Verteidigung von Ausländern

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Anmerkungen

[1]

Vgl. BayObLG StV 2003, 566.

ee) Fehlerhafte Angaben zur Identität (§ 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG)

191

Macht der Ausländer entgegen § 49 Abs. 1 AufenthG fehlerhafte Angaben hinsichtlich seiner Identität ist er gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG zu bestrafen, sofern die Tat nicht in § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG mit Strafe bedroht ist; von der Vorschrift erfasst werden fehlerhafte „Angaben“ i.S.d. § 49 Abs. 1 1. Alt. AufenthG, nicht aber „Erklärungen“ i.S.d. § 49 Abs. 1 2. Alt. AufenthG gegenüber den Auslandsvertretungen.[1] Fehlerhafte Angaben zum Personenstand erfüllen grundsätzlich nicht den Tatbestand.[2]

Hinweis

Der Tatbestand ist subsidiär gegenüber § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.

Hat der Ausländer in nicht rechtsverjährter Zeit fehlerhafte Angaben gemacht, verstößt es nach Auffassung des LG Berlin[3] gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit, wenn an der Verpflichtung aus § 49 Abs. 2 AufenthG festgehalten wird, weshalb eine Strafbarkeit unter diesen Voraussetzungen entfällt.

Anmerkungen

[1]

OLG Celle StV 2007, 361/362; OLG Koblenz StV 2010, 251/252.

[2]

OLG Hamm NStZ-RR 2008, 154, 155; a.A. Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 30 m.w.N.

[3]

LG Berlin StV 2015, 704, 704; einschränkend GK-AufenthG-Mosbacher § 95 AufenthG Rn. 135 ff., der in diesem Zusammenhang ein Verwertungsverbot diskutiert.

ff) Weigerung, erkennungsdienstliche Maßnahmen zu dulden (§ 95 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG)

192

Nach § 95 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG macht sich ein Ausländer strafbar, wenn er entgegen § 49 Abs. 8 AufenthG erkennungsdienstliche Maßnahmen nicht duldet. Rein passives Verhalten genügt nicht, wohl aber das Nichterscheinen zum festgesetzten Termin.[1]

Anmerkungen

[1]

Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 72.

gg) (Wiederholter) Verstoß gegen Meldepflicht, räumliche Beschränkung oder sonstige Auflagen (§ 95 Abs. 1 Nr. 6a AufenthG)

193

Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 6a AufenthG wird bestraft, wer entgegen § 56 AufenthG wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 AufenthG bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet.

194

Soweit die Vorschrift einen „wiederholten Verstoß“ voraussetzt, darf auf die Ausführungen zu § 96 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Rn. 213) verwiesen werden.

195

Das Verbot „bestimmte Kommunikationsmittel zu nutzen“ ist uferlos[1] und derart unbestimmt, dass Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit angebracht erscheinen.

Anmerkungen

[1]

Vgl. hierzu 54a.4 Anwendungshinweise zum AufenthG.

hh) Wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung gem. § 61 Abs. 1 AufenthG (§ 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG)

196

Der wiederholte Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 AufenthG ist mit der Änderung des AufenthG vom 1.1.2005 unter Strafe gestellt worden; die Neuregelung (§ 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG) soll Wertungswidersprüche mit dem Asylrecht vermeiden, das einen entsprechenden Straftatbestand bereits nach früherem Recht (§ 85 Nr. 2 AsylG) vorsah[1] (vgl. Rn. 230). Indes steht nur die wiederholte Missachtung einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unter Strafe, ein Verstoß gegen § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist nur bußgeldbewehrt (§ 98 Abs. 3 Nr. 4 AufenthG)[2]. Der Tatbestand erfordert nach h.M. keine Sanktionierung des ersten Verstoßes[3]; der erste Verstoß muss jedoch nach Inkrafttreten der Regelung am 1.1.2005 begangen worden sein[4].

Hinweis

Die wiederholte Zuwiderhandlung gegen eine räumliche Beschränkung gemäß § 61 Abs. 1 AufenthG stellt ein Dauerdelikt dar; trifft dies mit einem Zustandsdelikt zusammen, kann eine prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO gegeben sein, wenn eine innere Verknüpfung dergestalt besteht, dass die Zuwiderhandlung begangen wird, um das Zustandsdelikt zu begehen. Ist danach ein Lebenssachverhalt festzustellen, tritt Strafklageverbrauch ein, sofern der Ausländer wegen einer der beiden Taten rechtskräftig abgeurteilt ist.[5]

Anmerkungen

[1]

Vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 98.

[2]

BGH StV 2010, 245, 246; OLG Brandenburg NStZ 2008, 531; OLG Köln NStZ-RR 2008, 90; Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 39 m.w.N.

[3]

BGH NJW 2011, 3174/3175; Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 39 m.w.N; a.A. wohl Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 87 m.w.N.; vgl. auch Kretschmer NStZ 2013, 570, 573/574, der zwar keine Ahndung durch Bußgeldbescheid, Urteil oder Beschluss verlangt, aber eine „polizeiliche oder sonst behördliche Maßnahme“ als Mindestvoraussetzung fordert.

[4]

OLG Brandenburg NStZ 2008, 531; OLG Hamm NVwZ-RR 2009, 701; Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 39 m.w.N.

[5]

Vgl. OLG Celle NStZ-RR 2010, 248 ff.

ii) Erwerbstätigkeit eines Inhabers eines Schengen-Visums (§ 95 Abs. 1a AufenthG)

197

Die Vorschrift erfasst ausschließlich Drittstaatsangehörige, die für den Aufenthalt im Bundesgebiet ein Schengen-Visum benötigen, also sog. Negativstaater[1]. Die Einführung erfolgte als Reaktion auf die Entscheidung des BGH,[2] wonach Negativstaater nicht strafbar waren, wenn diese bereits bei Erteilung ihres Visums die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigten. Die aus der – zwischenzeitlich überholten (vgl. oben Rn. 188) – Rechtsprechung resultierenden Strafbarkeitslücken sollten durch die Regelung geschlossen werden, die als Tathandlung die Aufnahme einer nicht erlaubten Erwerbstätigkeit vorsieht.

Anmerkungen

[1]

MK-Gericke § 95 AufenthG Rn. 87.

[2]

BGHSt 50, 105 ff.

c) Die einzelnen Straftatbestände (§ 95 Abs. 2 AufenthG)

aa) Unerlaubte Einreise und Aufenthalt (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 a, b AufenthG)

198

Wird der Ausländer ausgewiesen oder abgeschoben, macht er sich gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG strafbar, wenn er trotz der erfolgten Ausweisung oder Abschiebung in das Bundesgebiet einreist oder sich darin aufhält; erforderlich ist die erneute Einreise, so dass das bloße Nichtbefolgen einer vollziehbaren Ausweisungsverfügung nicht genügt.[1] Entsprechendes gilt für EU-Ausländer, die unter den Voraussetzungen des § 9 FreizügG/EU strafbar sind.

199

Die Strafbarkeit entfällt, sofern der Ausländer über eine Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG verfügt; überschreitet er die zeitliche Beschränkung, macht er sich (erneut) gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG strafbar.

200

Hat der Ausländer keine Betretenserlaubnis, stehen die Einreise und der Aufenthalt im Verhältnis der Tateinheit zueinander.

Hinweis

§ 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG setzt vorsätzliches Handeln voraus; im Falle der Ausweisungsverfügung kann dies oft zweifelhaft sein, so z.B. wenn die Zustellung der Verfügung aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Ausländers misslingt. Die daran anschließende öffentliche Zustellung entfaltet zwar verwaltungsrechtliche Wirksamkeit, davon zu trennen ist jedoch die Frage, ob der Ausländer im Zeitpunkt der Einreise von der Ausweisungsverfügung Kenntnis hatte.[2]

Zu beachten ist weiter, dass Ausweisungsverfügungen oftmals befristet sind; in solchen Fällen ist sorgfältig zu prüfen, ob die Frist zum Tatzeitpunkt bereits abgelaufen war, da dann lediglich ein Verstoß gegen § 95 Abs. 1 Nr. 2, 3 AufenthG in Betracht kommt.

Schließlich verdient die Tatsache Beachtung, dass sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oftmals auf die Einsicht in das Ausländerzentralregister (AZR) beschränken. In vielen Fällen kommt es aber bereits bei der Eintragung in das AZR zu gravierenden Fehlern. Wird dort beispielsweise eine erfolgte statt einer nur angedrohten Abschiebung eingetragen, kann das Register eine Strafbarkeit gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1a, b AufenthG suggerieren, obwohl nur eine solche nach § 95 Abs. 1 Nr. 2, 3 AufenthG gegeben ist. Ebenso häufig sind die Fälle, in denen die Staatsanwaltschaft fehlerhafte Registermitteilungen erhält. Es empfiehlt sich daher stets die Auskunft der Ausländerbehörde einzuholen.[3]

 

Anmerkungen

[1]

OLG Frankfurt StV 2015, 360.

[2]

Vordermayer/v. Heintschel-Heinegg–Titz/Englmann/Raichle S. 469 Rn. 69.

[3]

Vgl. Vordermayer/v. Heintschel-Heinegg–Titz/Englmann/Raichle S. 469 Rn. 71.

bb) Unzutreffende Angaben (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG)

201

Unzutreffende Angaben i.S.d. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG können nur Ausländer abgeben, die den Erhalt eines Aufenthaltstitels anstreben; Asylbewerber werden somit von dieser Vorschrift nicht erfasst, da diese die Erteilung einer Aufenthaltsgestattung anstreben und der Gesetzgeber die Erschleichung von Asyl nicht unter Strafe stellen wollte[1]. Gleiches gilt für unzutreffende Angaben, die der Erlangung einer EU-Aufenthaltskarte dienen; da § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nach seinem eindeutigen Wortlaut nur Aufenthaltstitel erfasst, kommt eine (entsprechende) Anwendung nicht in Betracht.[2] Fehlerhafte Angaben zur Erlangung einer EU-Aufenthaltskarte werden nach Änderung des FreizügG/EU durch § 9 Abs. 1 FreizügG erfasst. Da die Verweisung in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nur den persönlichen Anwendungsbereich erweitert, waren vor Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung – zum 1. Januar 2014[3] – entsprechende Handlungen straflos.[4]

202

Im Falle des Erschleichens einer Duldung sah die Vorgängerbestimmung (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG a.F.) eine Strafbarkeit vor. Die Regelung geriet mit Erlass des AufenthG in Fortfall, so dass eine Strafbarkeitslücke entstand. Mit Wirkung zum 1.9.2007 hat der Gesetzgeber den Gesetzeswortlaut um die Worte „oder eine Duldung“ ergänzt, so dass seit diesem Zeitpunkt auch das Erschleichen einer Duldung unter Strafe steht.[5]

203

Die Tat muss im Inland begangen worden sein; unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber einer deutschen Auslandsvertretung unterfallen nicht dem Tatbestand;[6] da nach Abs. 6 die Einreise mit einem erschlichenem Visum der ohne einen erforderlichen Aufenthaltstitel gleichsteht, kommt in diesem Falle aber eine Strafbarkeit gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG in Betracht.[7] Aufgrund der Gleichstellung in Abs. 6 soll eine Strafbarkeit schließlich auch dann gegeben sein, wenn Drittstaatsangehörige mit einem Schengen-Visum einreisen, welches durch arglistige Täuschung des Austellungsstaates über den wahren Reisezweck erschlichen worden ist.[8] Dieser umstrittenen Rechtsprechung, welche die Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts lockert, steht nach Ansicht des EuGH[9] EU-Recht nicht entgegen.

204

Unzutreffende Angaben i.S.d. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sind auch solche über eine bestehende Ehe, wenn diese nur zum Schein eingegangen worden ist.[10]

Der Tatbestand der „Scheinehe“ ist dagegen nicht erfüllt, wenn die bei Eheschließung ernsthaft gewollte Lebenspartnerschaft zu späterem Zeitpunkt scheitert; ein Eheaufhebungsgrund (vgl. § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB) liegt nämlich nur dann vor, sofern der Wille zur Lebenspartnerschaft zum Zeitpunkt der Eheschließung gefehlt hat, so dass eine spätere Trennung unschädlich ist.[11]

Ob auch die bewusst fehlerhafte, aber zivilrechtlich wirksame Anerkennung der Vaterschaft den Tatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllen kann, ist umstritten. Zum Teil[12] wird dies angenommen, da es angesichts drohender Strafbarkeitslücken „abwegig“ sei, allein auf den formalen Vaterbegriff des § 1592 BGB abzustellen. Der Gesetzgeber des Nichtehelichkeitsgesetzes vom 19.8.1969 war sich indes der Folgewirkungen der damaligen Neufassung bewusst, so dass sich die Rechtsfolgen – nach zutreffender Ansicht[13] – auf das Zivilrecht nicht beschränken, d.h. im Ergebnis „unzutreffende Angaben“ i.S.d. § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht gegeben sind.

205

Dass dem Ausländer ein Aufenthaltstitel aus anderem Grunde zusteht, steht der Erfüllung des Tatbestandes nicht entgegen; die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sei – so die h.M.[14] – als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipiert, so dass der Tatbestand selbst dann gegeben sei, wenn die Angaben ungeeignet sind, einen Aufenthaltstitel zu erwirken; eine Strafbarkeit entfällt nur dann, wenn dem Sachbearbeiter die Unrichtigkeit der Angaben bekannt ist.[15] Diese Betrachtung ist jedoch nicht frei von Widersprüchen. Besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Duldung, geht der Ausländer grundsätzlich straffrei aus; dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn er keinerlei Angaben macht, jedenfalls solange, wie die unterlassene Mitwirkung nicht seinem Verantwortungsbereich zugerechnet werden kann (vgl. oben Rn. 182). Im Ergebnis stünde derjenige, der keinerlei Angaben zur Sache macht besser da, als derjenige, der völlig ungeeignete, aber unzutreffende Angaben macht; ein Ergebnis welches schwer nachvollziehbar ist, weshalb es vorzugswürdig erscheint die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. oben Rn. 182) auch auf diese Fallgruppe zu übertragen.

206

Ebenso wenig ist der Tatbestand erfüllt, wenn der Ausländer über einen sog. totalgefälschten oder verfälschten Aufenthaltstitel verfügt; in diesen Fällen ist allein der objektive Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) erfüllt.

Anmerkungen

[1]

BGH NJW 1997, 333; Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 112.

[2]

OLG Bamberg StraFo 2014, 346/347.

[3]

Vgl. Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften BGBl. I 2014, 1922 ff.

[4]

OLG Bamberg aaO.

[5]

Vgl. Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 55 m.w.N.; vgl. aber auch KG StraFo 2010, 302, wonach in solchen Fällen § 95 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG als „Auffangnorm“ herangezogen werden kann.

[6]

OLG Köln NStZ 2000, 39; Erbs/Kohlhaas-Senge§ 95 Rn. 55.

[7]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 19 m.w.N

[8]

BGH NJW 2012, 1669, 1670 (Vorlagebeschluss); BGH NStZ 2012, 644 ff.

[9]

EuGH NJW 2012, 1641 ff. = NStZ 2012, 642 ff. m. Anm. Lohse.

[10]

BayObLG NStZ 1990, 187, 188; Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 115; Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 57.

[11]

BayObLG NStZ-RR 2001, 219, 220.

[12]

LG Verden NStZ-RR 2006, 246, 247; LG Hildesheim NStZ 2006, 360; Erbs/Kohlhaas/Senge Strafrechtliche Nebengesetze § 95 AufenthG Rn. 57 m.w.N.

[13]

OLG Hamm NJW 2008, 1240/1241; AG Nienburg NStZ 2006, 531/532.

[14]

BGH NJW 2016, 419, 420; OLG Stuttgart NStZ-RR 2009, 387/388; OLG Koblenz NStZ-RR 2010, 259, 260; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 348; Erbs/Kohlhaas/Senge Strafrechtliche Nebengesetze § 95 AufenthG Rn. 56 m.w.N.; kritisch Kretschmer Rechtsprechungsübersicht zum Ausländerstrafrecht, NStZ 2013, 570, 574.

[15]

BGH NJW 2016, 419, 422.

Teil 2 Materielles Ausländerstrafrecht › II. Straftaten nach dem Aufenthalts-, FreizügG/EU und Asylgesetz › 2. Strafbarkeit gemäß § 96 AufenthG

2. Strafbarkeit gemäß § 96 AufenthG

207

§ 96 Einschleusen von Ausländern

(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einen anderen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet, eine Handlung


1. nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a zu begehen und a) dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt oder b) wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern handelt oder
2. nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2, Abs. 1a oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b oder Nr. 2 zu begehen und dafür einen Vermögensvorteil erhält oder sich versprechen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des Absatzes 1


1. gewerbsmäßig handelt,
2. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, handelt,
3. eine Schusswaffe bei sich führt, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht,
4. eine andere Waffe bei sich führt, um diese bei der Tat zu verwenden, wenn sich die Tat auf eine Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a bezieht, oder
5. den Geschleusten einer das Leben gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder der Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Absatz 2 Nr. 1, 2 und 5 und Absatz 3 sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn


1. sie den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 oder Abs. 2 Nr. 1 bezeichneten Handlungen entsprechen und
2. der Täter einen Ausländer unterstützt, der nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum besitzt.

(5) § 74a des Strafgesetzbuchs ist anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1, auch in Verbindung mit Absatz 4, und des Absatzes 2 Nr. 2 bis 5 ist § 73d des Strafgesetzbuches anzuwenden.

 

a) Allgemeines

208

Die Regelung des § 96 AufenthG wurde durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 eingeführt und durch das Zuwanderungsgesetz verschärft bzw. redaktionell umgestaltet.

209

Anders als bei § 95 AufenthG kann jeder Täter i.S.d. Vorschrift sein;[1] die Norm findet daher auch auf Deutsche und EU-Ausländer Anwendung. Eine Ausnahme gilt lediglich für den begünstigten Ausländer. Dieser ist grundsätzlich notwendiger Teilnehmer, so dass er nur nach § 95 AufenthG bestraft werden kann.[2]

210

Bei § 96 AufenthG handelt es sich um Qualifikationstatbestände, die ein deutlich erhöhtes Strafmaß vorsehen. Im Falle des Abs. 1 droht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe; liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, beträgt das Strafmaß sechs Monate bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe.

Anmerkungen

[1]

Vgl. Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 96 AufenthG Rn. 3 m.w.N.

[2]

Vgl. wie vorherige Fn. Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 96 AufenthG Rn. 3 m.w.N.