Za darmo

Leiden und Freuden eines Schulmeisters

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Er hielt auch richtig Wort. Kaum vierzehn Tage waren vergangen, so kam er wieder daher mit seinem langen Stecken, seinem wichtigen Gesicht, seiner Schnupfnase mitten drin, und über derselben, wie zwei Sterne über einer schwarzen Wetterwolke, seine ehrlichen Augen. Er brachte mir die Nachricht, daß er für mich Platz als Schulmeister gefunden habe, freilich ohne Schule. Aber das habe gar nichts zu bedeuten; ich sei noch bas so, und z‘esse heig i besser, als mancher Landvogt, der eine geizige Frau habe, die einem halb Dutzend heiratslustiger Töchtern die Ehesteuer z‘weg machen wolle auf dem Amte.

Mein Platz sei in der Gemeinde Hinterhäg, wo man seit Jahren wegen den Schulen bald branze, bald prozediere, bald tuble. In der Gemeinde sei nur ein Schulhaus, welches nicht die halben Kinder fasse und wohin einige mehr als eine Stunde weit hätten. Daß neue Schulhäuser gebaut werden müssen, sehe man gar wohl ein, allein jeder Bauer wolle das Schulhaus vor seine Hausthüre, und wenn des Nachbars Kinder an einen auserwählten Platz zehn Schritte näher hätten, so hintertreibe er auf jegliche Weise den Bau. Dann wolle wieder jeder Teil der Gemeinde zuerst sein Schulhaus haben; daher würden sie nie einig, wo anfangen, und wenn dieses auch einmal bestimmt worden, so wüßten die Übergangenen eine andere Erkanntnis an der nächsten Gemeinde durchzudrücken. Mit dieser Gemeinde käre die Regierung wie eine alte Großmutter, bitte bald, befehle bald und lasse sie am Ende doch machen, was sie wolle. Man sehe wohl, daß da kein rechter Ernst dahinter sei und daß ‚ne graglych sei, ob Schulen wären oder nicht, wenn sie nur regieren könnten. Und hinter der Gemeinde sei noch einer, er wolle ihn nicht nennen, der nicht genug Bücklinge vor den Landvögten machen könne und so tief, daß sein H..... höher stehe als der Kopf; der zäpfle die Landvögte nur aus, wenn sie an der Sache trieben, und reise mit spöttischen Mienen und Worten seine Bauern auf wie ein recht abgefeimter alter Schlaukopf. Aber wenn es ds Militär ansehen würde, da würden sie schon befehlen können. In dieser Gemeinde wohne ein reicher Bauer, der auch gar weit zur Schule hätte. Der nehme nun alle Winter einen auf die Stör für sechs oder acht Wochen, weil er sich verredt habe, seine Kinder nicht mehr ins alte Schulhaus zu schicken. Manches Jahr durch habe er einen alten abgedankten Schulmeister gehabt; — der sei nun gestorben. In der Verlegenheit um einen andern hätte er, Schulmeister, ihn zufällig einmal an einem Donstag angetroffen und ihm versprochen, für einen zu sorgen und das für einen guten. Als Lohn habe er mir alle Tage zwei Batzen ausbedungen. Als Schulmeister brauche man mich erst nach Weihnacht, wenn das Dreschen vorbei sei. Doch könne ich um den gleichen Lohn alsobald anstehen; man habe mir allweg zu thun, entweder zu weben oder zu dreschen. Das Ding war mir nicht ganz recht; ich hätte weit lieber eine Schule gehabt, allein das verdammte Konstruieren nahm mir allen Mut, ein Examen zu machen.

Der Alte erklärte mir aber noch, daß er von nun an nichts mehr mit mir zu thun haben wolle. Meine Eltern paßten immer darauf, daß ich zurückkäme, wie der verlorene Sohn im Evanvangelium. Aufnehmen würden sie mich gar gerne, doch nicht mit Singen und Reigen, sondern mit Fluchen und Prügeln, in der Hoffnung, daß ich, weil mich niemand mehr wolle, froh sein werde, auf jegliche Art und Weise bei ihnen zu bleiben. Leider hätten sie wieder vernommen, daß er mit mir an einem Examen gewesen und mir Platz suche; da hätte ihm gestern mein Vater alle Schande gesagt und, er glaube, geprügelt, wenn nicht noch ein anderer Mann dabei gewesen wäre. Nun esse er keine Suppe gerne, aber Prügelsuppe doch am allerwenigsten.

Es ging nicht lange, so wanderte ich zum zweiten Mal mit meinem Bündelchen, das etwas schwerer geworden war, meinem Posten zu, noch lange vorher, ehe die Schulzeit beginnen sollte. Dort nahm man mich freundlich auf, erklärte mir aber gleich, daß sie denn gar nicht begehrten, daß ihre Kinder zu geschickt würden; sie sollten keine Agenten oder Wirte werden; sie hätten ihnen sonst z‘werchen und z‘essen. Wenn sie beten lernten und gut lesen und die Fragen samt Psalmen und Historinen, was es geben möge, so seien sie zufrieden. Mit Schreiben und Rechnen solle ich die Kinder nicht plagen; sie hielten aparti nicht viel darauf; die Kinder vergäßen es nur. Wenn man es einst brauchen müsse, so hätte man bald das nötigste gelernt, und wenn auch das nicht, so mache es immer jemand für einen, wenn man Geld habe. Das ganze Jahr zu lernen, trage nichts ab; das Nützest sei, man mache eine rechte Stör hintereinander, etwa sechs Wochen oder was, und dann von Morgen früh bis Abend spät und die übrige Zeit werche man dann auch recht. So komme man beid Weg weiter, als wenn man immer an allem baggle.

So lautete meine Instruktion. Damit ich am Morgen desto früher bei der Hand sei, wenn einmal der Tanz angehe, so wurde mir mein Nachtquartier beim Melker angewiesen, der des lieben Viehs wegen der erste auf den Beinen sein mußte im Hause. Unterdessen mußte ich mitarbeiten, was eben bei der Hand lag. Ich war ein guter Mutz und eben kein übler Bursche, aber nicht abgerieben, nicht schlau, sondern unbehülflich, schüchtern, fast verschämt, kurz, ich war just so, wie man einen am liebsten für einen Gauch hält, besonders die Mädchen. Für die sind so verschämte, unbehülfliche und dabei rotbäckige Bursche ein wahrer Schleck und ein jedes reibt sich an ihnen, um sie abzureiben. So hatten sie ihr Spiel mit mir in der Stube und im Tenn, und die Meisterleute hielten sich manchmal fast den Bauch vor Lachen. Es war dort Sitte, daß auch die Jungfrauen dreschen mußten, wenn nicht alle Männer bei der Hand waren; und wenn das Mannevolk alles zu Hause war, so strichen sie doch, so viel es sich thun ließ, ums Tenn herum. Nach dem Mittagessen wurde gewöhnlich ds Narrenwerk getrieben, ungefähr wie in der Ernte und im Heuet auf dem Felde, d. h. man tröhlte einander im Stroh herum und da fiel manches vor, was ich jetzt nicht weitläufig beschreiben will. Da nun ging der Hauptspuk mit mir an. Man reisete mich hinter die Mädchen, und wenn ich nicht durfte, so kamen sie hinter mich, und mehr als einmal war ich dem Ersticken nahe, weil sie mich auf dem Boden unter sich hielten und kitzelten. Wenn ich Meister wurde, so machte ich auch, was ich konnte, oder was mir die Knechte angaben, und was dann geschah, blieb gewöhnlich das Gespräch den ganzen Nachmittag über. Bald rühmten sie mich, bald führten sie mich aus, und da sie schnell merkten, daß das Rühmen gar wohl bei mir bschoß, so wußten sie es so anzuwenden, daß ich bei meiner natürlichen Gutmütigkeit und Willfährigkeit aller Handlanger wurde. Des Abends trug ich ihnen Holz und Wasser hinein; bei dieser Arbeit begegnete mir einmal ein Spaß. Es war am Tage vor der Fleglete, daß ich viel Holz hineintragen mußte und eine neue Byge angriff. In derselben fand ich zwei Schuhsohlen, welche der Schuhmacher, den wir eben auf der Stör hatten, von des Meisters Leder abgeschnitten und dort versteckt hatte, um sie am Samstag mit nach Hause zu nehmen. Ich brachte sie samt den Scheitern in die Küche. Nun wurde lange Rat gehalten, was man damit anfangen, wie man den Schuhmacher am besten beschämt machen könnte. Endlich hatte die schlauste der Mägde, ein kleines rundes Ding mit schlauen schwarzen Augen, den Einfall, man solle ihm dieselben den Tag darauf kücheln und sie ihm geben zum heimtragen. Gesagt, gethan. Als man fertig war, küchelte man die Stücke Sohlleder gar schön, band sie ihm ein und gab sie ihm mit. Fast konnte man es nicht vor Lachen, als er so schön dankte. Aber wie wurde erst gelacht, als man vernahm, derselbe sei mit seinen geküchelten Schuhsohlen zu einem Meitschi gegangen, hätte sie ihm gekramet, und beide hätten fast die Zahne ausgekaut, ehe sie den Spaß gemerkt!

Nach der Flegelte ging das Lehren an und wurde allerdings unerchant getrieben, daß es mir zuweilen fast gschmuechtete. Das ging mit dem Lehrer wie mit einem Trank, von dem man, wenn man ihn einmal hat, keinen Tropfen zu Schanden gehen lassen will, und sollte man darob selbst zu Schanden gehen. Sobald der Melker aufstund, mußte ich auch, und zuerst mit dem Güterbub lehren, der nicht den ganzen Tag über dabei sein konnte. Und des Nachts nach dem Rüsten mußte ich noch oft hören: »Se, Schumeister, du chönntischt dr Bueb no ne chlei bhöre.« O, wie kurzweilig der Bueb und ich manchmal des Morgens um fünf Uhr einander gegenüber saßen und gähnten, daß die Mundwinkel fast zerrissen, und wie ich dann dem Bueben sagte: »Dankeygisch, daß de mi nit gschlückt hesch,« und wie er mir antwortete: »Dankeygisch, daß d‘nit yche gschloffe bisch.« O, wie das lange ging, bis die Meister-Jungfere auf wollte und das Feuer in der Küche zu spretzeln anfing! Nein, das waren nicht kurzweilige Morgen und die erleideten mir mein Amt gar sehr, so wohl es mir sonst gewesen wäre.

Dreizehntes Kapitel. Wie ich Schulmeister lerne auf die alte Mode

Das ging mir im Kopf herum und einst an einem Sonntag nach der Predigt klagte ich mein Leid dem Schulmeister zu Hinterhäg, der damals für ein gar grausam Gschickte galt. Ich sagte ihm, wie ich gerne Schulmeister würde, aber wie da neue Moden aufkämen, von denen ich nichts wüßte, niemand wüßte, der mir sie zeigen könne, und zweifle, ob es mir möglich sei, sie zu begreifen. Da sagte er mir, ich komme ihm eben recht; es hätten ihn schon zwei gefraget, ob er sie nicht Schulmeister lehren wolle; er hätte Lust und Zeit dazu und wollte es so gut oder besser machen als die, welche Schulmeister-Schulen hätten, und sollten es seinethalben Pfarrer sein, die doch nie wüßten, was ein Schulmeister alles wissen müsse. Aber er sei nicht bekannt in Bern und die andern werden es ihm nicht gönnen und ihm z‘böst reden. Er hätte daher Lust, nur etwa mit vieren anzufangen und nicht zu sagen, daß er eine eigentliche Schule halten, sondern nur, daß er etwelche vorbereiten wolle, damit sie mit desto größerm Nutzen die Normalschulen besuchen könnten. Dafür möchte er aber die Erlaubnis vom Kirchenrat haben. Es sei ihm erstlich wegen der Gratifikation; denn wir würden ihn doch nicht gehörig bezahlen können, indem wir wahrscheinlich bösdings die Kost aufzubringen vermöchten. Zweitens zweifle er nicht, wenn er uns den Herren vorstellen könnte zum Examen, so müßten sie finden, er sei so geschickt als einer, und würden ihm dann anhalten, eine eigentliche Schule zu halten. Das gefiel mir; aber ich fragte ihn doch, ob er denn wirklich das Konstruieren und das Figural auch kennte? »Hab nit Chummer, Käser,« sagte er, »da förchte-n-s kene-n-im ganze Kanton, u we‘s c Professer war.« Das war mir nun angeholfen und ich mochte gar nicht erwarten, bis ich die Lehrzeit antreten konnte, um das Hexenwerk zu erlernen. Ich lief in der Woche wenigstens einmal ins Dorf hinunter, zu vernehmen, welche Antwort er erhalten und wie bald er die Lehr anfangen wolle.

 

Endlich traf ich ihn, mit erschrecklich ertaubetem Gesicht und die Thüren schmetterend, daß man es im halben Dorfe hörte. Ich glaubte, seine Frau hätte ihn etwa ertäubet, und wollte wieder gehen. Allein er hielt mich auf und sagte mir: heute habe er eine lustige Antwort erhalten und nicht geglaubt, daß man eine sellige Regierig habe; sein Lebtag werde er nichts mehr auf ihr halten. Er habe durch jemand, der einen guten Freund im Kirchenrat habe, schreiben lassen an diesen Freund, um zu vernehmen, wie man sein schönes Anerbieten aufnehmen würde.

Dieser sei nun soeben bei ihm gewesen und hatte ihm einen Brief abgelesen, in welchem gar wütend aufbegehrt worden über seinen Antrag. Was man sich doch auf dem Lande nicht alles einbilde, heiße es darin. Kaum habe man dem Lande die Wohlthat angedeihen lassen und Normalschulen erlaubt, welche der Regierung jährlich wenigstens 1000 bis 1500 L. kosteten — die Geschenke an die Zöglinge nicht einmal gerechnet — so sei man schon damit nicht zufrieden. Es scheine, diese Normalschulen, die doch drei Monate, manchmal auch fünf dauern und vollkommen hinlänglich seien zur Bildung eines Schulmeisters, wie ihn das wahre Wohl des Landes erfordere, wolle man zu Uniuersitäten machen und jetzt noch Gymnasien einrichten. Mit solchen Flausen solle man nicht mehr kommen, es mache nur böses Blut.

Ein Mitglied, das freilich gar dumm aussehe, aber doch gar ein kluger und vorsichtiger Herr sei und das Land aus dem Fundament kenne, habe bündig dargethan, die einreißende Aufklärung sei der größte Schaden für das Land; sie verzehre allen Glauben, allen Gehorsam und allen Respekt. Den Eltern wollen die Kinder nicht mehr gehorchen und kein Landuogt sei mehr sicher, daß ihm nicht einer maule in der Audienzstube oder gar seinen Ausspruch an den Justizrat ziehe, der auch nicht immer wisse, was er mache. Die Regierung hätte schon zu viel gethan, und wenn er dabei gewesen wäre, so hätte er nicht einmal zu den Normalschulen gestimmt. Das Land sei lange glücklich gewesen ohne sie, und man werde sehen, wie sie die Schulmeister hochmütig und diese dann die Unterthanen übermütig machen würden. So ungefähr lautete der Brief und die Rede des dumm scheinenden, aber klug sein sollenden Herrn.

Nun war ich wieder am Berge und wußte nicht, was anfangen. Da sagte mir der abgefertigte Schulmeister noch in seinem Zorn, ich hätte es gehört, er könne mir nichts helfen; er wolle mit der Sache nichts mehr zu thun haben. Seinethalben könne ich jetzt zu einem Normallehrer gehen und sehen, was ich da lerne. Was er mir im Ärger gesagt, schlug im Ernst bei mir ein. Etwas mußte geschehen, wenn ich Schulmeister werden wollte, und auf meinen Alten konnte ich mich nicht verlassen.

O, das ist eine strenge Sache, wenn einer es gewohnt ist, daß andere für ihn denken, für ihn laufen, für ihn handeln, und die Not es nun an ihn bringt, daß er selbst denken, selbst laufen, selbst handeln muß! Schüchternheit und Trägheit liegen wie Blei in den Gliedern und eine große Menge bringt sich nicht vom Platze, weil sie verblüfft kein Bein zu machen weiß und niemand anders für sie sich auf die Beine macht. Von dem Beinemachen hängt doch heutzutag noch alles ab, fast wie ehedem. Sagt man doch von einem Menschen, der von Pöstlein zu Pöstlein sich schwingt und den Kopf immer höher streckt, er mache eine schöne Carriere, d. h. er und seine Leute brauchten ihre Beine im Galopp; denn Carriere bedeutet galoppieren, oder, wie wir sagen, in den Längen reiten.

O, es gibt der glücklichen Leute, für die schon von der Wiege an die Beine in den Längen gehen, vielleicht um eine reiche Heirat aus oder um ein schönes Amt. Und wenn sie aufwachsen, diese Leute — wie dann der Tanten, Schwestern, Basen, Vettern Beine gehen und ihre Zungen dazu! Und wie sie ein Wesen machen von dem Glücklichen und wie sie reden von ihm und seinen Talenten, seinem Fleiß, und wie er sich widme für dieses Amt und für jenes Fach! Und wie dann allgemein das Gerücht sich verbreitet, welche wichtige bestimmte Vorbereitungen der Fleißige treffe, und wie dann allgemein der Glaube sich festsetzt, das Vaterland oder das Mädchen könne keine glücklichere Acquisition machen! Und wie das Vaterland und das Mädchen leider nicht warten mögen, um das Verdienst zu belohnen! Und wie oft es beiden geht wie dem armen Teufel, der von den Juden ein Roß gekauft, bethört durch ihr Geschwätz! Einen Staatsgaul meint er zu haben, frei und frank zu allen Sprüngen fertig. Nun findet der Gaul sich, nachdem der Juden Geschnatter aufgehört, blästig und untersätzig, mähnig und stettig, schwach auf allen vier Beinen, faul am ganzen Leibe, und im Stalle endlich zeigt er sich bald als stiller Kolder, bald als Krüpfendrücker, und wenn man ihn untersuchte, so wäre er vielleicht gar hauptmürdig.

Auf diese Weise ist man schon Schultheiß geworden, nicht nur Professor. So hat nicht nur manches schöne und reiche Mädchen einen schönen und reichen Mann erhalten, sondern schon manches arme und häßliche ist unter eine stattliche Haube gekommen als Ausbund in der Tugend oder im Kochen und Waschen und hatte doch noch niemanden einen Fehler vergeben oder verschwiegen, wußte nicht, ob man zu einer Mehlsuppe Anken oder Schmutz nehme und welche Seife besser sei, blaue oder weiße.

Heutzutage hat man es auch hierin viel komoder als ehedem. So wie man durch Dampf- und andere Maschinen viele Arbeit leichter, schneller machen, weiter verbreiten, viele Arbeiter ersparen kann, so hat man auch bei dem Beinemachen die Sache vereinfacht. Tanten, Schwestern, Vettern braucht man nicht mehr so notwendig; hat man sie, so läßt man sie laufen; aber man kann es machen ohne sie.

Man hat nämlich eine General-Base erfunden, die gar lange Beine und einen weiten Mund hat, und wer die auf seine Seite bringt, daß sie sich für ihn auf die Beine macht von Haus zu Haus, der macht in Karriere seine Carriere. Diese Hauptbase ist nämlich die Presse und ihre vielen Töchtern sind die Zeitungen. O, was sind alle alten und jungen Basen, nenne man sie Klatsch- oder Schnapsbasen, in der ganzen Welt gegen diese Hauptbase und ihre Töchterlein!

Die wissen zu sagen, was niemand sonst weiß; die wissen zu rühmen, wo niemand es sonst thäte; die können schelten und spotten, wo sonst jeder ehrliche Mensch sich schämen würde. O, wer diese Base und einige kleine Bäschen bestochen hat durch Frechheit oder Karisieren, der kann sicher sein, daß er es weit bringt, und wenn auch kein guter Faden an ihm wäre, und er eine noch weit elendere Kreatur wäre als jener koldrige, krüpfendrückende Gaul! Doch ich will nichts weiter sagen; ich könnte sonst in einen Ast sägen, und mancher edle, hochherzige Vater landsfreund, der auf einem Zeitungsbesen (die Hexen brauchten ehedem nur gewöhnliche Besen; aber sie konnten eben hexen) hoch in die Lüfte zu den Sternen empor und dann in ein schönes Amt geritten ist, wo er jetzt steht, und wie! könnte sonst meinen, ich rede Anzügliches, und mich bei der Base oder gar bei dem Richter verklagen. Und die Base will ich nicht böse machen, eben weil sie die Hauptbase ist und nicht nur erhöhen, sondern auch erniedrigen kann. O, das hat mancher brave Mann erfahren, der von ihr im Kote herumgezogen worden ist, bis er aussah wie ein Sauniggel und bis die Leute sagten: »Da isch doch e wüeste, da cheu mr nimme bruche.« Ja, die Base ist eine gar wichtige Staatsperson geworden und übt große Macht. Sie leistete anfangs große Dienste und that gar fromm und züchtig; man glaubte ihr daher aufs Wort. Das machte sie aber übermütig; sie ließ die Hörnlein hervor und wurde halt eben eine Frau Base, und seitdem sinkt ihr Kredit und sie wird nach und nach dnrch ihre Töchterlein, wenn sie sie nicht besser dressiert, nicht mehr ausrichten als andere Basen.

Ich wußte nicht, an wen mich wenden, um Nachricht einzuziehen, wo Normalschulen abgehalten wurden und welche die beste sei. Ich saß bei meinem Bauer wie aus Dornen, half Haberäcker hacken, bis ich Blattern bekam wie Haselnüsse. Endlich half mir das liebe Wochenblatt aus der Not und diesmal ein diesjähriges. Dort war eine solche Schule angekündigt und der Termin zum Einschreiben bestimmt. Ich versäumte ihn nicht. Der Lehrer, bereits ein ältlicher Mann, empfing mich etwas vornehm und machte mich bekannt mit Büchern, die ich mitbringen müsse, und mit der Notwendigkeit, ein Kostort zu suchen, was ich um 19 oder 20 Batzen per Woche wohl finden werde.

Beim Heimgehen ward mir das Herz schwer, indem ich mein Vermögen und die bevorstehenden Ausgaben überschlug. Die letztern schienen mir wenigstens auf 12—15 Kronen sich zu belaufen, während ich den ganzen Winter durch kaum so viel verdient. Und ach, wie sahen meine Hemdchen aus! Ich durfte sie kaum mehr zu waschen geben. Wie übel war ich mit Werktagskleidern bestellt! Des Morgens mußte ich alle Künste anwenden, um mit den Füßen nicht bei den Knieen in den Hosen herauszufahren, statt am gehörigen Ort. Nun sah ich keine Möglichkeit, etwas anzuschaffen, wenn ich das Konstruieren lernen wollte, und schämte mich doch, so verhudelt in die Lehr zu gehen. Doch eben weil ich einmal diesen Weg zu gehen angefangen hatte, ging ich ihn fort. Es wäre mir zu viel zugemutet gewesen, einen andern Entschluß zu fassen und mich für etwas anderes auf die Beine zu machen, wie groß auch mein Kummer war und wie wenig ich mir etwas auszudenken vermochte, um meine Verlegenheit zu erleichtern. Es gibt wie unter den Zeitwörtern so auch unter den Menschen zweierlei Formen, eine thätige und eine leidende, eine sich selbst bestimmende und eine sich bestimmen lassende. Die leidende war mein Teil geworden. Mein Bauer sah mich ungern gehen. Ich glaube, ich war ihnen lieb geworden, obgleich sie viel über mich lachten. Er hieß mich wieder kommen, aber von dem neuen Damp solle ich ihm nichts an seine Kinder bringen; ich war gschichte gnueg gsy u hätt nit brucht mys Löhnli so liederli ga z‘vrthue. Er gab mir ein Trinkgeld und, was mich am meisten freute, seine Frau brachte mir ein neues Hemde, wie für die Ewigkeit gemacht, halb knöpfig, halb rystig. Sie hatte es über und über gestärkt, daß es stund am Boden und ich Mühe hatte, es in die Hosen zu bringen. Und hoch war der Kragen und gestärket, daß er mir das erste Mal Plätzen abmachte an den Ohren. Wie meinte ich mich da!

Wir waren bei zwanzig in der Lehre, angestellte Schulmeister und solche, die es werden wollten. Mehrere gingen des Abends heim; wir anderen waren hie und dort verkostgeltet. In den ersten Tagen hatte ich einem Kameraden meine Not geklagt und dieser mir den Rat gegeben, ich solle meinem Kostmeister anbieten, für ihn zu weben in der Zwischenzeit und, wenn es nötig sei, noch nach Beendigung der Lehrzeit. Dieser war es sehr wohl zufrieden und somit war ich meinen ökonomischen Sorgen enthoben.

Unsere Pensen waren: Lesen, Schönschreiben, sogenannte Sprachlehre verbunden mit Konstruieren, Themaschreiben, Rechnen, Katechisieren und Singen.

Von Schönlesen wußte mau nichts; bloß wurde aufmerksam gemacht, daß man bei Sprachzeichen den Ton mehr oder weniger müsse fallen lassen. Das Richtiglesen war die Hauptsache; denn mancher konnte es nicht und brachte es bis zum Examen nicht dahin. Die Sprachlehre wurde diktiert, und wer nicht nachkam, schrieb aus dem Buche nach oder aus den Heften anderer, wenn er Geschriebenes lesen konnte. Ich weiß nicht mehr recht, was sie enthielt; denn die Hefte las ich nie mehr nach und ich kann jetzt auch sie nicht mehr nachsehen; denn ich habe sie verloren. So viel ich mich erinnere, kam darin von den Sprachzeichen, wie sie heißen, vor, und die Namen aller Wörter wurden angegeben; wenn ich nicht irre, waren sie eingeteilt in vierundzwanzig Klassen. Dann von den Redefällen und den verschiedenen Zeiten. Weiter weiß ich nichts mehr, und ich glaube nicht, daß sie mehr enthielt.

 

Das Konstruieren war die Hauptsache; man übte es in der Kinderbibel. Der Lehrer machte aufmerksam, daß von einem Punkt zum andern wenigstens ein Zeitwort sei, d. h. ein Wort, welches angebe, in welcher Zeit etwas geschehen sei. Manchmal seien auch mehrere; aber man sehe es dem immer an, welches das Hauptzeitwort sei. Dieses Wort nun müsse man vor allem andern suchen. Er ließ einen Satz lesen, oder, wie er sagte, bis zu einem Punkt. Dann fragte er nach dem Zeitworte. Oft erriet die ganze Reihe Schüler alle Wortklassen durch, ehe sie das Rechte trafen. Hatte man dieses einmal, so wurde weiter gefragt: wer? wessen? wem? wen? was? von wem? wann? wie? wo? und wie die W alle heißen. Wenn man alle Wörter abgefragt hatte, so war man mit dem Satz fertig. Gewöhnlich wurde noch auf die Hauptwörter aufmerksam gemacht, die man an den großen Anfangsbuchstaben kennen lernte; um die andern Wörterklassen bekümmerte man sich weniger. Der Sinn der Worte, der Inhalt des Gelesenen :c. wurde nie erklärt. So geschah es z. B., daß bei dem Vorexamen der Schulkommissär naseweis fragte, was das Wort Palästina bedeute. Schnell flüsterte unser Lehrer dem Gefragten zu: »Eine Stadt im jüdischen Lande.« Er wußte also wohl, warum er sich nicht tiefer ins Erklären einließ. Beim Themaschreiben ging es wieder recht langsam zu; denn im Auffassen der Worte waren wir ungeübt, und noch viel mehr im Auswendigbuchstabieren derselben, und ebensosehr im Auffinden der nötigen Buchstaben, so daß wir selten Zeit hatten, an die Wörterklassen noch obendrein zu denken. Das Denken an die Satzzeichen ersparte man uns, indem sie angegeben wurden. War man endlich fertig, so gab der Lehrer einem sein Buch; dieser buchstabierte vor und wir sollten korrigieren, wobei selten einer nachkam, und gewöhnlich die Hälfte der Fehler stehen blieb. Auch wechselte man dabei untereinander die Tafeln, in dem schönen Glauben, daß man die Fehler des Nächsten besser sehen werde als die eigenen; aber das half nicht viel, weil der Buchstabierende manches Wort buchstabierte, während der Korrigierende in seiner Unbehülflichkeit einen einzigen Buchstaben machte. Und einen Buchstaben machen und zugleich auf den andern hören, das gehörte mir damals unter das Hexenwerk, das einem ehrlichen Christenmenschen nicht zuzumuten sei.

Bei dem Rechnen aber wurde wirklich Hexenwerk getrieben. Denn wir machten fast alle möglichen Rechnungsarten durch: die vier Species in ganzen und gebrochenen Zahlen, Heustockrechnung, Regula de tri, Gesellschaftsrechnung, Zinsrechnung; sogar die Quadratwurzel zogen wir aus und fast wären wir sogar bis zur Kettenregel gekommen. Das ging wunderschnell zu. Es hieß: »Passet auf, das macht man so und so,« und an der Tafel wurde es vorgemacht. Dann mußten ein oder mehrere Beispiele an der Tafel von Schülern durchgerechnet werden, und wer ein gutes Gedächtnis hatte, der machte Strich für Strich nach, wie er es vor einigen Minuten gesehen hatte. Dann hieß es: »Es geht; schreibt jetzt das oder diese Beispiele in Eure Schrift ab, damit Ihr es nicht wieder vergesset.« Und es geschah also. Wahrscheinlich kannte der Lehrer das Lied: »Mit seinen Heften ausstaffieret, heißt er ein grundgelehrter Mann.« An das Zahlensystem dachte niemand; das setzte man voraus; man nahm an, es sei uns des Nachts über in die Köpfe gefallen wie den Kindern Israel in der Wüste das Manna.

Auf das Katechisieren wurde besonders viel verwandt. Hing es doch mit den Kinderlehren zusammen, der Herzensangst der angehenden Schulmeister, der Seelenlust der ältern. Natürlich lag hier einzig und allein das Fragenbuch zu Grunde, über dessen Abfassung, Form, Veranlassung uns gar nichts gesagt wurde. Wir wußten nicht, wer da fraget und wer antwortet. Von den christlichen Lehrsätzen, auf welchen die Antworten ruhen, sagte man uns gar nichts, sagte uns nichts von der Trennung und dem Unterschied der katholischen und reformierten Kirche, wodurch einzig eine Menge Fragen begreiflich werden. Also eigentlichen Stoff gab man uns nicht zur Hand; eine eigentliche Grundlage legte man nicht. Die Hauptsache war die, daß der Lehrer fragen konnte, was er zu fragen wußte, mit dem Fragen nie stockte. Ob auf die Frage eine vernünftige Antwort natürlich folgen könne, ob auf die letzte Antwort die nächste Frage passe, und ob jede zum Ziele führe, darauf kam es wieder nicht an. Man fragte so, daß man Ja oder Nein bestimmt erwarten konnte; man half sich mit Müslins Erklärungen zum Heidelberger durch, der das Fragen und auf das Fragen das Antworten auch recht bequem macht. So wußte mancher nicht, ob die erhaltene Antwort die rechte sei. Die Erklärung der Worte und Begriffe bestund nur darin, daß man die Hauptwörter mit dem Zeitwort umschrieb, und wo kein Zeitwort aus dem Hauptwort zu machen war, da nahm man einen Gump über das Wort, z. B. Natur, Reich ec. Z. B.: Was isch Trost? Wenn man einen tröstet. Ja, wenn er betrübt ist und man ihn dann tröstet. Was ist Leben? Wenn einer lebt, wenn einer hier auf der Welt ist und lebt. Dann mußten wir auch Anwendungen machen, zu welchen Bücher uns halfen, und machten gar oft solche, die wir selbst nicht begriffen. Begriffen wir doch auch die Fragen nicht.

Ganz besonderes Gewicht wurde darauf gelegt, daß man eine Sache durch Gleichnisse erörtere. Wo mein Lehrer diesen Grundsatz aufgefischt, weiß ich nicht. Aber auf Beispielen hielt er viel; mochten sie übrigens passen wie eine Faust auf das Auge, das war gleichgültig, wenn es nur ein Gleichnis war.

Das war an sich ganz recht, daß man die toten Begriffe übertragen sollte auf die lebendigen Verhältnisse und das Dunkle klar machen durch Anschauungen. Allein das wurde eigentlich gar nicht begriffen und so dem Kind Anschauungen und Verhältnisse vorgeführt, von denen es noch viel weniger begreifen konnte und sollte, als von den Begriffen und Worten selbst, z. B. über das siebente Gebot. Überhaupt ward hauptsächlich darauf gesehen, daß einer an einer Frage seine gehörige Zeit zu verbrauchen wüßte, ohne eben merklich zu stocken. Das ist allerdings eine große Kunst, die in der großen Welt besonders geübt und geschätzt wird, eine halbe Stunde über eine Sache zu schwatzen, ohne etwas davon zu verstehen. Diese Kunst hat schon viel Geld, viel Ehre erworben und viel Sand in die Augen gestreut. Und diese Kunst uns Lehrlingen, die wir ein so steifes schweizerisches Mundwerk hatten und so gar keinen Schwung in der Einbildungskraft und so gar keinen Wortvorrat, beizubringen, war eine noch viel größere Kunst. Ich glaube, man hätte uns fast ringer die Sache selbst beigebracht, unsere Seelen mit dem Stoff bereichert, als ohne Stoff uns darüber schwatzen gelehrt. Aber so haben es die Menschen; sie zäumen lieber das Roß beim Schwanz als beim Kopf, und treiben lieber das Verkehrteste mit großer Anstrengung und ohne Nutzen, als das Natürliche verständig. Es nimmt mich nur wunder, wie viele Menschen einsten zur Strafe ihres hiesigen Treibens in der Unterwelt Wasser in ein durchlöchertes Faß schöpfen und den Mühlstein den Berg keuchend hinaufwälzen müssen, um denselben droben entgleiten und ins Thal rollen zu schen, und so Tag um Tag, für und für in der langen, langen Ewigkeit.

Es ist doch gewiß ein gräßlich Ding, ein solch Abrichten, gerade wie man Gügger abrichtet, zu pfeifen, was sie auch nicht begreifen. Und das ist das Schauervollste, daß man im neunzehnten Jahrhundert solches treiben konnte und nicht wußte, was man that, wie man sich damit an der Menschheit und somit auch an Gott versündigte. Vielleicht wußten die wohl, was sie thaten, welche mit solchen Normalschulen nur den Schein retten wollten, die Sache selbst aber nicht wollten. Nun dann möge der liebe Gott ihren armen Seelen gnädig sein! Am schauervollsten aber ist die Schamlosigkeit oder die bodenlose Dummheit, mit welcher sich diese Menschen dieses Treibens rühmen, behauptend, bei der künstlich erhaltenen Dummheit sei das Land glücklich und fromm gewesen, und durch Aufklärung, durch Weckung und Bildung der Geisteskräfte werde es unglücklich und gottlos. Glauben denn eigentlich solche Menschen auch an Gott, glauben die auch an Jesum Christum, der ein Licht der Welt war und kam, die Menschen zu erleuchten? Glauben solche Menschen an beide? — die öffentlich sich aussprechen, nur mit andern Worten: die Bestimmung des Menschen sei die der Sau, daß es ihm wohl sei und behaglich im D..ck; die nach obrigkeitlichem Maß und Gewicht dieser Sau nur so viel Verstand zukommen lassen wollen, daß sie einsehe, sie müßte sich mästen, um von Zeit zu Zeit das überflüssige Fett sich abzapfen zu lassen. Glauben denn die auch an Gott, welche die Geister der Menschen binden mit den Fesseln des Aberglaubens, der Finsternis, der Vorurteile, um der Leiber ungestörter sich bemächtigen zu können?