Examens-Repetitorium Handels- und Gesellschaftsrecht

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Z serii: Unirep Jura
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c) Haftungsausschluss (§ 25 II HGB)

170

Trotz Firmenfortführung haftet der Erwerber nicht, wenn die Rechtsfolge des § 25 I 1 HGB durch Vereinbarung mit dem Veräußerer ausgeschlossen wurde und nach der Unternehmensübertragung entweder in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder dem jeweiligen Gläubiger vom Erwerber oder Veräußerer mitgeteilt wurde.[98] Nach ganz hM muss die Mitteilung im Interesse der Verkehrssicherheit und Rechtsklarheit unverzüglich erfolgen.[99] Angesichts des klaren Wortlauts lässt anderweitige Kenntnis des Gläubigers die Haftung nach hM hingegen nicht entfallen.[100] Fehlt – wie im Pachtfall (Rn. 158) – indes jede Vereinbarung zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber über die Fortführung des Handelsgeschäfts, dann muss ausnahmsweise auch die einseitige Erklärung des Erwerbers für die Eintragung und Bekanntmachung eines Haftungsausschlusses nach § 25 II HGB ausreichen.[101]

171

Die Eintragung eines Haftungsausschlusses gem. § 25 II HGB hat dabei auch schon dann zu erfolgen, wenn die Möglichkeit der Bejahung der Haftungsvoraussetzungen nach § 25 I HGB zumindest ernsthaft in Betracht kommt.[102] Der Erwerber ist davor zu schützen, dass das Registergericht die Eintragung des Haftungsausschlusses verneint, während das Prozessgericht der Klage eines Gläubigers auf Haftung gem. § 25 I HGB stattgibt.[103]

d) Rechtsfolgen

172

Der Erwerber haftet nach § 25 I 1 HGB unbeschränkt persönlich „für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers“, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund (Vertrag, Delikt usw.). Es gilt die Vermutung des § 344 HGB (unten Rn. 253). „Begründet“ ist die Verbindlichkeit, wenn ihr Rechtsgrund im Zeitpunkt des Übergangs des Unternehmens bereits gelegt war (sog. Altverbindlichkeit). Dass der Anspruch noch nicht fällig, bedingt oder befristet war, ist unschädlich.[104] Keine Erwerberhaftung gilt für höchstpersönliche Verpflichtungen (zB Unterlassung von Wettbewerb), sofern die Pflichtverletzung vom Vorgänger erst nach der Unternehmensübergabe begangen wird. Anderes gilt wiederum bei einem vorangegangenen Verstoß, der bereits einen Schadensersatzanspruch begründet hatte.[105]

173

Strittig ist, ob Rechtsfolge des § 25 HGB auch ein Wechsel der Vertragspartei ist, wie es von einem Teil des Schrifttums vertreten wird.[106] Der BGH hat die Streitfrage grundsätzlich offen gelassen.[107] Jedenfalls beim Mietvertrag sei aber die Mitwirkung des Vermieters erforderlich; nur mit dessen Einverständnis könne das Mietverhältnis vom Einzelkaufmann auf die neu gegründete Personengesellschaft übergehen.[108]

174

Neben dem Erwerber bleibt auch der bisherige Inhaber in der Haftung. Denn die Haftung des Erwerbers resultiert nach zutreffender hM aus einem gesetzlichen Schuldbeitritt,[109] was dem Normzweck entspricht und nicht zuletzt aus § 26 HGB folgt. Die Haftung des Veräußerers endet, wenn die Verbindlichkeit nicht innerhalb von 5 Jahren (ab Eintragung!) fällig und in einer § 197 I Nr. 3–5 BGB entsprechenden Weise gegen den bisherigen Inhaber festgestellt wird.[110] Da § 26 I 3 HGB allerdings gleichermaßen auf § 204 BGB verweist, vermag der Gläubiger den Fristablauf bereits durch die Einleitung von Rechtsverfolgungsmaßnahmen, wie zB Klageerhebung oder Zustellung eines Mahnbescheids zu verhindern.[111] Veräußerer und Erwerber haften als Gesamtschuldner.[112] Dem Erwerber stehen alle Einreden zu, die entweder in seiner Person begründet sind oder – nach dem Rechtsgedanken des § 417 I 1 BGB – dem bisherigen Inhaber zustanden, weiterhin alle Einreden gem. §§ 422 ff. BGB[113] sowie die Einrede der Gestaltbarkeit nach §§ 770, 1137 I 1, 1211 BGB analog, die zB für Rücktritt, Kündigung und Minderung in Betracht kommt.[114]

e) Forderungsübergang

175

Die Vorschrift des § 25 I 2 HGB hat im Ausgangspunkt dieselben Voraussetzungen wie § 25 I 1 HGB, knüpft aber – im Gegensatz zum Grundtatbestand – nicht an eine Verbindlichkeit, sondern an eine Forderung des Veräußerers an. Sobald der Veräußerer in die Fortführung der Firma eingewilligt hat, gelten die im Betrieb begründeten (und nicht ohnehin abgetretenen) Forderungen im Verhältnis zum Schuldner als auf den Erwerber übergegangen. Die Vorschrift dient dem Schutz des Forderungsschuldners.[115] Er wird nach § 25 I 2 HGB durch Leistung an den Erwerber frei, auch wenn die Forderung nicht vom Veräußerer abgetreten wurde. Demgegenüber schützt § 407 I BGB für den Fall der Abtretung an den Erwerber: Hat der Schuldner hiervon keine Kenntnis (wofür allein das Wissen um den Unternehmenserwerb nach hM nicht genügt[116]), befreit ihn auch die Leistung an den Veräußerer. Dagegen begründet § 25 I 2 HGB kein Forderungsrecht des Erwerbers. Ein solches bestünde nur, wenn man § 25 I 2 HGB als gesetzlichen Forderungsübergang interpretierte. Dagegen spricht aber nicht nur der Wortlaut des § 25 I 2 HGB („gelten … als … übergegangen“), sondern auch der auf den Schutz des Forderungsschuldners beschränkte Normzweck. Der Veräußerer ist daher nach wie vor als alleiniger Forderungsinhaber anzusehen, während der Erwerber keinerlei materielle Berechtigung an der Forderung hat.[117]

176

Da § 25 II HGB sich auf den gesamten § 25 I HGB bezieht, steht auch der Schuldnerschutz des § 25 I 2 HGB zur Disposition von Veräußerer und Erwerber. Das setzt nach dem Wortlaut des § 25 II HGB voraus, dass die Vereinbarung im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist. Hier stellt sich wiederum die Frage, ob der Schuldnerschutz auch greift, wenn der Schuldner positive Kenntnis davon hat, dass die Forderung tatsächlich nicht an den Erwerber abgetreten worden ist. Dies ist im Einklang mit der zu § 25 I 1 HGB gefundenen Lösung zu bejahen: Zum einen fehlt es für eine solche teleologische Reduktion des § 25 I 2 HGB ob des klaren Wortlauts an einer verdeckten Regelungslücke. Zum anderen kann dem Schuldner, selbst wenn er sichere Kenntnis davon hat, dass die gegen ihn gerichtete Forderung nicht auf den Erwerber übergangen ist, der Nachweis dieses Umstands weitere Schwierigkeiten bereiten. Auch davor will § 25 I 2 HGB schützen. Daher kommt die Vorschrift mit der zutreffenden hM auch bei positiver Kenntnis des Schuldners zur Anwendung.[118] Etwas anderes gilt nach allgemeinen Grundsätzen nur dann, wenn die Leistung an den Erwerber im Einzelfall als treuwidrig iSd § 242 BGB erscheinen muss.[119] Dieser Einwand kann indes nur in Ausnahmefällen greifen, weil der Veräußerer grundsätzlich nicht schutzwürdig ist, wenn er es unterlässt, nach § 25 II HGB für klare Verhältnisse zu sorgen.

2. Haftung des Erben bei Fortführung des Handelsgeschäfts (§ 27 HGB)

a) Überblick, Normzweck und Verhältnis zur allgemeinen Erbenhaftung

177

Führt der Erbe ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft fort, so haftet er gem. § 27 I HGB für die bestehenden Geschäftsverbindlichkeiten nach § 25 HGB, d.h. die Fortführung durch den Erben unter der bisherigen Firma wird der Fortführung durch einen lebzeitigen Erwerber gleichgestellt.[120] § 27 I HGB ist nach herrschender und zutreffender Auffassung somit als Rechtsgrundverweisung auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 I HGB zu verstehen.[121] Die Bedeutung der Regelung liegt in der Verschärfung der allgemeinen Erbenhaftung:[122] Zwar haftet der Erbe grundsätzlich bereits gem. §§ 1922 I, 1967 BGB unbeschränkt für alle Verbindlichkeiten des Erblassers (und damit auch für dessen Geschäftsverbindlichkeiten)[123], doch kann er diese Haftung nach Maßgabe der §§ 1975 ff. BGB auf den Nachlass beschränken. Diese Möglichkeit der Haftungsbeschränkung gibt es im Rahmen der handelsrechtlichen Erbenhaftung nicht,[124] jedoch kann diese gem. §§ 27 I, 25 II HGB ausgeschlossen (Rn. 186) und weiterhin dadurch vermieden werden, dass die Fortführung der Firma unterbleibt (Rn. 181 f.). Darüber hinaus haftet der Erbe nicht nach §§ 27 I, 25 HGB, sofern er den Geschäftsbetrieb in der Frist des § 27 II HGB einstellt (Rn. 184). Wird die Erbschaft ausgeschlagen (§§ 1942 ff. BGB), so entfällt ebenfalls jegliche Erbenhaftung.

178

Merke aber:

Unabhängig von der Ausschlagung der Erbschaft und unabhängig von allen handelsrechtlichen Ausschlusstatbeständen haftet der (Schein-)Erbe für sämtliche seit dem Zeitpunkt der Fortführung des Unternehmens begründeten Geschäftsverbindlichkeiten (Neuverbindlichkeiten) nach allgemeinen Grundsätzen stets persönlich und unbeschränkt.[125]

b) Tatbestandsvoraussetzungen

179

aa) Anknüpfungsobjekt für die Haftung ist ein zum Nachlass gehörendes Handelsgeschäft (dazu oben Rn. 155), das der Erblasser als Einzelkaufmann betrieben hat. § 27 HGB findet keine Anwendung auf die Vererbung eines nichtkaufmännischen Unternehmens[126] (siehe auch oben Rn. 156), ist nach seinem Normzweck jedoch analog anwendbar im Falle der Beerbung des einzigen Komplementärs einer KG durch den Kommanditisten.

 

180

Fall 20:

Komplementär K und Kommanditist E sind Gesellschafter der K-KG. Stirbt K und wird er von E beerbt, so wird die KG beendet und verwandelt sich in ein einzelkaufmännisches Unternehmen.[127] Das Gesellschaftsvermögen geht dabei im Wege der Gesamtnachfolge ex lege und ohne Durchführung eines Liquidationsverfahrens auf E über. Bei Vorliegen sämtlicher weiteren Voraussetzungen haftet E für die Verbindlichkeiten der KG (für die K seinerseits gem. §§ 161 II, 128 HGB unbeschränkt haftete)[128] analog § 27 HGB.[129]

181

bb) Das Handelsgeschäft muss vom Erben über die Bedenkzeit des § 27 II HGB hinaus fortgeführt werden (dazu oben Rn. 165). Der Rechtsgrund für die Erbenstellung (Gesetz, Testament, Erbvertrag) spielt keine Rolle. Erben sind auch der Vor- und der Nacherbe[130] sowie derjenige, der nach einer Ausschlagung durch den vorläufigen Erben gem. § 1953 II BGB endgültiger Erbe ist;[131] in analoger Anwendung des § 27 HGB auch der Scheinerbe.[132] § 27 HGB gilt auch bei Fortführung durch die ungeteilte Erbengemeinschaft[133] (§§ 2032 ff. BGB).[134] Ausreichend ist weiterhin die Fortführung durch dritte Personen, die den Erben zugerechnet werden können, insbesondere durch gesetzliche Vertreter oder Bevollmächtigte.[135] Dagegen wird die Fortführung durch den Insolvenzverwalter den Erben nicht zugerechnet, weil dieser eigenständig handelt.[136]

182

cc) Erforderlich ist weiter die Fortführung der Firma[137] (Rechtsgrundverweisung! Siehe Rn. 177).[138] Durch Änderung der Firma lässt sich somit die handelsrechtliche Erbenhaftung vermeiden.

c) Rechtsfolgen

183

Liegen die Voraussetzungen gem. §§ 27 I, 25 HGB vor und ist auch kein Ausschlusstatbestand erfüllt (unten Rn. 184 ff.), dann haftet der Erbe unbeschränkt wie ein lebzeitiger Erwerber für die Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers. Ein Vorerbe haftet stets uneingeschränkt,[139] ein Nacherbe hingegen nur dann, wenn auch er das Handelsgeschäft fortführt und somit nicht, wenn das Handelsgeschäft im Zeitpunkt des Nacherbfalls nicht mehr zum Nachlass gehört.[140] Bei Fortführung des Handelsgeschäfts durch einzelne Miterben haften die anderen Miterben (gem. § 2058 BGB gesamtschuldnerisch) nur, falls hierfür – ggf. auch konkludent – im Rahmen der gemeinsamen Verwaltung des Nachlasses (§ 2038 BGB) eine Vollmacht erteilt wurde.[141] Der endgültige Erbe haftet auch für Verbindlichkeiten aufgrund der Fortführung durch den vorläufigen Erben,[142] der wirkliche Erbe für solche des Scheinerben[143] (dazu bereits oben Rn. 181).

d) Haftungsausschluss

184

aa) Losgelöst von der Möglichkeit, die Erbschaft generell auszuschlagen (§§ 1942 ff. BGB), wird die handelsrechtliche Erbenhaftung[144] auch durch die Geschäftseinstellung in der Frist des § 27 II HGB ausgeschlossen. Diese Regelung verschafft dem Erben die Möglichkeit, die Fortführung des Unternehmens samt deren haftungsrechtlichen Konsequenzen zu überdenken. Eine Einstellung liegt vor, wenn das Geschäft völlig aufgegeben (Abwicklungsgeschäfte bleiben auch nach Fristablauf zulässig) oder das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Streitig ist, ob auch die Veräußerung (mit Firma) zur Haftungsbefreiung führt; dies wird heute von der hL zutreffend bejaht.[145] Wird das Unternehmen vom Erben fortgeführt, jedoch innerhalb der Frist des § 27 II HGB lediglich die Firma geändert, so spricht der Wortlaut des § 27 II 1 HGB gegen,[146] der Normzweck indes zutreffend für eine Haftungsbefreiung[147] (im Wege der Analogie). Die Einbringung des Unternehmens in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft – mit entsprechender Beteiligung des Erben – bewirkt ebenfalls eine Haftungsbefreiung nach § 27 II HGB, da auch damit ein Wechsel der Unternehmensträgerschaft verbunden ist.[148] Ein Schutz der Altgläubiger des eingebrachten Unternehmens wird hierbei über § 28 HGB gewährleistet.

185

Fall 21:

Erbe E hat das Handelsgeschäft von K unter der bisherigen Firma zwei Monate lang fortgeführt. Er haftet nicht, wenn er nunmehr fristgerecht den Geschäftsbetrieb einstellt (unstreitig), nach zutreffender Auffassung aber auch dann nicht, wenn er innerhalb der Frist des § 27 II HGB entweder das Unternehmen (mit Firma) veräußert oder die Firma verändert (str.).

186

bb) Der Erbe kann nach hM seine Haftung auch dadurch ausschließen, dass er nach der Übernahme des Unternehmens unverzüglich eine Haftungsbeschränkung iSv § 25 II HGB in das Handelsregister eintragen lässt oder den Gläubigern hiervon Mitteilung macht.[149] Diese Möglichkeit ergibt sich nach hM daraus, dass § 27 I HGB in vollem Umfang „die Vorschriften des § 25“ für entsprechend anwendbar erklärt.[150] Die Gegenauffassung wertet hingegen § 27 II HGB als lex specialis.[151] Der hM ist jedoch zu folgen. Es ist kein Grund ersichtlich, den Erben strenger haften zu lassen als den lebzeitigen Erwerber. Allerdings entfällt – im Unterschied zu § 25 HGB – hier die Weiterhaftung des Veräußerers. Doch haftet stattdessen der Erbe mit dem Nachlass, was einer Weiterhaftung des Erblassers zumindest wertungsmäßig entspricht.[152]

3. Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine Personengesellschaft (§ 28 HGB)

a) Gesetzliche Terminologie, praktischer Anwendungsbereich und Normzweck des § 28 HGB

187

Wird in den §§ 25, 27 HGB die vollständige Übertragung eines kaufmännischen Unternehmens zu Lebzeiten oder von Todes wegen geregelt, so betrifft § 28 HGB „den Eintritt“ eines Dritten in das Geschäft eines Einzelkaufmanns, bei wirtschaftlicher Betrachtung somit eine „Teilübertragung“. Die gesetzliche Formulierung ist allerdings ungenau; denn dogmatisch ist ein solcher „Eintritt“– anders als etwa der „Beitritt“ (oder Eintritt) in eine Personengesellschaft[153] – gar nicht möglich.[154] § 28 I 1 HGB trifft vielmehr eine Haftungsregelung für den Fall, dass die Gründung einer OHG oder KG durch Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens erfolgt:[155] Hier soll (auch) die neue Gesellschaft für die geschäftlichen Altverbindlichkeiten des Einzelkaufmanns haften. In § 28 I 2 HGB wird gegenüber den Schuldnern die gesetzliche Vermutung ausgesprochen, dass die im einzelkaufmännischen Unternehmen begründeten Forderungen auf die neue Gesellschaft übergegangen sind. Grund für diese Haftungserweiterung und auch den Forderungsübergang ist die Erwartung des Rechtsverkehrs, wonach die im einzelkaufmännischen Unternehmen begründeten Rechte und Pflichten bei Einbringung des Unternehmens in eine OHG oder KG auf die neue Gesellschaft übergehen (Theorie der Unternehmenskontinuität).[156]

b) Tatbestandsvoraussetzungen und Abgrenzungen

188

aa) § 28 HGB regelt den Sachverhalt der Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine OHG oder KG, die zu diesem Zweck neu gegründet wird. Unerheblich ist dabei, ob der bisherige Einzelkaufmann persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist wird (arg e § 28 III HGB). Die Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine bereits bestehende Personengesellschaft ist somit kein Anwendungsfall von § 28 HGB[157] (in Betracht kommt allein eine Haftung nach § 25 HGB[158]). Hier erfolgt – bei bildhafter Vorstellung – nämlich kein „Eintritt“ in das Geschäft des Einzelkaufmanns, sondern der Einzelkaufmann tritt gerade umgekehrt in eine schon existierende Gesellschaft ein und haftet nach Maßgabe der § 130 HGB bzw. § 173 HGB (dazu ausf. unten Rn. 735, 740). Dieser Unterschied rechtfertigt auch unterschiedliche Rechtswirkungen.[159] Der ausdrückliche Gesetzeswortlaut und der entgegenstehende Wille des historischen Gesetzgebers stehen aber auch der (analogen) Anwendung des § 28 HGB entgegen, wenn ein einzelkaufmännisches Unternehmen im Rahmen der Neugründung einer Kapitalgesellschaft eingebracht wird[160] (auch hier kommt nur § 25 HGB in Betracht[161]). Infolge eines argumentum a maiore ad minus findet § 28 HGB erst recht keine Anwendung, wenn eine Einbringung in eine schon bestehende Kapitalgesellschaft erfolgt.[162]

189

bb) Einbringungsgegenstand ist nach dem Gesetzeswortlaut das „Geschäft eines Einzelkaufmanns“; unerheblich ist, ob der eintretende Dritte eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personengesellschaft ist.[163] Auf die Einbringung eines nichtkaufmännischen Unternehmens ist § 28 HGB indes entsprechend anzuwenden, weil § 28 I HGB keine Firmenfortführung erfordert und zusätzlich verlangt, dass es zur Errichtung einer OHG bzw. KG kommt, welche dementsprechend von der Möglichkeit des § 28 II HGB Gebrauch machen kann.[164] Daher gelangt § 28 I HGB etwa analog zur Anwendung, wenn eine bisher kleingewerbliche Geschäftstätigkeit im Zuge der Einbringung erweitert[165] oder gem. § 105 II HGB eingetragen wird.[166] Umstritten ist hingegen die Rechtslage, wenn als Folge der Einbringung lediglich eine BGB-Gesellschaft entsteht:

190

Fall 22:

R betreibt allein eine Anwaltskanzlei und haftet dem Mandant M aufgrund fehlerhafter Prozessführung auf Schadensersatz. Als Anwalt A in die Kanzlei des R „eintritt“, wird er von M in Anspruch genommen.[167]

191

Der BGH hat die (analoge) Anwendung von § 28 HGB abgelehnt.[168] Dies ist zutreffend, weil für BGB-Gesellschaften die Möglichkeit des Haftungsausschlusses durch Registereintragung nach § 28 II HGB (unten Rn. 197) nicht besteht (zur vergleichbaren Argumentation gegen die Erstreckung des § 25 I HGB auf nichtgewerbliche Unternehmen: oben Rn. 156). Die Gegenauffassung, die § 28 HGB als Ausdruck eines analogiefähigen allgemeinen Rechtsgedankens und unter Hinweis auf die Konsolidierung des Haftungsrechts der GbR bei jeder Gründung einer Personengesellschaft analog anwenden möchte,[169] ist mithin abzulehnen. Da die neu gegründete Anwaltssozietät (BGB-Gesellschaft) nicht gem. § 28 HGB haftet, haftet auch A persönlich nicht.[170] Anderes gilt nach zutreffender Auffassung für den Eintritt in vermögensverwaltende Personengesellschaften iSd § 105 II HGB, wenn die durch den Eintritt entstehende Gesellschaft zeitnah mit dem Eintritt durch Eintragung in das Handelsregister zur Handelsgesellschaft wird.[171] Denn unter diesen Voraussetzungen besteht auch die Möglichkeit, einen Haftungsausschluss nach § 28 II HGB eintragen zu lassen.

192

cc) Die Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages ist ohne Bedeutung, sobald die fehlerhaft errichtete Gesellschaft in Vollzug gesetzt wurde.[172] Dann gelten die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft (Einzelheiten unten Rn. 796 ff.). Hierfür spricht auch die Anwendung von § 25 I HGB bei der vergleichbar gelagerten Problematik des unwirksamen Erwerbsvorgangs (oben Rn. 157, 163).

193

dd) Auf die Fortführung der bisherigen Firma kommt es – anders als bei §§ 25, 27 HGB[173] – kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht an. Die Haftungskontinuität (oben Rn. 153) wird hier durch die weitere Beteiligung des bisherigen Einzelkaufmanns zum Ausdruck gebracht.[174]