Zu den Klippen von Vanikoro

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ZWEITES KAPITEL



Die Insel Santa Catarina erstreckt sich von 27 Grad 19 Minuten bis 27 Grad 49 Minuten südlicher Breite; ihr Durchmesser von Osten nach Westen beträgt nur zwei französische Meilen. Vom Festland ist sie an der schmalsten Stelle durch einen Kanal von nur zweihundert Klafter Breite getrennt. Am Eingang dieser Wasserstraße liegt Nostra Senhora del Destero, der Hauptort der Statthalterschaft, in dem auch der Gouverneur residiert; die Stadt zählt höchstens dreitausend Seelen in ungefähr vierhundert Häusern und bietet einen recht hübschen Anblick. Nach dem Bericht Fréziers diente diese Insel im Jahr 1712 vielen Vagabunden, die sich aus allen Teilen Brasiliens hierher geflüchtet hatten, als Aufenthaltsort; sie waren Portugal nur dem Namen nach unterworfen und erkannten überhaupt keine Obrigkeit an. Da der Boden der Insel sehr fruchtbar ist, fanden sie daselbst leicht ihren Unterhalt, waren aber so arm, dass der Generalgouverneur von Brasilien nicht darauf erpicht war, sich mit ihnen anzulegen oder sie gewaltsam unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Alle Schiffe, die Santa Catarina anliefen, gaben ihnen im Austausch gegen Lebensmittel nur Kleidungsstücke und Hemden, denn daran fehlte es ihnen an meisten. Erst gegen 1740 errichtete der Hof in Lissabon auf Santa Catarina eine feste Statthalterschaft, die auch für die benachbarten Gebiete auf dem Kontinent zuständig war. Dieses Kapitanat erstreckte sich sechzig Meilen weit von Norden gegen Süden, und zwar vom São-Francisco-Fluss bis zum Rio Grande. Die Bevölkerung dieses Gebiets beläuft sich auf zwanzigtausend Seelen. Ich sah aber in den meisten Familien eine so große Anzahl von Kindern, dass man eine rasche Zunahme der Einwohnerschaft voraussehen kann. Der Boden ist außerordentlich fruchtbar; Obst, Gemüse und Getreide wachsen fast von selbst. Es gibt hier Wälder, die das ganze Jahr über grün bleiben, aber dergestalt von Dornen und Strauchwerk durchsetzt sind, dass man, um sich hindurchzuarbeiten, ein Beil zur Hand nehmen muss. Überdies begegnet man in diesen Wäldern einer Menge Giftschlangen.



Die Ortschaften, die die Bewohner von Santa Catarina und dem nahen Festland angelegt haben, liegen alle am Meer. Die Wälder würzen die Luft mit den köstlichsten Gerüchen, da sie eine große Zahl von Orangenbäumen und anderen aromatischen Pflanzen enthalten. Ungeachtet dieser Vorzüge ist das Land so arm und so gänzlich von Manufakturwaren entblößt, dass man die dortigen Bauern nur fast nackt oder in Lumpen gehüllt einhergehen sieht. Die Ländereien, die sich am besten für Zuckerplantagen eignen, bleiben unbebaut, weil es den Eigentümern an Sklaven fehlt und sie nicht genug Geld haben, um sich welche zu kaufen. Der Walfang um Santa Catarina ist zwar sehr einträglich, aber ein Vorrecht der Krone, die die Konzession an eine Lissaboner Handelsgesellschaft vergeben hat. Diese Gesellschaft besitzt an der Küste drei große Niederlassungen, in denen jährlich etwa viertausend Wale gefangen und verarbeitet werden. Der ganze Ertrag an Tran und Walsperma geht über Rio de Janeiro nach Lissabon. Die Einwohner von Santa Catarina sind die müßigen Zuschauer dieses Handels, von dem sie nicht profitieren. Wenn die Regierung ihnen nicht unter die Arme greift und ihnen Zollerleichterungen oder Vergünstigungen bewilligt, die dem Handel förderlich sind, wird dieser Landstrich, einer der schönsten auf der Welt, in immerwährender Armut schmachten und dem Mutterland nicht den geringsten Nutzen verschaffen.



Unsere Ankunft verbreitete im Land große Unruhe. Verschiedene Forts gaben Kanonenschüsse ab; ich hielt es daher für ratsam, sogleich vor Anker zu gehen und einen Offizier mit der Erklärung an Land zu senden, dass wir nur friedliche Absichten hegten und uns mit Wasser, Holz und einigen Erfrischungen zu verproviantieren wünschten.

















Santa Catarina






Herr de Pierrevert, dem ich diesen Auftrag erteilt hatte, traf die kleine Garnison der Zitadelle unter Waffen an; sie bestand aus vierzig Soldaten und einem Hauptmann, der einen Eilboten in die Stadt schickte, um den Gouverneur, Infanterie-Brigadier Don Francisco de Baros, zu informieren. Er gab sofort die Anordnung, uns alles, was wir brauchten, zum billigsten Preis zu verkaufen. Jeder der beiden Fregatten wurde ein portugiesischer Offizier zugeteilt, die unseren Proviantmeister zu den Einwohnern begleiteten, um den Einkauf der Lebensmittel zu überwachen.



Don Francisco de Barros, der Gouverneur der Statthalterei, sprach fließend Französisch; seine ausgedehnten Kenntnisse trugen ihm unser Vertrauen ein. Er lud uns Franzosen an seinen Mittagstisch und bestätigte uns während des Essens, dass die Insel Ascençaon nicht existiere. Zum Beweis hierfür erzählte er uns, der Generalgouverneur von Brasilien habe im vergangenen Jahr ein Schiff auslaufen lassen, um die Gegend, in der die Insel liegen solle, genau zu untersuchen. Das Fahrzeug sei unverrichteter Dinge wieder zurückgekommen, und man habe Ascençaon aus den Seekarten ausgestrichen, damit sich der Irrtum nicht ewig fortpflanze. Er setzte hinzu, die Insel Trinidad habe stets den Portugiesen gehört und sei von den Engländern, als die Königin von Portugal dies verlangt habe, sofort geräumt worden.



Am folgenden Tag um elf Uhr kamen die zur

Astrolabe

 und zur

Boussole

 gehörenden Boote wieder an Bord zurück. Man benachrichtigte mich von dem unmittelbar bevorstehenden Besuch von Generalmajor Dom António da Gama; er kam aber erst am 13. und überbrachte mir ein sehr verbindliches Schreiben des ranghöchsten Offiziers der Kolonie.



Da nun die Jahreszeit ziemlich weit fortgeschritten war, hatte ich allen Anlass, unsere Abfahrt zu beschleunigen, dies umso mehr, als unsere Leute so gesund und munter waren, wie man es sich nur wünschen konnte. Bei unserer Ankunft hatte ich mir geschmeichelt, innerhalb von fünf oder sechs Tagen wieder in See stechen zu können, allein die Südwinde waren so stürmisch und die Meeresströmung so stark, dass wir oft nicht an Land gehen konnten, was unsere Abfahrt hinauszögerte.



Am 16. abends, nachdem bereits alles eingeschifft war, ließ ich dem Gouverneur meine Briefschaften zustellen, da er sich auf sehr höfliche Weise erboten hatte, sie nach Lissabon weiterzuleiten. Alle Mannschaftsangehörigen erhielten die Erlaubnis, ihren Verwandten und Freunden zu schreiben. Wir hofften, am nächsten Tag die Segel hissen zu können, doch hielten uns die Nordwinde, die uns auf offener See äußerst günstig gewesen wären, bis zum 19. November in der Bucht zurück. An diesem Tag machten wir uns in aller Frühe segelfertig, da aber plötzlich Windstille eintrat, sah ich mich gezwungen, wieder für einige Stunden vor Anker zu gehen. Erst bei Einbruch der Dunkelheit konnten wir uns durch die von vielen Inseln gesäumte enge Fahrrinne hindurchwinden.



Wir hatten auf Santa Catarina eine solche Menge Ochsen, Schweine und Federvieh gekauft, dass unsere Mannschaft länger als einen Monat davon zehrte. Auch hatten wie unsere dendrologische Sammlung um Orangen- und Zitronenbäume bereichert. Unser Gärtner legte Vorräte an Orangen- und Zitronenkernen, von Mais, Reis und Samenkörnern der Baumwollstaude an, die wir den Bewohnern der Südseeinseln zu überlassen gedachten, da es ihnen daran, nach den einstimmigen Berichten der Seefahrer, fehlt.



Am Tag unserer Weiterfahrt gab ich Herrn de Langle, dem Kommandanten der

Astrolabe

, neue und genauere Verhaltensmaßregeln, da wir nunmehr in Gewässer kamen, die immer mit Nebel bedeckt sind und von Stürmen heimgesucht werden. Für den Fall, dass uns ein Unwetter trennen sollte, vereinbarten wir, dass der Hafen Bon Succès an der Le-Maire-Straße zwischen Feuerland und der De-los-Estados-Insel unser erster Treffpunkt sein sollte, vorausgesetzt, wir hätten bis zum 1. Januar nicht diese Breite hinter uns gelassen. Zum zweiten Sammelpunkt bestimmte ich die Venus-Landspitze auf der Insel Tahiti. Ich unterrichtete Herrn de Langle davon, dass ich meine Nachforschungen im Atlantik nicht weiter auszudehnen gedächte als bis zur Insel Grande de la Roche

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, weil ich mich wegen der Kürze der Zeit unmöglich darauf einlassen könne, eine Durchfahrt auf der Südseite der Sandwich-Inseln zu suchen. So leid es mir tat, nicht weiter östlich auf Entdeckungen ausgehen zu können, so wenig konnte ich mir doch erlauben, den in Frankreich erhaltenen Weisungen diametral entgegenzuhandeln. Hätte ich es getan, so hätte ich mich ja auch der Gelegenheit beraubt, Briefe in Empfang zu nehmen, die ich vom Minister erwartete und die vielleicht wichtige Befehle enthielten.



Bis zum 28. hatten wir ungemein schönes Wetter, dann aber wurden wir von einer sehr heftigen Windböe überfallen, die aus Osten kam. Es war der erste Zwischenfall dieser Art seit unserer Abreise aus Frankreich. Zu meiner Genugtuung machte ich bei dieser Gelegenheit die Beobachtung, dass unsere Schiffe, obschon sie schlechte Segler waren, sich während des Sturms gut hielten und folglich imstande waren, den ungestümen Fluten, die wir von nun an durchschiffen mussten, Widerstand zu leisten. Am 7. Dezember befand ich mich auf dem angeblichen Parallelkreis der Insel Grande, also aufgrund unserer Distanzberechnungen unter 44 Grad 38 Minuten südlicher Breite und 34 Grad westlicher Länge. Wir sahen eine Menge Seegras vorübertreiben, und schon seit einigen Tagen sammelten sich um unsere Schiffe Seevögel von der Gattung der Albatrosse und Sturmvögel, die sich nur in der Brutzeit dem Land nähern. Bis zum 24. Dezember segelte ich zwischen dem 44. und dem 45. Breitengrad und durchlief diesen Parallelkreis bis auf 15 Grad Länge. Am 27. Dezember gab ich meine Nachforschungen auf, weil ich jetzt davon überzeugt war, dass es die Insel Grande gar nicht gab. Ich hatte gelernt, dass Seegras und Sturmvögel kein Beweis für die Nähe von Land sind. De la Roches Behauptung, er habe auf der Insel, die seinen Namen trägt, hohe Bäume gesehen, hat nicht die mindeste Wahrscheinlichkeit für sich. Man darf als sicher annehmen, dass auf einer Insel, die unter dem 45. Grad mitten im südlichen Weltmeer liegt, nur die allerdürftigste Vegetation herrscht.

 



Am 25. Dezember drehte der Wind nach Südwest und hielt nun mehrere Tage denselben Strich. Hierdurch sah ich mich genötigt, meinen Lauf nordwestwärts zu wenden und den Parallelkreis, in dessen Bereich ich zwanzig Tage lang geblieben war, hinter mir zu lassen. Da ich nun die Stelle, an der die Insel Grande der allgemeinen Angabe nach liegen soll, nicht weiter im Auge behielt und geradewegs nach Westen steuerte, kamen mir doch Bedenken, denn es stand zu befürchten, dass wir gerade in der schlimmsten Jahreszeit Kap Hoorn umschiffen müssten. Allein die Witterung war so günstig, dass sie alle unsere Erwartungen übertraf. Im Dezember hatten wir keine Windstöße mehr auszustehen, und der Januar war beinahe so milde, wie es in Europa der Juli ist. Mitunter hatten wir Tage, an denen sich kein Lüftchen regte und die See völlig ruhig war. An solchen Tagen belustigten sich die Offiziere beider Fregatten damit, dass sie sich in Booten herumfahren ließen und Jagd auf die Vögel machten, die unseren Schiffen nachflogen. Diese Jagdpartien waren meist sehr ergiebig und verhalfen unserer Mannschaft zu Frischfleisch. Nicht selten wurden so viele Vögel erlegt, dass jeder eine Portion bekam. Unsere Matrosen fanden an diesen Vögeln weit mehr Geschmack als an dem üblichen Pökelfleisch. Die bei diesen Streifzügen geschossenen Vögel gehörten allesamt zur Gattung der großen und der kleinen Albatrosse und zu vier verschiedenen Spielarten von Sturmvögeln. Wenn man ihnen die Haut abstreifte und sie mit einer säuerlichen Sauce aß, schmeckten sie fast ebenso gut wie die kleinen See-Enten, die man in Europa zu verspeisen pflegt.



Am 14. Januar sahen wir uns endlich imstande, vor der Küste Patagoniens in der südlichen Breite von 47 Grad 50 Minuten und in der westlichen Länge von 64 Grad 37 Minuten Sondierungen vornehmen zu können. Dies ergab sich aus unseren neuesten Distanzberechnungen, dergleichen wir bei jeder Gelegenheit, wenn es die Witterung nur einigermaßen zuließ, zu veranstalten pflegten. Meine Offiziere hatten darin eine solche Fertigkeit erlangt und sie verstanden sich so trefflich darauf, Herrn Dagelet zur Hand zu gehen, dass die größte Abweichung, die uns etwa bei der Bestimmung der Breite unterlief, nicht mehr als einen halben Grad betragen haben dürfte.



Am 21. Januar erblickten wir das Kap Beau Temps (Buen Tiempo) und die Küste nördlich der Mündung des Río Gallegos. Etwa drei Meilen vom Festland entfernt, fanden wir einen einundvierzig Klafter tiefen Ankergrund aus Kiessand und kleinen, tonartigen Steinchen, nicht viel größer als Erbsen. In der Mittagsstunde maßen wir die Länge; sie war von der auf der Karte von Cooks zweiter Reise angegebenen nur insofern verschieden, als wir uns 15 Minuten weiter westlich befanden. Jetzt fuhren wir in einer Entfernung von drei bis fünf Meilen längs der Küste von Patagonien hin.



Da der Wind ziemlich stark aus Norden wehte, sah ich mich dadurch in die Lage gesetzt, wieder nach der Küste von Feuerland zu steuern, an welcher ich in der geringen Entfernung von kaum einer halben Meile entlangfuhr. Als ich bemerkte, dass uns der Wind weiterhin günstig blieb, gab ich meinen früheren Vorsatz auf, in der Bucht von Bon Succès anzulegen, und setzte meinen Weg schnurgerade fort. Meine Absicht war nun, das Kap Hoorn möglichst ohne Zeitverlust zu umsegeln. Als wir durch die Le-Maire-Straße fuhren, zündeten die Wilden, ihrer Gewohnheit nach, große Feuer an, um uns dadurch einzuladen, an ihrer Küste zu ankern. Eins dieser Feuer sahen wir an der Nordspitze der Bucht von Bon Succès, ein anderes an der Nordspitze der Valentinsbucht. Mit Kapitän Cook bin ich der Meinung, dass es ziemlich einerlei ist, ob man in dieser oder jener Bucht Anker wirft, denn man erhält daselbst überall Holz und Wasser, wahrscheinlich aber weniger Jagdbeute als in Weihnachtshafen, wo sich die Wilden einen großen Teil des Jahres aufhalten.



Während wir nun so durch die Meerenge schifften und nicht mehr als eine halbe Meile von Feuerland entfernt waren, tauchten rings um uns mehrere Wale auf. Man merkte wohl, dass ihnen hier noch niemand nach dem Leben trachtete, denn anstatt vor unseren Schiffen zu fliehen, schwammen sie majestätisch einher und näherten sich uns auf Pistolenschussweite. Unfehlbar werden sie in den dortigen Gewässern nur so lange ihre Herrschaft behaupten, bis die Walfänger, wie an der Küste von Grönland und Spitzbergen, Jagd auf sie machen.



Am 22. umsegelten wir das Jungfrauenkap in einer Entfernung von vier Meilen gegen Westen. Es hat eine sehr niedrige Lage und ist ohne Vegetation. Die Abbildung des Kaps in Ansons Reise

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 schien mir sehr richtig zu sein; auch fand ich, dass die Lage dieses Vorgebirges auf der Karte von Cooks zweiter Reise genau angegeben ist. Sooft wir sondierten, fanden wir immer, bis an dieses Vorgebirge, dass der Grund entweder aus Sand oder aus kleinen, mit Sand vermischten Kieseln bestand, dergleichen man gewöhnlich an Flussmündungen findet; als wir uns aber der Küste von Feuerland näherten, trafen wir fast überall, und zwar in einer Tiefe von vierundzwanzig bis dreißig Klaftern, einen harten Felsengrund, wiewohl wir uns nicht über drei Meilen vom Land entfernt hielten. Hieraus folgerte ich, dass diese Küste für den Seefahrer bei Weitem weniger sicher als die patagonische ist.



Am 25., um zwei Uhr, umschiffte ich, und zwar eine Meile südwärts, das Vorgebirge San Diego, das die Westspitze der Le-Maire-Straße bildet. In ebendieser Entfernung war ich schon vom frühen Morgen an längs dieses Erdstrichs hingesegelt und hatte dabei immer die Augen auf die Karte des Kapitäns Cook gerichtet, um die Bucht zu finden, in der sich Herr Banks, um Pflanzen zu sammeln, dann an Land setzen ließ, indes die

Resolution

 so lange unter Segel blieb, bis er wieder an Bord kam. Uns war die Witterung so ungemein günstig, dass ich es nicht über das Herz brachte, unseren Naturforschern nicht eine ähnliche Gefälligkeit zu erweisen. Um drei Uhr lief ich in den Meerbusen ein, nachdem ich zuvor bis auf drei Viertelmeilen um Kap San Diego herumgefahren war, wo es mehrere Klippen gibt, die sich aber, wie es mir vorkam, nicht über eine Meile weit erstrecken. Da ich jedoch wahrnahm, dass die Wogen vor mir mit großem Ungestüm in die See schlugen, steuerte ich gegen Südosten, um davon abzukommen. Gleich darauf machte ich die Entdeckung, dass jene Wasserwogen von Flüssen herrühren und dass die Klippen am Kap San Diego schon weit hinter mir lagen.



Die Umschiffung von Kap Hoorn war viel einfacher, als ich es mir vorgestellt hatte, und ich weiß nun aus Erfahrung, dass die Schifffahrt in den dortigen Gewässern nicht problematischer ist als die unter einem hohen Breitengrad überhaupt. Die Schwierigkeiten, die man daselbst anzutreffen fürchtet, gründen sich auf ein verjährtes Vorurteil, das verschwinden muss. Die Reisebeschreibung von Admiral Anson hat zum unverdient schlechten Ruf von Kap Hoorn nicht wenig beigetragen.



Noch ein zweiter, triftiger Grund hatte mich bewogen, nicht in der Bucht von Bon Succès Anker zu werfen. Ich hatte mir nämlich schon seit geraumer Zeit einen neuen Reiseplan ausgedacht, über den ich aber erst mit mir selbst einig werden konnte, wenn ich Kap Hoorn hinter mir gelassen hatte.



Dieser Plan zielte auf nichts Geringeres ab, als im Lauf des Jahres an der Nordwestküste Amerikas zu landen. Man hatte mir diese Landung nicht ausdrücklich befohlen, weil man annahm, ich würde schwerlich imstande sein, eine so langwierige Strecke in weniger als einem Jahr zurückzulegen. Die Vorteile meines neuen Plans lagen auf der Hand. Erstens konnte ich einen noch unbekannten Weg einschlagen und Parallelkreise durchlaufen, in deren Bereich vielleicht noch unentdeckte Inseln lagen. Zweitens hatte ich, wenn ich je zwei Jahre in der nördlichen und in der südlichen Hemisphäre verbrachte, mehr Zeit, die Inseln, deren Untersuchung mir anbefohlen war, in genauen Augenschein zu nehmen. Da meine Instruktionen die ausdrückliche Weisung enthielten, ich solle die Befehle des Königs so ausführen, dass der Erfolg meiner Reise gewährleistet sei, wartete ich somit nur noch den Zeitpunkt ab, an dem das Südmeer

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 vor mir lag, um zur Tat zu schreiten. Am 9. Februar lief ich, nachdem ich bei Kap Deseado die Magellan-Straße gekreuzt hatte, in das Südmeer ein und nahm Kurs auf die Juan-Fernández-Insel. Allem Vermuten nach war ich über die Gegend hinaus, in der das angebliche Drake-Land liegen soll. Ich hatte mich aber wenig darum gekümmert, weil ich schon im Voraus überzeugt war, dass es nicht existiere. Seitdem ich Europa verlassen hatte, war meine ganze Aufmerksamkeit nur auf die Reiserouten der älteren Seefahrer gerichtet. Ihre Tagebücher sind so schlecht abgefasst, dass man ihren Inhalt gleichsam erraten muss. Diejenigen Geographen aber, die selber keine Seeleute sind, legen eine solche Unkenntnis der Hydrographie an den Tag, dass sie dergleichen Tagebücher, die doch so manche Berichtigung nötig haben, keiner vernünftigen Kritik zu unterziehen vermögen. So kommt es, dass sie oft Inseln in die Seekarten einzeichnen, die nirgends vorhanden sind und die sich, wenn man gründlicher nachforscht, wie Phantome in Luft auflösen.



Da der Wind jetzt aus Westsüdwest wehte und mir bei der Fahrt nach Norden ungemein günstig war, hielt ich mich nicht damit auf, die vermeintliche Drake-Insel ausfindig zu machen, die vermutlich mit Feuerland identisch ist, sondern setzte meinen Weg nach Juan Fernández fort. Als ich jedoch den an Bord befindlichen Proviant untersuchte, stellte sich heraus, dass nur noch wenig Mehl und Brot vorhanden waren; sowohl ich als auch Kapitän de Langle hatten beiderseits an hundert Zentner davon in Brest zurücklassen müssen, weil es uns an Raum fehlte, sie unterzubringen. Auch hatten sich die Würmer in unserem Schiffszwieback eingenistet. Dies bewog mich, als nächsten Landungsort anstelle von Juan Fernández La Concepción an der Küste von Chile zu wählen, da ich wusste, dass in diesem Teil der Neuen Welt sehr viel Getreide wächst und billiger zu haben ist als auf jedem Markt in Europa und dass man hier auch alle anderen Lebensmittel findet. Demzufolge richtete ich nunmehr meinen Kurs etwas weiter nach Osten. Am 22. Februar bekam ich die Insel Mocha zu Gesicht, die etwa fünfzig Meilen weit von La Concepción, und zwar gegen Süden, entfernt ist. Da ich befürchten musste, von der Strömung nach Norden getrieben zu werden, so steuerte ich immer in Richtung Land. Hat man Mocha hinter sich gebracht, so kann man getrost längs der Küste hinsegeln, denn von nun an ragen alle Klippen aus dem Meer heraus und sind auch vom Gestade nicht weit entfernt. Jetzt erblickt man die Mamelles de Bío Bío, zwei mäßig hohe Berge, deren Gestalt ihr Name Mamelles (Brüste) charakterisiert. Von hier aus muss man noch ein wenig nordwärts bis zur Landspitze von Dorf Talcahuana steuern. Diese Spitze bildet die westliche Einfahrt in die Bucht von La Concepción, die in westöstlicher Richtung einen Durchmesser von ungefähr drei Meilen hat und sich ebenso weit von Norden nach Süden erstreckt. Die Einfahrt wird jedoch durch die in ihrer Mitte liegende Insel Quiquirine verengt, die man auf zwei Wegen umschiffen kann; der gegen Osten ist der sicherste und der einzige, den die Seefahrer benutzen. Die Wasserstraße zwischen der Insel Quiquirine und der Landspitze von Talcahuana ist kaum eine Viertelmeile breit und so mit Klippen übersät, dass man sie ohne die Hilfe eines guten Lotsen unmöglich befahren kann.



Nachmittags um zwei Uhr umschifften wir die Spitze der Insel Quiquirine. Wir griffen nun zu unseren Ferngläsern und hielten nach der Stadt La Concepción Ausschau, die, wie wir der von Frézier gezeichneten Karte entnahmen, im Hintergrund der Bucht, und zwar in südöstlicher Richtung, liegen sollte; wir suchten sie aber vergebens. Abends um fünf Uhr kamen Lotsen an Bord, von denen wir erfuhren, dass die Stadt im Jahr 1751 durch ein Erdbeben zerstört wurde und nicht mehr das Geringste von ihr übrig war, dass man aber, drei Meilen von der Meeresküste entfernt, am Ufer des Bío Bío eine neue Stadt erbaut habe. Wir hörten auch von den Lotsen, dass man uns in La Concepción bereits erwartete, da Briefe vom spanischen Minister eingetroffen waren, die unseren Besuch ankündigten. Wir lavierten nun weiterhin, um tiefer in die Bucht zu kommen, und warfen abends um neun Uhr die Anker in neun Klafter Tiefe. Gegen zehn Uhr meldete sich als Abgesandter des Kommandanten von La Concepción Herr Postigo, Fregattenkapitän der spanischen Marine, bei mir. Ich behielt ihn über Nacht an Bord, aber gleich bei Tagesanbruch ging er wieder ab, um seinem Vorgesetzten Bericht zu erstatten. Zuvor zeigte er dem Lotsen den Platz, wo wir am bequemsten vor Anker liegen konnten, und bevor er sich zu Pferde setzte, schickte er uns eine so riesige Menge von Frischfleisch, Obst und Gemüse, dass unsere Mannschaft gar nicht alles aufessen konnte. Über den guten Gesundheitszustand der Matrosen schien er sich sehr zu wundern. Wahrscheinlich hatte noch kein Segler Kap Hoorn umschifft und Chile erreicht, ohne Kra