Das Prinzip .garage

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Das Prinzip .garage
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Das Prinzip .garage
10+1 spannende Gründergeschichten
Jeannette Hagen
Thomas Mampel


Impressum

© 2013 Jeannette Hagen / Thomas Mampel

Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-7431-8

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Vorworte

0 Warum dieses Buch?

1 Der Regelbrecher

2 Mein einziger Kollege bin ich selbst – arbeiten als Freelancer

3 Spezialistin mit Alleinstellungsmerkmal

4 Unternehmerpersönlichkeit und Gründer-Gen

5 Wenn Frauen gründen

6 Es war einmal...

7 Neue Finanzierungswege mit Crowdfunding: Der Schwarm macht’s möglich

8 Vom Fachmann zum Unternehmer

9 Drei Persönlichkeiten – ein Team

10 Gründung in einem sich wandelnden Markt

10 + 1 Der Social Entrepreneur

Nachwort

Die Autoren

Vorworte

Hajo Winkler – Serial Entrepreneur und Gründer der .garage

Dr. Andreas Lutz – Autor, Mr. Gründungszuschuss und Vorstandvorsitzender des VGSD e.V. (Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland)

Eine wunderbare Sache liegt vor Ihnen: das erste .garage-eBook!

Bestimmt haben Sie Fragen zu Ihrem Gründungsprozess und genau das ist es, worum es in diesen Buch geht: praxisnahe Informationen, die Ihnen helfen, mit weniger Risiko Ihre Gründung vorzubereiten und erfolgreich durchzuziehen.

Seit 1998 ist das System .garage in Deutschland am Start und über 2.500 Menschen haben in den Inkubatoren ihre Start-ups vorbereitet. Anders als damals ist es heute ein sachverständlicher Gedanke, alternativ seine berufliche Zukunft in der Gründung einer eigenen Firma zu suchen. Die Beratungsangebote dazu sind vielfältig, über Seminare und Coachings können Sie sich kundig machen über das, was auf sie zukommt.

Aber am Ende ist es immer eine sehr persönliche Entscheidung, ob Sie diesen Weg gehen wollen. Und genau dabei wird Sie dieses Buch mit den erlebten Geschichten und Erfahrungen seiner Protagonisten unterstützen.

Die Autoren haben wichtige Gründungsthemen unprätentiös, persönlich und für den echten Gründer-Alltag aufbereitet. Vielen Dank an Jeannette Hagen und Thomas Mampel, dass Sie damit der .garage-Idee eine neue Stimme gegeben haben.

Wir alle kennen die Kraft und den Charme von Nano Unternehmen. Die wenigsten unserer .garage-Gründerinnen und Gründer wollen von Anfang an mit Angestellten und großen Kreditsummen starten. Sie setzen auf gut gepflegte Netzwerke und darauf, was die amerikanischen Kollegen Rapid Bootstrapping nennen – ein Prozess, bei dem Gründer auf externe Hilfe verzichten und eigenständig finanziert ein Unternehmen aufbauen.

Vielen Dank an dieser Stelle an alle Gründerinnen und Gründer, die wir in den vergangenen Jahren und aktuell in dieser spannenden Zeit begleiten durften und dürfen.

Ihr habt uns die Erfahrung möglich gemacht und Ihr seid neben den interviewten Unternehmern und Unternehmerinnen die Co-Autoren dieses Buches.

Nicht zuletzt geht ein herzlicher Gruß an alle Sponsoren, Wissenschaftler und Mitstreiter, die in den letzten zwölf Jahren zur Entwicklung des Systems .garage beigetragen haben. Vielen Dank für die Unterstützung und Inspiration - diese wollen wir mit diesem eBook, dem Auftakt zu einer geplanten Buchreihe, weitergeben!

Immer eine Handbreit Umsatz unterm Kiel wünscht

Hajo Winkler

Dieses Buch will Mut machen zur Selbständigkeit. Lust darauf, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen und Vertrauen schaffen in die eigenen Fähigkeiten und Talente. Dazu erzählen Jeannette Hagen und Thomas Mampel die Geschichten von zehn Existenzgründern, die sich mithilfe der .garage berlin, .garage dortmund oder .garage hamburg selbständig gemacht haben. Es könnten auch meine oder Ihre Geschichten sein. Dazu gibt es ein elftes Kapitel, das die Besonderheiten von Gründungen im sozialen Bereich beleuchtet.

Die große Mehrzahl der in Deutschland gegründeten Unternehmen sind keine Internet-Start-ups, beschäftigen nicht nach wenigen Monaten schon eine große Zahl von Mitarbeitern und erfordern auch gar keine gewaltigen Investitionen.

Zum allergrößten Teil sind es Einzelunternehmer und kleine Teams, die zunächst einmal einen Arbeitsplatz für sich selbst schaffen wollen und dann im weiteren Verlauf, vielleicht, auch für weitere Mitarbeiter. Es geht hier also nicht um vom Glück begünstigte Unternehmer, die ihren in diesem Ausmaß mehr oder minder zufälligen Erfolg nachträglich durch ihre Persönlichkeitseigenschaften oder einzelne riskante Entscheidungen zu erklären versuchen. Von solchen Success Stories kann man in Wahrheit wenig lernen.

Sehr viel mehr lernen kann man von ganz normalen Menschen. Von denen, die den Unternehmer in sich – oft während einer Phase der Arbeitslosigkeit – erst entdecken, die ihre zunächst nicht selten recht blauäugigen Geschäftsideen in Gesprächen mit Beratern und potenziellen Kunden zurecht schleifen, die sich die Finanzierung durch einen Kredit erst erkämpfen oder ihre Aversion gegen die für Unternehmer alltägliche Bürokratie überwinden müssen. Auch wenn die Selbständigkeit nicht in allen Fällen erfolgreich ist – die allermeisten Gründer entdecken im Verlauf dieses Prozesses ungeahnte Kräfte in sich, entwickeln ein ganz neues Selbstbewusstsein, Fachwissen und Vertrauen in die eigene Urteilskraft.

Hinter jedem Unternehmen beziehungsweise Produkt stehen Menschen, die den Mut hatten, neue Wege zu gehen und die sich dabei auch selbst weiterentwickelt haben. Haben auch Sie diesen Mut?

Dr. Andreas Lutz

0 Warum dieses Buch?

Jeannette Hagen – freiberufliche Autorin, Journalistin, Bloggerin

Thomas Mampel – Geschäftsführer des Vereins Stadteilzentrum Steglitz, Geschäftsführender Gesellschafter der .garage berlin GmbH, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Genossenschaft youth collaboration eG., Mitglied des Vorstandes des Vereins Computerbildung e.V.

Noch ein Gründungsbuch? Wozu? Weiß nicht mittlerweile jeder, wie man ein Unternehmen auf die Beine stellt? Kann man sich nicht irgendwo im Internet einfach einen Businessplan herunterladen und dann loslegen? Oder muss man überhaupt einen schreiben? Hat nicht der Bekannte einer Kollegin neulich erzählt, dass er einfach an den Markt gegangen und mittlerweile sogar erfolgreich ist?

Noch während der Planung zu diesem Buch, die im Februar 2013 begann, veröffentlichte die Kreditanstalt für Wiederaufbau, kurz: KfW, in einer Pressemitteilung die folgende Nachricht:

 schon 60.000 weniger Gründer im Vergleich zum Vorjahr

 Gute Arbeitsmarktsituation schmälert Gründungsaktivität

 Zahl der durch Gründer geschaffenen Arbeitsplätze auf Rekordtief

Irgendwo zwischen all den Fragen, die sich bei diesen Fakten auftun, den Gründungsboom-Euphorie-Wellen, die wiederkehrend durch die Medien schwappen und den Hiobsbotschaften über den Niedergang der Gründerkultur in Deutschland, liegt die Wahrheit über die Situation von Gründern in Deutschland.

Sie wird in diesem Buch auf einer sehr persönlichen Ebene von Menschen erzählt, die den Schritt gewagt haben, vermeintliche Sicherheiten hinter sich zu lassen, persönliche Grenzen zu überschreiten, Marktregeln zu brechen und ihren Visionen ein Gesicht zu geben.

Die Buchläden mögen voller Ratgeber sein, die exzellent beschreiben, welche Überlegungen notwendig sind, wenn man erfolgreich gründen will. Eines beachten sie jedoch nicht oder zu wenig: Jeder Gründer, jede Gründung ist anders. Vielleicht lässt es sich am besten mit einem Beispiel aus der Medizin vergleichen. Wenn elf Patienten mit einer Erkältung im Behandlungsraum sitzen, dann wird ein aufmerksamer und guter Arzt mit Sicherheit nicht allen dieselben Medikamente verabreichen. Und so erzählen hier elf Gründer von elf unterschiedlichen Wegen, die sie gegangen sind und die in der Summe eines unterstreichen:

 

Es lässt sich nicht jedem Gründer pauschal raten, dass er unbedingt einen Businessplan braucht. Trotzdem ist er als Grundlage für bestimmte Prozesse unerlässlich. Nicht jedem ist mit einer umfangreichen theoretischen Marktanalyse geholfen, vielleicht muss der Gründer stattdessen ins kalte Wasser springen, um dort nach verwertbaren Informationen zu angeln.

Natürlich gibt es allgemeine Ratschläge, die man beherzigen sollte. In diesem Buch werden sie nicht theoretisch behandelt, sondern kommen von Gründern, die das Auf und Ab, all die Stolpersteine, Freudensprünge und Adrenalinschübe bereits durchlebt haben.

Wir denken, dass das glaubhafter und motivierender ist. Und es entspricht dem „Prinzip .garage“, das in allen Standorten in Deutschland angewandt wird – Menschen individuell zu begleiten. Ein Prinzip, das sich an vielen Stellen in den Interviews widerspiegelt. Wir haben es nicht immer explizit gekennzeichnet, aber Strategien, wie man in einen Markt eintritt, Möglichkeiten, die man als Gründer nutzen kann, um auf sich aufmerksam zu machen, Eigenschaften, die man als Unternehmer entwickeln sollte – all das werden Sie in den Aussagen der Gründer und Gründerinnen entdecken, um es dann modifiziert auf den eigenen Weg zu übertragen.

Wichtig ist uns darüber hinaus, den vielen Gründerinnen und Gründern, die nicht gleich das riesige Start-up gründen und damit durch die Medien gereicht werden, sondern eher klein anfangen, eine Stimme zu geben. Klein- und Kleinstgründungen bilden eine Wirtschaftskraft, die unserer Ansicht nach gründlich unterschätzt wird. Jeder, der in die Selbstständigkeit geht, ob als Freelancer, Einzelunternehmer oder Freiberufler sorgt letztendlich für seinen eigenen Arbeitsplatz. Wächst das Unternehmen, werden weitere Arbeitsplätze geschaffen. Hinzu kommt die persönliche Reifung, die jeder erfährt, der diesen Schritt wagt. Ein Punkt, den uns alle Gründerinnen und Gründer in ihren Interviews bestätigt haben.

All das sind Gründe, die unserer Ansicht nach dafür sprachen, dieses Buch auf den Markt zu bringen. Weil es von den Menschen, die hinter den Produkten, Geschäften und Dienstleistungen stehen, erzählt und von diesen mit erzählt wird.

Wir machen es uns im Alltag selten bewusst – aber schauen Sie sich um! Hinter allem, was Sie umgibt, steckt eine Idee. Hinter allem, was Sie tagtäglich benutzen, steht ein Mensch, der irgendwann mal Nägel mit Köpfen gemacht hat, weil er vielleicht die Welt verbessern, den Alltag erleichtern, etwas ausprobieren oder sich selbst verwirklichen wollte.

Wir brauchen solche Menschen. Wir brauchen Macher. Wir brauchen Unternehmer. Vielleicht steckt in Ihnen auch einer und es fehlt nur noch der letzte Anstoß, damit Sie sich aufraffen und den Traum von der Selbstständigkeit leben.

Natürlich sind die Zeiten schwer. Das waren sie schon immer und werden es wohl auch immer sein. Denken Sie an all jene, die tagtäglich die Ärmel hochkrempeln. Denken Sie an Menschen, die unter den widrigsten Umständen Großes geschaffen haben.

Sie müssen nicht vorhaben, ein global agierendes Unternehmen zu gründen, aber vielleicht kommt am Ende eines dabei heraus. Vielleicht arbeiten Sie ein Leben lang als Freelancer und sind trotzdem Unternehmer. Vielleicht nutzen Sie die Selbstständigkeit aber auch als Sprungbrett für einen anderen Weg, so wie es den Gründern von ricepipes ergangen ist. Wissen können Sie es erst dann, wenn Sie es selbst ausprobiert haben. Denn wie sagte schon Johann Wolfgang Goethe: „Erfolg hat drei Buchstaben: T U N“.

Und so geht es in diesem Buch vorrangig um das Tun – das MACHEN. Denn das ist es, was einen Unternehmer – egal ob Freelancer, Social Entrepreneur, Teamplayer, Freiberufler oder Geschäftsinhaber – erst zu einem Unternehmer macht.

In diesem Sinne. MACHEN Sie! Starten Sie! Legen Sie los und lassen Sie sich inspirieren von dem, was Ihnen die Gründer erzählen, die wir für dieses Buch interviewt haben.

Noch ein Hinweis. Manche Interviews haben wir gemeinsam, andere allein geführt. So passiert es, dass wir in den einzelnen Kapiteln einige Hinweise als Person, andere als Autorenteam in der Wir-Form geben.

Wir wünschen Ihnen viel Freude mit der Lektüre und wir wünschen uns, dass dieses Buch Sie inspiriert, Ihnen den letzten Kick gibt oder Sie dahin bringt, die eigene berufliche Selbstständigkeit als Option in Ihren Fokus zu nehmen.

1 Der Regelbrecher

Sascha Merdanovic – Höflich Schokolade

„Es hätte nicht Schokolade sein müssen!“ „Nicht?“ hake ich nach. „Du verkaufst doch aber Schokolade. Steht und fällt der Erfolg als Unternehmer nicht damit, ob und wie stark man hinter seinem Produkt steht? Es also mit Leidenschaft kreiert und an den Markt bringt?“ Sascha Merdanovic überlegt, dann schüttelt er den Kopf. Mit einem unumstößlichen „Nein“ bekräftigt er seine Ansicht noch einmal, während er die Tasse mit dem Cappuccino vor sich abstellt. Über eine Stunde sitzen wir zusammen. Sascha erzählt mir seinen Werdegang, erzählt von seinen Ideen und davon, wie er sie umgesetzt hat. Am Ende des Gespräches weiß ich: Vor mir sitzt ein Rulebreaker. Ein Regelbrecher, der Branchen leidenschaftlich aufmischen und sie verändern kann. Einer, der sich weniger um Marktregeln schert, als vielmehr einfach handelt, ausprobiert und seine eigenen Erfahrungen schafft.

In ihrem Buch „Rulebreaker“ schreiben Sven Gábor Jánszky und Stefan A. Jenzowsky: „Rulebreaker gestalten unsere Welt neu. Auch sie stoßen auf Probleme, scheitern, verzweifeln, aber: Sie stehen wieder auf und machen weiter.“ (Rulebreaker – Wie Menschen denken, deren Ideen die Welt verändern, Goldegg Verlag 2010).

Denken Sie an all die innovativen Produkte dieser Welt. Und denken Sie daran, was man den Rulebreakern gesagt hat, als sie ihre Ideen mit ihrem Umfeld teilten. „Das schaffst Du nicht!“, „Das braucht kein Mensch!“, „Das ist doch verrückt!“ oder „Das sind alles Hirngespinste!“ warf man ihnen entgegen. Hätten die Regelbrecher auf diese entmutigenden Worte gehört, gäbe es heute keine Autos, keine Flugzeuge, keine Smartphones und – um mal ein weniger technisches Beispiel zu nennen – keine Post it-Haftzettel. Natürlich sind Knusperpralinen keine weltverändernde Innovation, doch ist es Sascha gelungen, mit diesem Produkt in einen Markt einzutreten, den jeder, von außen betrachtet, als satt oder dicht bezeichnen würde.

Stellen Sie sich die großen Supermarktregale voller süßer Köstlichkeiten vor. Würde Ihnen ein neues Produkt sofort ins Auge stechen? Vor allem dann, wenn es nicht schon vorher wochen- oder monatelang durch aufwendige und teure Produktwerbung in ihren Wahrnehmungsfokus gerückt worden wäre? Sicher nicht. Und gehen wir in der Kette noch einen Schritt weiter zurück. Würden Sie – angenommen, Sie sind Lebensmittelhändler, ein Produkt in Ihr Sortiment aufnehmen, das weder Sie noch Ihre Kunden kennen? Wahrscheinlich nicht.

Alles in allem keine günstigen Voraussetzungen für einen Newcomer im Schokoladenregal. Und trotzdem steht die Höflich Schokolade heute bei Reichelt, bei Edeka und in vielen Souvenirgeschäften, Museumsshops, speziellen Schokoladengeschäften oder in der Galeria Kaufhof am Alexanderplatz, um nur einige zu nennen. Sie wird in einer ungewöhnlichen Verpackung, mit einem auffälligen Design und in manchen Märkten sogar mit einem separaten Aufsteller präsentiert, sodass jeder Kunden sieht: Hier gibt es ein neues Produkt.

Und so lehrt uns diese Gründung nicht nur etwas über die Kunst des Regelbrechens, sondern sie zeigt uns auch, was einen Unternehmer auszeichnet, der es schafft, Klippen zu nehmen, an die sich andere nicht heranwagen. Denn jeder Gründer muss Antworten auf die Fragen finden: „Verfüge ich über das, was man Unternehmerkompetenz nennt?“, „Und wie sieht die überhaupt aus? Reicht es nicht, ein tolles, hochwertiges Produkt zu haben, von dem man ausreichend überzeugt ist? Den Rest kann man doch delegieren, oder?“

Mit dieser Annahme sitzt man prompt in der ersten Falle, denn auch delegieren will gelernt sein und wer bisher als Angestellter anfallende Arbeiten auf Zuruf erledigt hat, dem ist das Abgeben sicher nicht in die Wiege gelegt.

Was einen erfolgreichen Unternehmer auszeichnet, lässt sich unserer Ansicht nach nicht pauschalisieren, denn es ist von der jeweiligen individuellen Gründungssituation abhängig. Es gibt jedoch ein paar Merkmale, die erfolgreiche Unternehmer verbinden.

Auf einen wichtigen Punkt stoßen wir in fast allen Gründergeschichten, die wir für dieses Buch beleuchtet haben. Es ist die „MACHER-Mentalität“. Diese zeichnet sich durch ergebnisorientiertes Handeln aus, das überlegt ist, ohne den Zweifeln und Ängsten zu viel Raum zu geben. Nach dem Motto: „Ja es gibt sicher Probleme, aber die lösen wir und wenn wir sie nicht lösen können, dann suchen wir uns jemanden, der das für uns erledigt.“ Das ist eine komplett andere Herangehensweise als: „Bevor wir das oder das tun können, gilt es erst einmal, die möglichen Probleme zu analysieren.“

Ein Macher weiß, dass sich manches auf dem Weg von selbst erledigt. Dass sich Antworten oft erst dann finden lassen, wenn man begonnen hat. Dass mit den Antworten die Erfahrungen kommen, die den Zug ins Rollen bringen.

Um so agieren zu können, braucht man ein gewisses Grundvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in die seiner Mitarbeiter, aber auch grundsätzlich in das Leben. Das bringt uns gleich zum nächsten Merkmal eines Machers – eine angemessene Risikobereitschaft. Natürlich kann immer etwas passieren, etwas anders laufen, als geplant. Die Frage ist, wie man damit umgeht.

Sascha, wie hast du es geschafft, in einen Markt einzudringen, der doch eigentlich schon unter den Großen der Branche aufgeteilt ist?

Das Ganze hat so schnell eine eigene Dynamik bekommen, dass ich rückblickend selbst manchmal gar nicht mehr sagen kann, wie es alles möglich war. Im gesamten Entstehungsprozess bis zum jetzigen Zeitpunkt gab es wirklich sehr viele Zufälle, die mich und mein Unternehmen vorangebracht haben. Ehrlich gesagt, habe ich mir im Vorfeld über wenig Gedanken gemacht. Und vielleicht war das der Schlüssel.

Du meinst, wie bei dem bekannten Spruch: „Alle sagten, es geht nicht und dann kam einer, der wusste nichts davon und hat es einfach gemacht.“?

Ja, so in etwa. Es wäre vielleicht alles viel schwieriger gewesen, wenn wir gesagt hätten: „So, wir wollen ein Schokoladenprodukt herstellen und damit wollen wir in einen Supermarkt und wir wollen in dem und dem Regal einen Platz haben!“ Wenn wir so rangegangen wären und uns damit lange auseinandergesetzt hätten, dann wären wir vielleicht genau zu dem Ergebnis gekommen zu sagen: „Wahnsinn! Das machen wir lieber doch nicht, weil es eigentlich unmöglich und überhaupt kein Platz im Regal frei ist.“

Aber durch die auffällige Dose, in der die Schokolade ist, durch diesen speziellen Souvenir-Charakter, war der Einstieg fast problemlos. So etwas gab es eben noch nicht. Ich bin mit dem Muster in den ersten Laden hineingegangen, habe dem Einkäufer das Produkt vorgestellt und er hat sofort bestellt. Ich dachte noch, dass das jetzt ein Einzelfall war oder purer Zufall. Dann bin ich in den nächsten Laden hineingegangen und die haben auch bestellt. Und spätestens da habe ich gedacht, na wenn das jetzt so weitergeht, dann kann es vielleicht wirklich funktionieren. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war überhaupt noch nicht klar und zu Ende gedacht, in welche Richtung sich das alles bewegt.

Erzähl uns bitte von den Anfängen. Wie bist du darauf gekommen, Schokolade in Souvenirdosen mit Stadtschloss-Motiv zu verkaufen? Bist du Chocolatier oder Konditor?

Nein. Ursprünglich bin ich Schauspieler.

Das ist ja etwas ganz anderes.

Ja, aber die Schauspielerei ist ein Metier, in dem man frühzeitig lernt, wie man sich von der Konkurrenz abheben muss, um nicht unterzugehen. Die Dozenten haben immer gesagt: „Alles ist deine Entscheidung! Egal was du tust, es ist deine Entscheidung. Ob du morgens hier erscheinst, deine Entscheidung. Und wenn du im Bett liegen bleibst, auch deine Entscheidung. Erzähl mir also nicht, warum du erst jetzt kommst.“

Der Ball wurde immer sofort wieder zurückgespielt und man war von Beginn an gezwungen, die volle Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Die Tür war um 9:00 Uhr zu und dann konnte man dem Unterricht von oben von der Tribüne folgen. Die Ausbildung zum Schauspieler ist extrem hart. Wenn also die eigene Motivation und der Wunsch das durchzuziehen nicht groß genug sind, fällt man ziemlich schnell durchs Raster und wird aussortiert. Ich habe in dieser Zeit vieles gelernt, das mir heute zugute kommt. Aber ich habe auch schnell gelernt, dass diese Branche und dieses ewige Klinkenputzen nicht meins sind. Bevor man überhaupt erst einmal dazu kommt zu spielen, hat man Tausend andere Sachen zu tun, um an das Engagement heranzukommen. Und das habe ich, bis ich 30 Jahre alt war, auch gemacht. Dann kam allerdings der Punkt, an dem ich gesehen habe, dass es um mich herum so viele Schauspieler gibt, die auch mit 40 oder 50 Jahren nebenher noch alle möglichen anderen Jobs machen müssen, um zu überleben. Die Aussicht hat mir nicht gefallen. Ich konnte ja auch nicht ehrlich heraus sagen: Ich bin Schauspieler. Ja, ab und an war ich das, aber hauptsächlich musste ich mit irgendwelchen Brotjobs mein Leben finanzieren.

 

Und dann kam die Idee mit der Schokolade?

Zunächst ging es in eine andere Richtung. Ich absolvierte eine Ausbildung zum Fitnessfachwirt. Das hat mich interessiert, zumal ich schon nebenher auf 400 Euro Basis in einem Club arbeitete. Damals gab es ja diesen Umbruch, bei dem sich ehemalige Mucki-Buden, in denen schwitzende Männer Hanteln stemmten, in Fitnessclubs verwandelten. Plötzlich war das Wort Wellness in aller Munde und es ging nicht mehr darum, den Kunden nur einen Raum und Hanteln zur Verfügung zu stellen, sondern darum ein Lifestyle Gefühl und ein bestimmtes Image zu verkaufen. Also war es der Job eines Fitnessfachwirtes, sich diesem Wandel zu stellen, das Marketing zu ändern, die Kurse zu ändern und alles diesem neuen Trend anzupassen. Das fand ich extrem spannend und so habe ich mich für den Managementbereich einer großen Fitnesskette, die sich in Deutschland etablieren wollte, beworben. Und auch das war, genau wie die Schauspielerei, eine sehr wertvolle Zeit, denn dort habe ich viel über Führungskompetenz gelernt. Ich habe eine Weiterbildung in diesem Bereich absolviert, an diversen Seminaren teilgenommen und Fachliteratur verschlungen. Ich wollte nicht nur wissen, wie man ein bestimmtes Produkt etabliert, sondern wie man Mitarbeiter motiviert und Teams zusammenstellt. Und während ich mich darin vergraben habe, ist mir klar geworden, wie sehr mich das eigentlich interessiert und auch schon immer interessiert hat. Also im Grunde war die Fitnessbranche für mich am Ende Mittel zum Zweck. Es ging mir viel mehr darum, ein Team zu leiten, Mitarbeiter zu führen, eine Struktur aufzubauen, Wertigkeiten zu vermitteln und zu verstehen, wie man gute Teams aufbaut. Dass es zum Beispiel gar nichts bringt, wenn alle im Team die gleichen Stärken haben, sondern dass man Gegensätze zusammenbringen muss.

Und im Rahmen dieser Auseinandersetzung tauchte plötzlich die Frage auf, was ich denn wäre oder was ich tun würde, wenn ich noch einmal ganz von vorn anfangen könnte. Die Antwort war, ich hätte gern Psychologie studiert. Aber ich hatte zu diesem Zeitpunkt meinen 37. Geburtstag schon gefeiert, und da fängt man nicht noch einmal ganz von vorn an. Jedenfalls musste ich mir eingestehen, dass ich die Energie dazu nicht mehr aufbringen wollte. Aber die Veränderung kam trotzdem, denn die Fitnesskette, für die ich gearbeitet habe, ging in die Insolvenz und der Club wurde geschlossen. Zunächst habe ich mich noch in einem Konkurrenzclub beworben. Dort habe ich allerdings für mich keine adäquate Stelle gefunden, jedenfalls keine, die eine neue Herausforderung bedeutet hätte. Und dann hat meine Arbeitsvermittlerin irgendwann zu mir gesagt: „Herr Merdanovic, machen Sie sich doch selbstständig.“ „Womit denn?“ habe ich sie gefragt. Selbstständigkeit oder ein eigenes Unternehmen zu leiten – das war für mich so weit weg. Ich habe mich in meinem Bekanntenkreis umgehört und viel Negatives gehört, was mich abgeschreckt hat. Argumente wie: Du musst Dich um alles selbst kümmern. Oder allein das Schlagwort Steuern. Aber auch andere Sachen, unter denen ich mir einfach nichts vorstellen konnte. Und, ich hatte ja zunächst auch überhaupt keine Idee, bei der ich mir hätte vorstellen können, dass sich damit Geld verdienen ließe.

Wenn man das, was du bisher erzählt hast, zusammennimmt, dann waren doch eigentlich die Grundlagen für den Unternehmer in dir schon angelegt und ausgebildet.

Stimmt. Aber das war mir da noch nicht so bewusst. Erst als ich auf der Internetseite der .garage berlin war, bekam der Gedanke Raum, dass es mich sehr interessiert, wie man ein Unternehmen aufbaut. Und dann spielten mehrere Zufälle zusammen. In dem Haus, in dem ich wohnte, gab es eine Frau, die eine besondere Tortenvariation mit einem historischen Namen kreiert hatte – die Königin Luise Nusstorte. Sie hatte einen Bäcker, der die Torte gebacken hat und es gab eine besondere Verpackung, so eine Art Dose. Irgendwie hat mich die Idee, die dahinter steckte, also auch dieser historische Ansatz, nicht mehr losgelassen. Mehr noch, ich hatte plötzlich den Gedanken, eine eigene Marke schaffen, die das alte Berliner Stadtschloss, das ja nun wieder aufgebaut wird, integriert. Zunächst entwickelte sich meine Idee dahin, dass man unbedingt einen Laden eröffnen müsste, der den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses thematisiert. Der also alles anbietet, was im entferntesten Sinne mit Hofkultur zu tun hat. Aber ich wollte nicht acht Stunden in einem Laden stehen, das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.

Konntest du dir zu diesem Zeitpunkt schon vorstellen, Schokolade zu machen?

Darum ging es spannenderweise immer noch nicht. Aber irgendwie bin ich dann auf den Namen „Höflich“ gekommen. Abgeleitet von „Hof“, weil wir überlegt haben, wie man Hofkultur in einem Namen unterbringen kann. So entstand Höflich, das hatte ja auch einen Bezug zum Stadtschloss. Mit der Zeit gefiel mir die Idee, daraus eine eigene Marke zu kreieren immer mehr. Sie sollte die Thematik „höflich sein“, „“sich trauen, höflich zu sein“ transportieren und thematisieren. Das ist ja ein Wert, der heutzutage völlig unterschätzt wird.

Im Grunde stand ich vor derselben Herausforderung wie damals, als ich in der Fitnessbranche gearbeitet habe. Es ging mir darum, eine starke Idee zu transportieren. Eben den Wert „höflich zu sein“ und zwar mit genau dieser Doppelbedeutung. Historisch abgeleitet von der Hofkultur, aber eben auch menschlich im Sinne eines höflichen Umgangs miteinander. Da steckt so viel drin. Ich wollte die Menschen ansprechen, die noch Wert auf einen höflichen Umgang legen. Fairtrade ist auch ein höflicher Umgang – mit den Produzenten. In einem Unternehmen kann es einen höflichen Umgang geben. Und nun schließt sich der große Kreis: Alles, was mich bisher interessiert und angezogen hatte, war plötzlich in dieser Marke verbunden.

Jetzt verstehe ich, warum es nicht unbedingt Schokolade hätte sein müssen. Da schwingt noch etwas Übergeordnetes mit. Eine Art Leitkultur für dich als Unternehmer. Erzähl uns bitte, wie es weiter ging.

Ich tat genau das, was ich immer machen wollte. Ich stellte mir ein Team zusammen und war plötzlich selbst der Kapitän, der das Schiff steuerte.

Aber ohne Erfahrung als Unternehmer. Und wie sah es mit dem Kapital aus?

Das hatte ich nur begrenzt. Aber ich hatte die Gabe, andere von meiner Idee zu begeistern. Zum Beispiel zwei Inhaber einer kleinen Werbeagentur, die ich ganz früh, schon bei der Ausarbeitung, ins Boot geholt habe. Ich bin einfach zu ihnen hingegangen, habe die Idee vorgestellt und habe aber gleich gesagt, dass ich eigentlich kein Geld habe und trotzdem eine grafische Darstellung von dem bräuchte, was ich gern umsetzen möchte. Sie waren von Anfang an so von der Idee begeistert, dass sie gesagt haben, dass sie das gern sponsern wollen. Durch diese Vorleistung hatte ich Präsentationsmaterial, mit dem ich in die Geschäfte gehen konnte. Mein Plus war, dass sie von der Idee so begeistert waren und darum auch bis heute noch dabei sind. Und wenn Höflich Schokolade groß wird, dann bekommen sie natürlich ihren Teil ab.

Und für die Schokolade hast du dir dann auch eine Firma gesucht?

Zunächst habe ich mich informiert, was ich bräuchte, um selbst eine Manufaktur aufzubauen. Ich habe sogar einen Businessplan dafür geschrieben, aber schnell gemerkt, dass mir das über den Kopf wächst und dass es auch gar nicht mein Ziel ist, die Schokolade selbst herzustellen. Also habe ich mir stattdessen überlegt, wie die Schokolade sein soll, damit sie zu Berlin und zu Höflich passt. Meine Vision war es, „die Praline aus Berlin“ zu kreieren. Ein bisschen kantig, aber geschmackvoll. So entstand die Knusperpraline.

Was ist denn dein Geheimrezept, Menschen so einzubinden und für dich zu gewinnen, dass sie sogar bereit sind, in Vorleistung zu gehen?

Ganz ehrlich – das habe ich mich auch schon gefragt. Ich glaube, wenn jemand aus einer eigenen Überzeugung heraus mitmacht, dann ist das etwas ganz anderes, als wenn jemand nur mitmacht, um seine Stunden abzurechnen. Vielleicht habe ich es geschafft, auch bei den anderen die Leidenschaft zu wecken. Für jeden der neu anfängt, ist es wichtig, Menschen zu haben, die wirklich begeistert sind. Die Energie, die dann in die Arbeit hineingesteckt wird, ist eine völlig andere. Es wird nicht einfach nur etwas abgearbeitet. Wenn das Geld da gewesen wäre und ich die Beteiligten einfach nur hätte beauftragen müssen, wer weiß, ob das dann so geworden wäre. So waren alle motiviert. Und das muss man sagen: Die eigene Motivation ist etwas, das man den Leuten nicht mitgeben kann. Sie ist entweder da oder nicht.