Der Kessel der Götter

Tekst
Autor:
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

3. Druidische Träume


as Gute an Druiden ist, dass wir genauestens über sie Bescheid wissen. Auch die romantisierenden Historiker der letzten Jahrhunderte und die mittelalterlichen Barden wussten alles, was es über sie zu wissen gab, und natürlich wussten die Römer noch viel mehr über sie als irgendjemand sonst. Jeder weiß Bescheid über die druidischen Druiden, und das ist der Grund, weshalb eigentlich kaum jemand eine Ahnung hat, worum es beim Druidentum eigentlich ging. Es ist auch der Hauptgrund, weshalb Druiden in der Fantasy-Literatur und in der New-Age-Bewegung so populär sind. Ein Thema, das jeder irgendwie kennt, eignet sich ausgesprochen gut für die Vermarktung. Auf unklare und sehr umstrittene Weise haben die Druiden eine gewisse Verbindung zu den britischen Barden und den irischen Filid. Die ursprüngliche druidische Magie hat leider nur wenig Spuren hinterlassen, aber wir besitzen Material über die Magie der Barden und Poeten. Diese Situation hat eine Anzahl von Forschern dazu verführt, Barden und Poeten für verkappte Druiden zu halten und voluminöse Bücher zu verfassen, die eigentlich Sammlungen mittelalterlicher Bardentexte sind, die man als altertümliches Material ausgibt. Ich persönlich finde Barden und Poeten viel interessanter als Druiden. Trotzdem kann ich sie in diesem Buch nicht außer Acht lassen. Das ist bedauerlich, denn im Gegensatz zu allen anderen weiß ich nicht alles über die historischen Druiden und würde es vorziehen, das Thema beiseite zu lassen. Die mythischen Druiden sind viel interessanter.

In den Liedern der mittelalterlichen Barden tauchen gelegentlich Hinweise auf Druiden auf. Für gewöhnlich sind diese Hinweise kurz und nicht allzu aussagekräftig, da die Barden, die diese Lieder verfassten, möglicherweise davon ausgingen, dass ihr Publikum schon gut über die Druiden Bescheid wusste - vielleicht aber auch nicht. Oder vielleicht fühlten sich auch die Barden bei diesem Thema nicht allzu sicher, und wie wir später noch sehen werden, stimmten die Vorstellungen über Druiden, auf die die Barden anspielten, nicht vollständig mit den Berichten über die tatsächlichen Aktivitäten der Druiden der vorrömischen Periode überein. Das klingt verwirrend und ist es auch. Speziell das Buch Taliesin ist voll von solchen Dingen. Betrachten wir einige von ihnen, ehe wir uns ins Unbekannte vorwagen in einem Versuch, festzustellen, wie das Druidentum ursprünglich ausgesehen haben könnte. Hier einige der Bruchstücke aus Taliesins poetischer Schatztruhe. Ich gebe sie ohne den Kontext wieder, da auch im Original nur wenig Zusammenhängendes daran ist. Die meisten Lieder, die Taliesin zugeschrieben werden, sind wirr, zusammenhanglos oder vielleicht auch nur wegen zu vieler Fehler beim Kopieren der Texte unverständlich geworden. Man gewöhnt sich daran. Eine Folge davon ist allerdings, dass von Zeit zu Zeit mysteriöse Personen, Vorfälle und Phänomene ohne Vorwarnung auftauchen, die nicht allzuviel mit dem Rest des Liedes zu tun haben zu scheinen. Das gilt ganz besonders für Druiden.

Der Nutzen der Welt ist gering,

die Wärme der Sonne geht verloren.

Der Druide wird prophezeien

was gewesen ist, wird wieder sein.

Himmel von Geirionydd,

ich würde mit dir ziehen,

traurig wie der Abend,

in die verborgenen Winkel der Berge…

Für mich wird es einen Richter geben,

frei von Vorurteilen,

frei von bösem Willen;

die Seher prophezeien,

im Lande der Verlorenen.

Druiden prophezeien,

jenseits des Meeres, jenseits der Briten.

(Bv T 52, Das Lob von Lludd dem Großen)

Ihr weisen Druiden,

verkündet Arthur,

was zuvor geschah.

(Bv T 8)

Gesprächig ist der bevorzugte Redner von Königen im reichen Kreis des guten Mets.

Wie die Sonne, die warme Lebensspenderin des Sommers,

lasst ihn den größten Gesang anstimmen.

Ich werde das weise Lied singen, das Lied der Heerschar der Harmonie,

sie werden sein, du wirst ein Druide im Sommer sein, mit der Erscheinung des Sohnes

von Leenawg, mit einer wehenden, männlichen Robe.

Licht, eine Robe des Lichtes; Dampf der Hitze, Hitze des Dampfes.

Während es aufstieg, wurde es ohne Schande (im inneren) bewahrt.

(Bv T38)

Druiden wahrsagen, welche großen Dinge geschehen werden.

(Bv T6.)

Glorreich, der Schutz des Drachen für die britischen Völker.

Herr der Heerscharen, Ehrerbieter von geharnischten Männern.

Tief, die göttliche Prophezeiung der Druiden.

(Bv T 53)

Ich bin ein Künstler,

ich bin ein leuchtender Sänger.

Ich bin Stahl; ich bin ein Druide (Zaunkönig),

ich bin ein Seher, ich bin ein Kunstschaffender.

Ich bin eine Schlange, ich bin Liebe (Begierde),

ich bin unersättlich bei Festlichkeiten.

(Bv T 3, Buarth Beird, Die Gemeinschaft der Barden)

Lasst ihn Wärme erzeugen,

über einem Kessel von fünf Bäumen,

und dem (Gesangs-)Fluss von Gwiawn,

und dem Einfluss guten Wetters,

und Honig und Klee,

und berauschende Methörner.

Erfreulich für den Drachen-Herrscher,

die Gabe der Druiden.

(Bv T 13)

Der Entwickler jeder Erhöhung vor den Druiden.

Nudris kannten sie nicht; ein sanfter Anblick, Mabon zu sehen.

(Bv T24 Der Stab Moses)

Wie man sieht, gibt es jede Menge unverständliche Hinweise auf Druiden, die überall im Buch Taliesin verstreut sind. Sie sagen nicht wirklich etwas über Druiden aus, aber wir können auch kaum erwarten, dass die Barden um das 11. Jahrhundert herum besonders gut informiert waren über eine Priesterschaft, die vor tausend Jahren gewaltsam ausgemerzt worden war. Dennoch deutet die Häufigkeit ihrer Erwähnung darauf hin, dass ihr Ruf überdauert hatte. In Taliesins Liedern, soweit man das anhand dieser Zeilen sagen kann, fungieren die Druiden im Wesentlichen als Propheten, Wahrsager und Hüter alten und obskuren Wissens. Sie brauen auch den goldenen Met, der Könige und adlige Krieger berauscht, also die Personen, die sich ein solch teures Getränk leisten können.

Was hältst Du von dem Hinweis, der die Druiden mit einem Gewand aus Hitze in Verbindung bringt? Es wäre verlockend, das mit bestimmten Formen von Wärme generierender Yoga in Verbindung zu bringen. Der tibetanische g Tummo-Ritus zeigt, dass es selbst in unserer Zeit Leute gibt, die extreme Kälte aushalten können, indem sie in einen Trancezustand gehen, der durch fein abgestimmte Atemübungen und luzide Imagination massive Hitze generiert. Ein paar vage Hinweise in der mittelalterlichen Literatur von Wales zeigen, dass diese Vorstellung in Britannien existierte, wenn nicht gar eine ähnliche Praxis. Darf ich König Arthurs älteren Ziehbruder Cei erwähnen, dessen Haut so heiss war, dass Regen über ihm verdampfte? Und wie wäre es hiermit: Und ich schickte mich an, im Meer zu schwimmen, bis ich zur Insel der nackten Mönche kam, und dort erlernte der Ritter von der Laterne zuerst sein Druidentum. Und grobe, splitternackte Leute waren sie, denn weder Wind noch Kälte, weder Sonne noch Regen störte sie. Dieses Stückchen Prosa stammt aus einer spätmittelalterlichen Romanze namens Der Hund mit den gestutzten Ohren. Wie man sieht, waren manche Leute im wilden gälischen Westen offenbar imstande, ein Kleid aus Hitze zu tragen. Ob das Erzeugen von Körperwärme wohl Teil druidischer Magie war? Wir werden es wohl nie genau wissen. Und zu guter Letzt ein weiterer kurzer Hinweis aus den vier alten Büchern von Wales:

Oft ist es zu Allerheiligen, dass die Heidekrautspitzen graubraun sind,

hoch schäumt die Woge der See, kurz ist der Tag:-

Druide, was ist dein Rat?

(SBvC 30)

Solche Andeutungen geben natürlich viel Anlass zu Spekulationen. Eine Anzahl romantisch veranlagter Autoren, darunter Lewis Morris, William Owen Pugh, Edward Williams, Reverend Edward Davies und Algernon Herbert postulierten, die bardische Poesie Nordbritanniens und Wales´ enthalte – in verschleierter Form – etwas von der verloren gegangenen Weisheit der Druiden. Das war eine faszinierende, stimulierende Hypothese, wenn auch schwer zu beweisen, da so wenig bekannt ist über die tatsächliche druidische Weisheit. Mangel an Beweisen hat aber noch nie einen romantischen Geist von irgendetwas abgehalten. Wenn Menschen nach anbetungswürdigen Teilen uralter Weisheit gieren, finden sie sie auch, selbst wenn sie sie persönlich erfinden müssen.

Das 19. Jahrhundert war ein Höhepunkt des Erfindens uralter Weisheiten. Außer den Leuten, die das Druidentum neu erfanden, indem sie Seltsames mit mittelalterlicher Poesie anstellten, gab es zahlreiche andere, die gern beweisen wollten, dass das Druidentum in Wirklichkeit eine frühe Form des Hinduismus, Buddhismus, Christentums, Odinismus oder etwas Ähnliches gewesen sei. Viele Schriftsteller waren Teil dieser Bewegung und manche von ihnen, wie beispielsweise Williams, Davies und Herbert, arrangierten die alten bardischen Lieder im Buch Taliesin neu und übersetzten sie tendenziös, um ihren persönlichen Standpunkt zu bekräftigen. Williams und Pugh fügten sogar (in bester Absicht) selbst verfasste Zeilen hinzu, was man nur als bewusste Fälschung bezeichnen kann. Als Lady Guest dann ganz unschuldig einige dieser manipulierten Verse in ihre klassische Übersetzung des Mabinogi aufnahm, war der Schaden schon angerichtet. Ein derartiger Ausbruch kreativer Geschichtsschreibung konnte nicht vor sich gehen, ohne eine ähnlich drastische Gegenreaktion hervorzurufen. Als Nash die erste nüchterne Übersetzung der Taliesin-Lieder herausbrachte (1858), wies er ausdrücklich darauf hin, dass er jeglichen druidischen Mysterien, die angeblich in dem Text verborgen seien, mit äußerster Skepsis gegenüberstehe. Skene veröffentlichte 1868 eine noch vorsichtigere Wiedergabe der Four Ancient Books of Wales, die keinen Romantiker glücklich machte, da sie mehr Fragen aufwarf als beantwortete. Eine so nüchterne Wiedergabe wurde zwar dringend benötigt, sie hielt aber die romantische Bewegung trotzdem nicht davon ab, die Druiden zu erfinden, die sie sich wünschte.

 

An diesem Punkt lassen wir die Frage hinter uns, wer die Druiden wirklich waren, und betreten das Feld der Politik. Im 19. Jahrhundert war die Geschichtswissenschaft nicht sehr hoch entwickelt, und die Archäologie war noch ganz am Anfang. Als Gelehrte herauszufinden versuchten, wie die alten Völker Nordeuropas wirklich gewesen waren, taten sie das, indem sie lasen, was die griechischen und römischen Autoren der Antike zu dem Thema geschrieben hatten. Das war sicher besser als völlige Unwissenheit, aber es führte zu einer stark mit Vorurteilen behafteten Einstellung. Nur wenige klassische Autoren waren tatsächlich nördlich der Alpen gewesen, und von den wenigen, die es waren, machten sich nicht viele etwas aus Ethnologie, sondern hatten vielmehr ein Interesse daran, ihre Leser aus verschiedensten Gründen zu täuschen. Die Primärquelle für die Bedingungen im vorrömischen Gallien war Julius Cäsar, ein brillianter Stratege, aber fragwürdiger Ethnograph, der ein beträchtliches Interesse daran hatte, die Fakten zu verzerren, um seine Eroberung Galliens in den Augen des Senats und der Steuerzahler legitim erscheinen zu lassen.

Den Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts war klar, dass sie sich nicht einfach auf alles verlassen konnten, was in ferner Vergangenheit niedergeschrieben worden war, aber da ihnen eine funktionelle Archäologie fehlte, konnten sie keine unabhängigen Überprüfungen alter Geschichten durchführen. Trotz dieser Schwierigkeiten taten sie ihr Bestes. Leute, die Fragen stellen, wollen Antworten, vorzugsweise einfache, und diese Gelehrten taten ihr Bestes, um sie zu beantworten. Manche von den Fabeln, die sie erfanden, kursieren noch heute. Allerdings nicht so sehr unter Historikern oder Archäologen, sondern in populären Büchern, Filmen, Fernsehprogrammen und ganz massiv in den neuheidnischen Religionen und der New-Age-Bewegung. Wenn wir etwas über die Natur des Druidentums und der keltischen Religionen erfahren wollen, müssen wir die verschiedenen Mythen, die in den letzten zwei Jahrhunderten erfunden wurden, vergessen.

Druiden in der klassischen Zeit

Wie das Druidentum entstand, wo und wie es sich entwickelte und wozu es gut war, sind Fragen, die wir getrost vergessen können, da niemand die Antwort darauf kennt. Unsere ersten Hinweise auf Druiden stammen aus den Federn einer Anzahl von griechischen und römischen Schriftstellern. Einige wenige von ihnen lebten zur Zeit des Niedergangs des Druidentums, aber die meisten von ihnen lebten in einer Zeit, nachdem das römische Imperium das Druidentum verboten hatte. Dennoch handelt es sich um die einzigen Quellen, die in etwa zeitgleich über das Druidentum berichten. Das bedeutet aber nicht, dass wir ihnen vorbehaltlos trauen dürfen. Die Römer hatten keine besondere Sympathie für die Druiden und gute Gründe, hässliche Lügen über sie zu verbreiten. Die Druiden hätten ihrerseits vielleicht allerhand Hässliches über die Römer zu berichten gewusst, aber sie gehörten zur Verliererseite und schrieben keine Bücher, und so sind ihre Proteste dem Vergessen anheim gefallen. Die Römer sind zwar keine glaubwürdigen Zeugen, aber sie schrieben wenigstens einige Passagen zu dem Thema. Ohne ihre Berichte wüssten wir kaum, dass Druiden überhaupt existiert haben.

Laut Diogenes Laertius hatten die berühmten Autoren Aristoteles und Sotion Druiden in Büchern erwähnt, die die Zeiten nicht überdauert haben. In Bezug auf sie schrieb Diogenes in seinem Leben der Philosophen, dass die Kelten und die Galater über Seher verfügten, die sie als Druiden und Semnotheoi (ein Wort mit ungewisser Bedeutung, das vielleicht „verehrte Götter” bedeutet) bezeichneten. Diese Seher verkündeten ihre Prophezeiungen in Form von Rätseln und dunklen Aussprüchen und lehrten, dass die Götter verehrt werden müssen, nichts Böses getan werden darf und mannhaftes Verhalten gepflegt werden muss.

Obwohl Diogenes im 3. Jahrhundert unserer Zeit schrieb, stammen seine Quellen immerhin aus dem 2. Jahrhundert vor unserer Zeit, was seine beiläufige Bemerkung zum ältesten Hinweis auf Druiden macht, von dem wir wissen.

Als nächstes in der chronologischen Reihenfolge kommen die Schriften von Gaius Julius Cäsar, der die längsten Passagen über Druiden schrieb, die überlebt haben. Seine Beschreibungen sind zu lang, um hier in voller Länge wiedergegeben zu werden, daher empfehle ich, dass Du Dir eine Ausgabe seines Buches De Bello Gallico besorgst und liest. Die meisten Bemerkungen über die Druiden und die Religionen der Gallier stehen im sechsten Buch, aber es hilft auch, wenn man die anderen liest, da man dadurch eine Vorstellung vom kulturellen Kontext und der Person bekommt, die den Text geschrieben hat. Trotz seiner unmenschlichen Grausamkeit kultivierte der Autor einen lockeren, unterhaltsamen Stil. Will man Julius Cäsar verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass er Angehöriger einer adligen, aber verarmten Familie war, dass er außerordentlich schlau war und dass sein politischer Ehrgeiz praktisch keine Grenzen kannte. Durch diverse Intrigen erreichte er es, dass er zum Statthalter wurde, der für Kleingallien verantwortlich war, eine römische Provinz, die Teile Norditaliens und der Alpen umfasste. Die Einkünfte dieser Provinz reichten kaum für Gaius Julius´ finanzielle Bedürfnisse aus, weshalb es ihm rasch gelang, einen guten, moralisch gerechtfertigten Grund zu finden, in Gallien selbst einzufallen, das bis dahin ein freies Land gewesen war.

In den folgenden Jahren eroberte und besetzte er nach und nach ganz Gallien sowie kurzzeitig Südbritannien und häufte immense Reichtümer aus geplünderten Städten und blühendem Sklavenhandel an, bis er genug finanzielle und militärische Unterstützung besaß, um nach Rom zurückzukehren, die Republik zu stürzen und sich selbst zum ersten der Cäsaren zu machen. Dazu hatte er mit viel Widerstand in Gallien zu kämpfen, aber noch mehr mit dem römischen Senat, der nicht besonders glücklich darüber war, dass Gaius Julius Steuern verschwendete, um ein Land zu besetzen, das barbarisch zu sein und für das römische Volk wenig Wert zu haben schien.


Mehrere Blickwinkel: doppelgesichtige Gottheiten

Oben links: Münze der Mediomatriker. Münzen mit Janusköpfen wurden zuerst aus Rom importiert, aber einige gallische Stämme stellten sie selbst her, da die Idee mit ihrem Glauben übereinstimmte.

Oben rechts: Goldener Fingerring aus Rodenbach mit doppeltem Gesicht.

Unten: Doppelgesicht mit dem Schnabel eines Wasservogels (?) oder Überrest einer Blätterkrone, ursprünglich Säulenkapitell im Tempel von Roquepertuse.

Cäsar sah die Druiden als politisches Problem an. In der Mitte des ersten Jahrhunderts vor unserer Zeit waren die Druiden, wenn man seinem Bericht trauen darf, eine Kaste. Cäsar schrieb, die Gesellschaft Galliens teile sich in drei Kasten. Während das gemeine Volk, wie er es ausdrückte, „fast wie Sklaven” behandelt wurde, hatten die Druiden so große Macht und Privilegien, dass sie keine Steuern zahlen und keinen Kriegsdienst leisten mussten. Diese Druiden mögen Philosophen und Priester gewesen sein, aber was Cäsar wirklich Sorgen machte, war ihre Funktion als Gesetzgeber, Richter, Ärzte und Gelehrte. Sie vollzogen öffentliche und private Opfer, erzogen die jungen Adligen, sprachen Recht und berieten die Herrscher. Das macht es wahrscheinlich, dass das Gallien der Tage Cäsars eine theokratische Gesellschaft war und die Druiden ihre inoffiziellen Herrscher. Menschen, die ein Opfer darbringen wollten, taten das durch einen Druiden, der als Vermittler zwischen den Göttern und der Bevölkerung diente.

Cäsar berichtet uns, dass die Druiden Galliens unter der Herrschaft eines Erzdruiden standen und dass alle gallischen Druiden sich einmal im Jahr im Zentrum Galliens zu versammeln pflegten, im Land der Karnuten, in einer geweihten Konklave (einige moderne Forscher glauben, dass es sich dabei um Chartres gehandelt haben könnte). Vielleicht sollten wir diese Idee einmal kritisch untersuchen.

Als Cäsar kam, um Gallien zu erobern (59–49 vor unserer Zeit) fand er das Land nicht als geeinte Nation vor, sondern als ein Konglomerat unterschiedlicher Stämme, von denen die meisten nicht auf gutem Fuß mit ihren Nachbarn standen. Das ist sehr typisch für die keltischen Völker – dass es ihnen nie gelungen war, einen zentralistisch orientierten Staat oder eine einheitliche Religion zu entwickeln. Diese Stämme hatten ähnliche Sprachen (zumindest einige von ihnen) und sahen auch einigermaßen ähnlich aus (in den Augen der römischen Eroberer jedenfalls), aber sie verehrten nicht alle die gleichen Götter. Um seinem römischen Publikum die Sache zu erleichtern, behauptete Cäsar, die gallischen Völker würden alle von einer mysteriösen Ahnengottheit namens Dis abstammen (das ist ein römischer Ausdruck für den Gott des Todes und der Unterwelt) und das übliche römische Pantheon verehren – Merkur, Apollo, Mars, Jupiter und Minerva. Natürlich waren das nicht die Namen, unter denen die Völker Galliens ihre Götter verehrten. Cäsar in seiner Arroganz machte sich nicht die Mühe, die lokalen Gottheiten richtig darzustellen, sondern gab einfach ihre römischen Entsprechungen an. Er war nicht der einzige Autor, der dies tat. Wer kümmerte sich denn überhaupt um die barbarischen Götter einer fremden Kultur?

Archäologische Forschungen haben Hinweise auf fast vierhundert verschiedene Gottheiten im Gallien der Antike erbracht, was ganz klar zeigt, dass Cäsars Bericht trotz seiner guten Lesbarkeit etwas zu simpel gefasst war, um wahr zu sein. Einige waren Stammesgottheiten oder Götter, denen bestimmte Funktionen zugeordnet wurden, andere wurden stark mit bestimmten Flüssen, Bergen, Wäldern oder Stammesland in Verbindung gebracht und waren daher kaum von Bedeutung für Stämme, die in anderen Teilen des Landes siedelten. Religion war in Gallien wie in den anderen Ländern, die lose als „die keltische Welt” bezeichnet werden, eine hoch komplizierte Angelegenheit. Genauso war auch Gallien nicht einfach in drei Teile geteilt, wie Cäsar behauptete, um die politische Situation verständlicher zu gestalten. Josephus, der Historiker, der über die jüdische Revolte im ersten Jahrhundert nach Christus schrieb, bezeichnete Gallien als die Milchkuh des römischen Imperiums, es würde aus mehr als dreihundert Stämmen bestehen, die von einer einzigen Legion beherrscht wurden. Dass das möglich war und dass Cäsar mit seiner ursprünglichen Streitmacht von nur einer Legion sich erfolgreich an die Eroberung Galliens wagen konnte, ist ein guter Beweis dafür, dass Gallien zu seiner Zeit keine nennenswerte politische Einheit bildete. Wie er behauptete, wurde Cäsar wiederholt um römische Unterstützung eines gallischen Stammes gegen den anderen gebeten. Der zukünftige Imperator tat das natürlich nur zu gern, hauptsächlich deshalb, weil jeder Stamm, der um seine Hilfe bat, eine Menge Soldaten und Vorräte zu liefern hatte, während jeder Stamm, der sich der römischen Armee entgegenstellte, schon bald auf dem Weg zum Sklavenmarkt war. Das und die großzügigen Mengen an Gold, die offen in den Tempeln herumlagen (Diodor übertreibt – gallisches Gold sah gut aus, beschränkte sich aber oft auf einen hauchdünnen Überzug) waren ausreichende Gewinne, um Cäsars zukünftige Karriere zu finanzieren.

Es stellte sich als höchst effiziente Strategie heraus, Kelten gegen andere Kelten kämpfen zu lassen. Und nun bedenke bitte, wieviel Kontrolle die Druiden über die Bevölkerung hatten, und an die Behauptung, alle Druiden hätten unter der Kontrolle eines Erzdruiden gestanden. Hätte eine Politik nach dem Prinzip „teile und herrsche” funktioniert, wenn so etwas wie ein Zentralrat der Druiden existiert hätte? Wie hätte so ein Rat wohl über Stämme gedacht, die den römischen Eroberer in das Land einluden, um die eigenen Nachbarn loszuwerden? Wenn dieser Rat existierte, und wenn er tatsächlich so mächtig war, wie Cäsar behauptete, warum ließ er dann überhaupt zu, dass so eine Eroberung stattfand? Aber fahren wir mit dieser seltsamen Geschichte fort.

 

Mnas Brictas: Magiebegabte Frauen

Oben links: Silberne Figur vom Krater von Vix, späte Hallstattzeit.

Oben rechts: Bild von einem Bronzeeimer, Váce, Jugoslawien.

Unten links: Kelto-iberische Bronzefigur, ein populärer Import aus Spanien, gefunden in Aust-on-Severn, Glos., England.

Unten Mitte: Tänzerin, Bronzefigur aus einer Serie neun nackter Tänzer beiderlei Geschlechts (sowie ein Hirsch, ein Pferd und drei wilde Eber) die an den Ufern der Loire bei Neuvy-en-Sullias vergraben gefunden wurden, in der Nähe von Orléans, Frankreich, nahe dem Kultplatz Fleury. Ungewisses Alter. Unten rechts: Mysteriöse Statue einer Frau mit Schlange (ihre Genitalien sind das Schlangenei), Oo-Tal, Frankreich. Die Datierung ist umstritten, frühe Hallstattzeit oder frühmittelalterliche Periode (Eva und die Schlange?) sind möglich.

Cäsar behauptete, vor der Eroberung hätten mehrere gallische Fürsten versucht, die Oberherrschaft über alle Stämme zu erringen. Der Bruder eines dieser Adligen, ein gewisser Diviciacus (oder Divitciacus) wurde ein enger Freund Cäsars und tat viel für die Stärkung der Römerherrschaft in Gallien. Er könnte für uns von Interesse sein, da Cäsar sein Wissen über das Druidentum und die gallischen Religionen möglicherweise von ihm hatte. Cäsar hatte nichts für Druiden übrig. Zum einen waren sie ein politisches Ärgernis. Und zum anderen, so schrieb er, hatten die Druiden eine Anzahl widerlicher Methoden für Menschenopfer aus religiösen Gründen. Das Rom zur Zeit Cäsars hatte nichts mehr für Menschenopfer übrig, daher hatten blutrünstige, von Druiden durchgeführte Opfer einen hohen Wert für die Propaganda und bewiesen ein für alle Mal, wie barbarisch diese Priesterkaste war. Nimm bitte zur Kenntnis, dass Cäsar keinerlei Skrupel hatte, ganze Stämme in die Sklaverei zu verkaufen, und die römischen Bürger, die sich angeekelt von Menschenopfern abwandten, gewalttätige Zirkusspiele über alles liebten, bei denen pro Festtag Hunderte bis Tausende von Menschen ums Leben kamen.

Wie auch immer, Cäsar schrieb, die Druiden würden widerliche Dinge aus religiösen Gründen tun (anders als die Römer, die sie aus zivilisierten Gründen taten, wie zum Beispiel Profit und Unterhaltung). Er erwähnte nie, dass der Adlige Diviciacus, sein guter Freund, auch Druide war. Dieses kleine Detail wurde von Cicero festgehalten, der Diviciacus in Rom traf. Offenbar konnte der Druide, denn so nannte Cicero ihn, Vorhersagen treffen, die auf Omen und Schlussfolgerungen beruhten. Indem er Cäsar und die römische Armee in sein Land ließ, hatte Diviciacus nicht nur die Karriere seines Bruders Dumnorix ruiniert, sondern war auch verantwortlich für die Einigung Galliens unter römischer Herrschaft. Das sieht nicht nach einem Druiden aus, der auf Befehl eines pangallischen Druidenrates agierte. Es bringt auch die Frage auf, ob der Rat überhaupt existierte.

Und ich frage mich, an welche Art von Ethik Diviciacus eigentlich glaubte, da die Eroberung Galliens etwa 60.000 Leute das Leben gekostet hatte. Sei es, wie es sei, Cäsar bietet einen Einblick in die spirituellen Vorstellungen der Druiden. Er behauptete, dass die Ausbildung eines Druiden bis zu zwanzig Jahre dauern konnte, wobei er die meiste Zeit mit dem Auswendiglernen von Wissen in der Gestalt von Versen verbrachte. Wie er schrieb, waren die Druiden nicht damit einverstanden, wichtiges Wissen niederzuschreiben, obwohl die Gallier für weniger wichtige Angelegenheiten von etwas Gebrauch machten, was für Cäsar wie das griechische Alphabet aussah. Er zeichnete auch auf, dass die Druiden Galliens häufig nach Britannien reisten, um eine gute Ausbildung zu erhalten. Abgesehen davon, dass sie über die Sterne, Kalender und die Natur des Universums diskutierten, glaubten die Druiden auch daran, dass die Seelen nicht sterben, sondern nach dem Tod auf jemand anders übergehen. Seiner Meinung nach handelte es sich bei diesem Glauben um eine nützliche Motivationsstrategie, um furchtlose Krieger heranzuziehen. Trotz all seiner Schwächen ist Cäsars Bericht die detaillierteste Beschreibung der Druiden, die existiert. Sie hebt die politischen Funktionen der gallischen Druiden hervor und hält ihre religiöse Funktion im Hintergrund. Die gallischen Druiden, mit ihrem Monopol auf Wissen, Religion, Recht, Wissenschaft, Medizin und Bildung, waren ganz klar ein Problem im Hinblick auf die Herrschaft über das Land.

Eine Anzahl Gelehrter im 18. und 19. Jahrhunderts ging davon aus, es würde sich bei Cäsars Bericht um eine objektive Beschreibung handeln, wie es der kolonialistischen und imperialistischen Sichtweise ihrer Zeit entsprach. Während mehrere Zeitgenossen Cäsars seinen seltsamen Berichten über Gallien eher skeptisch gegenüberstanden, bewunderten nicht wenige Akademiker des 19. Jahrhunderts den siegreichen Strategen und nahmen seinen Bericht als die reine Wahrheit. Viele verallgemeinerten, was Cäsar über die Lage in Gallien gesagt hatte, und postulierten, dass alle keltischen Völker, nicht nur die keltischen Gallier, von einer druidischen Theokratie regiert würden. Obgleich diese Theorie noch heute populär ist, steht sie auf etwas wackligem Boden. Damals gab es in vielen europäischen Ländern keltische Völker. Im Bericht über die norditalienischen Kelten tauchen keine Druiden auf. Um Gallien zu erreichen, musste Cäsar an den Kelten der Alpen vorbei, aber er machte sich nie die Mühe, irgendwelche Druiden unter ihnen zu erwähnen. Noch erwähnte er irgendwelche Druiden, als er den Kanal überquerte und in Britannien einfiel. Das ist ein bisschen seltsam, wenn wir bedenken, dass er früher geschrieben hatte, die gallischen Druiden würden zu ihrer Ausbildung gern nach Britannien reisen. Wenn Britannien ein solcher Brennpunkt des Druidentums war, warum erwähnte er dann keinerlei Druiden, als er von seinen Kämpfen und Konferenzen mit den Einheimischen berichtete? Mittel- und Süddeutschland waren ebenso keltisch wie Gallien, aber die römischen Historiker zeichneten nichts über dortige Druiden auf. Cäsar behauptete geschmeidig, die „Germanen” (also jeder, der östlich des Rheins lebte) hätten keine Druiden, keine richtigen Götter und auch keine Schwäche für Opfer. Angesichts dessen, was die Archäologen in den letzten Jahrzehnten zu Tage gefördert haben, ist die Bemerkung über Götter und Opfer völlig falsch.

Wenn man solche Kommentare verstehen will, sollte man bedenken, dass Cäsar die Begriffe „Gallien” und „Germanien” praktisch erfunden und ein starkes Interesse daran hatte, zu zeigen, dass Ersteres ein reiches Land war, das es wohl wert war, erobert zu werden, während es sich bei Letzterem um einen finsteren Sumpf handelte, von Wilden bewohnt, die man am Besten sich selbst überließ. Viele wichtige Leute in Rom hielten alle, die nördlich der Alpen lebten, für unzivilisierte Barbaren und zweifelten ernsthaft daran, ob Cäsars zehn Jahre dauernder Feldzug das Geld der Steuerzahler wert sei. Sie sorgten sich auch darum, dass Cäsar unethische Methoden bei seinen Eroberungen brauchte, und nach einem besonders schmutzigen Massaker diskutierte der Senat ernsthaft darüber, ob Cäsar an die Barbaren ausgeliefert werden sollte (damit sie mit ihm nach Belieben verfahren könnten). Man argumentierte, Julius Cäsars Erfolg, der auf gebrochenen Gelöbnissen, misshandelten Botschaftern und einer Anzahl gewalttätiger Gräueltaten beruhe, könne vielleicht die Götter des römischen Staates verärgern und göttlichen Zorn über alle bringen. Allerdings war das Massaker ein großer finanzieller Erfolg für Julius Cäsar gewesen, der eine Anzahl von Senatoren bestach und so der Todesstrafe entging. Sei es, wie es sei, es gibt keine Hinweise auf Druiden in den „germanischen” Teilen des Imperiums. Obgleich mehrere römische Schriftsteller festhielten, es gebe Priester und Priesterinnen irgendeiner Art in Mitteleuropa, bezeichnete sie keiner als Druiden. Und es gibt auch keine Hinweise auf Druiden in den ostkeltischen Ländern, wie zum Beispiel Tschechien und Rumänien, oder im Süden, bei den Kelten Spaniens und Portugals. Poseidonios, von dem Strabo und Cäsar einige ihrer Geschichten über Druiden hatten, hatte mehrere keltische Völker in Spanien und Gallien besucht. Strabo zitiert ihn im Hinblick auf einige abstoßende Wahrsagemethoden (wie beispielsweise das Lesen aus Eingeweiden), die von den Keltiberern an Menschen vollzogen worden seien, aber obwohl das ziemlich ähnlich klingt wie das, was er über die gallischen Druiden berichtete, wurden die keltiberischen Priester, was auch immer sie gewesen sein mögen, nicht als Druiden bezeichnet. Es ist auch zweifelhaft, ob eine so strikt theokratische und vermutlich zentralistisch ausgerichtete Institution wie das gallische Druidentum im ländlichen Iberien funktioniert hätte (s. F. Simon, 1998), wo es um Einiges rauer zuging. Wir hören auch kein Wort über die druidische Reinkarnationstheorie aus Spanien. Stattdessen berichtet Silius Italicus, dass