Der Omega und das Tier

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Z serii: Burg der Wölfe #2
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Ja, und Jaxson würde mich verstoßen, wenn ich beschmutzt bin, dachte er. Ein großartiger Plan.

Aber sie würden ihn ohnehin schänden. Und dann, wenn sie mit ihm fertig waren, würden sie ihn umbringen. Er hatte zu viel gehört und er war ein MacKay. Cian schluckte trocken. Schaffte es, den Mund zu öffnen, obwohl seine Zunge gefroren vor Angst war.

»Ich wette, das Tier würde es gleich hier tun«, krächzte er.

»Was laberst du?«, fragte einer der Alphas, die ihn hielten. »Vorwärts.«

»Das Tier hätte keine Angst, mich gleich hier zu stoßen«, sagte Cian, so laut, dass alle es hören konnten. Panik flatterte in seinem Magen. »Ich wette, der würde sich nicht im Wald verkriechen wie ihr Feiglinge. Das Tier würde mich hier in den Schlamm drücken, meinen Kilt heben und seinen Prügel in mich rammen bis ich schreie.«

Oh Mond, die Sprache, die er benutzte. Beinahe hätte er sich noch einmal übergeben. Und er wusste nicht einmal, ob sein Plan funktionierte.

»Halt die Fresse, Bückling!«, herrschte der Riese ihn an. »Wer bist du, dass du uns Feiglinge nennst?«

»Ich bin Cian MacKay.« Er legte alle Würde in diese Worte, die er aufbringen konnte. »Der älteste Sohn des Rudel-Chiefs. Und wer mich schänden will, sollte die Eier haben, es hier und jetzt zu tun.« Er wandte sich zu einem der Alphas um, der ihn hielt. Dessen Atem stank wie eine verwesende Ratte. »Traust du dich? Dein Anführer ist offenbar zu feige. Komm, ich spreize die Schenkel für dich, dann geht es ganz leicht.«

Und woher wusste er das jetzt? Nun, natürlich hatte er den Erzählungen der anderen Omegas gelauscht. Aber als anständiger Junge hatte er sie anschließend selbstverständlich vergessen. Hatte er zumindest gedacht.

Panisch sah er, wie Hunger in den Augen des stinkenden Alphas aufglomm. Der Mief aus seinem Mund wurde stärker, als er schneller atmete. Kurzes Zögern flackerte über seine Miene, dann wandte er sich zu dem Riesen um.

»Ich nehme ihn«, grollte er. »Jetzt.«

»Einen Scheiß machst du«, blaffte der Riese. »Nimm deine Pfoten von meiner Beute!«

»Wenn du zu feige bist, knacke ich die Walnuss halt.« Der Alpha ließ Cian los und fummelte am Verschluss seines Gürtels herum. »Cathal, halt ihn fest. Das Ferkel bringe ich zum Quieken.«

Der Kilt fiel und eine halb steife Rute kam zum Vorschein, in einem Nest drahtiger Haare. Sie roch noch schlimmer als der Mund, selbst auf die Entfernung. Cian versuchte, zurückzuweichen, aber der andere Alpha hielt ihn zu fest.

»Hände weg!« Der Riese schlug die Hand des Stinkenden weg, als er nach Cian greifen wollte. »Meine Beute!«

»Hol sie dir!«

Knurren. Zähnefletschen. Genau wie eben. Panik rann durch Cians Körper. Und doch war da eine kalte, ruhige Stimme in seinem Hinterkopf. Eine Stimme, die flüsterte: Gut so. Mehr.

»Fickt mich jetzt endlich jemand?«, brüllte Cian, so laut, dass es über das Wasser hallte. »Ihr elenden Feiglinge seid wohl nicht in der Lage, ein Ferkel zu stechen, wenn es gefesselt vor euch liegt! Die Alphas in meinem Rudel zögern nicht! Kein Wunder, dass sie euch die Ärsche aufgerissen haben!«

»Kleiner, das waren deine letzten Worte.« Der Alpha, der ihn hielt, schlug die Zähne in seine Schulter. Cian schrie auf. Er spürte Hände an den Hüften. Der Mistkerl hob seinen Kilt.

»Nein!«, brüllte Cian. »Bitte!«

Ein Schlag ließ seinen Körper erbeben. Ein MacDonnell-Alpha rammte den Stinkenden zur Seite. Seine Zähne wurden schmerzhaft aus Cians Fleisch gerissen. Die beiden Krieger rollten über den Boden.

»Mein!«, schrie einer von ihnen.

Cian stolperte, ging zu Boden und fing sich, kurz bevor er ihnen hinterhergepurzelt wäre. Er krallte die Finger in eine Brombeerranke und sah erstaunt auf die Szene, die sich in der Böschung abspielte.

Sie kämpften. Alle. Sieben Männer rangen miteinander, verbissen sich, verwandelten sich. Wasser spritzte, als einer den anderen in den Bach trieb. Sieben Wölfe, sieben Paar Reißzähne fochten im verschwindenden Nebel. Knurren, Reißen und Platschen erfüllte die Luft.

Dann brach das Tier aus dem Gebüsch. Graues Fell, furchtbare Narben und ein Maul wie das Tor zur Hölle. Gigantische Muskeln unter zottigem Fell. Klauen wie Klingen. Schon sprang er auf den ersten Wolf und schlug die Zähne in seinen Nacken.

Hör auf, zu starren, du Idiot, dachte Cian. Du bist frei. Lauf.

Stolpernd und rutschend bewegte er sich rückwärts. Krabbelte keuchend die Böschung hoch. Lief. Über Moos und Steine, durch Farn und Gebüsch. In den finsteren Wald.

Er kam nicht weit.

Etwas traf seinen Rücken und begrub ihn unter sich. Klauen schlugen sich in seine Schultern. Heißer Geifer tropfte in seinen Nacken.

Die Klauen verwandelten sich in Finger. Harte Finger, die seine Handgelenke packten und ihn herumrissen. Das wutverzerrte Gesicht des Sutherland-Riesen starrte auf ihn nieder.

»Du kleiner Hexer«, knurrte er. Speichel floss über weiße Lippen. »Wie hast du das gemacht? Du dreckige Kröte. Was hast du uns angetan?«

»Nichts!«, rief Cian. »Lass mich los!«

»Das war Magie, richtig?« Die Augen des Riesen weiteten sich. »Ich erkenne Magie, wenn ich sie sehe. Du Dämon. Du hast uns verhext und jetzt ist Liam tot und der MacDonnell auch. Aber ich nicht. Ich werd dich ficken bis dein Arschloch reißt, und dann schlitze ich dir die Kehle auf.«

»Hilfe!«, brüllte Cian. Er wand sich, zappelte, war hilflos. »Hilfe!«

Ein Name schoss in sein Gehirn. Einer, den er schon im Traum geschrien hatte, unter ganz anderen und doch ähnlichen Umständen. Als er sich ebenfalls unter einem gigantischen Körper gewunden hatte.

»Hilfe! Logan!«

7. Logan

Es war schnell vorbei. Es war völliges Chaos. Jeder kämpfte gegen jeden und der Gestank von Blut, Lust und Scheiße verpestete die Luft. Als Logan die letzte Kehle durchbiss, als der andere Wolf zuckend vor ihm in den Schlamm fiel, waren erst wenige Augenblicke vergangen. Warmes Blut benetzte seine Schnauze. Auf der Zunge schmeckte er Eisen und nasses Fell.

Er verwandelte sich und sah sich um. Sieben Leichen lagen hinter ihm im Wasser, eine weitere vor ihm im Schlamm.

»Eine zu wenig«, sagte er und lauschte. Hinter ihm murmelte die rote Strömung. Vor ihm lag der Wald. Er hörte dumpfe Kampfgeräusche. Schreie.

Fast hätte er gelächelt. Da.

Er packte ein herumliegendes Schwert und kletterte die Böschung empor. Nackt rannte er über Moos und Steine. Die Schreie kamen näher. So nah, dass er einzelne Wörter verstehen konnte.

»Hilfe! Logan!«

Seine Brust gefror zu Eis.

Niemand kannte seinen Namen. Niemand wusste, wer er war. Nicht, seit sie sein Rudel ausgelöscht hatten. Warum rief Cian MacKay nach ihm?

Er hätte umdrehen sollen. Wenn er den Schreien den Rücken zugekehrt hätte, hätte er sich eine Menge Ärger erspart. Aber er tat es nicht.

Cian lag unter einem riesigen Sutherland, brüllte und schlug um sich, aber er hatte keine Chance. Die Oberschenkel seines Angreifers drängten seine Beine auseinander. Der Sutherland packte seine eigene Rute, bereit, zuzustoßen. Logan sah seinen haarigen Arsch unter dem Kilt.

»Dämon«, keuchte der Sutherland. »Dir fick ich die verrottete Magie aus dem Leib und dann schlitze ich dich auf, von oben bis unten.«

»Nein, bitte!« Tränen rannen über die Wangen des Kleinen. »Ich bin kein Dämon.« Er stockte, als er Logan erblickte, über die Schulter seines Angreifers hinweg. Die Katzenaugen weiteten sich.

Logans Schwert fuhr in den Rücken des Sutherland, direkt unter dem Schulterblatt, und durchbohrte sein Herz. Der Mann erstarrte. Blut färbte sein Hemd.

Stich tiefer und du durchbohrst auch den Kleinen, flüsterte die Angst in Logan. Er kennt deinen Namen.

Aber er war kein Sutherland und dazu noch ein Omega. Und er sah Logan an. So entsetzt, dass Logan sein Schwert aus dem Rücken des Sutherland riss und ihn zur Seite trat. Herunter von dem blonden Jungen. Der zerzaust und breitbeinig im Moos saß, so schön, dass die Sonne einen Moment lang hinter den zerrissenen Wolken hervorschaute und seine Haare vergoldete.

»Ich wusste, dass du kommst«, flüsterte der Junge. »Ich habe dich gespürt.«

Logans Schwerthand verkrampfte sich.

Magie!, schrillte die Panik in seinem Kopf. Das muss Magie sein!

Er packte den Kleinen am Kragen und riss ihn hoch. Hektischer Atem streifte seine Lippen. Er roch die Angst des Jungen. Todesangst.

»Woher kennst du meinen Namen?«, knurrte Logan.

»Ich weiß nicht«, flüsterte der Junge.

Er leckte sich die Lippen und Logans Wolf knurrte beim Anblick der nassglänzenden Haut laut auf. Fast hätte er den Goldenen ins Moos geworfen und zu Ende gebracht, was der Sutherland angefangen hatte. Er schüttelte sich. Verjagte Bilder, in denen er seinen Prügel in den nassen Mund des Omegas drängte.

»Sag mir, woher du ihn kennst.« Logan packte den Jungen fester. Seine Schwertspitze berührte Cians Bauch. Der zuckte zusammen. »Oder du bist so tot wie dieser Alpha.«

»Aber ich weiß es nicht.« Tränen rannen über gerötete Wangen. Und aus geröteten Nasenlöchern. Cians ganzer Körper bebte. Wie konnte er dabei nur so entzückend aussehen? »Ich weiß es wirklich nicht.«

»Bist du ein Hexer?«, brüllte Logan und schubste Cian gegen den nächstbesten Baumstamm. Der Junge schrie auf und ging in die Knie. »Wenn du einer bist, dann rück sofort raus damit! Es gibt nur eins, das ich so sehr hasse wie diese mondlosen Sutherlands und das sind verdammte Hexer!«

 

»Ich bin kein Hexer!« Cian stemmte sich hoch. Wut flammte auf und machte seine Züge nur noch schöner. »Und ich habe genug davon, so genannt zu werden! Dieser«, er zeigte auf den toten Sutherland, schaffte es aber offensichtlich nicht, ihn anzusehen, »Kerl hier hat das auch behauptet. Er meinte sogar, ich wäre ein Dämon, nur, um sein eigenes Fehlverhalten zu entschuldigen.«

»Sein eigenes Fehlverhalten?« Logan blieb stehen.

»Er ist ein unbeherrschter Dummkopf«, schnappte Cian. »War ein unbeherrschter Dummkopf. All seine Kameraden waren so.« Seine Stimme wurde leiser. Sein Gesicht blasser. »Sind sie tot?«

»Ja.« Logan betrachtete den Jungen. Er konnte keine Anzeichen für Magie erkennen. Nur einen schlanken Körper, der zitterte und nach Angst stank. Und trotzdem so schön war, dass es beinahe schmerzte. Logan wandte den Blick ab und betrachtete sein Schwert. »Cian. Woher kennst du meinen Namen?«

»Ich weiß es nicht.« Cian hob das Kinn. »Oder doch, ich weiß es: Er ist mir in einem Traum zugeflogen. Aber das glaubst du mir nicht, richtig?«

»Nein.« Logans Schenkel erinnerten sich an einen Traum. Einen, in dem sie zwischen den Beinen des Goldenen gesteckt hatte. In dem Cian seinen Namen gerufen hatte. Heiser und lüstern, während er sich an Logan gerieben hatte wie ein läufiger Köter. »Es sei denn, es war ein Traum, in dem du unter mir gelegen hast.«

»Natürlich nicht.« Cians Wangen waren flammend rot. »Warum behauptest du so etwas? Es war ein vollkommen anderer Traum.«

Natürlich hatte diese Erscheinung keine lüsternen Träume von einer Hackfresse wie ihm. Logan sah ihn lauernd an. »Was für ein Traum war es denn dann?«

»Du warst ein edelmütiger Held.« Cian hob das Kinn noch höher. »Und du hast gute Taten vollbracht. Zum Beispiel hast du mich zurück zum Kloster gebracht. Wer weiß, vielleicht war das ja ein prophetischer Traum.«

»War es nicht.« Logan ließ das Schwert sinken. Er würde es eh nicht schaffen, den Goldenen abzustechen. Nicht, wenn der so hilflos aussah wie ein Blatt im Sturm. »Du bist zu erbärmlich für einen Hexer. Wärst du einer, hättest du mich längst verflucht.«

Cian zog die Schultern hoch und sah zu Boden. »Wenn ich es könnte, würde ich es tun.«

»Was?«

»Nichts!« Cian schrak zusammen. »Nein, gar nichts. Danke für deine Hilfe.«

»Piss dich nicht wieder ein«, knurrte Logan. »Und ich habe dich nicht gerettet. Ich habe Sutherlands getötet. Also die, die du mir übrig gelassen hast.«

»Ich habe niemanden getötet.« Cian schaute entsetzt.

»Ach ja? Die Leichen da hinten im Bach würden etwas anderes behaupten.«

»Die haben sich gegenseitig umgebracht! Ich hatte nichts damit zu tun!«

»Du hast sie aufgestachelt.« Logan wurde kalt, wenn er daran dachte. Cian hatte so hilflos ausgesehen, so verängstigt. Ein dummes, zärtliches Gefühl klopfte an den Kerker in seinem Inneren und er tötete es. »Du hast mit ihnen gespielt wie mit Puppen. Und sie dazu gebracht, sich gegenseitig zu zerfleischen.«

»Das habe ich nicht!« Entsetzt schaute Cian ihn an. »Ich meine, ich wollte, dass sie kämpfen, damit s-sie keine Zeit haben, mich zu schänden. Ich wollte nicht, dass sie sterben.«

»Du lügst.«

Schuld tauchte das Gesicht des Jungen in Schatten. Seine Stimme war so heiser wie die eines uralten Säufers. »Sie sollten abgelenkt sein. Ich wusste, dass du da bist. Ich weiß nicht, warum. Aber ich wusste, dass du sie töten kannst, wenn ich sie ablenke.«

Kälte kroch durch den Wald, brachte den Geruch von blutigem Wasser mit sich. Logans Inneres gefror. Er betrachtete den Jungen vor sich und wollte einen Schritt zurück machen. Ja, wenn er nicht das Tier gewesen wäre, dann wäre er gerannt. Geflüchtet vor diesem zitternden Bündel, dessen Haut nach Morast und Kotze stank. Dessen Augen so nass und groß waren, dass Logan am liebsten die Hand auf seine Wange gelegt hätte, um ihn zu trösten. Als ob Cian MacKay von ihm angefasst werden wollte.

Er hatte es gespürt. Als er durch das Gebüsch geschlichen war. Als er gelauert hatte, nach einem Weg gesucht, wie er diese Sutherlands und ihre Gefährten töten konnte. Oder wenigstens möglichst viele mit ins Grab nehmen, bevor sie ihn niedermetzelten. Da hatte der Kleine ihn angeblickt. Das Erkennen in den grünen Augen war in Logans Körper gefahren wie ein Pfeil.

Er sieht dich, hatte eine ängstliche Stimme in seinem Kopf geflüstert. Und der Junge, der von zwei Alphas zu Boden gedrückt wurde, schwach und vollkommen wehrlos war, hatte ihm mehr Angst gemacht als alle Sutherlands zusammen.

»Du kommst mit mir«, krächzte Logan. Er machte einen Schritt vor und packte Cians Arm. »Du kommst mit mir und wenn ich irgendwelche Anzeichen von Hexerei an dir entdecke, schlitze ich deinen weißen Hals auf.«

»Nein!« Cians Schrei schreckte unzählige Amseln auf. »Nein, bitte! Ich muss zurück ins Kloster!«

»Ich bring dich zurück«, knurrte Logan. »Und behalte dich im Auge, den ganzen Weg über.«

»Lass mich los, du grober Ochse!«

Logan überhörte die Proteste und schleifte ihn weiter. »Du wolltest doch, dass ich dich zurückbringe. Jetzt hast du deinen Willen. Gern geschehen.«

»Ich wollte nicht entführt werden!«

Logan fuhr herum. »Und ich hasse Magie!«

Cians Augen füllten sich mit Tränen. »Ich bin nicht magisch. Ich habe keine Ahnung, was hier geschieht. Warum ich deinen Namen kenne. Oder warum ich deine Anwesenheit spüre. I-ich will heim.«

Er war wirklich noch ein Junge. So wie Logan, als er sein Rudel verloren hatte. Und genau wie er würde er erwachsen werden müssen oder die Welt würde ihn verschlingen.

Logan warf ihn sich über die Schulter und marschierte zur Böschung. Dort schleuderte er ihn in den Schlamm. »Bleib da.«

Cian sah zu ihm auf. Sah sich um. Seine Wangen färbten sich grün, als er die Leichen entdeckte. »Ich wusste nicht, wie sie riechen«, würgte er hervor. »Stinken alle Toten so?«

»Ja.« Auch das wusste Logan. Er hatte es schon gewusst, bevor die Welt ihn gezwungen hatte, zum Mann zu werden. »Sei froh, dass die meisten von ihnen im Wasser liegen. Und bleib hier. Sonst fange ich dich ein und versohle dir den Arsch.«

Der Goldene gehorchte. Zitternd. Wieder wollte sich ein mildes Gefühl in Logans Brust regen, aber er kämpfte es nieder. Zwang sich, nicht zu sehen, wie hilflos der Kleine war. Wie sehr er jemand brauchte, der ihn beschützte. Denn das stimmte nicht. Schon zwei Mal hatte jemand versucht, den Kleinen zu vergewaltigen. Und immer war der Junge ungeschändet geblieben und seine Angreifer tot. Logan glaubte nicht an Zufälle.

Er durchsuchte die Kleider der Sutherlands und ihrer Kumpane. MacDonnells, wenn er sich nicht irrte. Sah nach einem neuen Bündnis aus. Er fand Vorräte, gefüllte Wasser- und Weinschläuche, einen brauchbaren Dolch und ein Seil.

»Was hast du vor?«, fragte der Junge, als Logan damit auf ihn zukam. Sein Mund öffnete sich und er erinnerte Logan an ein verwundetes Reh. »Was willst du damit?«

»Hände auf den Rücken«, befahl Logan.

»Nein!«

»Cian«, sagte Logan und ärgerte sich darüber, wie seine Stimme klang. Als wollte er ein verschrecktes Pferd beruhigen. »Ich bringe dich zum Kloster und ich fasse dich nicht an. Du hast mein Wort.«

»Das Wort eines Mörders.« Der Junge versuchte, böse zu klingen, schaffte es aber kaum, seine Stimme ruhig zu halten. Ja, er tat Logan leid. Und genau deshalb musste er wachsam bleiben. Mit dem Goldenen stimmte etwas ganz und gar nicht.

»Ja«, sagte Logan. »Ich kann kaum behaupten, dass ich kein Mörder wäre. Aber mein Wort ist so gut wie das jedes anderen.«

Der Omega sah zu ihm auf. Ein plötzlicher Windstoß fuhr durch seine Haare, verwirbelte die hellen Locken. Und einen Moment lang wollte Logan ihn in den Arm nehmen. Seine Tränen abwischen und ihn halten. Aber das würde Cian wohl noch mehr Angst machen, als gefesselt zu werden. Logan dachte an all die Huren, die vor seiner Berührung zurückgeschreckt waren.

»Wenn ich dich verzaubern könnte, wärst du jetzt ein Frosch, nur, dass du’s weißt. Eine stinkige Kröte.« Cian drehte sich um und streckte ihm die Hände hin. Sie waren schlank, mit langen, feinen Fingern. Auch sie bebten. Der Junge fürchtete sich vor Logan, vielleicht mehr als die Sutherlands es taten. »Dass ich es nicht tue, sollte als B-beweis reichen, dass ich keinerlei magische Kräfte habe.«

»Oder, dass du sie alle aufgebraucht hast, um die Kerle da hinten umzubringen.« Logan schlang das Seil um die schlanken Arme, darauf bedacht, nicht zu tief einzuschneiden. Er wandte einen Knoten an, den er vor langer Zeit gelernt hatte. Eine Technik, die sogar band, wenn man sich in einen Wolf verwandelte.

»Du bringst mich wirklich zum Kloster?«, fragte Cian. Er sah zu Boden. »Schwörst du es?«

»Habe ich doch schon.«

»Ja.« Der Junge stand schwankend auf. »Ich habe Hunger.«

Logan wühlte in den Taschen, die er erbeutet hatte. Gleich drei hingen um seine Schultern. »Hier.«

Er erwartete, dass der Junge sich über das stinkende Trockenfleisch beschweren würde, aber der öffnete den Mund. Etwas hüpfte in Logans Brust, als er das Stück Fleisch zwischen pralle Lippen schob. Cian kaute und stöhnte leise.

»So gut, ja?« Logans Stimme war rau wie ein Mühlstein.

»Ich habe schon so lange nichts mehr gegessen. Seit gestern Mittag nicht.«

Logan erinnerte sich an einen Winter, in dem er mit leerem Magen durch den Wald gestreift war, frierend. Verzweifelt auf der Suche nach einem mageren Hasen, in den er seine Zähne schlagen konnte. Das war ganz am Anfang gewesen, als er den Wald noch nicht gekannt hatte. Als ihm nicht jede Lichtung zwischen Cairngorms und Ullapool zur Heimat geworden war.

Er beschloss, dass der Junge etwas Nettes verdient hatte, und teilte den Wein mit ihm. Der Alkohol brachte Farbe in Cians Wangen, die ihm ausgezeichnet stand. Dann vernichtete er den Rest des Trockenfleischbeutels. Appetit hatte er immerhin.

»Dunkle Magie zu wirken macht hungrig, was?«, fragte Logan.

»Bin kein Magier.« Cian beugte sich zu ihm herüber.

Er hatte darum gebeten, an einem Ort ohne Leichen zu essen, und Logan hatte zugestimmt. Er hatte sich sogar wieder angezogen. So saßen sie auf einer Lichtung, einige Meter entfernt vom Flussufer. Es gab Disteln im Gras und trotz der Kälte wurden sie von Mücken belästigt. Aber es war beinahe nett. Lange her, dass Logan Gesellschaft beim Essen gehabt hatte, und nie so schöne. Und gefesselte.

Schon drückte sein Gewissen, wenn er Cian weitere Fleischbrocken in den Mund schob. Wenn der sich vorbeugte und sie artig aus seiner Hand aß. Wenn seine Lippen Logans raue Haut berührten, nur einen Augenblick lang. Es fühlte sich sündig an, auf eine Art, die er damals als unschuldiger Knabe gefühlt hatte. In einem anderen, weit entfernten Leben.

»Das finde ich heraus«, sagte Logan. »Auf dem Weg zum Kloster ist ein Eisenstein. Wenn du die Probe bestehst, lasse ich dich frei. Du meinst das Kloster in Glenshee, oder?«

Cian nickte. »Ich habe auf dem Weg keinen Eisenstein gesehen.«

»Wir nehmen nicht den gleichen Weg. Ich kenne eine Abkürzung.«

Katzenaugen beobachteten ihn. Selbst angestrengtes Kauen änderte nichts an Cian MacKays Zauber. »Kennst du den ganzen Wald? Ist das dein Revier?«

»Ein Teil davon«, sagte Logan und klaubte das letzte Stück Trockenfleisch aus dem Beutel. Kauend betrachtete er Cian. »Warum bist du so weit von deinem entfernt? Was macht ein MacKay so weit im Süden?«

»Das Kloster.« Cian schluckte. »Ich interessiere mich für Kräuter und ihre Heilwirkung. Im Kloster arbeitet Ailig Glas. Bruder Ailig hat ein neues Verfahren zur Wundheilung entwickelt, mit Beinwell und Kamillentinktur statt der üblichen Methoden.«

»Aha.« Logan legte den Kopf schief. »Ist das alles?«

Cian schwieg.

»Es ist also nicht alles.«

»Warum sollte ich dir davon erzählen, Tier?« Katzenaugen funkelten ihn an. »Wir sind keine Freunde. Du bist der Mistkerl, der mich im Stich gelassen und nun gefesselt hat.«

»He, immerhin habe ich dich zweimal gerettet.«

»Du hast mich nicht gerettet, das hast du selbst gesagt. Du hast Sutherlands getötet.«

»Das kann ich halt am besten.«

»Ohne meine Hilfe hättest du die letzten nicht geschafft.« Trotzig hob Cian das Kinn. Er wirkte weniger ängstlich, seit er etwas im Magen hatte. Oder war es der Wein, der ihm Mut verlieh? »Warum hasst du die Sutherlands?«

»Warum warst du im Kloster?«

 

Cian schob die Unterlippe vor. »Ist noch Wein da?«

Wortlos hob Logan den Schlauch an seine Lippen. Sah die helle Kehle hüpfen und stellte sich vor, es sei sein Prügel an Cians Lippen und sein Saft, den der Junge schluckte.

»Schau mich nicht so an«, murmelte der Goldene, als Logan den Schlauch wieder an sich nahm.

»Wie schaue ich dich an?«, knurrte Logan und schüttelte den Schlauch. Leer.

»Als wolltest du mir die Kehle aufschlitzen.« Mürrisch betrachtete Cian seine Knie. »Andererseits schauen andere Männer mich an, als wollten sie mir den Kilt hochreißen und mich reiten, bis der Mond heult. Ich schätze, deine Blicke sind mir lieber. Sie sind ehrlicher.«

Logan wollte etwas sagen, aber alles, was ihm einfiel, war unsagbar dumm. Also stand er auf. »Gehen wir. Sind noch zwei Stunden bis zum Eisenstein und eine bis zum Kloster.«

Cian stöhnte. Logan packte ihn unter die Achseln und riss ihn hoch.

»Was wirst du tun, wenn ich auf den Eisenstein reagiere?«, fragte der Junge. »Wirst du mich töten?«

»Ja.« Dabei wusste Logan nicht, ob er in der Lage dazu sein würde. Allein die Vorstellung, dass seine Schwertspitze die milchweiße Haut durchbohren könnte, kam ihm wie ein Sakrileg vor. »Warum? Hast du Angst, Hexenbalg?«

»Nein.« Cian hob die Nase in die Luft. »Warum auch?« Er machte einen wankenden Schritt und wäre fast gestolpert. Ein schiefes Lächeln erhellte sein Gesicht. »Ups.«

»Bist du betrunken, MacKay?«

»Anscheinend.« Das Lächeln wurde breiter. »Fühlt sich lustig an. Zu Hause durfte ich höchstens verdünnten Wein trinken. Und im Kloster gab es nur Tee. Lass dir von niemandem erzählen, dort gäbe es fröhliche Sauforgien. Das ist eine Lüge.«

»Werd’s mir merken.« Kopfschüttelnd hängte Logan sich den leeren Beutel um und ging voran. Cian folgte ihm auf unsicheren Füßen. Weder die Fesseln noch sein eckiger Gang änderten etwas an der Eleganz seiner Bewegungen. Bei den ersten Schritten stöhnte er.

»Muskelkater?«, fragte Logan.

»Ja, und meine Füße tun weh«, stöhnte der Junge. »Ich bin diese körperliche Anstrengung nicht gewohnt. Bin ich froh, wenn ich zurück im Kloster bin. In Sicherheit.«

Er stolperte über einen im Gras verborgenen Stein und schrie auf. Logan fuhr herum und konnte ihn gerade noch fangen. Der Junge zuckte, als Logans Pranken seinen Arm packten.

»Ich hätte mir fast den Hals gebrochen.« Cians Augen funkelten wütend. »Nur wegen der blöden Fesseln. Kannst du die nicht abmachen?«

»Nein.« Logan schubste ihn voran, weg vom Ufer und in den Schatten des Waldes. »Und jetzt lauf. Je schneller wir zum Eisenstein kommen, desto schneller bringe ich dich zum Kloster.«

Cian trottete voran, stolperte und schwankte. Wie betrunken war er? Immerhin schaute er Logan nicht mehr an, als wollte der ihn fressen. Nein, die Blicke, die der Junge ihm zuwarf, konnte er nicht deuten. Immer wieder sah Cian zu ihm herüber, durch verdreckte Locken hindurch. Immer wieder, während sie durch hüfthohen Farn gingen und moosige Hügel erklommen. Jedes Mal, wenn Logan Cian helfen musste, weil er wegen der Fesseln nicht weiter kam, flatterten die Lider des Kleinen. Bei jeder Berührung atmete er scharf ein.

Er ekelt sich vor mir, dachte Logan. Das wird es sein. Klar will er nicht von meinen schwieligen Pfoten angefasst werden. Und mein Gesicht ist noch schwerer zu ertragen.

Er gab sich Mühe, Cian so wenig wie möglich zu berühren. Doch es ließ sich nicht vermeiden. Und jede Berührung sandte kleine Schauer durch Logans Körper.

Magie, dachte er und fürchtete sich davor, dass es sich als wahr herausstellen könnte. Was würde er tun, wenn Cian auf den Eisenstein reagierte? Was, wenn der sich in Qualen winden würde, weil das Eisen ihm wehtat, so wie allen Dämonen und Hexern? Würde Logan es schaffen zu tun, was getan werden musste?

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