Der Kessel der Götter

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Übung: Hinab in die Tiefe

Wasser ist eine erstaunliche Flüssigkeit. Denn Wasser kommt herum. Es kreist um die ganze Welt und geht beständig durch alle Lebewesen. Seit dem Anfang unserer Erde ist das Wasser praktisch erhalten geblieben. In diesem Augenblick hast Du Wassermoleküle im Körper, die in den Urmeeren die ersten Lebewesen berührten, in denen Trilobiten tollten, die durch Saurierblasen gingen und die in der Eiszeit Nordeuropa überzogen. Du enthältst Moleküle, die im Indus und Ganges waren, im Huang He, im Yangzi, im Nil, im Orinoko, Mississippi, Rhein, Donau, Wolga und jedem anderen Fluss und Meer der Weltgeschichte. Und in Dir sind genau jetzt Moleküle, die in sämtlichen (!) Menschen der Vorgeschichte, des Altertums und des Mittelalters waren. Egal, wo auf der Erde. Nur das Wasser, das durch die Menschen der letzten Jahrhunderte ging, hat sich noch nicht überall verbreitet. Doch das ist nur eine Frage der Zeit. Denn Wasser kommt herum. Und es ist ungeheuer voll mit Information.

Im letzten Kapitel gab es eine praktische Meditation. Und ich bin sicher, dass Du sie auch gemacht hast, denn sonst ist vieles, was folgt, einfach unverständlich für Dich. Was ziemlich schade wäre. Gehen wir nochmal zum Anfang zurück. Beim letzten Mal hast Du dich in einen Grabhügel geträumt. Das ist ein nützlicher Ort mit Verbindungen nach vielen Seiten der Welt. Diesmal machen wir etwas anderes.

Such‘ Dir einen ruhigen Ort, mach es Dir bequem und gehe in eine nette und wohlige Trance. Die Sorte, in der Du Dich richtig gut fühlst. Du hast ein limbisches System, direkt in Deinem Gehirn, und ein erstklassiges Nervensystem. Sie sind dafür da, dass Du Dir die Gefühle machst, die Dich richtig weiterbringen. Beim letzten Mal haben wir Suggestionen verwendet, diesmal machen wir es anders. Denn es gibt viele Wege in Trance. Trance ist etwas ganz Natürliches. Du kennst das schon. Aber es geht noch viel besser. Zeit für eine Überraschung. Zum Beispiel Atem zählen. Leg oder setz Dich also erstmal ruhig hin und lockere Deinen Körper. Spann die Arme an und lass die Spannung wieder los. Spanne an und lockere Dich wieder. Und nochmal. Loslassen tut gut. Und den Rest des Körpers gerade mit. Besonders den Bauch, die Brust und den Kopf. Wann war Dein Gesicht das letzte Mal so richtig weich? Jetzt ist eine gute Gelegenheit. Lass ein Lächeln durch Deinen Körper gehen. Ein richtig gutes, intensives Lächeln, das Dich mit Freude erfüllt. Und noch stärker. Sowas entlädt Endorphine. Lächle in Deinen Körper während er locker und weich wird. Arm rechts weich und schwer, Arm links ruhig und locker, Bein rechts ruhig und schwer und so weiter. Und verwende eine wohlige, ruhige und relaxte innere Stimme die immer ruhiger und langsamer wird. Ganz langsam. Sanft und behutsam. Mit jedem Ausatmen nur ein paar Worte.

Und jetzt fühlst Du in Deinen Atem hinein, wie er ganz von selbst herein und hinaus fließt. Frische Energie strömt sachte herein, alte abgestandene Luft fließt raus. Achte auf das Ausatmen. Beim Ausatmen wird Dein parasympathisches Nervensystem angeregt. Denn Ausatmen bedeutet, schwerer und lockerer zu werden und Du kannst richtig gut loslassen. Und jetzt kannst Du immer ruhiger werden. Denn Du hast viel Zeit. Du hast die Zeit Deines Lebens. Und jetzt, während Du immer tiefer in Dich herein sinkst und immer friedlicher und lockerer wirst, kannst Du langsam zählen. Eine Zahl mit jedem Ausatmen. Zähle ‘Neun‘ und fühle wie Du ruhiger wirst. Zähle ‘acht‘ und gähne richtig gut. Zähle ‘sieben‘ und lass los. Zähle ‘sechs‘ und sinke noch tiefer hinab. Zähle ‘fünf‘ und weiter geht’s in die Tiefe. Zähle ‘vier‘ und bemerke, wie gut es Dir gehen kann. Ganz natürlich und von selbst. Einfach loslassen. Jeden Atemzug ein wenig tiefer. Weiter hinab in eine erholsame, ruhige Erfahrung, in der Du ganz in die Tiefen Deiner Selbst eintauchst. Zähle ‘drei‘ und Du wirst immer einfacher. Zähle ‘zwei‘ und es geht weiter in Dich hinab. Zähle ‘eins‘ und Du genießt den Urgrund des Seins. Und zähle wieder ‘neun‘ während du ausatmest und noch tiefer gehst. Zähle ‘acht‘ und sinke sanft. Und mach so weiter bis Du in einer richtig guten Tieftrance angekommen bist. Und wenn Du glaubst, Du bist richtig angekommen, sag Dir selbst zwei oder drei mal: ‘Das nächste Mal wenn ich mich in Trance zähle, gleite ich viel schneller in einen tiefen und guten Bewußtseinszustand. Denn vom Wachbewußtsein zur Tieftrance kann es so einfach sein. Die nächste Trance wird doppelt so tief und viel besser und wohliger.‘

Funktioniert jedes Mal. Im Laufe der Zeit wirst Du lernen, in weniger als fünf Sekunden in Tieftrance zu kommen. Es ist einfach eine Frage der Übung. Du wirst überrascht sein, wie einfach das ist.

Gut. In Trance zu kommen ist eine schöne, erholsame Sache, aber viel wichtiger ist, was Du darin machst. Du willst ja nicht nur relaxen, sondern auch etwas Neues lernen. Du bist also tief innen drin und Dein Körper fühlt sich angenehm ruhig und locker. Umwelt ist da draußen, die Körperperipherie ist da draußen, Alltagsgedanken sind da draußen, alles weit weg. Denn hier wo Du bist ist alles einfach und klar. Und Du bist ganz weit unten in Dir drin. Manchmal muß man in sich hineingehen um richtig raus zu kommen. Stell Dir vor, dass Du Deinen Körper verlässt. Vielleicht gleitest Du hinaus. Vielleicht drehst Du Dich heraus. Oder Du stellst Dir einfach vor, dass Du Deinen Körper da ruhen siehst, bevor Du zu reisen beginnst. Oder Du öffnest eine Tür aus Deinem Inneren, die in eine andere Welt führt. Es gibt so viele Wege. Jeder ist eine Metapher, aber jede Metapher enthält eine ganz eigene Wahrheit.

Welche Geschichte willst Du heute erleben? Mach es eine lebenswerte Geschichte. Denk Dir eine Tür zur Anderswelt. Vielleicht ist es ein ruhiger See. Nebel gleiten über die Oberfläche, Seerosen blühen und ein Reiher schreitet leise durch das taunasse Schilf. Oder denk Dir eine Quelle. Die Wasseroberfläche kräuselt sich, und ein sanftes Rinnsal strömt über die satte, saftige, feuchte Erde. Oder ein Wasserfall. Hinter dem rauschenden, perlenden, schaumigen Vorhang liegt eine Höhle, die Dir den Weg zu neuen Erfahrungen eröffnet. Und wie wäre es mit einem Sumpf? Einem heiligen Ort wo nass und trocken ineinander übergehen, wo jeder Schritt so leicht sein muss wie eine Feder. Wo der Boden gurgelt, wo Binsen im Zwielicht schwanken und nachts Glühwürmchen über das Wasser gleiten. An solchen Orten ist der Schleier zwischen den Welten dünn. Du kannst hindurch gehen, und lernen was Dich auf der anderen Seite erwartet.

Oder ein gewaltiger Strom. In der Anderswelt kannst Du unter Wasser atmen. Du kannst mit der Strömung treiben und hinauf zum Himmel schauen. Zu den Weiden und Erlen die das Ufer säumen. Zu den Vögeln die weit über Dir fliegen. Du kannst den Fischschwärmen folgen, den Ottern beim spielen zusehen, und eine Ruhe finden, die Dich durch und durch erfrischt. Und Du kannst die Göttin des Flusses erleben, wie sie, auf Hunderten von Kilometern gleichzeitig, das ganze Land mit Segen erfüllt. Vielleicht möchtest Du mit ihr verschmelzen. Götter sind da, um erlebt zu werden. Und das selbe sagen die Götter über die Menschen. Wir kommen in einander nach Hause, denn Bewußtsein ist eins und überall.

Diese Trancen laden zur Wiederholung ein. Jedes Mal wenn Du hierher zurück kehrst, werden Deine Erlebnisse intensiver sein. Die Welt der Träume und Imagination wird stabiler, wenn Du sie oft besuchst. Und Dein Erleben wird intensiver, je mehr Du Deine inneren Sinne einbringst. Fühle das Wasser, höre seinen Klang, genieße seinen Geschmack und Geruch. Bring Dich ganz in Deine Vision ein. So wird die Anderswelt real für Dich.

Hier gibt es viel zu erleben, viel zu lernen und zu staunen.

Die Anderswelt wird Dich in vielem überraschen. Denn hier ist der Ort, an dem verborgenes Wissen ins Bewußtsein kommt. Hier ist die Chance, Dich selbst in anderer Form zu erleben. Und hier ist die Gelegenheit, Dich und die Welt neu zu erschaffen. Du kehrst verwandelt zurück. Gute Dichter, Barden, Künstler und Zauberer werden in der Anderswelt geboren. Immer und immer wieder.

Und wenn Du genug hast, kehre einfach auf dem selben Weg zurück. Schließe alle Türen und Durchgänge sorgfältig, komme in Deinen Körper nach Hause und fühle Dich wohl. Sag Dir ‘die nächste Trance erlebe ich noch intensiver.‘. Und jetzt kannst Du in die andere Richtung zählen. Zähle ‘eins‘ und merke wie Du wacher wirst. Zähle ‘zwei‘ und spüre wie Deine innere Stimme schneller wird. Zähle ‘drei‘ und strecke Deine Arme und Beine. Zähle ‘vier‘ und räkele Dich nach allen Seiten. Zähle ‘fünf‘ und Dein Atem wird tiefer und schneller und all der frische Sauerstoff geht belebend in Dich ein. Zähle ‘sechs‘ und Du steigst immer weiter auf, zur Oberfläche des Bewußtseins. Zähle ‘sieben‘ und Deine Augen öffnen sich. Zähle ‘acht‘ und Du bist frisch und wach und klar da. Zähle ‘neun‘ und Du setzt Dich auf, völlig erfrischt und neu und dieses gute Gefühl durchströmt Dich. Zähle ‘zehn!‘ und Du bist klarer und wacher als je zuvor. Willkommen in der Welt!

Und wenn Du das Ganze richtig erden willst, denn gute Magie will geerdet sein, mach bald einen Ausflug an einen Fluß, See oder Sumpf, um das Wasser auch vom Diesseits zu erleben. Das verbindet die Welten.


Kultplätze

Es ist nicht leicht zu entscheiden, ob ein Kultschacht innerhalb einer Viereckschanze nun als Opfergrube gedacht war oder einfach als Brunnen diente. Bei Ausgrabungen in einer Viereckschanze bei Fellbach-Schmiden in der Nähe von Stuttgart hat man einen „Kultschacht” gefunden, bei dem es sich definitiv um einen Brunnen mit holzverkleideten Wänden handelt. Er hatte eine Tiefe von 20 m, und in einer Ecke lehnte sogar eine grobe Leiter. Trotzdem tut das der Heiligkeit des Ortes keinen Abbruch. Für die Kelten, die Germanen und die Völker der Bronzezeit, die ihnen vorausgingen, haftete Wasser und Brunnen immer etwas Heiliges an – und der oben beschriebene enthielt eine Anzahl von Opfergaben, darunter Tongefässe, Tierknochen und drei Holzfiguren, die einen wunderschönen Hirsch darstellen und zwei Tiere mit ziemlich langen, spitzen Hörnern – man denkt an Ziegen oder Steinböcke. Die letzteren beiden flankierten das Abbild eines Gottes, das leider verloren gegangen ist. Eine hohe Konzentration an Phosphat in bestimmten Schichten des heiligen Brunnens zeigt, dass an irgendeinem Punkt der Geschichte unfreundliche Leute eine Menge Mist in das Loch geworfen haben – eine beliebte Methode, um das Wasser zu vergiften. Düngervergiftung finden wir auch in einem Brunnen in Pforzheim, wo eine hölzerne Statue der Göttin Sirona gefunden wurde.

 

Uns steht kein Mittel zur Verfügung, um zu erfahren, wie viele Kultschächte ursprünglich mit Wasser gefüllt waren. Andererseits existieren viele Viereckschanzen, die keinerlei Schächte oder Gruben aufweisen, und eine hat sich kürzlich als befestigter Bauernhof herausgestellt, der keinerlei sakralen Zwecken diente. Das wirft eine Menge Fragen auf. Es war eine Zeit lang in Mode, jede halbwegs quadratische Schanze als sakral einzuordnen. Heutige Forscher sind da vorsichtiger, und wenn innerhalb einer Viereckschanze keine Spuren von Opfergaben zu finden sind, wissen sie meist nicht, was sie damit anfangen sollen. Und das trifft auf viele Viereckschanzen zu. Tatsächlich hat sich herausgestellt, dass es sich um einen der wichtigsten Unterschiede zwischen den sakralen Bezirken Galliens und Süddeutschlands sowie des Ostens handelt. Gallische Viereckschanzen, speziell in Nordfrankreich, sind im Allgemeinen reich an Überresten von Opfertieren, sie enthalten zerbrochene Waffen, Kriegstrophäen und oft menschliche Knochen. Viele von ihnen machten mehrere Jahrhunderte des Wandels mit, wiederholte Neuaufbauten des Tempels inbegriffen. Obgleich die Rituale sich stark veränderten, blieben die heiligen Orte populär. Es gibt Kultorte in Gallien, die in der mittleren La Tène-Zeit populär waren und es bis in die Zeit der römischen Besatzung blieben, manchmal sogar bis hinein in das 4. Jahrhundert nach Christus.

Im Gegensatz dazu weisen die Viereckschanzen Deutschlands gelegentlich faszinierende Kultschächte oder Brunnen auf. Aber abgesehen davon findet man dort kaum Opfergaben vor, und wenn, dann sind sie oft plump, billig oder schlicht Abfall. Wenn Gebäude Teil der Schanze waren, standen sie üblicherweise an den Ecken. Sie scheinen auch nicht mehr benutzt worden zu sein, nachdem die Römer das Land erobert hatten. Was auch immer das bedeuten mag, es macht den Eindruck, dass massive religiöse Unterschiede zwischen diesen Orten bestehen. Hier zu guter Letzt eine verblüffende Frage, gestellt von Ludwig Pauli, in Bezug auf die süddeutschen Viereckschanzen. Wenn die Kelten Süd- und Mitteldeutschlands Viereckschanzen als Versammlungs- und Ritualorte nutzten, wie kommt es dann, dass die süddeutschen Kelten, die sich in der späten La Tène-Zeit in der Schweiz niederliessen, diesen wichtigen Brauch nicht auch in ihrer neuen Heimat einführten? War die Migration von einer religiösen Reform begleitet?

Heilige Haine

Du magst Dich nun fragen, was mit unseren naturliebenden Kelten passiert ist, die Bäume und Statuen in heiligen Hainen verehrten. Was macht ein Nemeton aus? Unsere römischen Quellen behaupten wiederholt, dass keltische (oder druidische) Rituale in heiligen Hainen stattfanden, abgeschiedenen bewaldeten Tälern oder sogar in Höhlen. Das mag so gewesen sein oder auch nicht, jedenfalls führte es zu der irrigen Idee, für die Kelten sei das Natürliche und das Heilige mehr oder weniger identisch gewesen, was man auch von den sogenannten Germanen behauptete. Vielleicht war das bei den Kulten der Hallstattzeit der Fall. Wo befinden sich die Kultplätze der Hallstattzeitleute? Abgesehen von den Grabhügeln und einigen verdächtigen Anordnungen von Gräben und „Prozessionsstraßen” sind nur noch einige wenige hoch aufragende Felsen übrig, wo man eine regelmässige Ritual- und Opferpraxis nachweisen kann. Es ist sehr wenig Beweismaterial, und es wirft die Frage auf, ob die Hallstattleute tatsächlich manche ihrer Rituale an wilden Orten in der Natur zelebrierten, wo ihre Aktivitäten kaum Spuren hinterließen. Wie Du weißt, existiert kein archäologisches Beweismaterial für heilige Haine als solche, da heilige Bäume und dergleichen keine Spuren hinterlassen, die spätere Generationen identifizieren können. Hinzu kommt, dass ein Hain schön und gut sein mag für Rituale kleineren Maßstabs wie Initiationen und Übergangsriten, aber war das wirklich der Ort, wo große öffentliche Rituale abgehalten wurden?

Die Wissenschaftler der letzten Jahrhunderte tendierten eher zu romantischen Visionen. Sie glaubten den römischen Berichten, die auf der Vorstellung beruhen, dass die gallischen Barbaren in der Abgeschiedenheit verborgener Waldtäler primitive Riten praktizierten. Diese Vorstellung hat einen gewissen Charme, besonders für uns heute, die wir fast alle mehr oder weniger gezwungen sind, in Städten zu leben. Je mehr Beton in unserer Umgebung auftaucht, desto stärker sehnen wir uns nach dem Frieden und dem Zauber der grünen Welt. Wir sind diejenigen, die Nemetona eine Maske aus Blättern, Beeren, Haar und Federn aufsetzen. Es ist allerdings fraglich, ob tatsächlich alle Kelten den Wald für friedlich hielten und für seinen Zauber empfänglich waren. In jenen Tagen gingen die Leute im Allgemeinen nicht spazieren, und wenn sie es doch taten, nahmen sie sich sehr in Acht.

Ausgrabungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass abseits aller heiligen Haine, die es vielleicht gab oder auch nicht, durchaus eine Reihe von Sakralgebäuden und Tempeln in der mittleren und späten La Tène-Zeit existiert hat. Der heilige Hain, Geburtsort des erwachenden Bewusstseins, wurde zu einem abgetrennten Ort, der durch eine Mauer oder einen Graben gekennzeichnet wurde, später auch durch Palisaden und Gebäude. Er war immer noch Nemeton, im Sinne eines heiligen Platzes, aber was als heilig galt, unterlag einer Anzahl drastischer Veränderungen. Und hier kommen wir zu den Kulten des alten Gallien. Während die Viereckschanzen Deutschlands nur wenig Aufschluss über die Ritualpraxis geben und viele von ihnen kaum Spuren von Opfergaben aufweisen, haben Ausgrabungen von über fünfzig gallischen Tempeln Material erbracht, das den Sensiblen unter uns abstoßend erscheinen dürfte. Glaubst Du an die romantischen Kelten? Du bekommst gleich eine Gelegenheit, Deine Aufgeschlossenheit zu testen. Falls Du es ekelhaft findest, was eine Anzahl keltischer Völker für Religion, Sieg und gute Ernten zu tun bereit war, schlage ich vor, dass Du Deine Reaktionen beobachtest, während Du liest, und für Dich herausfindest, was Du persönlich in Bezug auf heilige Handlungen als angemessen empfindest. Und wie wär´s, wenn Du anschliessend diesen Kelten eine Chance gibst und Dir eine Welt vorstellst, in der widerwärtige Opferpraktiken einen Sinn ergeben?

Männlicher Kopf mit einer Aushöhlung für Opfergaben, Corbridge, Northumberland, Britannien.

Manchmal auch als „Maponuskopf“ bezeichnet, obgleich es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß es sich gerade um diese Gottheit handeln könnte. Ein gutes Beispiel für den Kopf als Kessel.

Die Tempel Galliens

Zunächst einmal einige Verallgemeinerungen im Hinblick auf gallische Tempel, die in den letzten Jahrzehnten ausgegraben wurden. In den meisten gab es einen heiligen Bezirk, der durch seine quadratische oder rechteckige Form definiert und von einer Mauer oder ein bis zwei Gräben und vielleicht einer Palisade umgeben war. Wie bereits erwähnt sorgten die Mauern und Gräben für etwas Ungestörtheit – sie waren definitiv nicht zu Verteidigungszwecken gedacht. In den meisten Fällen befand sich der Eingang irgendwo im Osten. Beachte, dass die Tempel selten präzise in eine spezifische Richtung orientiert waren.

Auch die Innengebäude waren nicht präzise ausgemessen. Im Zentrum einer gallischen Viereckschanze finden wir für gewöhnlich eine tiefe, kreisförmige Grube vor, manchmal umgeben von einer Ansammlung kleinerer Löcher. Die zentrale Grube hat eine Funktion, die der eines Altars nicht unähnlich ist: Sie dient als Mittelpunkt für das Ritual und nimmt die Opfergaben auf. In der frühen La Tène-Zeit war die Grube einfach ein rundes Loch. Spätere Generationen verbesserten sie, indem sie sie mit einem Dach versahen, um Regen abzuhalten, und nicht lange danach erschienen kleine, einfache Schreine als Gebäude über der zentralen Grube. Oft hatten diese Gebäude anfangs einen runden oder ovalen Grundriss, genau wie die Grube.

Von oben gesehen besteht so ein Tempelplatz aus einer Viereckschanze mit einer runden Grube und/oder einem runden Gebäude in der Mitte. Von der mittleren bis zur späten La Tène-Zeit wurden diese Gebäude sehr stark ausgebaut. In der Mitte des 2. Jahrhunderts vor Christus kann man bereits von Tempelgebäuden sprechen. In einigen Fällen hatte das Gebäude über der Grube eine rechteckige Form bekommen, und den Pfeilern nach zu urteilen, die das Dach trugen, müssen einige von ihnen recht hoch gewesen sein. Gleichzeitig änderte sich die Funktion der Grube. Vorher war es ein Ort gewesen, wo die geschlachteten Tiere verwesten. In der späten La Tène-Zeit wurde sie durch einen Feuerplatz ersetzt.

Es wäre verführerisch, Spekulationen darüber anzustellen, ob die Bestattungsbräuche der Zeit diesen Brauch beeinflusst haben. Manche gallischen Tempel wurden benutzt, um Speiseopfer darzubringen, wie zum Beispiel in Mirebeau, wo eine große Anzahl von Miniatur-Speisegefäßen, sorgfältig nachgebildet, entdeckt wurden; vermutlich waren sie mit Speisen und Getränken gefüllt. Speiseopfer spielten eine Rolle bei Bestattungsritualen, ebenso wie das Opfern von Schmuck, Torques, Fibeln, Armreifen, etc., die alle in gallischen Heiligtümern als Opfergaben an die Götter auftauchen. Manche Tempel scheinen auf bestimmte Opfergaben spezialisiert gewesen zu sein. Der vielleicht am besten bekannte Fall ist Snettisham in Norfolk, wo 75 mehr oder weniger intakte Torques von bester Qualität ausgegraben wurden, Fragmente von 100 weiteren, sowie 100 Armreifen und bisher 234 Münzen.


Taraske

Monster von Noves, Bouche-du-Rhone, sogenannte „Taraske“ nach einem Monster aus einem ländlichen Volksmärchen, späte La Tène-Zeit, Höhe 1.12 m. Ursprünglich wurde das Monster dargestellt, wie es einen Mann verschlang, von dem nur noch ein Arm und ein Bein zu sehen waren.

Münzen waren beliebte Opfergaben in gallischen Tempeln der späten La Tène-Zeit. Es mag seltsam klingen, aber als die Römer Gallien besetzten und anfingen, über etwas zu klagen, was ihnen wie grausame Menschenopfer erschien, war der Höhepunkt der gewaltsamen gallischen Opfer bereits vorbei. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts vor Christus kamen symbolische Opfergaben in Mode. Statt des üblichen Sortiments an Schädeln, Knochen, verwesenden Tieren und Waffen begegnen uns zahlreiche radförmige Amulette (Rouelles) aus Gold, Silber, Bronze oder Blei und eine zunehmende Menge an Münzopfern.

Ein gutes Beispiel ist Villeneuve-au-Châtelot, wo anfangs, im 4. Jahrhundert vor Christus, Waffen geopfert wurden und man im 1. Jahrhundert vor Christus zu Rouelles und Münzen überging, was sich bis in die Zeit der römischen Besatzung hinein erhielt; bisher wurden über 70.000 entdeckt. Die Münzen wurden manchmal in Löcher vergraben, manchmal auch achtlos verstreut. Drei in einem Loch versteckte Münzen wurden im Holz einer der Statuen entdeckt, die man im Genfer See in der Nähe von Villeneuve gefunden hat. Es wurde vermutet, dass Münzen geopfert wurden, weil sie Reichtum bedeuten. Ich vermute, dass das nicht der einzige Grund war. Keltische Münzen gehören zu den schönsten Kunstwerken, die je in Europa produziert wurden. Die Bilder auf ihnen üben einen starken Zauber auf den Geist aus – Grund genug, sie mit Religion in Verbindung zu bringen und in Rituale einzubeziehen.

 

All das waren allerdings reichlich späte Entwicklungen. Kehren wir zur Frühzeit zurück, als geschlachtete Stiere in heiligen Gruben verwesten und man Trophäen aus der Schlacht als schicke Tempelausstattung betrachtete.

In vielen Tempelbezirken wurden die Gräben (oder eine Reihe von Gruben) mit Opfergaben gefüllt. Es handelte sich um Tiere, Menschenknochen und in einigen Fällen um Waffen, Schilde, Rüstungen, Streitwagen und erlesene Kriegstrophäen. Diese Trophäen sind oft die gleichen wertvollen Güter, die dazu tendieren, auch in Kriegergräbern aufzutauchen. Opfertiere findet man in allen bekannten gallischen Tempeln. Es gibt allerdings beträchtliche Unterschiede im Hinblick auf die Spezies und die genaue Art der Opferung.

Ein weiteres Element, das oft innerhalb von Viereckschanzen auftritt, sind hoch aufragende Kultpfeiler. Wir wissen nicht, wie sie ausgesehen haben, ob sie schlicht waren, geschnitzt oder irgendwie dekoriert. Das Holz ist vor Unzeiten verrottet, aber die tiefen Löcher, in denen die Pfeiler steckten, sind noch sichtbar. Es handelt sich hier vielleicht um eins der älteren Elemente in der Ausstattung keltischer Tempel. Eine Reihe von Kultpfeilern wurde in der Nähe eines komplizierten Systems von Gräben und Grabhügeln der späten Hallstatt- bzw. frühen La Tène-Zeit auf dem Glauberg in Hessen entdeckt. Derzeit wird spekuliert, sie hätten als Sonnen- und Mondkalender gedient.

Soviel zum allgemeinen Überblick in Bezug auf gallische Tempelschanzen. Derartige Bauten sind nicht auf Gallien beschränkt. Archäologen haben ein hübsches Beispiel für den gallischen Tempelbaustil auf Hayling Island vor der südbritannischen Küste entdeckt; ein guter Beweis für die zahlreichen gallischen und belgischen Kelten, die über den Kanal segelten, um eine neue Heimat zu erobern.

Um diesen Bericht über sakrale Architektur etwas farbiger zu gestalten, möchte ich einige der eindrucksvollsten Orte Galliens näher beschreiben.