Verteidigung von Ausländern

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b) Die einzelnen Straftatbestände (§ 96 AufenthG)

aa) Einschleusen von Ausländern (§ 96 Abs. 1 AufenthG)

211

§ 96 Abs. 1 AufenthG setzt zunächst eine in § 95 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder Abs. 2 AufenthG bezeichnete Handlung voraus, zu der der Täter anstiftet oder Beihilfe leistet.[1] Darüber hinaus muss eine in § 96 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG genannte Tatbestandsalternative – Handeln gegen Erhalt oder Versprechen eines Vermögensvorteils (Nr. 1), wiederholtes Handeln oder Handeln zugunsten von mehreren Ausländern (Nr. 2) – vorliegen.

212

Unter Vermögensvorteil ist jede günstigere Gestaltung der Vermögenslage zu verstehen. Der Vermögensvorteil braucht weder rechtswidrig noch vom begünstigten Ausländer erbracht worden zu sein; er muss lediglich in einem finalen Zusammenhang mit der Teilnahmehandlung stehen.[2]

Hinweis

Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) liegt daher vor, wenn im Rahmen der Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt wird, dass der Täter „aus eigennützigen Gründen (…) auf leichte Art und Weise viel Geld verdienen wollte“ und ihm bewusst war, „dass er die Allgemeinheit schädigt“; da das Streben nach wirtschaftlichen Vorteilen zum Tatbestand des gewerbsmäßigen Einschleusens zählt, gilt gleiches für die Erwägung der Angeklagte habe „ein beträchtliches Gewinnstreben gezeigt“, wenn dieses das für die Tatbestandsverwirklichung erforderlich Maß nicht deutlich übersteigt.[3] Ebenso fehlerhaft ist die Strafzumessung, wenn diese den Eindruck erweckt, die Strafaussetzung sei für bestimmte Deliktsgruppen – hier: Verstoß gegen § 92a Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F. – von vornherein ausgeschlossen.[4]

213

Wiederholt handelt, wer bereits zuvor derartige Handlungen begangen hat; diese brauchen nicht bestraft oder sonst geahndet worden zu sein.[5]

214

Hinsichtlich der Frage des unmittelbaren Ansetzens im Zusammenhang mit einer möglichen Versuchsstrafbarkeit wird die Rechtsprechung zur versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB herangezogen, wobei es darauf, ob auch zur unerlaubten Einreise selbst unmittelbar angesetzt worden ist, nicht ankommen soll.[6]

215

Eine Handlung zugunsten „mehrerer“ Ausländer ist gegeben, wenn mindestens zwei Ausländer begünstigt werden[7].

216

Die Gewährung von Kirchenasyl entfaltet keine rechtlichen Wirkungen, so dass dieses einer Bestrafung gem. § 96 Abs. 1 AufenthG nicht entgegensteht.[8]

217

§ 96 AufenthG stellt nur das Einschleusen unter Strafe; kommt eine Anwendung des § 96 Abs. 4 AufenthG mangels Gültigkeit des Schengener Durchführungsübereinkommens nicht in Betracht, kann eine Verurteilung im Fall des bloßen „Ausschleusens“ nicht erfolgen[9].

218

Die Strafmündigkeit des Haupttäters ist schließlich nicht erforderlich, so dass eine Strafbarkeit gem. § 96 AufenthG auch dann in Betracht kommt, sofern der eingeschleuste Ausländer zwar strafunmündig, aber handlungsfähig ist.[10] Ist er handlungsunfähig, was bei Säuglingen und Kindern bis einschließlich sechs Jahren[11] oder Bewusstlosen angeommen werden kann, kommt – je nach den Umständen – allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht.[12]

219

Nach Ansicht des BGH[13] handelt der Täter bereits dann vorsätzlich, wenn er erkennt, „dass seine Hilfeleistung an sich geeignet ist, die fremde Tat zu fördern“; dem Beihilfevorsatz stehe daher nicht entgegen, dass der Täter davon ausging, dass seine – im Rahmen der Antragsstellung – erfolgte Hilfeleistung ohnehin keinen Erfolg haben würde.

Anmerkungen

[1]

Vgl. OLG Köln NStZ-RR 2003, 184 m.w.N.

[2]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 96 AufenthG Rn. 12 m.w.N.

[3]

BGH NStZ-RR 2012, 124, 125.

[4]

OLG Dresden NZV 2001, 439/440.

[5]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 96 AufenthG Rn. 7; Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 96 AufenthG Rn. 10.

[6]

BGH StV 2013, 310.

[7]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 96 AufenthG Rn. 8; Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 96 AufenthG Rn. 11.

[8]

LG Osnabrück NStZ 2002, 604 ff.

[9]

Vgl. BGH NStZ-RR 2002, 23.

[10]

Vgl. BayObLG NStZ-RR 2003, 275, 276.

[11]

BayObLG NStZ-RR 2003, 275 f.

[12]

MK-Gericke § 96 AufenthG Rn. 3 m.w.N.

[13]

BGH NStZ 2007, 289, 290.

bb) Gewerbs- oder bandenmäßiges Einschleusen; Einschleusen mit Waffen (§ 96 Abs. 2 AufenthG)

220

§ 96 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG stellen das gewerbs-[1] oder bandenmäßige[2] Handeln unter Strafe; insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze, so dass z.B auch hier der Bandenbegriff den Zusammenschluss von mind. 3 Personen voraussetzt.[3] Im Gegensatz zu anderen Bandenstraftaten ist jedoch nicht erforderlich, dass mehrere Bandenmitglieder unmittelbar am gleichen Tatort der Einschleusung zusammenwirken.[4] Auf die allgemeinen Grundsätze kann schließlich auch dann verwiesen werden, wenn der Täter eine Schusswaffe (Nr. 3) oder andere Waffen bei sich führt, um diese zu verwenden (Nr. 4) bzw. den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsbeschädigung aussetzt (Nr. 5).

Anmerkungen

[1]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 96 AufenthG Rn. 17.

[2]

Erbs/Kohlhaas-Senge, § 96 AufenthG Rn. 18 ff. m.w.N.

[3]

Vgl. BGH wistra 2001, 431.

[4]

BGH NJW 2016, 419, 421.

cc) Auslandstaten (§ 96 Abs. 4 AufenthG)

221

Wird das Bundesgebiet durch das Einschleusen von Ausländern nicht tangiert, unterfällt die Tat gleichwohl deutschem Strafrecht (§ 96 Abs. 4 AufenthG), wenn ein Mitgliedstaat des Schengener Abkommens betroffen ist und die Tat zugunsten eines Ausländers begangen wird, der nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EU oder eines anderen Vertragstaates des SDÜ ist; dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der geschleuste Drittausländer zuvor in einem anderen Vertragstaat rechtmäßig aufgehalten hat, so dass auch das Schleusen über Binnengrenzen unter Strafe gestellt ist.[1]

Hinweis

Vertragstaat i.S.d. Vorschrift ist jeder Mitgliedstaat, in dem das SDÜ in Kraft getreten ist; nicht erforderlich ist, dass das Übereinkommen im Verhältnis zwischen dem betroffenen Staat und den übrigen Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist.[2]

Anmerkungen

[1]

BGH NStZ 2001, 157, 158.

[2]

BGH NJW 2002, 3642 ff. = NVwZ 2003, 125 f.

Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz › 3. Strafbarkeit gemäß § 97 AufenthG

3. Strafbarkeit gemäß § 97 AufenthG

222

§ 97 Einschleusen mit Todesfolge; gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, den Tod des Geschleusten verursacht.

(2) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 96 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 96 Abs. 4, als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(4) Die §§ 73d und 74a des Strafgesetzbuchs sind anzuwenden.

223

 

§ 97 AufenthG stellt einen weiteren Qualifikationstatbestand dar, wonach gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen bzw. Einschleusen mit Todesfolge geahndet werden kann. Anders als bei § 96 Abs. 2 AufenthG müssen hier gewerbs- und bandenmäßiges Handeln kumulativ gegeben sein[1]; im Übrigen darf auch insoweit auf das Kernstrafrecht und die dortige Kommentierung verwiesen werden.

Anmerkungen

[1]

Vgl. Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 97 AufenthG Rn. 9.

Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz › 4. Strafbarkeit gem. § 9 FreizügG/EU

4. Strafbarkeit gem. § 9 FreizügG/EU

224

§ 9 Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltskarte, eine Daueraufenthaltskarte oder eine Bescheinigung über das Daueraufenthaltsrecht zu beschaffen oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 7 Abs. 2 Satz 1 in das Bundesgebiet einreist oder sich darin aufhält.

(3) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 bezieht, können eingezogen werden.

225

Abs. 1 stellt unrichtige oder unvollständige Angaben unter Strafe, die der Erlangung einer EU-Aufenthaltskarte dienen. Die Vorschrift wurde eingeführt, um Strafbarkeitslücken zu schließen, die sich daraus ergaben, dass entsprechende Tathandlungen von § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht erfasst sind (vgl. dort Rn. 201)[1]. Durch die gesetzliche Neuregelung, nach der sich jedermann, also auch Deutsche, strafbar machen können, werden nunmehr auch solche Tathandlungen erfasst.

226

Im Übrigen werden EU-Ausländer gem. § 9 FreizügG/EU bestraft, sofern sie nach Verlust des Freizügigkeitsrechts in das Bundesgebiet einreisen bzw. sich dort aufhalten; insoweit kann auf die obigen Ausführungen zum Aufenthaltsgesetz (Rn. 198) verwiesen werden, die insoweit entsprechend gelten.

Anmerkungen

[1]

BT-Drucks. 18/2581, S. 18.

Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz › 5. Strafbarkeit gemäß § 85 AsylG

5. Strafbarkeit gemäß § 85 AsylG

227

§ 85 Sonstige Straftaten

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer


1. entgegen § 50 Abs. 6, auch in Verbindung mit § 71a Abs. 2 Satz 1, sich nicht unverzüglich zu der angegebenen Stelle begibt,
2. wiederholt einer Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 oder § 59b Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3, zuwiderhandelt,
3. einer vollziehbaren Anordnung nach § 60 Abs. 2 Satz 1, auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3, nicht rechtzeitig nachkommt oder
4. entgegen § 61 Abs. 1, auch in Verbindung mit § 71a Abs. 3, eine Erwerbstätigkeit ausübt.

a) Allgemeines

228

Da sich die Vorschrift ausschließlich auf Verstöße gegen Pflichten und Obliegenheiten von Asylbewerbern bezieht, können sonstige Ausländer oder Deutsche nur als Teilnehmer bestraft werden.[1]

Anmerkungen

[1]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 85 AsylVfG Rn. 5.

b) Die einzelnen Straftatbestände (§ 85 AsylG)

aa) Nichtbefolgen der Zuweisungsanordnung (§ 85 Nr. 1 AsylG)

229

Gemäß § 85 Nr. 1 AsylG wird das Nichtbefolgen einer Zuweisungsanordnung unter Strafe gestellt. Der objektive Tatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wenn der Ausländer aus wichtigen Gründen – z.B. Krankheit,[1] Konsultation eines Rechtsanwaltes[2] – an der Weiterreise gehindert ist.

Anmerkungen

[1]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 85 AsylVfG Rn. 6.

[2]

Vgl. BVerfG NVwZ 1987, 1068.

bb) Verstoß gegen eine Aufenthaltsbeschränkung (§ 85 Nr. 2 AsylG)

230

Gemäß § 85 Nr. 2 AsylG wird die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung sanktioniert; die (gerichtliche) Ahndung des früheren Verstoßes wird nicht vorausgesetzt (vgl. oben Rn. 211).

Hinweis

Der Strafrichter hat in Verfahren wegen wiederholter Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 AsylG die Voraussetzungen des § 58 Abs. 4 Satz 1 3. Alt. AsylG eigenständig zu prüfen[1]; die Prüfung schließt auch die Frage ein, aus welchem Land der Asylbewerber stammt. Ist die Herkunft nicht nachweisbar, gebietet der Zweifelsgrundsatz die Annahme der günstigsten Alternative.[2]

Anmerkungen

[1]

OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 221 m.w.N; OLG Karlsruhe StV 2005, 27/28; LG Potsdam StV 2005, 29.

[2]

OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 344; vgl. auch BayObLG StraFo 2004, 427.

cc) Verstoß gegen Wohnauflage (§ 85 Nr. 3 AsylG)

231

§ 85 Nr. 3 AsylG stellt jeden Verstoß gegen eine Auflage der genannten Art – auch den erstmaligen – unter Strafe; die Auflage muss vollziehbar sein, wobei die Strafbarkeit nicht entfällt, wenn die Vollziehbarkeit nach erfolgloser Anfechtung rückwirkend entfällt.[1]

Anmerkungen

[1]

Bergmann/Dienelt-Bergmann § 85 AsylG Rn. 12.

dd) Verstoß gegen Erwerbstätigkeitsverbot (§ 85 Nr. 4 AsylG)

232

Verstößt der Asylbewerber gegen das gesetzlich geregelte Erwerbstätigkeitsverbot (§ 61 Abs. 1 AsylG), macht er sich schließlich gemäß § 85 Nr. 4 AsylG strafbar.

Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz › 6. Strafbarkeit gemäß §§ 84, 84a AsylG

6. Strafbarkeit gemäß §§ 84, 84a AsylG

233

§ 84 Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen Ausländer verleitet oder dabei unterstützt, im Asylverfahren vor dem Bundesamt oder im gerichtlichen Verfahren unrichtige oder unvollständige Angaben zu machen, um seine Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zu ermöglichen.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter


1. für eine in Absatz 1 bezeichnete Handlung einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt oder
2. wiederholt oder zugunsten von mehr als fünf Ausländern handelt.

(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1


1. gewerbsmäßig oder
2. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,

handelt.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 1 ist § 73d des Strafgesetzbuches anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 2 sind die §§ 43a, 73d des Strafgesetzbuches anzuwenden.

(6) Wer die Tat nach Absatz 1 zugunsten eines Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuches begeht, ist straffrei.

234

§ 84a Gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 84 Abs. 1 als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, gewerbsmäßig handelt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(3) Die §§ 43a, 73d des Strafgesetzbuches sind anzuwenden.

235

Die Vorschriften der §§ 84, 84a AsylG sollen unzutreffende Angaben im Asylverfahren verhindern und damit die Richtigkeit der Asylentscheidung gewährleisten. Dieser gesetzgeberischen Intention folgend kommen als taugliche Täter sowohl Deutsche als auch Ausländer in Betracht, nicht jedoch der Ausländer, der durch die fehlerhaften Angaben seine Anerkennung als Flüchtling erreichen will.[1]

Hinsichtlich der übrigen Tatbestandsmerkmale darf auf den Gesetzeswortlaut und die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Anmerkungen

[1]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 84 AsylVfG Rn. 4.

Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › III. Ordnungswidrigkeiten nach dem Aufenthalts-, Asyl- und FreizügG/EU

III. Ordnungswidrigkeiten nach dem Aufenthalts-, Asyl- und FreizügG/EU

236

Zahlreiche Ordnungswidrigkeitstatbestände enthalten das Aufenthalts-, Asyl- und FreizügG/EU. Auch insoweit darf auf den Gesetzeswortlaut – § 98 AufenthG, § 86 AsylG, § 10 FreizügG/EU – und die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Teil 3 Strafzumessung

Inhaltsverzeichnis

I. Die Ausländereigenschaft als Strafzumessungsgrund

II. Abweichende Wertvorstellungen als Strafzumessungsgrund

 

III. Die besondere Strafempfindlichkeit als Strafzumessungsgrund

IV. Ausländerrechtliche Folgen als Strafzumessungsgrund

V. Ausländische Vorstrafen

VI. Anrechnung ausländischer Freiheitsentziehung

VII. Doppelbestrafung und Mehrfachverfolgung

VIII. Die Tatprovokation durch Lockspitzel als Strafzumessungsgrund

IX. Aufklärungserfolg im Ausland

X. Vollstreckungslösung und Kompensation

XI. Tagessatzhöhe

XII. Strafaussetzung zur Bewährung

XIII. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt

XIV. Spezialitätsgrundsatz in der Strafzumessung

237

Die Strafzumessung bietet – nicht nur beim ausländischen Mandanten – vielfältige Chancen der Verteidigung.

Führt der Verteidiger eine Strafmaßverteidigung, kann er durch Vortrag strafzumessungserheblicher Gesichtspunkte auf die Strafrahmenwahl und/oder Höhe der Strafe Einfluss nehmen; darüber hinaus stellen Fehler in der Strafzumessung häufige Revisionsgründe dar, so dass insbesondere in der Revisionsinstanz die Strafzumessung – durch den Verteidiger – einer eingehenden Kontrolle unterzogen werden sollte.

Neben den allgemeinen Grundsätzen der Strafzumessung, die bei jedem Angeklagten zu berücksichtigen sind, gilt es beim ausländischen Angeklagten eine Reihe von Besonderheiten zu beachten:

Teil 3 Strafzumessung › I. Die Ausländereigenschaft als Strafzumessungsgrund

I. Die Ausländereigenschaft als Strafzumessungsgrund

238

Die Ausländereigenschaft als solche darf wegen des darin liegenden Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 GG nicht strafschärfend verwertet werden.[1]

239

Formulierungen wie, „der Angeklagte habe das ihm eingeräumte Gastrecht“[2] oder „die Gunst des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit missbraucht“[3], sind daher rechtsfehlerhaft, wenn sie besorgen lassen, dass allein die Ausländereigenschaft des Angeklagten strafschärfend verwertet worden ist.

240

Dagegen soll die Strafschärfung rechtlich nicht zu beanstanden sein, wenn „die Tat durch die Ausländereigenschaft des Täters oder seine Stellung als Asylbewerber in einer für die Schuldgewichtung erheblichen Weise geprägt wird“[4]. Eine Strafschärfung komme demnach in Betracht, wenn



241

Ebenso fehlerhaft ist die strafschärfende Erwägung, der ausländische Angeklagte habe durch sein strafbares Verhalten dazu beigetragen, „die überwiegend unberechtigten Vorurteile gegen Asylbewerber in der deutschen Bevölkerung zu vertiefen und ein gedeihliches Zusammenleben zwischen ausländischen und deutschen Bürgern erheblich zu erschweren“.[9]

Zwar können grundsätzlich auch solche Tatfolgen strafschärfend berücksichtigt werden, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem strafbaren Verhalten stehen, d.h. außerhalb des eigentlichen Tatbereichs liegen. Erforderlich ist aber, dass die Auswirkungen geeignet sind, das Tatbild zu prägen und die Bewertung der Schuldschwere zu beeinflussen. Zudem muss es sich um Folgen handeln, die in den Schutzbereich der strafrechtlichen Norm fallen, deren Verletzung dem Täter vorgeworfen wird.[10]

Werden dem Angeklagten „Diskreditierungsfolgen“ angelastet, berühren diese weder das Gewicht seiner Tat noch lassen sie irgendwelche Rückschlüsse auf seine für die Schuldbewertung erheblichen Einstellungen zu. Da sie in der Regel auch nicht vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden, ist eine entsprechende strafschärfende Verwertung unzulässig.[11]

242

Der Umstand, dass der Ausländer aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes für Europäer schwer identifizierbar ist, darf selbst dann nicht strafschärfend verwertet werden, wenn er die daraus resultierende Verminderung des Entdeckungsrisikos in seinen Tatplan aufgenommen hat.[12] Zwar ist es rechtlich zulässig, die planmäßige Verminderung des Überführungsrisikos als Ausdruck erheblicher Kriminalität strafschärfend zu berücksichtigen; dies setzt jedoch voraus, dass der Beschuldigte besondere Vorkehrungen trifft, um das Überführungsrisiko zu minimieren, etwa dass er sich maskiert oder das Aussehen auf andere Weise verändert. Als eine solche die Tatausführung prägende Verschleierungshandlung kann jedoch das bloße Ausnutzen des von der Natur vorgegebenen Erscheinungsbildes – z.B. schwarze Hautfarbe[13] – nicht gewertet werden.

243

Nach der umstrittenen Rechtsprechung des BGH[14] ist es dem Tatrichter dagegen nicht verwehrt, im Rahmen der Strafzumessung generalpräventive Gesichtspunkte strafschärfend heranzuziehen. Erwägungen wie, „die Strafe solle angesichts der besorgniserregenden Zunahme der Totschlagsdelikte durch ausländische Messerstecher abschreckend wirken“[15] seien demnach ebenso unbedenklich wie die Formulierung, es müsse versucht werden „dem Heroinhandel dadurch entgegenzuwirken, dass bei nicht abhängigen, insbesondere ausländischen Drogenhändlern der gesetzliche Strafrahmen weitestgehend ausgeschöpft wird, um auf diese Täter, die in ihren Heimatländern drakonische Strafen zu erwarten haben, in ausreichendem Maße einzuwirken“.[16]

In einer neueren Entscheidung hat der BGH[17] diesen Grundsatz dahingehend präzisiert, dass allein der Umstand, dass der ausländische Angeklagte in seinem Heimatland mit einer deutlich höheren Strafe hätte rechnen müssen, nicht strafschärfend verwertet werden dürfe. Erforderlich sei vielmehr, dass den Urteilsgründen entnommen werden könne, „dass allen Drogenhändlern der Anreiz genommen werden müsse, wegen in anderen Ländern drohenden besonders harten Strafen den Heroinhandel (…) in die – aus Sicht der Händler – weniger gefährliche Bundesrepublik zu verlagern“.

Haben demgegenüber generalpräventive Erwägungen bereits den Gesetzgeber veranlasst, einen erhöhten Strafrahmen vorzusehen, sind Erwägungen, wonach „das Einschleusen von Ausländern immer größere Ausmaße annimmt und Deutschland zu einem Zentrum (…) internationaler Schleuserorganisationen geworden“ sei, dagegen nicht geeignet, eine generalpräventiv motivierte Strafschärfung zu begründen.[18]

Diese Rechtsprechung begegnet durchgreifenden Bedenken, soweit eine generalpräventive Strafschärfung zugelassen wird. Aus der Gruppe von Straftätern sollen nämlich nur solche Adressat der abschreckenden Wirkung sein, die anderswo mit drakonischen Strafen rechnen müssen; da dies allein Ausländer sind, knüpft die Strafzumessung letztlich doch allein an die Ausländereigenschaft an.[19]