Der Kessel der Götter

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Die Keltiberer den Tod in der Schlacht für eine Ehre halten und die Verbrennung der Leiche eines Gefallenen für ein Verbrechen; denn sie glauben, dass seine Seele zu den Göttern des Himmels aufsteigt, wenn sein Leichnam von den Geiern zerrissen wird.

Diese Aussage wird von Claudius Aelianus voll unterstützt, der hinzufügte, dass die Leichen jener, die schändlicherweise an einer Krankheit starben, vor ihrer Verbrennung verstümmelt wurden. Wie Simon ergänzt, ist hier vielleicht ein Ereignis während des Einfalls der Kelten von Griechenland (280 vor unserer Zeit) von Bedeutung. Wie die Griechen angeekelt bemerkten, machten sich die Kelten unter Brennos nicht die Mühe, ihre Gefallenen einzusammeln oder auf dem Schlachtfeld zu begraben, sondern überließen sie den Raben, Krähen und Aasfressern als Nahrung. Ein Himmel für die tapferen, gefallenen Krieger klingt ganz nach vertrautem Stoff aus der altnordischen Religion und ist meilenweit entfernt von druidischer Reinkarnation oder einer Reise in eine unterirdische Anderswelt. Das ist ein guter Hinweis darauf, dass die keltische Welt keine so einheitliche Kultur aufwies, wie oft behauptet wird, sondern viel Platz ließ für höchst individuelle Entwicklungen und eine Menge Originalität.

Oder denken wir mal an die Kelten im äußersten Osten, die es im Gefolge von Alexanders Armeen dort hin verschlagen hatte. Die Galater der zentralen Türkei verfügten über einen Kultplatz namens Drunemeton (Strabo), was möglicherweise „heiliger Eichenhain” bedeuten soll. Andere Autoren nehmen das Wort dru- als Anhaltspunkt für die Gegenwart von Druiden an diesem Ort, aber das ist linguistisch unwahrscheinlich, und außerdem wachsen Druiden nicht notwendigerweise auf Eichen. Viele indoeuropäische Kulturen verehrten Eichen als Symbole der Himmelsgötter, aber die meisten von ihnen taten das ohne Druiden. Nemeton bedeutet zwar heiliger Ort oder heiliger Hain, aber welcher Art dieser Platz war oder was für Bäume dort wuchsen (wenn überhaupt), ist alles andere als klar. Zu viele Autoren sind davon ausgegangen, es müsste Eichen gegeben haben, wo immer keltische Riten gefeiert wurden. Wir können nicht einmal sicher sein, dass es sich überhaupt um einen heiligen Hain handelte. Ein Nemeton kann ein Hain sein, aber der Begriff wurde auch für Kultplätze und in manchen Fällen sogar für Tempel und ähnliche Gebäude verwendet. Strabos Bemerkung verrät uns nur, dass die Galater dort Versammlungen abhielten, er sagt nichts von Ritualen. Obwohl es in Britannien und Gallien Druiden gab, wie man aus der späteren mittelalterlichen Literatur ersehen kann, hielt es Cäsar nicht für notwendig, sie zu erwähnen, vielleicht waren sie also weniger mächtig. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sich die britannischen Druiden solcher politischer Machtfülle erfreuten wie die Galliens. In den anderen keltischen Ländern, wo mit Sicherheit irgendeine Art von Priesterschaft und jede Menge Freistilmagier existierten, nannten sich diese wahrscheinlich nicht Druiden und hatten wohl keine vergleichbaren politischen Funktionen. Wissenschaftler des letzten Jahrhunderts verwendeten Gallien zwar als Modell für alle keltischen Länder und sahen überall Druiden, aber heute fangen Historiker an, sich zu fragen, ob Gallien vielleicht gerade die Ausnahme von der Regel war.

Unsere nächste Quelle ist Diodorus Siculus, der im Jahr 8 vor unserer Zeit schrieb, bei den Galliern sei die pythagoräische Doktrin verbreitet, dass die Seelen der Menschen unsterblich sind und noch einmal für eine festgelegte Anzahl von Jahren in einem anderen Körper leben. Diese Theorie hatte eine gewisse Anzahl von Anhängern. Der den griechischen und römischen Autoren am Besten bekannte Reinkarnationsguru war der ehrwürdige Pythagoras von Samos (570–500 vor unserer Zeit), der 530 vor unserer Zeit in Croton, Italien, einen Kult begründete. Pythagoras, der mehr war als ein nüchterner Mathematiker, lehrte eine Anzahl bizarrer Theorien.

Viele von ihnen hatten mit Mathematik zu tun, mit den Beziehungen zwischen Zahlen, Maßen, Musik, Intervallen und der verborgenen Ordnung des Universums. Er suchte das Göttliche in der Regelmäßigkeit der Natur und gründete eine Gesellschaft, die an Schönheit, Tugend, das richtige Maß, Ordnung, Harmonie und absoluten Gehorsam gegenüber dem Chefclown glaubte. Ein Ergebnis davon war, dass, als der alte Philosoph gestorben war, seine Schüler sich fürchteten, irgendwelche Neuerungen einzuführen, woraufhin der Orden letztendlich an Stagnation zugrunde ging.

Eine von Pythagoras´ Überzeugungen war, dass jede Seele wiedergeboren wird gemäß ihren früheren Sünden oder Tugenden, bis die reinen Seelen die ewige Harmonie erlangen. Sein Glaube impliziert eine Hierarchie der Seelen. Ovid (43 vor unserer Zeit – 17 unserer Zeit) widmete einen großen Abschnitt seiner Metamorphosen Pythagoras und seinen Lehren. Er schrieb, die Lippen des Pythagoras seien von einer Gottheit bewegt worden und betonte, die Pythagoräer seien strenge Vegetarier gewesen, die ihren Körper nicht dadurch beschmutzten, dass sie Fleisch aßen. Laut der pythagoräischen Doktrin verändern sich alle Seelen ständig, so dass Menschen in ihrem nächsten Leben Tiere sein können und umgekehrt. Nach der pythagoräischen Lehre kann alles zu allem anderen werden. In wie weit diese Theorie mit der unbekannten druidischen Reinkarnationstheorie übereinstimmt, ist nach wie vor eine schwierige Frage. Die gebildeten Intellektuellen Roms und Griechenlands kannten keine andere Reinkarnationstheorie, und so mag es ihnen ganz natürlich erschienen sein, alle Reinkarnationstheorien auf die ihnen vertraute pythagoräische Überzeugung zurück zu führen. Es ist vielleicht interessant, dass Cäsar keine Verbindung zwischen Druiden und Pythagoräern sah und es auch keine Hinweise auf Vegetarismus oder höhere Mathematik im alten Gallien gibt. Es gibt allerdings einige Hinweise auf vegetarisch lebende Seher im mittelalterlichen Britannien (wie beispielsweise Merlin in Geoffrey´s Vita Merlini oder den irischen Suibhne), aber es ist fraglich, ob sich diese inspirierten Propheten für Druiden hielten.

Diodorus beschrieb die Druiden als Philosophen und Theologen und wies ausführlich auf ihr Geschick im Deuten der Zukunft hin, sei es durch den Vogelflug, das Lesen von Eingeweiden oder der Todeszuckungen eines Menschenopfers. Er schrieb, in Gallien würde niemand ein Opfer darbringen ohne die Hilfe eines Druiden (ein Punkt, den er vielleicht von Cäsar abgekupfert hatte) und fügte hinzu, dass die Druiden gelegentlich als Friedensstifter fungierten, indem sie zwischen Kämpfer oder feindliche Armeen traten.

Frauenkopf mit Haube

(eine Göttin oder Priesterin?) aus dem Tempel von Entremont, Höhe 29 cm, 2. Jahrhundert vor unserer Zeit. Die beschädigte Kehlregion zeigt, daß unfreundliche Leute den Kopf gewaltsam abgetrennt haben.

In Strabos Geographica werden die Druiden nur kurz erwähnt. Das ist typisch, denn die meisten klassischen Autoren widmeten dem, was sie für die Priesterschaft eines primitiven Landes hielten, nur wenig Aufmerksamkeit. Strabo behauptete, die Druiden seien Wahrsager, Naturphilosophen und Richter. Er kommentierte auch ihre Menschenopfer und informierte seine Leser darüber, dass die Druiden es vorzogen, Verbrecher zu opfern. Sie glaubten, in Jahren, wo es eine große Anzahl an Verbrechern gebe, gebe es auch eine gute Ernte. Diese Haltung impliziert vielleicht, dass die Druiden, die über Verbrechen richteten, möglicherweise besonders streng urteilten, wenn nicht genügend Opfer zur Verfügung standen oder das Wetter eine schlechte Ernte versprach. Klingt nicht besonders nett, aber solche Dinge passieren in Theokratien. Strabo fügte hinzu:

Allerdings glauben nicht nur die Druiden, sondern auch andere, dass die Seelen der Menschen und auch das Universum unzerstörbar sind, obgleich Feuer und Wasser gelegentlich sie triumphieren werden.

Dieser Hinweis ist interessant, da es sich um eine frühe Bemerkung im Hinblick auf verschiedene Katastrophen handelt, die in den Mythen und Überzeugungen so vieler heidnischer Kulturen so wichtig sind. In Strabos Werken findet sich auch ein Versuch, die Druiden mit den Barden und Vates in Verbindung zu bringen. Nur wenige klassische Autoren bezogen sich auf diese unterschiedlichen Funktionen (ohne sich darauf einigen zu können, wer wer war und wer was tat), aber da das etwas kompliziert ist, komme ich darauf zurück, wenn es um die Barden geht. Da Strabo wusste, worauf seine Leser scharf waren, beschrieb er auch detailliert einige unschöne Arten, wie die Druiden Menschenopfer zu Zwecken der Weissagung und Götterverehrung praktizierten. Dabei schrieb er, genau wie Cäsar, bei Poseidonios ab.

Unser nächster Informant ist Pomponius Mela, der in den Jahren 40–50 unserer Zeit schrieb, zu einer Zeit, in der Gallien bereits gründlich romanisiert war. Er merkt an, die Druiden würden ihre grausamen Bräuche nicht länger praktizieren, das heißt, sie hatten ihren Kult in einem Maß reformiert, dass sie ihre Opfer nicht mehr töteten, sondern ihnen lediglich etwas Blut abzapften. In seinem Bericht, der sich stark auf Cäsar stützt, erfahren wir, dass die Druiden sich in geheimen Höhlen und abgeschiedenen Tälern zu treffen pflegten. Seine Version der druidischen Reinkarnation führt die neue Idee ein, dass die Seelen ewig sind und dass es ein anderes Leben in der Unterwelt gibt – ein ziemlicher Unterschied zu früheren Berichten, da hier eine unterirdische Anderswelt eingeführt wird. Er brachte auch die unwahrscheinliche Geschichte zur Sprache, dass Leute sich Geld borgen würden mit dem Versprechen, es in der nächsten Welt zurück zu zahlen.

Der Dichter Lukan (Pharsalia) musste natürlich auch Druiden in seinem Werk erwähnen. Er schrieb zur Zeit der Herrschaft Neros (54–68 unserer Zeit) und berichtet grundsätzlich nur das, was schon andere vor ihm berichtet hatten, wenn auch in dichterisch veredelter Sprache. Was an seinem Bericht neu ist, ist die Vorstellung, dass die Druiden in ihren heiligen Hainen Standbilder zu verehren pflegten (Idole? Statuen? Fetische?). Allerdings sind Lukans Haine finstere Märchenländer. Sie sind so düster und schreckenerregend, dass sich nicht einmal die Druiden hineintrauten – sie könnten ja den Göttern begegnen, die sie dort verehrten. Ein weiteres Bonbon ist sein munterer, verblüffender Kommentar:

 

Und ihr, O Druiden, nun dass der Lärm des Kampfes verklungen ist, seid Ihr einmal mehr zu Euren barbarischen Zeremonien zurückgekehrt und zum wilden Gebrauch Eurer heiligen Riten. Euch allein ist es beschieden, die Wahrheit über die Götter und Gottheiten des Himmels zu kennen, oder Ihr allein kennt die Wahrheit nicht.

Noch einmal wird auf die Wiedergeburt angespielt:

Ihr sagt uns, dass der gleiche Geist wieder einen anderen Körper haben wird, und dass der Tod, wenn das, was Ihr singt, wahr ist, nur die Mitte eines langen Lebens ist.

Dass die Idee einer Wiedergeburt für die römischen Autoren so faszinierend war, wird verständlich, wenn man bedenkt, dass es kaum eine Anderswelt gibt, die so traurig, düster und öde war wie die, in die die verstorbenen Römer gelangten.

Unsere nächste Quelle scheint sehr viel zuverlässiger zu sein. Es handelt sich um Plinius den Älteren, den Autor der berühmten Historia Naturalis, einen Schriftsteller mit einem leidenschaftlichen Interesse am Aberglauben anderer Völker. Und, was noch besser ist, Plinius war tatsächlich in den römischen Provinzen Gallien und Germanien gewesen. Er, der um das Jahr 77 unserer Zeit herum schrieb, lieferte den ausführlichsten Bericht über Druidenrituale, der überlebt hat. In seinen Schriften bezeichnet er die Druiden als Magier, was verständlich ist, da sie die meisten ihrer politischen Funktionen hundert Jahre früher verloren hatten, als Cäsar kam, sah und eroberte. Plinius´ Bericht ist so bekannt, dass man Teile von ihm in vielen Büchern über die keltische Religion wiederfindet. In einem Kommentar über die Mistel hielt Plinius fest:

Die Druiden – so nennen sie ihre Magier – halten nichts für heiliger als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, wenn es nur eine Eiche ist. Sie wählen an sich schon die Eichenhaine aus und verrichten kein Opfer ohne einen Zweig davon, so dass es wahrscheinlich ist, dass die Priester ihren Namen nach dem griechischen Wort für jenen Baum erhalten haben könnten. Sie glauben nämlich wirklich, dass alles, was darauf wächst, vom Himmel komme und ein Zeichen dafür sei, dass der betreffende Baum von einem Gott selbst erwählt sei. Man findet aber die Mistel sehr selten auf einer Eiche; und hat man sie gefunden, so wird sie mit großer Ehrfurcht abgenommen, wenn möglich am sechsten Tag des Mondes (denn sie messen ihre Monate und Jahre nach dem Mond und auch ihre Zeitalter, die 30 Jahre dauern). Sie wählen diesen Tag, weil der Mond dann noch nicht in der Mitte seines Zyklus ist, aber schon beträchtlichen Einfluss hat. Sie nennen die Mistel bei einem Namen, der in ihrer Sprache „die alles Heilende” bedeutet. Sie bereiten nach ihrer Sitte das Opfer und das Mahl unter dem Baum und führen zwei weiße Stiere herbei, deren Hörner da zum ersten Mal umwunden werden. Der Priester, bekleidet mit einem weißen Gewand, besteigt den Baum und schneidet die Mistel mit einer goldenen Sichel ab: Sie wird mit einem weißen Tuch aufgefangen. Dann schlachten sie die Opfertiere und bitten den Gott, er wolle sein Geschenk denen, welchen er es gegeben hat, zum Glück gereichen lassen. Sie meinen, dass die Mistel, in einem Getränk genommen, jedem unfruchtbaren Tier Fruchtbarkeit verleihe und ein Heilmittel gegen alles Gift sei.

(XVI, 249)

Es gibt vier andere Hinweise auf druidische Rituale in Plinius Historia Naturalis. Einer von ihnen bezieht sich auf das Schlangenei, ein Thema, dass ich im ersten Kapitel meines Buches Seidwärts erläutert habe. Die anderen beiden Hinweise werden in Büchern über die keltische Religion nicht oft zitiert:

Ähnlich dem Sadebaum ist die Pflanze namens Selago. Sie darf nicht mit Eisen geschnitten werden und indem man mit der rechten Hand durch den linken Ärmel der Tunika fasst, als ob man einen Diebstahl begeht. Man muss weiße Kleidung tragen und mit gewaschenen Füßen barfuß gehen, und bevor man sie erntet, muss man ein Opfer aus Brot und Wein darbringen. Die Druiden Galliens sagen, dass die Pflanze als Zauber gegen jede Art von Übel getragen werden sollte, und dass ihr Rauch gut gegen Krankheiten der Augen ist.

(XXIV, 103)

Die Druiden verwenden auch eine gewisse Sumpfpflanze, welche sie Samolus nennen; diese muss mit der linken Hand gepflückt werden von einem Fastenden, und sie ist ein Zauber gegen Krankheiten des Viehs. Wer sie sammelt, darf sich nicht umsehen, und er darf sie nirgends hinlegen, außer in die Viehtränke.

(XXIV, 104)

Leider wissen wir nichts Sicheres über die Identität dieser Pflanzen. Um es noch ein bisschen schwieriger zu machen, erwähnt Plinius auch ein kompliziertes Ritual, das die Magi Galliens verwendeten, um Eisenkraut zu schneiden, eine Pflanze, die ein weiteres Allheilmittel sein sollte und Gesundheit, Glück, Freundschaft und so weiter bringen sollte. Es könnte sich um ein druidisches Ritual handeln, aber es ist genauso gut möglich, dass die Magi, auf die er sich bezog, irgendwelche Quacksalber ohne Bezug auf die Kaste der Druiden waren. Ein vierter Hinweis auf Druiden (XXX, 13) informiert uns darüber, dass das Druidenwesen in Gallien florierte bis zur Zeit des Kaisers Tiberius und dass in Plinius´ Zeit Britannien nach wie vor von Magie und Zeremonien fasziniert war. Er schloss seine Bemerkungen mit einem Lob der Römer ab, die

Diesen monströsen Kult abgeschafft hatten, demzufolge einen Mann zu ermorden eine Tat von größter Frömmigkeit sei und es als segensreich galt, dessen Fleisch zu essen.

Diese wenigen Absätze trugen mehr zur Legendenbildung über die mysteriösen Druiden bei als irgendetwas sonst. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das Mistelpflückritual behandelt, als sei es der Höhepunkt druidischer Religionsausübung gewesen, obwohl es offensichtlich ein eher seltenes Ereignis von minderer Bedeutung gewesen war. Die Mistel wurde fortan als die heiligste Pflanze der keltischen Gallier betrachtet, obwohl laut Plinius nur Misteln brauchbar waren, die auf Eichen wuchsen. In der Natur findet man nur selten Misteln auf Eichen, da sie viel häufiger auf Pappeln und Apfelbäumen wachsen, aber diese wurden offensichtlich nicht verwendet. Man könnte auch argumentieren, dass die Mistel selbst von untergeordneter Bedeutung war, da ihre besonderen Eigenschaften von der Eiche her stammten, auf der sie wuchs. Und dann ist da noch die fehlerhafte Etymologie, die Druiden mit Eichen in Verbindung bringt. Plinius glaubte, das Wort stamme vom griechischen Wort druz, die Eiche.

Mehrere Blickwinkel: dreifache Gottheiten

Oben links: drei unbekannte, mit Mänteln verhüllte Gottheiten vom Hadrianswall in Britannien.

Oben rechts: drei Gottheiten aus Burgund, Frankreich, 3. Jahrhundert vor unserer Zeit.

Links: dreifache Gottheit aus Reims, Frankreich, Zeit der römischen Besatzung.

Rechts: Matronen? Bronzemünze der Remer, Nordostgallien, 1. Jahrhundert vor unserer Zeit, 1.5 cm.

Am verlockendsten war natürlich das Bild des ehrwürdigen Druiden, der, in eine weiße Robe gekleidet, einen Baum besteigt und die Mistel mit einem teuren, aber eher nutzlosen Werkzeug schneidet. Ich frage mich, wie gut man in einer Robe klettern kann. Oder kletterten die Druiden vielleicht in Unterwäsche? Dank Verallgemeinerung dieser Berichte glaubt heute jeder, alle Druiden hätten Weiß getragen, und zwar ständig, und dass ein Ritual, dass sich in einem Teil Galliens zugetragen haben mag oder auch nicht in der gesamten keltischen Welt verbreitet gewesen sei. Und was noch merkwürdiger ist: Zahllose Anhänger der Druiden-Wiederbelebungsfront halten zwar den Mistelritus für die höchste und letzte Wahrheit, aber keiner von ihnen macht sich für die Zeilen stark, in denen religiös motivierter Kannibalismus erwähnt wird.

Tacitus, der berühmte römische Historiker, beschreibt den Tod einiger walisischer Druiden in seinen Annalen, XIV, 30. Im Jahr 60 unserer Zeit raubte der römische Kommandant Suetonius Paulinus persönlich eine druidische Enklave auf der Insel Mona (Anglesey) vor der Küste von Nordwales aus. Angeblich standen die Druiden am Strand, mit erhobenen Händen, und sangen schreckliche Flüche gegen die einfallenden Legionäre. Währenddessen lief eine Anzahl von Frauen in schwarzen Roben zwischen den Kriegern umher, die Fackeln schwangen, um sie zum Kampfrausch anzustacheln. Allein dieser Anblick lähmte die römischen Soldaten eine Weile, aber nach kurzer Zeit appellierte Suetonius an sie, sich nicht von verrückten Frauen einschüchtern zu lassen. Der Zauber war gebrochen, die Legionen rückten vor, und das Abschlachten begann. Als nächstes wurden die heiligen Haine der Insel abgeholzt. Tacitus erwähnt, es habe Altäre gegeben, die mit dem Blut der Gefangenen beschmiert gewesen seien, da die Druiden ihre Götter zu konsultieren pflegten, indem sie menschliche Eingeweide beschauten. Dieses Massaker erwies sich als das Ende des organisierten Druidentums in Britannien. Als Agricola das Kommando über Britannien übernahm (78 unserer Zeit), waren die Druiden schon nicht mehr erwähnenswert. Diese Episode hat zu vielen Spekulationen geführt. Dass eine druidische Enklave auf Mona existierte, ist nicht unwahrscheinlich, da Mona dank seiner flachen Landschaft fruchtbarer und damit wohlhabender als das restliche Wales war. Gerald of Wales, der um das Jahr 1190 herum schrieb, nannte sie die Kornkammer von Wales und behauptete, die Ernten seien so reich, dass Mona allein ganz Wales ernähren könne. Die schwierigste Frage im Hinblick auf diese Passage ist die Funktion der schwarz gewandeten Damen, die sich wie Furien verhielten. Waren es Druidinnen, wie so oft behauptet wird, oder einfach Cheerleader? Was glaubst Du? Wie auch immer Deine Antwort ausfällt, es sagt mehr über Deine Glaubensvorstellungen aus als darüber, wie es wirklich war.

Valerius Maximus, der im ersten Jahrhundert schrieb, hatte nur wenig über die Druiden zu sagen. Er bringt ihren Glauben mit der pythagoräischen Doktrin in Verbindung und wiederholt die Geschichte über Schulden, die im nächsten Leben zurückgezahlt werden.

Dion Chrysostom erwähnt kurz, ungefähr im Jahr 100 unserer Zeit, dass die gallischen Kelten Druiden hatten und vergleicht sie mit den persischen Magi, den ägyptischen Priestern und den Bramahnen Indiens. Er informiert uns, die Könige seien so von ihren Ratgebern abhängig gewesen, dass es in Wirklichkeit die Druiden seien, die herrschten, während die Könige auf goldenen Thronen und in ihren Palästen lediglich Ausführende des druidischen Willens wurden. Diese Aussage ist nicht unbedingt zuverlässig, da Dion wahrscheinlich nie nach Gallien gereist war. Außerdem mögen gallische Häuptlinge auf ihre Hallen stolz gewesen sein, aber kein Römer, der bei Verstand war, hätte sie je als „Paläste” bezeichnet. Und die „goldenen Throne” sind noch unwahrscheinlicher.

Suetonius bemerkt um 120 unserer Zeit, dass die Religion der Druiden Galliens allen römischen Bürgern verboten sei, aufgrund ihrer barbarischen und unmenschlichen Praktiken, und dass Kaiser Claudius (41-54) noch über dieses Verbot hinausging und die Religion völlig unterdrückte.

Lampridius, der ungefähr im Jahr 300 unserer Zeit schrieb, berichtet, dass Alexander Severus, während er 235 versuchte, einige germanische Stämme aus Gallien zu vertreiben, einer prophetischen Druidin begegnete.

Als er auf dem Weg war, rief ihm eine Druidin in gallischer Sprache zu: „Geh, aber hoffe nicht auf den Sieg, und vertraue deinen Soldaten nicht!”

Sie ist damit einer Anzahl von unfreundlichen Prophetinnen nicht unähnlich, die römischen Kommandanten begegneten, während sie auf Eroberungszug in den germanischen Provinzen waren.

Eine Druidin taucht auch in einer von Vopiscus aufgezeichneten Geschichte auf. Es scheint, dass der zukünftige Kaiser Diokletian, als er noch ein bescheidener Soldat war, der in Gallien diente, einen Streit mit seiner Wirtin hinsichtlich der Bezahlung seiner Miete hatte. Da er nicht die ganze Summe bezahlen wollte, sagte ihm die nette Dame, er sei viel zu gierig und geizig. Im Scherz erwiderte er, er würde großzügiger sein, wenn er Kaiser wäre. Die Wirtin, die zufällig auch Druidin war, erwiderte:

 

Lache nicht, Diokletian, denn wenn du erst den Eber erschlagen hast, wirst du in der Tat Kaiser sein!

Nachdem Diokletian diese Prophezeiung vernommen hatte, war er so besessen von der Eberjagd, dass er sich große Mühe gab, keine zu verpassen. Jahrelang tötete er Eber, erhielt aber nicht den Kaisertitel, bis er den Präfekten Arrius erschlagen hatte, dessen Nachname „der Eber” bedeutete. Vopiscus berichtet auch, dass Kaiser Aurelian, der 270–275 herrschte,

die gallischen Druidinnen konsultierte, um herauszufinden, ob seine Nachfahren im Besitz der Kaiserkrone bleiben würden. Die Frauen sagten ihm, dass kein Name in den Annalen des Staates berühmter sein würde als der der Linie des Claudius.

Diese Episoden aus dem 3. Jahrhundert sind ziemlich gutes Beweismaterial dafür, dass es zu der Zeit Druidinnen in Gallien gab. Das Problem ist das späte Datum der Geschichten. Zu jener Zeit war das Druidentum längst untergegangen und seine politische Funktion war vernichtet. Das Gallien des 3. Jahrhunderts unterstand römischer Herrschaft, seine Bürger sprachen Latein, benutzten die lateinische Schrift, bauten ihre Häuser, Straßen und Städte nach römischem Vorbild, wurden nach römischem Recht verurteilt, und was Politik anging, so taten die Adligen im Allgemeinen, was der Senat ihnen vorschrieb. Das intellektuelle, kulturelle und religiöse Monopol der Druiden war vor mehr als zwei Jahrhunderten zusammengebrochen. Das wirft mehrere Fragen auf. Hatte es in den alten Tagen vor der Eroberung Druidinnen gegeben? Cäsar spricht nur von männlichen Druiden und erwähnt junge Männer, die von ihnen unterrichtet wurden. Das war nicht notwendigerweise sexistisch motiviert. Für die Römer war die Vorstellung von Priesterinnen nichts Ungewöhnliches, da es sowohl in Rom als auch im Mittelmeerraum Priesterinnen gab. Alle Hinweise auf Druidinnen als solche stammen aus einer späteren Zeit. Leider sind die Schriften der mittelalterlichen Barden und Filid, von denen der christlichen Mönche ganz zu schweigen, nicht unbedingt die zuverlässigsten Quellen im Hinblick auf die Vorgeschichte und müssen mit großer Vorsicht behandelt werden. Dann gab es da noch mehrere inspirierte Seherinnen, wie beispielsweise die berühmte Prophetin Veleda, die den römischen Eroberern in Germanien in die Quere kam. Sie lieferte genau die Prophezeiungen, die der Stamm der Brukterer benötigte, um einen bewaffneten Aufstand zu starten. Er war nicht sonderlich erfolgreich, da er damit endete, dass Veleda nach Rom in die Sklaverei verkauft wurde, wo sie angestellt wurde, um die Tempellampen zu säubern und auf kommerzieller Basis Orakel zu sprechen.

Diese inspirierten Priesterinnen sind zwar mit Sicherheit authentisch, aber keine von ihnen wurde als Druidin bezeichnet, noch können wir sicher sein, dass sie Angehörige einer organisierten oder zentralisierten Religion waren. Oder denken wir mal an die britannische Königin Boudicca, die während der Revolte gegen die Römer im Jahr 61 unserer Zeit sicherlich das Amt einer Opferpriesterin im Heiligtum der (Kriegsgöttin?) Andraste versah (Cassius Dio). Sie wird nirgends als Druidin bezeichnet, obgleich eine Inschrift auf einem Altar aus Bordeaux, der 237 von einem britannischen Händler gewidmet wurde, sie als Gottheit bezeichnet. Wurde Boudicca nach ihrem Tod vergöttlicht, oder hatte sie ihren Namen nach einer früheren Gottheit erhalten? Und was hatten die Druidinnen des besetzten Gallien mit den Druiden früherer Zeiten gemein? Höchstwahrscheinlich werden wir es nie erfahren.

Ein anderer Autor des 3. Jahrhunderts, Hippolytus, bemerkte, die Druiden hätten den pythagoräischen Glauben von Zamolxis übernommen. Dieser sei früher Sklave des Pythagoras gewesen und damit genau die Art von Person, von der ein keltischer Priester eine neue Religion übernommen hätte. Aber sicher doch.

Ammianus Marcellinus, der im 4. Jahrhundert über Dinge schrieb, von denen er im Grunde nichts verstand, bezeichnete die Druiden ebenfalls als Männer von großem Talent und Angehörige der intimen Bruderschaft des pythagoräischen Glaubens. Wir sind hier am Boden des Fasses angelangt, die Druiden waren bereits zur Legende geworden, und die Quellen wiederholten einfach nur noch, was schon früher überliefert worden war.

Bevor wir das Thema „Druiden in der Antike” abschließen, hier noch etwas faszinierendes Material über die Rolle der Frauen als Priesterinnen und Zauberinnen in den keltischen Ländern.

Wir verfügen über mehrere Bilder von Frauen, die gerade rituelle Aktivitäten durchzuführen scheinen. Ein wunderbarer Bronzeeimer aus Váce zeigt eine Frau, die in eine fein gearbeitete zeremonielle Robe oder einen Mantel gekleidet ist, eine Hand zum Himmel hebt und in der anderen ein Gefäss trägt. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich nicht um eine Göttin, sondern um eine Priesterin, was belegt, dass bei den Balkan-Kelten Frauen sakrale Ämter übernehmen konnten.


Göttinnen im gallo-römischen Stil

Links: die Sternengöttin Sirona (Dirona) mit Schlange, Schüssel und drei Eiern, aus Hochscheid, Deutschland, wo sie als Gefährtin des Gottes „Apollon“ Grannus erscheint (der mit der Heilkunst in Verbindung gebracht wird). Die Statue basiert auf Darstellungen der Göttin Hygieia (die für die Gesundheit zuständig ist), Tochter des Asklepios (Gott der Heilung).

Rechts: Gehörnte Göttin mit Hirschgeweih, London, England.

Unten: Bärengöttin Artio, Statue gewidmet von Licinia Sabinilla, aus Muri, Bern, Schweiz.

Ein weiterer faszinierender Fund ist eine Reihe von Figuren, die in Neuvy-en-Sullias vergraben gefunden wurde, in der Nähe der heiligen Stätte von Fleury. Die Figuren sind nackte Tänzer, weibliche und männliche, bei einem Tanz, der offensichtlich eine religiöse Zeremonie war. Vielleicht wurden die sorgfältig gearbeiteten Figuren vergraben, um sie vor einem Feind zu verstecken. Es sagt eine Menge über die verschiedenen Religionen der gallischen Stämme aus, dass ein Stamm, der eine andere Siedlung plünderte, im Allgemeinen auch die heiligen Stätten seiner Feinde nicht verschonte. Die Statuen der Götter wurden achtlos demoliert, ein guter Beweis dafür, dass die gallischen Stämme der mittleren La Tène-Zeit kein gemeinsames Pantheon hatten und auch nicht an religiöse Toleranz glaubten. Cäsars Bericht über ein zentralistisch organisiertes Druidentum passt nicht zu diesem Verhalten, es sei denn, wir gehen davon aus, dass die gallischen Druiden ein Phänomen des ersten und zweiten Jahrhunderts vor unserer Zeit gewesen seien, was entschieden eine Möglichkeit ist, wenn auch keine populäre.

Die „Fürstin von Vix” wird häufig für eine Priesterin gehalten, da sie wunderbare Grabbeigaben hatte, zu denen ein griechisches, mit grinsenden Medusengesichtern verziertes Bronzegefäß zählte, das übrigens das größte bekannte Gefäß der Antike ist. Gekrönt war es mit der Figur einer Frau oder Priesterin, die aus Silber bestand, was bemerkenswert ist, da Silber in der Region der westlichen Hallstattkelten viel seltener war als Gold und damit wahrscheinlich viel teurer. Wozu das Gefäß gut war, ist ein Rätsel, denn die Bronze ist so dünn, dass es geplatzt wäre, wenn man es mit Flüssigkeiten gefüllt hätte. Und was die „Fürstin” von Vix angeht, so ist nicht so sicher, dass es sich um eine Dame handelte, wie es die meisten Autoren gerne hätten. Das Skelett war in einem eher schlechten Zustand, als das Grab geöffnet wurde, und der Hauptgrund, den die Archäologen hatten, von einer Frau zu sprechen, war die Abwesenheit von Waffen und die Anwesenheit von Schmuck. Wie wir heute wissen, hatten die meisten Männer der späten westlichen Hallstattzeit ohnehin keine Waffen als Grabbeigaben, und es gibt mehrere Fälle von definitiv männlichen Bestattungen in dieser Zeit, bei denen sogenannte „feminine” Schmuckstücke gefunden wurden, wie zum Beispiel Arm- und Ohrringe. Solche Fälle sind nicht häufig, aber es gibt sie. Spindler, der über diese Fälle schrieb, weist auf eine andere Möglichkeit hin, die ebenfalls oft übersehen wird: Die Möglichkeit, dass es sich um Transvestiten handelte oder Leute, die die andere Geschlechterrolle eingenommen hatten – ein häufiges Element schamanischer Aktivitäten. Wenn wir eine schlecht erhaltene Leiche einfach aufgrund von Schmuck oder Waffen als weiblich oder männlich klassifizieren, übertragen wir möglicherweise moderne sexistische Vorurteile auf Kulturen, über die wir ziemlich wenig wissen.

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