze an, die Thüre zu und schritt stattlicher aber rascher als die andern dem Felde zu. Von weitem sah man ihr an, daß sie wußte, man sehe auf sie und das Auge des Dorfes sei offen über sie, wann und wie sie ausgehe aufs Feld! O so ein Dorfauge ist eine gute Sache und hält manche in der Egi! Es wirket auf die Weiber viel mehr als auf die Männer. Es nähme mich ds Tüfels wunder, was manche anfinge ungattlichs und narrochtigs, wenn sie eben dieses Dorf-Auge nicht fürchtete.

Und auf den Feldern war ein lustig Leben. Kleine und große Kuppeln Leute rührten sich rüstig; hell jauchzte der Weidbube bei seinem Feuerlein; einförmig, aber ans Herz dringend, läuteten die Kühe ihre Glocken. Alles hatte mit sich selbst zu thun, schaffte für sich, schien um die andern sich nicht zu kümmern. Aber wenn ein Hase aufsprang, aufgejagt aus einem Erdäpfelblätz mit mächtigen Sprüngen durchs Feld setzte und der Ruf erscholl: »E Has! e Has!« — da, wie durch einen elektrischen Schlag getroffen, stund Mensch und Vieh still, hoben alle Köpfe sich auf, ruhten alle Arme. »E Has! e Has! do! do!« schrie es durchs ganze Feld. Ein Auge und ein Sinn war die zerstreute Menge geworden, bis der Hase des Waldes Dunkel, von schwerer Angst gejagt, erreicht hatte. Dann verschwand die Einheit wieder und jedes Auge senkte sich wieder auf seine Sache nieder; jeder Fuß ging seinen Weg und jeder Arm rührte sich für sich. Ein merkwürdig Bild unseres Lebens, das man aber nicht auf dem Rumedingerfeld sehen kann, denn da sieht keiner auf und einem Hasen nach — wenn er Erdapfel vor sich hat.

Wohlgemut lief ich in schönem Sonnenschein durch die wimmelnde Menge und sah ganz glücklich auf jeden Bauer, der seine vier schwarzen Erlenbacher ins Feld führte, und dachte bei mir selbst: »Du arme Tüfel muesch doch gnue thue; we d‘ wüßtisch, wie guet e Schumeister ‚s het!« Und dann sang ich vor mich hin folgendes Liedchen, das ich in der Normalschule gelernt hatte, das wahrscheinlich mit einigen Variationen ein Soldatenliedchen gewesen war:

 
We di Bure früh aufstah,
Thuet is dFrau im Bett ephah!
We bi Bure Garbe schnyde,
Cheu mr schön am Schatte blybe!
We bi Bure z‘Acher fahre,
Cheu mr schön das Chniepe spare!
We di Bure Garbe drösche,
Lah mr nit die Pfyfe lösche!
Da capo [U we di Bure metzge,
Su esse mir das Beste! Juhee!
 

So wanderte ich in wohlgemutem Übermut durch Feld und Wald meinem Schulmeister zu und dachte, was er sagen werde, daß mir das Konstruieren eine so schöne Stelle eingebracht. Ich dachte an den schönen Lohn und an die schönen Sachen alle, die ich daraus wollte machen lassen, und wie ich einer sein wolle, daß weit und breit kein solcher wäre, und daß die Leute sagen müßten, sie hätten noch nie vo-mene selige ghört, vrschwyge e selige gseh oder gar gha. Ach, wie leicht man bei so lüftigen Träumen läuft! Es ist wirklich fast, als ob man durch die Luft führe; hingegen wenn man irdische schwere Sorgen hat, ist es da nicht, als ob man knietief in der Erde ginge? Mein Alter hatte auch Freude daran; er that mir aber die trunkenen Augen auf und schüttete kaltes Wasser über meine Träume. »Und jetzt, Peter,« fragte er mich, »hast du Geld? Wie willst du den nötigen Hausrat, ein Bett u. anschaffen?« — Ja, an das hatte ich nicht gedacht und wußte keinen Bescheid, als daß ich werde z‘Kost gehen müssen.

»Das thue ja nicht, Peter,« sagte er. »Erstlich nimmt dir das Kostgeld mehr als den halben Lohn weg; zweitens mußt du an deinem Kostort gar vieles machen helfen; man gibt dir nichts dafür, aber nimmt es übel, wenn du es einmal versäumst; und drittens schadet es dir gar sehr an Präsenten; wenn du keine Haushaltung hast, so bringt man dir nichts.« Das leuchtete mir ein; aber wo Geld nehmen zu allem? Da war ich am Hag. Der Alte erbot sich, mit ein paar Franken mir zu Küchengeschirr, d. h. zu einer Pfanne, einigen Tellern, Kacheln und Kellen zu helfen; allein das Bett, den Schaft oder das Trögli anlangend war guter Rat teuer. Endlich meinte der Schulmeister, ich sollte zu meinen Alten gehen; die würden doch nicht geng welle taub sy und würden vielleicht Freud haben, daß ich jetzt wirklich Schulmeister sei. Einige übrige Bettstücke hätten sie allweg und die könnten sie mir gar wohl leihen. Ich wehrte mich wie eine Wiggle hinzugehen; aber es half alles nichts, ich mußte in den sauren Apfel beißen. Mich zog es nicht zum Vater, nicht zur Mutter, nicht zu den Geschwistern; mir klopfte das Herz, wenn ich nur an den ersten Anblick dachte; aber mich zog es doch auf meinem Wege fort; es war das Heimelige, das sich mir immer mehr aufdrang. Es war das Bächlein, in dem ich Groppen und Krebse fing; es war der moosige Baum, in dem Rinderstaaren nisteten; es war der bekannte Rain, wo wir schlitteten; es war der Heubirenbaum, den ich so oft geplündert; es war das grüne Dach, unter dem ich so oft geschlafen und geweint. Das alles füllte mein Herz mit Sehnsucht und zog mich hin zum Vaterhause, das ich über zwei Jahre nicht gesehen hatte. Je näher ich kam, desto heimeliger ward es mir; ich vergaß, daß die Eltern böse sein könnten und trat ganz fröhlich in die Küche. Aber als die kochende Mutter mit saurem Blick mich empfing, auf mein: »Gottwilche Mueter« ein trocknes: »Danke Gott« antwortete, die Hände nicht aus der Waschgepse nahm, sie nicht an der Schürze abtrocknete, um meine dargebotene zu ergreifen, auf meine Frage: »Wie get‘s ech?« antwortete: »Es het di lang nüt wunger gno« — da merkte ich, daß ihr Herz sauer geblieben, keine Liebe, keine Vergebung da sei. Ich fragte nach dem Vater; sie wies mich nach dem Webkeller. Der Alte sah nicht einmal nach mir um, hörte keinen Augenblick auf zu arbeiten, so daß ich nach und nach in die größte Verlegenheit geriet und gar nicht wußte, wie mein Anliegen vorbringen.

Ich wußte nicht, sollte ich von ihnen reden oder von mir; mit beiden fürchtete ich zu fehlen. Ich sagte von schönem Wetter. Es sei lustig genug für die, welche nichts zu thun hätten als herum zu laufen — war die Antwort. Ich sprach vom guten Säyet und wie man die Erdäpfel gut einbringen könne. Ja, der Säyet sei gar lustig, we me zueluege u de ds Brot fresse könne. Ähnliche Antworten auf ähnliche Eingänge erhielt ich eine Menge. Endlich sagte ich, sie werden gehört haben, daß ich Schulmeister geworden sei. Das heng se gar nüt wunger gno, was us mr werd; öppis nüt guets heyge sie uorus gwüßt. — Es sei doch eine schöne und gute Schule, sagte ich. —- Das gang se nüt a, si heyge doch nüt drvo — lautete die Antwort. Nach diesen und ähnlichen Präludien mußte ich endlich mit meiner Bitte herausrücken, obgleich ich daran fast erworgete. Das gang seye nüt a; we-n-i für ds Tüfels Gwalt well Schumeister sy, su chönn i luege, wo-n-i es Bett überchömm; si müesse zu ihne selber luege; es frag ke Hung drnah, wie si‘s mache chönnce I soll zu dene gah, di mr dr Gring große gmacht heyge. Wahrscheinlich hatte die Mutter nach löblicher Art an der Thüre gehorcht, trat ein und fragte, was es dann eigentlich gegeben hätte, daß ich noch a seye gsinnet heyg. »Ho,« antwortete der Vater, »mr hätte synethalb chönne blybe, wo mr weiti; er hätt is nüt nahgfraget, aber a üst Bett het er däycht u möcht eys.« Mit funkelnden Augen betrachtete mich die Mutter, sagte aber kalt: si heyg kes Bett, das hoffährtig gnue wär für mi; für mi werd‘s jetz afe müesse es Herrebett sy (unglücklicherweise hatte ich wieder meinen schwarzen Rock an). Ich wollte anhalten; allein alsobald hieß es: i heyg‘s scho ghört, für mi heyge sie kes Bett u heyge nit dr Wyl, e ganze Tag mit mr z‘chäre; sie müesse für seye luege. Wenn dChing chönnti, si mieche se blutt scho hüt; aber fettig Narre welle si nit sy. Es sei eine böse Welt und werd je länger je schlimmer, und Religion sei auch gar keine mehr. So mußte ich abziehen unoerrichteter Dinge; auch nicht ein Stücklein Brot hatten sie mir anerboten, geschweige denn ein freundlich Wort mir gegeben. Natürlich ging ich wieder ins Schulhaus; denn Rat bei mir selbsten nehmen konnte ich nicht, und endlich wurden wir dort rätig, ich sollte oben bei dem Bauer, wo ich auf der Stör gewesen, den Versuch machen, ein Bett zu leihen; es sei eine gute Frau oben, die sage es mir kaum ab. Kaum war das abgethan und hatte mir gewohlet, als der Alte fragte, ob ich die erste Kinderlehr z‘weg heyg und öppe-n-e Lychenpredi; me wüß nie, we me dra müeß. »O Herr Jeses!« sagte ich, »an das Hab ich gar nicht gedacht.« Eine selbst zu machen, daran dachte ich nicht; eine erste Kinderlehre hatte ich nicht abgeschrieben; sie mußte also erst aufgeschrieben, mußte gelernt und gehalten, ach! gehalten werden. Alles andere machte nichts, wenn sie nur nicht hätte müssen gehalten werden. Gerne würde ich zwei geliehen und sie zweimal gelernt haben, statt einmal sie zu halten. Da ward mir schwer ums Herz. Allein der Alte machte mir mit einem Gläschen Guraschi und versprach, daß seine Frau die kleinen Einkäufe besorgen solle; denn ich hätte doch keinen Verstand davon, meinte er. Diese sagte den Dienst nicht ab, setzte aber doch hinzu, vom Gelde würden sie kaum etwas wieder sehen; so einem jungen Schulmeister komme gar manches in Kopf, nur nicht Geliehenes wieder zu geben.

 

In meinen Gängen war ich glücklich. Von der Bäurin erhielt ich nicht nur das Bett, sondern auch ein altes Trögli, mit dem Bescheid, daß das Wiedergeben nicht pressiere; nur möchte sie nicht, daß Wäntelen hinein kämen. Die hasse sie ganz verflüemeret, und in den Schulhäusern seien die nur zu gerne daheim.

Es blieb mir nichts mehr übrig, als in meiner Gemeinde mich zu zeigen, den Augenschein zu nehmen und mich in Augenschein nehmen zu lassen. Das Dörfchen ohne Kirche lag recht hübsch zwischen Feldern und Wäldern. Ehrwürdig streckten die ernsthaften Strohdächer ihre bemoosten Firsten zwischen den grünen Bäumen empor, und vor den Häuseren waren trotzig hingepflanzt die zierlichen reinlichen Misthaufen, an denen manch Baurenherz inniger hängt und zärtlicher sie tätschelt als manch Herrenherz an seiner Frau. An der Seite hin zog sich ein schön bewässertes, schmales Thal, und im Hintergrunde lag der liebe blaue Berg lang hingestreckt, besetzt auf seiner ganzen Länge mit einem sorglosen Völklein von Kühern und Kühen. Die Sorgen, die es eigentlich auch ihm ziehen würde, liegen alle hoch aufgeschüttet zu seinen Füßen in wüsten Magazinen, in den Herzen der Genfer und Basler Juden nämlich. Recht freundlich zu sein hatte ich mir vorgenommen; bei allen Leuten wollte ich mich stellen und so holdselig thun als möglich. Die Leute machten mir die Sache nicht schwer. Sie stunden z‘weg vor den Häusern, fragten, das werde der neue Schulmeister sein, und hießen mich Gottwilche. Allenthalben hieß man mich in die Stube kommen und setzte mir währschaftes Brot vor und Brönz, und die Weiber machten mir Warms. Mein Lebtag trank ich in einem Tage nie so viel Kaffee als damals. Ich mochte mich wehren wie ich wollte; ich konnte nicht anders. Ich werde sie doch nicht schlichen, hieß es; sie geben es, wie sie es hätten; aber es sei doch alles sufer. Nun das Trinken ging noch an, da ich mit dem Kaffee immer das Brönz löschen konnte; aber das Essen ward eine fuehrige Sache. Doch in noch viel größere Verlegenheit als das Essen und Trinken brachte mich das Anerbieten, mir zügeln zu wollen, und die Frage, wie manchen Zug ich brauche, und ob ich sie zwei- oder vierspännig haben wolle. Du mein Gott, was sollte ich sagen? Anfangs wollte ich es ablehnen; allein davon wollte man nichts hören.

Daß ein kleines Wägeli mit einem kleinen Rößli vollkommen hinreiche, schämte ich mich zu sagen, und stotterte endlich etwas von einem zweispännigen Wagen hervor.

Der wurde mir zugesagt, der Tag abgeredet und jedem sollte ich versprechen, die ersten Tage bei ihm zuzubringen, und alle sagten, sie hätten es ungern, wenn ich es ihnen abschlüge und andern es zusagte. Spät war‘s, als ich fort ging. Man wollte mich da behalten; allein mir grauste es so vor Essen und Trinken, und mich verlangte so sehr nach Ruhe für Mund und Magen, daß ich um kein Geld in der Welt geblieben wäre. Ich war nicht daran gewohnt und konnte mich nie daran gewöhnen, auf den Geiz hin zu essen und einzupacken, als ob ich tagelang nichts gegessen und tagelang nichts mehr essen wolle, Ich sah wohl viele Leute, die dieses Manöver machten und einen ganzen Tag hintereinander essen konnten; aber mich schüzelete es immer ab ihnen. Weiß doch auch das Tier, wenn es genug hat und läßt sogar die Kuh Barreten voll stehen, wenn sie satt ist.

Sechzehntes Kapitel. Des Amtes Antritt

Der Fuhrmann zäpfelte, als man ihm das Bett aufgeladen hatte, samt dem Trögli (worin Kacheli und Kelle und Kleider sämtlich eingepackt waren), und eine Pfanne und eine Kaffeekanne, und nun gar nichts mehr kommen wollte. Er hatte dem Landfrieden nicht getraut, geglaubt: ich wolle nur zwei Rosse, um mir Kosten zu ersparen, und daher drei vorgespannt. Mit einem Roß, meinte er, hätte man das sauft geführt; es zöge es einer ja vo Hand. Ich schämte mich; aber er schämte sich auch, wenn die Begegnenden ihn fragten: »Masch gfahre?« Er gab ihnen trutzigen Bescheid, wurde aber auch zusehens kühler gegen mich, und als wir endlich bei eingebrochener Nacht anlangten, da lud er mich nur ganz kühl ein, zu ihnen zu kommen und mit ihnen zu essen. Ein anderer Bauer, der abpacken half, that es dringlicher, so daß ich ihm Hoffnung ließ, vielleicht am Morgen zu kommen; diesen Abend wolle ich einhausen und mich früh schlafen legen.

Als sie mit ihrer Laterne fort und mir noch mein Licht anzünden wollten, fand sich unter meinem Hausrat gar nichts vor, das man als Licht hätte brauchen können. Die Schulmeisterin hatte entweder nicht daran gedacht, oder, was wahrscheinlicher ist, nicht mehr Geld aufwenden wollen. Es ließ mir daher einer seine Laterne da und mich alleine in meinem Hause.

In meinem Hause — die Worte haben einen ganz eigenen Klang, besonders für den, der lange in fremden gewohnt und nicht gewohnt war, etwas für das seine anzusehen.

Ich kann mein Gefühl nicht beschreiben, mit welchem ich, die Laterne in der Hand, im ganzen Hause herumstieg und bei allen Ecken dachte: in dem und mit dem kannst du machen, was du willst. Es kam mir vor, als gebiete ich über ein halbe Welt, und viel fester als sonst trat ich auf und freute mich gar sehr, wenn es im ganzen Hause tönte, ohne daß jemand mich schalt: »Peter, was thuesch so wüesch!«

Das Haus war nicht alt, und seine neuen Gebrechen: Wände, die nicht mehr in den Fugen waren, Fenster, die nicht schlossen, einfache Dielen sah ich nicht; nur den Platz sah ich. Die zwei Stuben, die mein waren, — mein, der ich bisher nur in Gaden geschlafen — und die Küche, auch zwei Ställchen und einen Estrich groß zum Tanzen — das sah ich und legte mich mit dem stolzen Gefühl zu Bette, in meinem Hause und in einer Stube zu schlafen.

Am Morgen erwachte ich, geweckt durch die Sonne, die mir in die Augen funkelte. Denn es versteht sich: Umhänge hatte ich weder am Bett, noch an den Fenstern. Munter sprang ich auf, und stand bald angezogen mitten in meinem Hause. Aber da stand ich eben, und wußte nicht was anfangen. Der Sonne sah ich an, daß es spät sei, und ehrliche Leute wahrscheinlich schon z‘Morge geessen haben. Auch wollte mein Gedächtnis mir durchaus nicht sagen, in welchem Hause der Bauer, der mich eingeladen hatte, wohne; und um ihm nachzufragen, hätte ich seinen Namen kennen sollen, den ich aber ebenso wenig wußte wie sein Haus. Er hatte, weil ich einmal mit ihm gesprochen, einmal bei ihm gewesen, vorausgesetzt, ihn und sein Haus müsse ich nun kennen ewiglich. Er wußte nicht, daß gar mancher Bauer und gar manches Baurenhaus einander gleichen wie ein Ei dem andern.

Ich wußte nicht was machen. Je hungriger ich wurde, desto verlegener wurde ich auch. Vor dem Hause mochte ich mich nicht zeigen, aus Furcht, es möchte mir jemand meinen Hunger und meine Verlegenheit ansehen. Ich trat in die Küche, in der Hoffnung, da vielleicht einen unerwarteten Fund zu thun; aber da war es so leer wie in einer Kirche; auch nicht ein Spähnchen Holz war zu sehen, auch ums Haus herum nicht, zu welchem Fenster ich auch, so verblümt als möglich, damit mich ja niemand sehe, hinausguggen mochte. Ich visitierte alle meine Habe, ob sich vielleicht da unverhofft etwas fände; alle meine Kacheli, zwei an der Zahl, meine Häfeli, d. h. eins, wurden oben und unten besehen, meine Pfanne ringsum, aber da war nirgends eine verschlossene Kaffeebohne oder ein vergessener Tropfen Milch. Was will aber einer essen, wenn auf der lieben Himmelswelt nichts da ist, ich frage?

Nun, ich verlor den Mut nicht. Ich dachte: Die Leute meinten, du schliefest lange, und werden dir schon bringen, was du nötig hast, und die Kinder und die Weiber werden eins nach dem andern kommen mit Milch und Anken und Brot, kurz mit allem was sie haben. Ich machte die Pfanne zurecht und wischte die Kacheli mit meinem Kuttensecken aus, stellte alles schön zurecht und hätte Feuer angemacht, wenn ich Holz gehabt hätte und Feuerzeug. Da ich dieses nun nicht konnte, so stellte ich mich zwei Schritte hinter das Fenster und sah nach den Leuten, die Milch, Anken, Brot u. bringen sollten scharenweise. Es kamen Leute die Straße nieder, aber sie riefen nicht: Schumeister! sie klopften nicht an der Thüre — sie gingen vorbei.

In den Häusern ringsum droschen sie, und wenn ein Mensch an die Straße, vor des Hauses Dach trat, so dachte ich: der wird kommen; allein auch der kam nicht. Niemand kam; kein Menschenkind kümmerte sich um den Schulmeister, und hatte ich doch gedacht, das ganze Dorf werde heute die Arbeit sein lassen und mit mir sich beschäftigen; hatte großen Kummer gehabt, wie all das Essen und Trinken versorgen, war darum lieber daheim geblieben und wollte mir die Liebeszeichen bringen lassen, um das Überflüssige sparen zu können auf den morndrigen Tag. Aber niemand kam, auch kein Mensch! Es verrann Stunde um Stunde. Die Sonne stund oben am Himmelsbogen; das Dreschen hörte auf; gewiß aß man in allen Häusern, — und der Schulmeister stund zwei Schritte hinter dem Fenster, war hungrig, durstig, müde vom Stehen, müde vom Luegen; aber das war, als ob es niemand etwas anginge. Endlich setzte ich mich auf den kalten Ofentritt und dachte, was da zu machen sei. Brachte mir niemand etwas, so mußte eingekauft werden, und was alles? Ach, als ich anfing nachzudenken, so hörte es gar nicht auf, was mir noch mangelte. Lebensmittel aller Art: Brot, Kaffee, Milch, Erdäpfel (die hatte ich gehofft überspringen zu können), Salz, Mehl, etwas schmutziges u.; dann hatte ich keinen Lichtstock, keine Stabelle, keinen Tisch (das, hatte ich geglaubt, werde im Schulhaus sein), keine Kaffeemühle, doch hoffte ich das Pulver geröstet und gemahlen kaufen zu können, wie auch reichere Leute thun. Kurz ich sah, daß ich noch gar vieles nicht hatte, nicht einmal einen Wasserzüber, und in der Pfanne tonnte ich das Wasser doch nicht wohl beim Brunnen holen. Endlich brach ich mit dem Denken ab, und griff in meinen Hosensack und zog mein Beutelchen hervor, das mein Vermögen barg. Ich zählte dreimal, aber ich brachte nicht mehr heraus als dreiundzwanzig Batzen. Ich dividierte nicht in die einzelnen Bedürfnisse, sondern war zufrieden, wenigstens genug für den ersten Hunger und Durst zu finden. Ich stellte mich etwas näher zum Fenster, um das Krämerhaus zu entdecken; aber da sahen mir alle Häuser akurat gleich aus, und nach diesem Hause fragen durfte ich nicht; ich fürchtete, die Leute möchten glauben, ich wolle sie beschämt und ihnen den Verstand machen, daß sie mir etwas geben sollten. So geriet ich aber immer tiefer ins Elend, und je länger ich wartete, desto weniger durfte ich mich zeigen, durfte nicht einmal an ein gewisses Örtchen gehen, das außerhalb der Hausthüre war, und Stunde um Stunde war wieder verronnen und die Sonne schlich dem blauen Umhang zu. Ich hatte mich aufs Bett geworfen und war ratlos. Da — horch, da kömmt man, da klopft man, da mit beiden Füßen vor die Thüre, und draußen stand der Bauer, der mich eingeladen hatte, und Berge fielen mir vom Herzen. Er sagte, sie hätten Feierabend gemacht und wollten z‘Nacht nehmen, und da habe er noch schehen wollen, ob ich noch lebe, daß man mich den ganzen Tag nicht gesehen, und ob ich kommen wolle und mit ha, da ich sie am Morgen nichts geschätzt.

Man kann denken, daß ich zusagte und auch zugriff. Ich wurde ausgefrägelt, was ich den ganzen Tag gemacht hätte und bei wem ich gewesen wäre. Bei niemand, sagte ich, und über die erstere Frage mürmte ich etwas. Da die Frau aber sah, daß ich noch blutjung und nicht der Schlauste sei, so wußte sie es heraus zu kriegen, daß ich den ganzen Tag nichts gegessen und mich nicht vor das Haus gewagt habe. So eine Frau fragt verdammt gerne, weiß aber trefflich zu unterscheiden, wen sie fragen darf und fragen kann ober nicht, und weiß allfällig ihre Fragen so einzukleiden, daß man sie gar nicht merkt. Gar manche würde einen zehnmal bessern Diplomat abgeben, als zehn von eilfen unserer Diplomaten. Man bemitleidete mich; aber man lachte doch nicht wenig, und ich will wetten, von diesem Tage an stund das Urteil über mich fest im Dorfe. Man wird in jedem Hause gesagt haben: ich könne ein guter Schulmeister sein, man heyg nüt drwider, aber a grusam e-n-arme u-n-e schüche u für e Husbruch e-n-eifalte.

 

Am folgenden Tag, auf die erschollene Nachricht hin, wie der Schulmeister e-n-arme syg, aus Gwunder das zu sehen, und weil die einen andern nicht zurückbleiben wollten, erhielt ich gar viel Präsente: äßigs Züg und Husrat, sogar Besen und einen Kübel. Nun war ich wieder in großer Verlegenheit. Ich konnte die Leute nicht sitzen heißen, wenigstens nicht alle, wenn mehrere waren. Dann sahen die Leute mit gar großen Augen in der Stube herum und blickten einander, und weil sie gehört hatten, ich sei e-n-eifalte, so glaubten sie, ich merke es nicht. Aber ich war mir meiner Armut bewußt; der Mangel drang sich mir auf; darum merkte ich das Blicken wohl, und ward um so verlegener. Man ist erst dann merkig, wenn man die Sache wohl kennt, welche mit Blick oder Wort angedeutet wird. Darum sind oft die stolzesten und vornehmsten Leute am wenigsten merkig, weil sie sich gar nicht träumen lassen, daß sie Fehler hätten und daß Untergebene diese Fehler merkten. Es muß aber ein Kluger sein, der das Blicken anwendet; er muß wissen vor wem und wem er blickt; denn wird ein solcher Blick ertappt und verstanden vom Unrechten, so hat man seine Karten, d. h. sich selbst verraten. Ich muß gestehen, daß ich später, als ich mich besser kannte und darum auch besser die Menschen, aus solchen Blicken, die andere meinetwegen wechselten, sehr oft ihre wahre Gesinnung gegen mich erriet, und vorbeugen und nachher vor ihnen mich in acht nehmen konnte. O es ist viel wert, einem recht scharf in die Augen sehen zu können, wie es auch beim Fechten die Hauptsache ist; und was ist das Leben am Ende als ein allseitg Fechten?

Ich hatte auf den Sonntag die Kinderlehre zu studieren, und erfuhr nun zum ersten Mal, wie es einem zu Mute ist, wenn man auf eine bestimmte Stunde, die nicht zurückgeschoben werden kann, fertig sein soll mit dem Studium, von Anfang in der Angst, man möge nicht fertig werden, und dann beständig unterbrochen, an der Zeit verkürzt zu werden. O wie kömmt es einem da warm den Rücken auf und kraus vor die Stirne mnd im Munde schwellen die Worte auf, daß sie gar nicht mehr hinausmögen! Und wenn der Besuch auch fort ist, so kann man doch noch lange nichts machen, die Gedanken nicht sammeln, und je ängstlicher man wird, ob man wohl fertig werden möge, desto weniger kömmt man fort. Wer am meisten pressiert, lastet, der macht gewöhnlich am langsamsten. Besonders wenn einer zum erstenmale auftreten soll vor den Menschen als Redner, so durchkreuzen seinen Kopf die verschiedenartigsten Gedanken und Vorstellungen. Bangigkeit und Hoffnung kämpfen in der Seele; bald sieht man sich ausgelacht, bald hört man sich gerühmt, und mit großer Mühe muß man diesen ungebetenen Gästen Ruhe gebieten.

Eingang und Anwendung hatte ich ordentlich auswendig gelernt, und ich fürchtete nicht, daß das mir fehle, besonders da ich das Papier mit mir nehmen wollte. Aber ich fürchtete das Katechisieren, und repetierte immer wieder den Müsli, und Prägte mir es tief ein, was mir mein Alter gesagt hatte, man müsse auf dromsigs Antworten gar nicht achten, sondern darüber wegfahren, sonst komme man neben den Weg, in den Haag. Und dann hatte ich wieder Angst, alles styf nach einander zu machen, wie es sich gehört, den Hut zuerst vor das Gesicht zu halten, dann zu singen, beten, Eingang, katechisieren, Anwendung; dann wieder beten, singen und wieder beten. Am meisten Angst machte mir das Hineintreten in die Stube und die wenigen Schritte bis zum Känzeli. O, dachte ich hundert Mal des Tages, wenn du nur einmal da oben bist, so wird es schon gehen.

Am Sonntag verschlief ich mich nicht. Früh am Morgen und während der Predigt probierte ich manch liebes Mal das Hineingehen, das auf dem Känzeli stehen, und versuchte die Hände zu verwerfen. Je näher die Stunde kam, desto mehr klopfte mir das Herz, so daß ich kaum schnupen konnte; desto mehr hatte ich noch zu thun, und mußte doch immer am Fenster stehen, um zu sehen, wie zahlreich die Leute kämen. Sehr viel Mühe machte mir mein Halstuch, ein sehr schönes schwarzes, mit rot und blauem Rande. Ich hatte keinen Spiegel, vor dem ich es umbinden konnte; ich mußte es nur vor den Fensterscheiben thun; aber jede Fensterscheibe zeigte es mir anders; und wenn ich meinte, einen recht schönen Letsch gemacht zu haben, bei dem man das Bord ganz sah, so sagte mir eine andere Scheibe das Gegenteil. Ich schwitzte ob dieser Arbeit, und wäre vielleicht heute noch an der Arbeit, wenn nicht einer heraufgekommen wäre mit dem Berichte: ich solle doch kommen und anfangen; ich könnte sonst nicht mehr hinein; die Leute hätten schon Bänke und Stühle hineingetragen. Bum bom, wie pochte es auf der linken Seite, wie rot ward ich bis an die Ohren, als ich die Stube so voll sah! Es stimmerte mir vor den Augen und ich stürchelte mehr als ich ging zu meinem Platz. Als ich den Psalmen verlesen wollte, war es mir, als ob eine eiserne Faust den Hals mir zusammen schnüre; wie tief unten ich den Nthem auch suchen mochte, ich fand immer nur einen Fingerhut voll. Kaum konnte ich das Gsatz verlesen, mit langen Pausen; als ich aber präludieren sollte und 1a mi re ut singen wollte, da quakte ich bald wie ein Frosch, pipste bald wie ein Spatz, und mußte den Waidlig ins Wasser stoßen, ehe ich das Ruder ergriffen hatte. Aber der Psalm ging gut; es waren Leute da, die ihn meistern konnten. Ich fand den Athem wieder und konnte mit meiner starken volltönenden Stimme die Zügel ergreifen und wurde Meister des Gesangs; das hob mich in Sattel und gab mir den Mut wieder. Man glaubt überhaupt gar nicht, was der Gesang für eine besänftigende, kräftigende Macht übt auf das Menschenherz, besonders wenn man sich ihm mit der eigenen Stimme hinzugeben vermag. Schon manches Leid, schon manchen Groll habe ich versenkt ins Meer der Töne.

Von da an ging es gut; ich brauchte das Papier nicht, und beim Katechisieren hielt ich auf Rücken, mußte aber das alles allein machen, bekam zwar keine dromsigs Antworten, sondern gar keine. Die Kinder sahen mir steif ins Gesicht und lächelten einander zu und stießen einander an mit den Ellbogen. So machte ich, daß ich fort kam, und wenn ich gefragt hatte, so sagte ich auch die Antwort mit der angehängten Frage: nicht wahr?

Kurz, die Kinderlehre lief recht gut ab; ich blieb nicht stecken und machte nichts verkehrt, und wie ich im Anfang zu wenig Atem hatte, so hatte ich jetzt beide Backen voll und konnte mich aufblasen, so dick ich wollte. Es blieben einige Männer da und rühmten mich. Sie hätten nicht geglaubt, daß ich so kinderlehren könnte. Für so-n-e Junge sei das viel gemacht; es könne es mancher Alte nicht so. Im Anfang hätten sie geglaubt, es fehle mir; das sei aber nichts anders, es ginge ihnen auch so. Ihr früherer Schulmeister hätte es auch noch könne: nur im Katechisieren sei er nicht fort gekommen, er sei in Gottes Namen geng am gleichen Orte gewesen und hätte sich bei einem Worte können verweilen, daß man fast sch.... g hätte werden mögen darob.

O, wie mir dieses Lob so wohl that nach der ausgestandenen Angst! Merkwürdig ist‘s, daß der Satan nie besser Gelegenheit findet, in uns zu fahren, seine Thüre nie weiter offen findet, als wenn wir gerühmt werden. Ich warf mich in die Brust, erzählte, wie ich nicht Zeit gehabt hätte zum Lernen, wie ich nur diesen Morgen etwas hätte nachsinnen können; wie es ein andermal besser gehen sollte und wie ich im Kinderlehre keinen fürchte, und vergleich Zeug mehr. Ein gewisser Instinkt, über den selten jemand sich aussprechen kann, verurteilt beim Redner alle lange mühselige Vorbereitung und noch viel mehr die Schwäche, wenn der Redner diese Vorbereitung so wenig sich zu eigen machen kann, daß er sie vor dem Publikum zeigen und ablesen muß, was ja jeder andere auch könnte. Die Rede soll nach dem dunkeln Gefühl eines jeden ein unmittelbares Produkt des Geistes sein, ein Zeugnis innern Lebens und Kraft, ein Zeugnis innern Reichtums und Fülle, an die man jeden Augenblick sich wenden kann um Nahrung, eine Offenbarung Gottes, die nie versiegt; soll ein lebendiger Quell sein und nicht ein Sod, wo man mühselig ziehen muß, ehe es Wasser gibt, oder gar ein trockner Behälter, in den man aus allen Brunnen und Bächen das Wasser keuchend und schwitzend zusammenschleppen muß. Dieses Gefühl ist allenthalben, aber am stärksten bei dem Ungebildeten, der den Inhalt der Rede nicht zu prüfen vermag, sondern sie glauben soll. Zu diesem Glauben will er aber eben ein Zeugnis, und dieses Zeugnis ist ihm, daß sie aus dem Geiste lebendig geflossen sei. Darum auch machen bei ihm die Reden der herumziehenden Sektierer so vielen Eindruck, weil er ihre Reden nicht prüft, sondern bei ihnen das Unmittelbare derselben erkennt und bewundert. Darum auch geben viele Redner sich die größte Mühe, alle Vorbereitung sorgfältig zu verhehlen und daran thun sie recht. Aber unrecht thun sie, wenn sie Windbeuteln mit Dingen, die nicht sind, und sich rühmen, da wo sie keinen Ruhm verdienen. Noch größerer Frevel aber treiben die, die wirklich aller Vorbereitung sich entheben, weil sie glauben, eine halbe Stunde hintereinander Worte machen zu können, ohne zu stocken. Worte machen heißt nicht Reden halten; es ist nur ein Spiel des Blasebalges, wo kein Feuer dabei ist. Wo einer frei reden will, da muß ein reicher Schatz im Inwendigen sein, von dem man nehmen kann. Und auch wo dieser Schatz vorhanden ist, muß der Verstand sich Zeit nehmen, zu prüfen, was und wie viel von diesem Schatze jeder Stunde gehöre. Und je reicher der Schatz, desto nötiger diese Prüfung; sonst kömmt ein Krausimausi heraus, aus dem kein Verständiger klug wird, das vielleicht den nicht Prüfenden hinreißt, so lange er es hört, ihm aber weder eine klare Überzeugung noch ein wohlverstandenes Gefühl erzeugt.