Verteidigung von Ausländern

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a) Allgemeines

168

Taugliche Täter i.S.d. § 95 Abs. 1, 2 Nr. 1 AufenthG können nur Ausländer sein, auf die die Vorschriften des AufenthG Anwendung finden;[1] andere Personen können nur als Teilnehmer bestraft werden, weshalb stets zu prüfen ist, ob der Ausländer zu dem in § 1 AufenthG genannten Personenkreis gehört. Zu nennen ist insoweit insbesondere § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG; danach findet das AufenthG keine Anwendung, wenn der Ausländer nach Europäischem Gemeinschaftsrecht Freizügigkeit genießt und durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Eine entsprechende Regelung enthält § 11 FreizügG/EU, welche die Straftatbestände des AufenthG in weiten Teilen für anwendbar erklärt. Ausnahmsweise können auch Deutsche[2] täterschaftlich handeln, § 95 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. AufenthG findet auch auf diese Anwendung. Ändert sich aufgrund des Beitritts zur Europäischen Union der persönliche Anwendungsbereich des betroffenen Ausländers, soll die Rechtslage zum Zeitpunkt der Tatbegehung entscheidend sein; § 2 Abs. 3 StGB findet – so der BGH[3] – insoweit keine Anwendung.

169

Die Verwaltungsakzessorität des Ausländerstrafrechts wirft zudem die Frage auf, ob die Strafbarkeit neben der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes auch die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung – z.B. die Ausreiseverpflichtung – voraussetzt.[4]

Unbestritten bleibt der Verstoß gegen einen nichtigen Verwaltungsakt straflos;[5] umstritten ist jedoch, ob die Strafbarkeit rückwirkend entfällt, wenn der Ausländer im verwaltungsrechtlichen Verfahren obsiegt und der Verfügungsinhalt somit rückwirkend beseitigt wird. Während das OLG Frankfurt[6] den Verstoß gegen rechtswidrige, behördliche Anordnung als straflosen „verwaltungsrechtlichen Ungehorsam“ qualifiziert, geht der BGH in ständiger Rechtsprechung von dessen Strafbarkeit aus; für die Beurteilung der Widerrechtlichkeit sei stets auf die Verhältnisse zum Tatzeitpunkt abzustellen, so dass nachträgliche Änderungen der Rechtslage die Strafbarkeit nicht beseitigen können.[7] Folgt man dieser Ansicht, ist die Rechtswidrigkeit der Verfügung jedenfalls im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.

170

Hinsichtlich § 95 Abs. 5 AufenthG darf auf die obige Darstellung (Rn. 126) verwiesen werden.

171

Hinsichtlich der Anordnung von Verfall ist zu beachten, dass dieser ausschließlich bzgl. solcher Taten angeordnet werden kann, die Gegenstand der tatrichterlichen Feststellungen waren; eine Anwendung der Vorschrift (§ 73 StGB) kommt daher nicht in Betracht, wenn lediglich eine Verurteilung wegen eines ausländerrechtlichen Delikts erfolgt, die Geldmittel jedoch im Rahmen einer illegalen Beschäftigung erlangt worden sind.[8]

Anmerkungen

[1]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 1; a.A. Bergmann/Dienelt-Winkelmannt § 95 AufenthG Rn. 21.

[2]

OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376, 377; Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 1.

[3]

BGH StV 2006, 577 mit ablehnender Anm. Herzog.

[4]

Vgl. auch Rn. 181.

[5]

Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 7 m.w.N.

[6]

OLG Frankfurt StV 1988, 301, 303 m. Anm. Wolf.

[7]

BGHSt 23, 86, 93; BGH NJW 1982, 189; so auch OLG Hamburg NJW 1980, 1007, 1008.

[8]

OLG Frankfurt StV 2002, 308, 309.

b) Die einzelnen Straftatbestände (§ 95 AufenthG)

aa) Aufenthalt ohne Pass- und Ausweisersatz (§ 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG)

172

Nach § 3 Abs. 1 AufenthG muss ein Ausländer, der in das Bundesgebiet einreist oder sich dort aufhält, einen gültigen Pass besitzen.

173

§ 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stellt allein den Aufenthalt ohne Pass und Ausweisersatz unter Strafe; die Einreise ohne Pass(-ersatz) wird dagegen von § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG erfasst.

174

Weitere Voraussetzung ist das Fehlen eines Pass(-ersatzes). Verfügt der Ausländer über einen gültigen Pass, ist bei Verstößen gegen die ausweisrechtlichen Vorschriften des AufenthG lediglich eine Ordnungswidrigkeit gegeben (vgl. § 98 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG). Ebenso entfällt die Strafbarkeit, wenn ein Anspruch auf Ausstellung eines Passersatzes nach § 48 Abs. 2 AufenthG besteht.[1]

175

Der Aufenthalt ohne Pass setzt das Vorliegen eines unerlaubten Aufenthaltes i.S.d. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht voraus, weshalb der Tatbestand auch nach Erteilung einer Duldung erfüllt sein kann, wenn sich der Ausländer beharrlich weigert an einer Passbeschaffung mitzuwirken.[2]

176

Schließlich ist zu beachten, dass die Verwahrung des Passes (§ 50 Abs. 6 AufenthG) oder Abgabe im Rahmen einer Haftverschonung nicht zur Passlosigkeit i.S.d. § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG führt.[3]

Hinweis

Ist dem Ausländer die Beschaffung von Passpapieren unzumutbar, entfällt die Strafbarkeit, so z.B. wenn der Heimatstaat die Ausstellung eines (neuen) Passes verweigert,[4] nicht aber wenn mit der Beschaffung bloße Unannehmlichkeiten verbunden sind, wie z.B. die vorherige Ableistung des Militärdienstes.[5]

Enthält die Anklageschrift keinen Gültigkeitszeitraum einer erteilten Duldung entspricht diese nicht der gemäß § 200 StPO erforderlichen Form.[6]

Anmerkungen

[1]

BVerfG NStZ 2003, 488; OLG Stuttgart NStZ-RR 2011, 28.

[2]

BVerfG NVwZ 2006, 80/81; KG NStZ-RR 2013, 358/359; vgl. auch OLG München NStZ 2006, 529.

[3]

Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 34.

[4]

BayObLG StV 2005, 213, 214; KG StV 2014, 488; OLG Frankfurt StV 2015, 356, 358.

[5]

OLG Celle NStZ 2010, 173; OLG München NStZ-RR 2012, 348, 349.

[6]

OLG Celle StV 2015, 703, 704.

bb) Unerlaubter Aufenthalt (§ 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG)

177

Verbleibt der Ausländer nach seiner Einreise ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet, macht er sich gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar.

Hinweis

Die Rückführungsrichtlinie,[1] welche als europaweit einheitliche Vorschrift den Ablauf eines Rückführungsverfahrens von Drittstaatsangehörigen regelt, kann der Strafbarkeit entgegenstehen. Da die Richtlinie strafrechtliche Sanktionen für die Dauer eines Rückführungsverfahrens ausschließt, bedarf es unstreitig einer europarechtskonformen Auslegung des § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG;[2] unter welchen Voraussetzungen die Strafbarkeit Bestand hat, ist indes umstritten. Während die Rechtsprechung[3] an der Strafbarkeit festhält, wenn der betroffene Ausländer die Rückführung sabotiert, in dem er z.B. Passpapiere vernichtet oder untertaucht, d.h. das Verfahren aufgrund des Verschuldens des Ausländers nicht fortgeführt werden kann, gehen Stimmen im Schrifttum[4] davon aus, dass die Wirkung der Richtlinie erst mit dem tatsächlichen Abschluss des Rückführungsverfahrens, d.h. mit der Aufenthaltsbeendigung oder dem Wegfall der Illegalität endet.

Folgt man der Rechtsprechung gilt es gleichwohl zu beachten, dass das Urteil überprüfbare Angaben zu der Annahme enthalten muss, der Ausländer habe das Rückführungsverfahren vereitelt.[5] Das KG[6] sah sich zu dem Hinweis veranlasst, dass entsprechende Feststellungen in der Regel die Beiziehung der Ausländerakte voraussetzen. Fehlen die notwendigen Feststellungen im Urteil, ist dieses auf die Revision hin aufzuheben.

178

Obwohl die Vorschrift „das Fehlen einer Duldung“ nicht explizit erwähnt, ist dieses Tatbestandsmerkmal in Anlehnung an die frühere Rechtslage (vgl. § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F.) auch weiterhin erforderlich[7].

Hinweis

Wird die Duldung infolge eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem Sachbearbeiter der Ausländerbehörde und dem Antragssteller erteilt, vermag diese nach Ansicht des BGH[8] keine rechtfertigende Wirkung zu entfalten.

179

Die Strafbarkeit entfällt, sofern der Ausländer von der Pflicht zum Besitz eines Aufenthaltstitels befreit ist. Entsprechende Befreiungstatbestände sind u.a. in §§ 15 ff. AufenthV, Art. 1 EU-VisumVO sowie Art. 20 Abs. 1 SDÜ geregelt; danach kann z.B. das Erfordernis eines Aufenthaltstitels bei Kurzaufenthalten von bis zu drei Monaten entfallen (vgl. Art. 1 Abs. 2 EU-VisumVO). Entfällt die Befreiung – z. B. bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (vgl. §§ 2 Abs. 2 AufenthG; 17 Abs. 1 AufenthV)[9] –, wird der Aufenthalt genehmigungspflichtig; der Ausländer macht sich in diesen Fällen jedoch erst strafbar, wenn die Ausreisepflicht (§ 50 AufenthG) vollziehbar ist.[10]

 

180

Greift die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3, 4 AufenthG ein, entfällt die Strafbarkeit;[11] da einer teleologischen Reduktion des seinem Wortlaut nach weitreichenden § 81 Abs. 4 AufenthG – anders als im Verwaltungsrecht – Art. 103 Abs. 2 GG entgegensteht, kann die Fortgeltungsfiktion nicht zum Nachteil des Beschuldigten eingeschränkt werden, so dass diese im Strafverfahren auch dann eingreift, wenn ein Verlängerungsantrag erst nach Ablauf des bestehenden Aufenthaltstitels gestellt wird.[12]

181

Lange umstritten war die Frage, ob ein Verstoß gegen § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vorliegt, wenn der Ausländer den räumlichen Geltungsbereich der ihm erteilten Duldung überschreitet.

Zum Teil wurde dies unter Hinweis auf den beschränkten Geltungsbereich der Duldung (vgl. § 56 Abs. 3 AuslG a.F.) angenommen.[13] Dem war der BGH[14] zu Recht entgegengetreten, da die Strafbarkeit gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG a.F. ihrem Wortlaut nach das gänzliche Fehlen der Duldung voraussetzte, d.h. nicht an die Missachtung von Nebenbestimmungen anknüpfte; durch die Neuregelung des § 95 Abs. 1 Nr. 6a, 7 AufenthG (vgl. dort) ist dieser Meinungsstreit jedoch hinfällig geworden, da nunmehr klargestellt ist, dass der wiederholte Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung gem. § 61 Abs. 1 AufenthG unter Strafe gestellt ist.

182

Unverändert gilt dagegen die alte Rechtslage bzgl. der Frage fort, ob die Strafbarkeit entfällt, sofern ein Aufenthaltstitel oder Duldung hätte erteilt werden können; wurde dies durch die bislang h.M.[15] abgelehnt, ist dem das BVerfG[16] in einer neueren Entscheidung nicht gefolgt.

Komme die Behörde ihrer bestehenden Verpflichtung zur Erteilung der Duldung nicht bzw. verspätet nach, bedeute die strafrechtliche Verurteilung eine Vertiefung der gesetzwidrigen Praxis. Letztlich würde entgegen den Grundsätzen des im Strafrecht geltenden Schuldprinzips die jeweilige Ausländerbehörde über die strafrechtliche Verurteilung entscheiden. Die Strafgerichte seien daher von Amts wegen gehalten, selbständig zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung im Tatzeitraum gegeben waren. Lagen diese Voraussetzungen vor, scheide eine Strafbarkeit aus. Der Ausländer bleibt jedoch strafbar, wenn die Ursache der Untätigkeit allein in seinen Verantwortungsbereich fällt, weil er z.B. abgetaucht ist oder den Kontakt zur Ausländerbehörde meidet.[17]

Hinweis

Da sowohl § 95 I Nr. 2 AufenthG als auch § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG das Fehlen einer Duldung voraussetzt, ist die vorgenannte Rechtsprechung des BVerfG – nach Ansicht des OLG Frankfurt[18] – auch auf diese Tatbestände zu übertragen.

Befindet sich der Ausländer in Haft, liegt es nach Ansicht der Rechtsprechung „äußerst nahe“ das die Ausländerbehörde hiervon Kenntnis erhält, d.h. ihrer Verpflichtung zur Erteilung der Duldung schuldhaft nicht nachgekommen ist, weshalb sich das Urteil hierzu erklären muss.[19]

183

Macht der Ausländer unwiderlegt geltend, dass ihm im Falle der Rückkehr in sein Heimatland erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohe, kann der unerlaubte Aufenthalt gemäß § 34 StGB gerechtfertigt sein.[20]

Hinweis

Nach Ansicht des LG Hamburg[21] kann der Strafbarkeit Art. 6 GG als „ungeschriebener Strafausschließungsgrund“ entgegenstehen, wenn der Ausländer illegal nach Deutschland einreist oder sich illegal im Bundesgebiet aufhält, um die elterliche Sorge betreffend seiner Kinder auszuüben.

184

Ist der Ausländer weder im Besitz eines Aufenthaltstitels noch einer Duldung, entfällt gleichwohl die Strafbarkeit gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, wenn die Ausländerbehörde im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zugesichert hat, die Abschiebung bis zur Entscheidung des Gerichts auszusetzen; aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes folgt, dass dieser nicht durch Strafdrohungen unterlaufen werden darf, so dass § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Fall einer behördlichen Zusicherung verfassungskonform, d.h. einschränkend auszulegen ist.[22]

185

Die früher vorherrschende Rechtsprechung[23], wonach eine strafbare Beihilfe zum illegalen Aufenthalt regelmäßig dann nicht vorliegen soll, wenn der Täter zur Fortsetzung des illegalen Verbleibs fest entschlossen ist, hat jüngst eine erhebliche Einschränkung erfahren; eine strafbare Beihilfe soll danach bereits dann vorliegen, wenn die gewährte Hilfe – z.B. Gewährung von Unterkunft und Verpflegung – die Haupttat, sprich den unerlaubten Aufenthalt, fördert.[24] Wird mit dem Handeln allein die Herstellung einer Lebensgemeinschaft bezweckt, ist nach zutreffender Ansicht eine Beihilfestrafbarkeit nicht gegeben.[25]

186

Im Fall der Verurteilung muss aus dem Urteil ersichtlich sein, wie lange sich der Angeklagte unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten hat; andernfalls unterliegt das Urteil mangels ausreichend festgestelltem Schuldumfang der Aufhebung.[26]

Anmerkungen

[1]

RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABlEU Nr. L 348 v. 24.12.2008, S. 98.

[2]

Ausführlich MK-Gericke § 95 Rn. 29 ff.

[3]

OLG Hamburg NStZ-RR 2012, 219/220; KG NStZ-RR 2012, 347/348.

[4]

Hörich/Bergmann NJW 2012, 3339, 3340; kritisch auch Kretschmer NStZ 2013, 570, 571/572.

[5]

KG NStZ-RR 2012, 347, 348.

[6]

S. KG NStZ-RR 2012, 347, 348.

[7]

Vgl. Bergmann/Dienelt-Winkelmann § 95 AufenthG Rn. 46.

[8]

BGH NJW 2016, 419, 420.

[9]

Vgl. zur Frage der Erwerbstätigkeit im internationalen Speditionsverkehr BayObLG NStZ-RR 2002, 342 f.; BayObLG NStZ-RR 2004, 181 f.

[10]

GK-AufenthG-Mosbacher § 95 AufenthG Rn. 53.

[11]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 1.

[12]

OLG Nürnberg StV 2013, 311/312.

[13]

BayObLG MDR 1995, 627.

[14]

BGH NStZ 1997, 444/445 m. Anm. Lutz; so nun auch BVerfG StV 2002, 300 f.

[15]

KG StV 1999, 95, 96; KG NStZ-RR 2002, 220/221; vgl. auch GK-AufenthG-Mosbacher § 95 AufenthG Rn. 69 ff.; a.A. AG Tiergarten StV 1999, 260, 261.

[16]

BVerfG DVBl. 2003, 662, 664; so nun auch LG Freiburg StV 2005, 28/29; vgl. aber auch BGH StV 2005, 24, 25, wonach eine Strafbarkeit gegeben ist, sofern der Ausländer untertaucht und aus diesem Grunde eine Duldung nicht erteilt werden kann.

[17]

BGH StV 2005, 24, 25; OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 257, 258.

[18]

OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 307; OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 308; OLG Frankfurt NStZ-RR 2009, 257, 258.

[19]

OLG Frankfurt StraFo 2014, 169, 170/171.

[20]

Vgl. BayObLG NStZ 1996, 395, 396; OLG Frankfurt StV 1988, 301, 302; a.A. Abramenko NStZ 2001, 71 ff.

[21]

LG Hamburg StV 2010, 253/254; a.A. Gericke NStZ-RR 2010, 331, 332.

[22]

Vgl. VerfGH Berlin NStZ-RR 2003, 181 ff.

[23]

Vgl. BayObLG NJW 2002, 1663 f.; OLG Düsseldorf StV 2002, 312; a.A. OLG Köln NStZ-RR 2003, 184, 185; zur Straflosigkeit des Konzessionsinhabers einer Gaststätte bei illegalem Aufenthalt von Ausländern vgl. auch OLG Oldenburg StV 2005, 26, 27.

[24]

BGH NStZ-RR 2006, 86, 87; BGH StV 2010, 247, 248; offengelassen OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2005, 184, 186; vgl. auch KG StV 2006, 585, das die Gewährung von Verpflegung und Unterkunft nur dann als ausreichend erachtet, wenn dies den Haupttäter in seinem Tatentschluss bestärkt und ihm ein „erhöhtes Gefühl der Sicherheit“ vermittelt.

[25]

LG Landshut NStZ-RR 2009, 61.

[26]

BayObLG wistra 2002, 438, 439 m.w.N.

cc) Unerlaubte Einreise (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG)

187

Reist ein Ausländer ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel[1] oder den erforderlichen Pass – entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1, 2 AufenthG – in das Bundesgebiet ein, erfüllt er bereits mit dem Überschreiten der Hoheitsgrenze den Tatbestand der unerlaubten Einreise; sind die Kontrollstellen von Grenzschutz und Zoll räumlich getrennt, sind sie insgesamt als „Grenzübergangsstelle“ anzusehen, so dass die Einreise erst vollendet ist, wenn der Einreisende die letzte Kontrollstelle passiert hat.[2]

Hinweis

Reist ein Asylbewerber ohne die erforderlichen Dokumente ein, kann der Strafbarkeit § 13 Abs. 3 AsylG entgegenstehen. Die Straffreiheit tritt selbst dann ein, wenn der Asylbewerber aus einem sicheren Drittland einreist, sofern er dieses lediglich als Durchgangsland nutzt, ohne schuldhaftes Zögern verlässt und keine Schleuserdienste zur Umgehung der Grenzkontrollen in Anspruch genommen hat.[3]

188

Ob ein Fall der unerlaubten Einreise vorliegt, wenn der Ausländer zwar im Besitz des erforderlichen Visums (sog. Negativstaater) ist, aber bereits im Zeitpunkt der Einreise die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beabsichtigt und damit das Visum der Zustimmung der Ausländerbehörde bedurft hätte (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV),war bis zur Einführung von Abs. 6 heftig umstritten.[4] Da die Regelung des Abs. 6 nunmehr ein Handeln unter Verwendung des unlauter erlangten Titels einem Handeln ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel gleichstellt, wird der frühere Meinungsstreit als überholt angesehen; der erschlichene Titel vermag nach nun h.M.[5] den Aufenthalt des Negativstaaters nicht zu legalisieren, weshalb eine Strafbarkeit gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AufenthG gegeben sei.[6]

Anmerkungen

[1]

 

Zur Strafbarkeit nach Erlöschen der Duldung durch Ausreise und anschließender Wiedereinreise vgl. BayObLG NStZ-RR 2005, 20.

[2]

OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 280, 281 m.w.N.

[3]

OLG Düsseldorf StV 2009, 138.

[4]

Zum früheren Streitstand vgl. VGH Kassel NVwZ-RR 1993, 213; OVG Münster InfAuslR 1991, 232; OVG Münster NVwZ-RR 2001, 538, 539; OVG Schleswig InfAuslR 1992, 125; VGH Mannheim InfAuslR 1993, 14; BGH NStZ-RR 2006, 86/87;BGH NStZ 2000, 657, 658 ff. m. Anm. Lauer; OLG Celle StV 2015, 360.

[5]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 11a; MK-Gericke § 95 Rn. 50 jeweils m.w.N.

[6]

Erbs/Kohlhaas-Senge § 95 AufenthG Rn. 11a.

dd) Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Auflage oder Anordnung (§ 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG)

189

Wird der Aufenthaltstitel oder die Duldung mit einer Auflage versehen, die die politische Betätigung einschränkt oder verbietet, macht sich der Ausländer im Falle des Verstoßes gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG strafbar; in gleicher Weise ist der Tatbestand erfüllt, wenn der Ausländer einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 AufenthG – Ausreiseverbot – zuwiderhandelt.

190

In beiden Fällen setzt die Strafbarkeit das Vorliegen einer vollziehbaren Auflage bzw. Anordnung[1] voraus. Wird die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels abgelehnt, haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung (§ 84 Abs. 1 AufenthG), weshalb die Vollziehbarkeit in diesen Fällen sofort gegeben ist; in den übrigen Fällen ist die Vollziehbarkeit nur gegeben, wenn der Ausländer keine Rechtsmittel einlegt, der Rechtsweg erschöpft ist oder die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergeht.

Wird dem Ausländer die Ausreise untersagt (vgl. § 46 Abs. 2 AufenthG), macht er sich bei Verlassen des Bundesgebietes ebenfalls gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG strafbar, wenn das Ausreiseverbot vollziehbar ist.